Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.ertragen zu können, die ein reichlicheres Einkommen gewährt; Bitte um vorurteilslose 1) Man hört wohl, es möge mit der Organisation solcher Anstalten
gewartet werden, bis sich eine genügende Anzahl von Besucherinnen melde. Das ist ein sehr falscher Grundsatz. Auch Girton College wurde 1869 mit nur 5 Studentinnen eröffnet; 1885 zählte es deren schon 60 und heute finden 5 colleges ausreichend Besucherinnen. Man sieht, das Be- dürfnis wächst mit der Gelegenheit es zu befriedigen. ertragen zu können, die ein reichlicheres Einkommen gewährt; Bitte um vorurteilslose 1) Man hört wohl, es möge mit der Organisation solcher Anstalten
gewartet werden, bis sich eine genügende Anzahl von Besucherinnen melde. Das ist ein sehr falscher Grundsatz. Auch Girton College wurde 1869 mit nur 5 Studentinnen eröffnet; 1885 zählte es deren schon 60 und heute finden 5 colleges ausreichend Besucherinnen. Man sieht, das Be- dürfnis wächst mit der Gelegenheit es zu befriedigen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0067" n="66"/> ertragen zu können, die ein reichlicheres Einkommen gewährt;<lb/> eben diese größere Freiheit wird nicht wenig Einfluß auf<lb/> die Erweiterung seines Gesichtskreises haben.</p><lb/> <p><note place="left">Bitte um vorurteilslose<lb/> Prüfung des zu Grunde<lb/> liegenden Princips.</note>Wir sind am Schluß unserer Darlegung und haben<lb/> nur den lebhaften Wunsch, daß das derselben zu Grunde<lb/> liegende <hi rendition="#g">Princip</hi> einer vorurteilsfreien Prüfung unter-<lb/> zogen werde. Es ist nicht zu erwarten, daß es so schnell<lb/> einen Umsturz alles Bestehenden herbeizuführen und den<lb/> Besitzstand der <hi rendition="#g">gegenwärtig</hi> wirkenden Lehrer um ein<lb/> Wesentliches schmälern wird; es handelt sich nur um <hi rendition="#g">An-<lb/> bahnung</hi> einer Reform für die Zukunft. Es wird lange<lb/> Zeit vergehen, ehe, selbst wenn unsere Forderungen be-<lb/> willigt werden, auch nur eine oder zwei Lehrerinnen für Ober-<lb/> klassen an allen Mädchenschulen Preußens unterrichten werden.<lb/> Die Vorbedingungen, die wir zur Aufnahme in die Hoch-<lb/> schulen für Lehrerinnen stellen müssen, werden, wie die<lb/> Dinge jetzt liegen, nur von einer im Verhältnis zu dem<lb/> großen Bedürfnis geringen Anzahl von Frauen erfüllt<lb/> werden können<note place="foot" n="1)">Man hört wohl, es möge mit der Organisation solcher Anstalten<lb/> gewartet werden, bis sich eine genügende Anzahl von Besucherinnen melde.<lb/> Das ist ein sehr falscher Grundsatz. Auch <hi rendition="#aq">Girton College</hi> wurde 1869<lb/> mit nur 5 Studentinnen eröffnet; 1885 zählte es deren schon 60 und<lb/> heute finden 5 <hi rendition="#aq">colleges</hi> ausreichend Besucherinnen. Man sieht, das Be-<lb/> dürfnis wächst mit der Gelegenheit es zu befriedigen.</note>, von denen eben auch nicht alle den Lehr-<lb/> geist von Gottes Gnaden haben werden, der zum Studium<lb/> hinzukommen muß; es werden ferner bei ihrer Vorbildung<lb/> noch mancherlei Fehler gemacht werden; kurz, es wird,<lb/> daran zweifeln wir nicht im geringsten, auch mit verfehlten<lb/> Versuchen gerechnet werden müssen nach so langer Ver-<lb/> nachlässigung. Das darf niemand irre machen, der das<lb/><hi rendition="#g">Princip</hi> als richtig erkannt hat. Unserer festen Über-<lb/> zeugung nach kann eine Änderung in den unhaltbaren<lb/> Zuständen der Mädchenschulen nur durch einen <hi rendition="#g">System-<lb/> wechsel</hi> in der angedeuteten Richtung erfolgen, und so<lb/> muß denn trotz aller entgegenstehenden Schwierigkeiten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0067]
ertragen zu können, die ein reichlicheres Einkommen gewährt;
eben diese größere Freiheit wird nicht wenig Einfluß auf
die Erweiterung seines Gesichtskreises haben.
Wir sind am Schluß unserer Darlegung und haben
nur den lebhaften Wunsch, daß das derselben zu Grunde
liegende Princip einer vorurteilsfreien Prüfung unter-
zogen werde. Es ist nicht zu erwarten, daß es so schnell
einen Umsturz alles Bestehenden herbeizuführen und den
Besitzstand der gegenwärtig wirkenden Lehrer um ein
Wesentliches schmälern wird; es handelt sich nur um An-
bahnung einer Reform für die Zukunft. Es wird lange
Zeit vergehen, ehe, selbst wenn unsere Forderungen be-
willigt werden, auch nur eine oder zwei Lehrerinnen für Ober-
klassen an allen Mädchenschulen Preußens unterrichten werden.
Die Vorbedingungen, die wir zur Aufnahme in die Hoch-
schulen für Lehrerinnen stellen müssen, werden, wie die
Dinge jetzt liegen, nur von einer im Verhältnis zu dem
großen Bedürfnis geringen Anzahl von Frauen erfüllt
werden können 1), von denen eben auch nicht alle den Lehr-
geist von Gottes Gnaden haben werden, der zum Studium
hinzukommen muß; es werden ferner bei ihrer Vorbildung
noch mancherlei Fehler gemacht werden; kurz, es wird,
daran zweifeln wir nicht im geringsten, auch mit verfehlten
Versuchen gerechnet werden müssen nach so langer Ver-
nachlässigung. Das darf niemand irre machen, der das
Princip als richtig erkannt hat. Unserer festen Über-
zeugung nach kann eine Änderung in den unhaltbaren
Zuständen der Mädchenschulen nur durch einen System-
wechsel in der angedeuteten Richtung erfolgen, und so
muß denn trotz aller entgegenstehenden Schwierigkeiten
Bitte um vorurteilslose
Prüfung des zu Grunde
liegenden Princips.
1) Man hört wohl, es möge mit der Organisation solcher Anstalten
gewartet werden, bis sich eine genügende Anzahl von Besucherinnen melde.
Das ist ein sehr falscher Grundsatz. Auch Girton College wurde 1869
mit nur 5 Studentinnen eröffnet; 1885 zählte es deren schon 60 und
heute finden 5 colleges ausreichend Besucherinnen. Man sieht, das Be-
dürfnis wächst mit der Gelegenheit es zu befriedigen.
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(2013-05-22T08:12:00Z)
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