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Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856.

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indess scheinen diese Spiele eher mit unserem Damenspiel
einige Aehnlichkeit zu haben, da ihnen wahrscheinlich die
Qualität der Stücke und die Abhängigkeit des Endzweckes
von einem einzigen Steine abgeht. Auch giebt ein Vers des
Martial I, 14
Calculus hic gemino discolor hoste perit,
der sich auf das Geschenk eines Brettes bezieht, geradezu
die Regel, dass der anders gefärbte Stein d. i. der feind-
liche nur von zwei Feinden, also wahrscheinlich beim Zu-
sammentreffen, geschlagen werden kann. Kannten aber die
Römer unser Spiel, so hätten sich gewiss auch in Gallien,
wo ihre Sprache so tief eindrang, die alten Namen der
Steine erhalten, und obgleich die Gesetze des Theodosius
sich z. B. in Spanien erhielten, ist doch die Bezeichnung
der Schachfiguren dort aus dem Orient entlehnt. Denn al fil
heisst im Persischen und Arabischen der Elephant d. i. der
Laufer; ebenso heisst er im Spanischen, im Italienischen
alphiero. In Frankreich hat man bei Weglassung des Ar-
tikels aus fil den Ausdruck fou gemacht.

Man darf hiernach wohl mit Recht annehmen, dass von
den klassischen Nationen das Schachspiel nicht gekannt war,
um so mehr, als auch vielleicht der ganze Geist des klassi-
schen Alterthums einem solchen Spiele wenig hold gewesen
sein kann.

§. 151. Eine andere Verwechselung schreibt die Erfin-
dung dem griechischen Helden Palamedes von Troja zu, in-
dem man ihm die Absicht unterlegt, er habe bei der zehn-
jährigen Belagerung den leichtgeistigen Griechen die Lange-
weile kürzen wollen. Es kann auch hier nur höchstens an
die petteia oder kubeia (cubi, tesserae) erinnert werden.
Noch andere haben an zwei lydische Brüder Lydus und Tyrr-
henus gedacht, welche nach Herodot das Schachspiel aus
Hunger erfunden hätten. Wichtiger erscheint eine andere
Sage aus Persien oder Chaldäa, welche sich zwar in man-
cherlei Namenangaben spaltet, darin aber übereinstimmt,
dass ein greiser und weiser Rath eines herrischen, jungen
Königs das Spiel für letzteren erfunden und seinen Herrn
darin belehrt, gemildert und umgewandelt habe. Diese Ty-

indess scheinen diese Spiele eher mit unserem Damenspiel
einige Aehnlichkeit zu haben, da ihnen wahrscheinlich die
Qualität der Stücke und die Abhängigkeit des Endzweckes
von einem einzigen Steine abgeht. Auch giebt ein Vers des
Martial I, 14
Calculus hic gemino discolor hoste perit,
der sich auf das Geschenk eines Brettes bezieht, geradezu
die Regel, dass der anders gefärbte Stein d. i. der feind-
liche nur von zwei Feinden, also wahrscheinlich beim Zu-
sammentreffen, geschlagen werden kann. Kannten aber die
Römer unser Spiel, so hätten sich gewiss auch in Gallien,
wo ihre Sprache so tief eindrang, die alten Namen der
Steine erhalten, und obgleich die Gesetze des Theodosius
sich z. B. in Spanien erhielten, ist doch die Bezeichnung
der Schachfiguren dort aus dem Orient entlehnt. Denn al fil
heisst im Persischen und Arabischen der Elephant d. i. der
Laufer; ebenso heisst er im Spanischen, im Italienischen
alphiero. In Frankreich hat man bei Weglassung des Ar-
tikels aus fil den Ausdruck fou gemacht.

Man darf hiernach wohl mit Recht annehmen, dass von
den klassischen Nationen das Schachspiel nicht gekannt war,
um so mehr, als auch vielleicht der ganze Geist des klassi-
schen Alterthums einem solchen Spiele wenig hold gewesen
sein kann.

§. 151. Eine andere Verwechselung schreibt die Erfin-
dung dem griechischen Helden Palamedes von Troja zu, in-
dem man ihm die Absicht unterlegt, er habe bei der zehn-
jährigen Belagerung den leichtgeistigen Griechen die Lange-
weile kürzen wollen. Es kann auch hier nur höchstens an
die πεττεία oder κυβεια (cubi, tesserae) erinnert werden.
Noch andere haben an zwei lydische Brüder Lydus und Tyrr-
henus gedacht, welche nach Herodot das Schachspiel aus
Hunger erfunden hätten. Wichtiger erscheint eine andere
Sage aus Persien oder Chaldäa, welche sich zwar in man-
cherlei Namenangaben spaltet, darin aber übereinstimmt,
dass ein greiser und weiser Rath eines herrischen, jungen
Königs das Spiel für letzteren erfunden und seinen Herrn
darin belehrt, gemildert und umgewandelt habe. Diese Ty-

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[98/0110] indess scheinen diese Spiele eher mit unserem Damenspiel einige Aehnlichkeit zu haben, da ihnen wahrscheinlich die Qualität der Stücke und die Abhängigkeit des Endzweckes von einem einzigen Steine abgeht. Auch giebt ein Vers des Martial I, 14 Calculus hic gemino discolor hoste perit, der sich auf das Geschenk eines Brettes bezieht, geradezu die Regel, dass der anders gefärbte Stein d. i. der feind- liche nur von zwei Feinden, also wahrscheinlich beim Zu- sammentreffen, geschlagen werden kann. Kannten aber die Römer unser Spiel, so hätten sich gewiss auch in Gallien, wo ihre Sprache so tief eindrang, die alten Namen der Steine erhalten, und obgleich die Gesetze des Theodosius sich z. B. in Spanien erhielten, ist doch die Bezeichnung der Schachfiguren dort aus dem Orient entlehnt. Denn al fil heisst im Persischen und Arabischen der Elephant d. i. der Laufer; ebenso heisst er im Spanischen, im Italienischen alphiero. In Frankreich hat man bei Weglassung des Ar- tikels aus fil den Ausdruck fou gemacht. Man darf hiernach wohl mit Recht annehmen, dass von den klassischen Nationen das Schachspiel nicht gekannt war, um so mehr, als auch vielleicht der ganze Geist des klassi- schen Alterthums einem solchen Spiele wenig hold gewesen sein kann. §. 151. Eine andere Verwechselung schreibt die Erfin- dung dem griechischen Helden Palamedes von Troja zu, in- dem man ihm die Absicht unterlegt, er habe bei der zehn- jährigen Belagerung den leichtgeistigen Griechen die Lange- weile kürzen wollen. Es kann auch hier nur höchstens an die πεττεία oder κυβεια (cubi, tesserae) erinnert werden. Noch andere haben an zwei lydische Brüder Lydus und Tyrr- henus gedacht, welche nach Herodot das Schachspiel aus Hunger erfunden hätten. Wichtiger erscheint eine andere Sage aus Persien oder Chaldäa, welche sich zwar in man- cherlei Namenangaben spaltet, darin aber übereinstimmt, dass ein greiser und weiser Rath eines herrischen, jungen Königs das Spiel für letzteren erfunden und seinen Herrn darin belehrt, gemildert und umgewandelt habe. Diese Ty-

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Zitationshilfe: Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/110>, abgerufen am 24.11.2024.