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Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856.

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Theoretikers der Gegenwart. Staunton gab im Jahre 1847
den Engländern eine höchst verdienstvolle Bearbeitung in
seinem Handbook und folgte in Anordnung und Inhalt
dem grossen deutschen Werke. Alexandre endlich stellte
1837 sämmtliche Analysen aller bis dahin erschienenen Werke
in einer grossen Encyklopädie zusammen und liess dieser
später eine ähnliche Compilation von 2000 der schönsten
bekannt gewordenen Endspiele und Probleme folgen. Der
Palamede erschien zuerst im Jahre 1837 unter der Leitung
von Labourdonnais, später unter St. Amant. Er ging mit
der Februarrevolution unter, und statt seiner schuf Kise-
ritzky
die Zeitschrift "la Regence", welche mit dem Tode
dieses Meisters ihr Ende fand. Die Chess Players Chro-
nicle wurde von Staunton redigirt. Einige andere englische
Monatsschriften, welche später erstanden, gingen schnell
wieder ein, ebenso wie die deutsche Schachzeitung in
Leipzig, welche nur ein Paar Jahrgänge (1846, 1847) er-
lebte. Die Berliner Schachzeitung hielt sich trotz ver-
hängnissvoller Jahre; in neuester Zeit concurrirt mit ihr
die Wiener Schachzeitung unter der Redaction des geist-
reichen Meisters Falkbeer. Wir hoffen, dass bei so treuer
weitverbreiteter Schachfreundschaft der Deutschen beide
trefflich redigirte Blätter sich halten mögen, um so mehr,
als ihre Natur sie auf zwei gesonderte Gebiete, auf Nord-
und Süddeutschland, anzuweisen scheint.

§. 442. Neben umfassender Ergründung des Anfanges
der Partie war man auf der anderen Seite auch besonders
thätig für die Ausbildung des Endspieles (welche vorzüglich
von Kling und Horwitz gefördert wurde) und der künstlichen
Spiele oder sogenannten Probleme. Nach dem schon von
Stamma gezeigten Werthe der Ueberlegenheit einer Position
materieller Uebermacht gegenüber gingen neuere Problem-
künstler (wie Mendheim, Bone, Brede, Schmidt) auf diesem
Wege weiter, indem sie theils durch Bedingungen die Schwie-
rigkeiten häuften, theils (wie Lichtenstein) vollständig ge-
künstelte Positionen erfanden. In neuerer Zeit gewann auch
hier durch Gründung der periodischen Blätter die gediege-
nere Ausarbeitung einzelner Ideen, namentlieh der einzelnen
Figureneigenschaften, grössere Anerkennung und führte zur
Erzeugung der einfachsten und schönsten Probleme, wie sie
unter Anderen von v. Oppen, Anderssen, Eichstädt, Salpius,
Capretz, Nathan, Leow und vorzüglich von C. Bayer compo-
nirt wurden. Die kritische und wissenschaftliche Behand-
lung war vorzugsweise in den deutschen Organen, nament-
lich durch die meisterhafte Feder eines v. Oppen, vertreten.

Theoretikers der Gegenwart. Staunton gab im Jahre 1847
den Engländern eine höchst verdienstvolle Bearbeitung in
seinem Handbook und folgte in Anordnung und Inhalt
dem grossen deutschen Werke. Alexandre endlich stellte
1837 sämmtliche Analysen aller bis dahin erschienenen Werke
in einer grossen Encyklopädie zusammen und liess dieser
später eine ähnliche Compilation von 2000 der schönsten
bekannt gewordenen Endspiele und Probleme folgen. Der
Palaméde erschien zuerst im Jahre 1837 unter der Leitung
von Labourdonnais, später unter St. Amant. Er ging mit
der Februarrevolution unter, und statt seiner schuf Kise-
ritzky
die Zeitschrift „la Régence“, welche mit dem Tode
dieses Meisters ihr Ende fand. Die Chess Players Chro-
nicle wurde von Staunton redigirt. Einige andere englische
Monatsschriften, welche später erstanden, gingen schnell
wieder ein, ebenso wie die deutsche Schachzeitung in
Leipzig, welche nur ein Paar Jahrgänge (1846, 1847) er-
lebte. Die Berliner Schachzeitung hielt sich trotz ver-
hängnissvoller Jahre; in neuester Zeit concurrirt mit ihr
die Wiener Schachzeitung unter der Redaction des geist-
reichen Meisters Falkbeer. Wir hoffen, dass bei so treuer
weitverbreiteter Schachfreundschaft der Deutschen beide
trefflich redigirte Blätter sich halten mögen, um so mehr,
als ihre Natur sie auf zwei gesonderte Gebiete, auf Nord-
und Süddeutschland, anzuweisen scheint.

§. 442. Neben umfassender Ergründung des Anfanges
der Partie war man auf der anderen Seite auch besonders
thätig für die Ausbildung des Endspieles (welche vorzüglich
von Kling und Horwitz gefördert wurde) und der künstlichen
Spiele oder sogenannten Probleme. Nach dem schon von
Stamma gezeigten Werthe der Ueberlegenheit einer Position
materieller Uebermacht gegenüber gingen neuere Problem-
künstler (wie Mendheim, Bone, Brede, Schmidt) auf diesem
Wege weiter, indem sie theils durch Bedingungen die Schwie-
rigkeiten häuften, theils (wie Lichtenstein) vollständig ge-
künstelte Positionen erfanden. In neuerer Zeit gewann auch
hier durch Gründung der periodischen Blätter die gediege-
nere Ausarbeitung einzelner Ideen, namentlieh der einzelnen
Figureneigenschaften, grössere Anerkennung und führte zur
Erzeugung der einfachsten und schönsten Probleme, wie sie
unter Anderen von v. Oppen, Anderssen, Eichstädt, Salpius,
Capretz, Nathan, Leow und vorzüglich von C. Bayer compo-
nirt wurden. Die kritische und wissenschaftliche Behand-
lung war vorzugsweise in den deutschen Organen, nament-
lich durch die meisterhafte Feder eines v. Oppen, vertreten.

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[258/0270] Theoretikers der Gegenwart. Staunton gab im Jahre 1847 den Engländern eine höchst verdienstvolle Bearbeitung in seinem Handbook und folgte in Anordnung und Inhalt dem grossen deutschen Werke. Alexandre endlich stellte 1837 sämmtliche Analysen aller bis dahin erschienenen Werke in einer grossen Encyklopädie zusammen und liess dieser später eine ähnliche Compilation von 2000 der schönsten bekannt gewordenen Endspiele und Probleme folgen. Der Palaméde erschien zuerst im Jahre 1837 unter der Leitung von Labourdonnais, später unter St. Amant. Er ging mit der Februarrevolution unter, und statt seiner schuf Kise- ritzky die Zeitschrift „la Régence“, welche mit dem Tode dieses Meisters ihr Ende fand. Die Chess Players Chro- nicle wurde von Staunton redigirt. Einige andere englische Monatsschriften, welche später erstanden, gingen schnell wieder ein, ebenso wie die deutsche Schachzeitung in Leipzig, welche nur ein Paar Jahrgänge (1846, 1847) er- lebte. Die Berliner Schachzeitung hielt sich trotz ver- hängnissvoller Jahre; in neuester Zeit concurrirt mit ihr die Wiener Schachzeitung unter der Redaction des geist- reichen Meisters Falkbeer. Wir hoffen, dass bei so treuer weitverbreiteter Schachfreundschaft der Deutschen beide trefflich redigirte Blätter sich halten mögen, um so mehr, als ihre Natur sie auf zwei gesonderte Gebiete, auf Nord- und Süddeutschland, anzuweisen scheint. §. 442. Neben umfassender Ergründung des Anfanges der Partie war man auf der anderen Seite auch besonders thätig für die Ausbildung des Endspieles (welche vorzüglich von Kling und Horwitz gefördert wurde) und der künstlichen Spiele oder sogenannten Probleme. Nach dem schon von Stamma gezeigten Werthe der Ueberlegenheit einer Position materieller Uebermacht gegenüber gingen neuere Problem- künstler (wie Mendheim, Bone, Brede, Schmidt) auf diesem Wege weiter, indem sie theils durch Bedingungen die Schwie- rigkeiten häuften, theils (wie Lichtenstein) vollständig ge- künstelte Positionen erfanden. In neuerer Zeit gewann auch hier durch Gründung der periodischen Blätter die gediege- nere Ausarbeitung einzelner Ideen, namentlieh der einzelnen Figureneigenschaften, grössere Anerkennung und führte zur Erzeugung der einfachsten und schönsten Probleme, wie sie unter Anderen von v. Oppen, Anderssen, Eichstädt, Salpius, Capretz, Nathan, Leow und vorzüglich von C. Bayer compo- nirt wurden. Die kritische und wissenschaftliche Behand- lung war vorzugsweise in den deutschen Organen, nament- lich durch die meisterhafte Feder eines v. Oppen, vertreten.

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Zitationshilfe: Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/270>, abgerufen am 23.11.2024.