in ihnen schwerlich grosse Harmonie herrschen, noch im Spielen selbst ein gediegener Genuss gefunden wird. Wer sich darüber ausführlich unterrichten will, möge die kleine aber höchst unklar geschriebene Schrift von "Walter Tesche, über das Dreischachspiel" nachlesen.
§. 331. Weit gebräuchlicher ist das sogenannnte Vier- schach. Hier sind der Spielenden vier und zwar, wie im Whistspiele, je zwei gegen zwei. Die einfachste, wenn auch vielleicht weniger übliche Methode dieser Abart beruht auf der gewöhnlichen Spielordnung, nach welcher die feindlichen Parteien einander gegenübersitzen. Zwei gleiche Schach- bretter mit der gewöhnlichen Aufstellung der Figuren wer- den neben einander gelegt und dazu zwei in ihrer techni- schen Bildung womöglich unterschiedene Schachspiele (am einfachsten das eine von Holz, das andere von Knochen) gewählt. Die Regeln bleiben dieselben wie im gewöhnlichen Schachspiele, und diejenige Partei, deren beide Könige matt gemacht sind, hat verloren. Ist ein König matt gesetzt, so gelten die Figuren seines Spieles für todt, d. h. sie dürfen weder ziehen noch geschlagen werden. Doch erhalten sie in demselben Augenblick ihre Wirksamkeit wieder, sobald der König durch die Hülfe des Aiden, d. h. des anderen Spielers seiner Partei vom Matt befreit oder Letzteres über- haupt, z. B. durch den Gegner selbst, aufgehoben wird. Es versteht sich von selbst, dass die Figuren jedes Spieles sämmtliche Felder beider Bretter betreten können; daher dürfen die in ganzen Linien gehenden Figuren, wie Dame, Thurm und Laufer unter Umständen von der äussersten Sei- tenlinie des einen Brettes bis zu der des anderen, also über 16 Felder hinweg, sich bewegen. Nennt man die Spieler der einen, z. B. der weissen Partei A und B, die der anderen aber C und D, so dass A und B sowie C und D einander gegeübersitzen, so ist die Reihenfolge beim Ziehen kreuzweis, d. h. A, D, B, C. Besonders üblich soll diese gewiss sehr rationelle Art des Vierschachs in Mecklenburg sein, und der berühmte Schachmeister v. Bilguer soll sie bei seiner Anwesenheit in Schwerin in den dreissiger Jahren für die beste erklärt haben.
in ihnen schwerlich grosse Harmonie herrschen, noch im Spielen selbst ein gediegener Genuss gefunden wird. Wer sich darüber ausführlich unterrichten will, möge die kleine aber höchst unklar geschriebene Schrift von „Walter Tesche, über das Dreischachspiel“ nachlesen.
§. 331. Weit gebräuchlicher ist das sogenannnte Vier- schach. Hier sind der Spielenden vier und zwar, wie im Whistspiele, je zwei gegen zwei. Die einfachste, wenn auch vielleicht weniger übliche Methode dieser Abart beruht auf der gewöhnlichen Spielordnung, nach welcher die feindlichen Parteien einander gegenübersitzen. Zwei gleiche Schach- bretter mit der gewöhnlichen Aufstellung der Figuren wer- den neben einander gelegt und dazu zwei in ihrer techni- schen Bildung womöglich unterschiedene Schachspiele (am einfachsten das eine von Holz, das andere von Knochen) gewählt. Die Regeln bleiben dieselben wie im gewöhnlichen Schachspiele, und diejenige Partei, deren beide Könige matt gemacht sind, hat verloren. Ist ein König matt gesetzt, so gelten die Figuren seines Spieles für todt, d. h. sie dürfen weder ziehen noch geschlagen werden. Doch erhalten sie in demselben Augenblick ihre Wirksamkeit wieder, sobald der König durch die Hülfe des Aiden, d. h. des anderen Spielers seiner Partei vom Matt befreit oder Letzteres über- haupt, z. B. durch den Gegner selbst, aufgehoben wird. Es versteht sich von selbst, dass die Figuren jedes Spieles sämmtliche Felder beider Bretter betreten können; daher dürfen die in ganzen Linien gehenden Figuren, wie Dame, Thurm und Laufer unter Umständen von der äussersten Sei- tenlinie des einen Brettes bis zu der des anderen, also über 16 Felder hinweg, sich bewegen. Nennt man die Spieler der einen, z. B. der weissen Partei A und B, die der anderen aber C und D, so dass A und B sowie C und D einander gegeübersitzen, so ist die Reihenfolge beim Ziehen kreuzweis, d. h. A, D, B, C. Besonders üblich soll diese gewiss sehr rationelle Art des Vierschachs in Mecklenburg sein, und der berühmte Schachmeister v. Bilguer soll sie bei seiner Anwesenheit in Schwerin in den dreissiger Jahren für die beste erklärt haben.
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in ihnen schwerlich grosse Harmonie herrschen, noch im
Spielen selbst ein gediegener Genuss gefunden wird. Wer
sich darüber ausführlich unterrichten will, möge die kleine
aber höchst unklar geschriebene Schrift von „Walter
Tesche, über das Dreischachspiel“ nachlesen.
§. 331. Weit gebräuchlicher ist das sogenannnte Vier-
schach. Hier sind der Spielenden vier und zwar, wie im
Whistspiele, je zwei gegen zwei. Die einfachste, wenn auch
vielleicht weniger übliche Methode dieser Abart beruht auf
der gewöhnlichen Spielordnung, nach welcher die feindlichen
Parteien einander gegenübersitzen. Zwei gleiche Schach-
bretter mit der gewöhnlichen Aufstellung der Figuren wer-
den neben einander gelegt und dazu zwei in ihrer techni-
schen Bildung womöglich unterschiedene Schachspiele (am
einfachsten das eine von Holz, das andere von Knochen)
gewählt. Die Regeln bleiben dieselben wie im gewöhnlichen
Schachspiele, und diejenige Partei, deren beide Könige matt
gemacht sind, hat verloren. Ist ein König matt gesetzt, so
gelten die Figuren seines Spieles für todt, d. h. sie dürfen
weder ziehen noch geschlagen werden. Doch erhalten sie
in demselben Augenblick ihre Wirksamkeit wieder, sobald
der König durch die Hülfe des Aiden, d. h. des anderen
Spielers seiner Partei vom Matt befreit oder Letzteres über-
haupt, z. B. durch den Gegner selbst, aufgehoben wird. Es
versteht sich von selbst, dass die Figuren jedes Spieles
sämmtliche Felder beider Bretter betreten können; daher
dürfen die in ganzen Linien gehenden Figuren, wie Dame,
Thurm und Laufer unter Umständen von der äussersten Sei-
tenlinie des einen Brettes bis zu der des anderen, also über
16 Felder hinweg, sich bewegen. Nennt man die Spieler
der einen, z. B. der weissen Partei A und B, die der
anderen aber C und D, so dass A und B sowie C und D
einander gegeübersitzen, so ist die Reihenfolge beim Ziehen
kreuzweis, d. h. A, D, B, C. Besonders üblich soll diese
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sein, und der berühmte Schachmeister v. Bilguer soll sie
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Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/200>, abgerufen am 23.11.2024.
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