Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

16. Jahre beginnen würde, und als es weniger nerven -
aufreibend erscheint als der mehr oder weniger mechanische
Lernbetrieb in den Seminarien.

Aber nun zu dem Haupteinwurf, den man gegen eine3) den schlimmen Einfluß
betreffend, den man von
einem vertieften Studium
auf die Weiblichkeit
der Frauen fürchtet.

gründlichere Ausbildung der Lehrerinnen erhebt: die Frau
soll nämlich durch tiefere Studien ihre Weiblichkeit ein-
büßen, die, das geben wir vollständig zu, allein ihren
Einfluß schätzenswert machen könnte. Der Einwurf zeigt,
ein wie gefälliges Ding die Logik ist, wenn man sie miß-
brauchen will, um eine vorgefaßte Meinung zu beweisen.
Dieselben Männer, die so fest an die Unabänderlichkeit der
Naturanlage glauben, daß sie eben diese Naturanlage als
ein unübersteigliches Hindernis für eine vertiefte Bildung
der Frauen gegen uns ins Feld führen, dieselben Männer
fürchten plötzlich, daß das Fundament unseres ganzen
physischen und psychischen Lebens, daß all die eigentüm-
lichen, tief in der Natur begründeten Erscheinungen, die
wir in ihrer Gesamtheit als Weiblichkeit bezeichnen, durch
ein paar Jahre Studium ausgetrieben werden könnten!
Müssen wir ihnen denn erst zurufen: Naturam expellas
furca, tamen usque recurret
? Für uns zwar, die wir
an diese Unveränderlichkeit der Naturanlage nicht glauben,
die wir im Gegenteil fest überzeugt sind von dem gewal-
tigen Einfluß, den die socialen Gewohnheiten und die Art
der Beschäftigung auf die Ausbildung oder Rückbildung
der Naturanlagen haben, für uns muß diese Frage von
großer Wichtigkeit sein. Wir wollen ja eben darum
Lehrerinnen für unsere heranwachsenden Mädchen, um
ihnen den weiblichen Einfluß zu sichern. Weiblich ist es,
wie schon oben erwähnt, die Wissenschaft nicht um ihrer
selbst willen zu treiben, sondern ihres edelsten und höchsten
Nebenzwecks willen, ihrer sittlichenden Wirkung; weiblich,
auf diese auch beim Lehren das Hauptgewicht zu legen;
müssen wir fürchten, daß bei größerer Vertiefung in die
Wissenschaft, bei wirklich strengem Studium, diese weib-
liche Eigentümlichkeit schwindet, so fiele damit der Grund,

16. Jahre beginnen würde, und als es weniger nerven -
aufreibend erscheint als der mehr oder weniger mechanische
Lernbetrieb in den Seminarien.

Aber nun zu dem Haupteinwurf, den man gegen eine3) den schlimmen Einfluß
betreffend, den man von
einem vertieften Studium
auf die Weiblichkeit
der Frauen fürchtet.

gründlichere Ausbildung der Lehrerinnen erhebt: die Frau
soll nämlich durch tiefere Studien ihre Weiblichkeit ein-
büßen, die, das geben wir vollständig zu, allein ihren
Einfluß schätzenswert machen könnte. Der Einwurf zeigt,
ein wie gefälliges Ding die Logik ist, wenn man sie miß-
brauchen will, um eine vorgefaßte Meinung zu beweisen.
Dieselben Männer, die so fest an die Unabänderlichkeit der
Naturanlage glauben, daß sie eben diese Naturanlage als
ein unübersteigliches Hindernis für eine vertiefte Bildung
der Frauen gegen uns ins Feld führen, dieselben Männer
fürchten plötzlich, daß das Fundament unseres ganzen
physischen und psychischen Lebens, daß all die eigentüm-
lichen, tief in der Natur begründeten Erscheinungen, die
wir in ihrer Gesamtheit als Weiblichkeit bezeichnen, durch
ein paar Jahre Studium ausgetrieben werden könnten!
Müssen wir ihnen denn erst zurufen: Naturam expellas
furca, tamen usque recurret
? Für uns zwar, die wir
an diese Unveränderlichkeit der Naturanlage nicht glauben,
die wir im Gegenteil fest überzeugt sind von dem gewal-
tigen Einfluß, den die socialen Gewohnheiten und die Art
der Beschäftigung auf die Ausbildung oder Rückbildung
der Naturanlagen haben, für uns muß diese Frage von
großer Wichtigkeit sein. Wir wollen ja eben darum
Lehrerinnen für unsere heranwachsenden Mädchen, um
ihnen den weiblichen Einfluß zu sichern. Weiblich ist es,
wie schon oben erwähnt, die Wissenschaft nicht um ihrer
selbst willen zu treiben, sondern ihres edelsten und höchsten
Nebenzwecks willen, ihrer sittlichenden Wirkung; weiblich,
auf diese auch beim Lehren das Hauptgewicht zu legen;
müssen wir fürchten, daß bei größerer Vertiefung in die
Wissenschaft, bei wirklich strengem Studium, diese weib-
liche Eigentümlichkeit schwindet, so fiele damit der Grund,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="55"/>
16. Jahre beginnen würde, und als es weniger nerven -<lb/>
aufreibend erscheint als der mehr oder weniger mechanische<lb/>
Lernbetrieb in den Seminarien.</p><lb/>
        <p>Aber nun zu dem Haupteinwurf, den man gegen eine<note place="right">3) den schlimmen Einfluß<lb/>
betreffend, den man von<lb/>
einem vertieften Studium<lb/>
auf die <hi rendition="#g">Weiblichkeit</hi><lb/>
der Frauen fürchtet.</note><lb/>
gründlichere Ausbildung der Lehrerinnen erhebt: die Frau<lb/>
soll nämlich durch tiefere Studien ihre Weiblichkeit ein-<lb/>
büßen, die, das geben wir vollständig zu, allein ihren<lb/>
Einfluß schätzenswert machen könnte. Der Einwurf zeigt,<lb/>
ein wie gefälliges Ding die Logik ist, wenn man sie miß-<lb/>
brauchen will, um eine vorgefaßte Meinung zu beweisen.<lb/>
Dieselben Männer, die so fest an die Unabänderlichkeit der<lb/>
Naturanlage glauben, daß sie eben diese Naturanlage als<lb/>
ein unübersteigliches Hindernis für eine vertiefte Bildung<lb/>
der Frauen gegen uns ins Feld führen, dieselben Männer<lb/>
fürchten plötzlich, daß das Fundament unseres ganzen<lb/>
physischen und psychischen Lebens, daß all die eigentüm-<lb/>
lichen, tief in der Natur begründeten Erscheinungen, die<lb/>
wir in ihrer Gesamtheit als Weiblichkeit bezeichnen, durch<lb/>
ein paar Jahre Studium ausgetrieben werden könnten!<lb/>
Müssen wir ihnen denn erst zurufen: <hi rendition="#aq">Naturam expellas<lb/>
furca, tamen usque recurret</hi>? Für uns zwar, die wir<lb/>
an diese Unveränderlichkeit der Naturanlage <hi rendition="#g">nicht</hi> glauben,<lb/>
die wir im Gegenteil fest überzeugt sind von dem gewal-<lb/>
tigen Einfluß, den die socialen Gewohnheiten und die Art<lb/>
der Beschäftigung auf die Ausbildung oder Rückbildung<lb/>
der Naturanlagen haben, für uns muß diese Frage von<lb/>
großer Wichtigkeit sein. Wir wollen ja eben darum<lb/><hi rendition="#g">Lehrerinnen</hi> für unsere heranwachsenden Mädchen, um<lb/>
ihnen den weiblichen Einfluß zu sichern. Weiblich ist es,<lb/>
wie schon oben erwähnt, die Wissenschaft nicht um ihrer<lb/>
selbst willen zu treiben, sondern ihres edelsten und höchsten<lb/>
Nebenzwecks willen, ihrer sittlichenden Wirkung; weiblich,<lb/>
auf diese auch beim Lehren das Hauptgewicht zu legen;<lb/>
müssen wir fürchten, daß bei größerer Vertiefung in die<lb/>
Wissenschaft, bei wirklich strengem Studium, diese weib-<lb/>
liche Eigentümlichkeit schwindet, so fiele damit der Grund,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0056] 16. Jahre beginnen würde, und als es weniger nerven - aufreibend erscheint als der mehr oder weniger mechanische Lernbetrieb in den Seminarien. Aber nun zu dem Haupteinwurf, den man gegen eine gründlichere Ausbildung der Lehrerinnen erhebt: die Frau soll nämlich durch tiefere Studien ihre Weiblichkeit ein- büßen, die, das geben wir vollständig zu, allein ihren Einfluß schätzenswert machen könnte. Der Einwurf zeigt, ein wie gefälliges Ding die Logik ist, wenn man sie miß- brauchen will, um eine vorgefaßte Meinung zu beweisen. Dieselben Männer, die so fest an die Unabänderlichkeit der Naturanlage glauben, daß sie eben diese Naturanlage als ein unübersteigliches Hindernis für eine vertiefte Bildung der Frauen gegen uns ins Feld führen, dieselben Männer fürchten plötzlich, daß das Fundament unseres ganzen physischen und psychischen Lebens, daß all die eigentüm- lichen, tief in der Natur begründeten Erscheinungen, die wir in ihrer Gesamtheit als Weiblichkeit bezeichnen, durch ein paar Jahre Studium ausgetrieben werden könnten! Müssen wir ihnen denn erst zurufen: Naturam expellas furca, tamen usque recurret? Für uns zwar, die wir an diese Unveränderlichkeit der Naturanlage nicht glauben, die wir im Gegenteil fest überzeugt sind von dem gewal- tigen Einfluß, den die socialen Gewohnheiten und die Art der Beschäftigung auf die Ausbildung oder Rückbildung der Naturanlagen haben, für uns muß diese Frage von großer Wichtigkeit sein. Wir wollen ja eben darum Lehrerinnen für unsere heranwachsenden Mädchen, um ihnen den weiblichen Einfluß zu sichern. Weiblich ist es, wie schon oben erwähnt, die Wissenschaft nicht um ihrer selbst willen zu treiben, sondern ihres edelsten und höchsten Nebenzwecks willen, ihrer sittlichenden Wirkung; weiblich, auf diese auch beim Lehren das Hauptgewicht zu legen; müssen wir fürchten, daß bei größerer Vertiefung in die Wissenschaft, bei wirklich strengem Studium, diese weib- liche Eigentümlichkeit schwindet, so fiele damit der Grund, 3) den schlimmen Einfluß betreffend, den man von einem vertieften Studium auf die Weiblichkeit der Frauen fürchtet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Melanie Henß, Marc Kuse, Thomas Gloning, Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Texterfassung und Korrekturen, Konversion nach XML (2013-05-22T08:12:00Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-22T08:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes als rundes s erfasst.
  • I/J nach Lautwert transkribiert.
  • Marginalien, Bogensignaturen, Kustoden und Kolumnentitel wurden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/56
Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/56>, abgerufen am 23.11.2024.