Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.in den Stand, Fertigkeiten beizubringen, das Begriffs- und Überdies giebt es denn aber doch eine ganze Anzahl in den Stand, Fertigkeiten beizubringen, das Begriffs- und Überdies giebt es denn aber doch eine ganze Anzahl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="47"/> in den Stand, Fertigkeiten beizubringen, das Begriffs- und<lb/> Urteilsvermögen bis zu einem gewissen Grade zu bilden<lb/> und diejenigen positiven Thatsachen zu überliefern, die als<lb/> Grundlage der allgemeinen Bildung dienen sollen. Was<lb/> es aber nicht geben kann, das sind <hi rendition="#g">freie</hi> Kenntnisse, die<lb/> nur durch eigenes Denken und Forschen errungen werden<lb/> können, den weiten geistigen Horizont, der mit der Fähig-<lb/> keit selbständigen Eindringens in eine Wissenschaft, mit<lb/> dem Überblick über die Beziehungen der einzelnen Wissen-<lb/> schaften untereinander und zum Ganzen zusammenhängt.<lb/> Wir sagen nicht, daß nicht seminaristisch gebildete Lehrer<lb/> wie Lehrerinnen zu solchen <hi rendition="#g">freien</hi> Kenntnissen, solch weitem<lb/> geistigen Horizont gelangen können und gelangt sind; dann<lb/> gelangen sie aber dahin nicht <hi rendition="#g">durch</hi> ihre seminaristische<lb/> Bildung, sondern <hi rendition="#g">trotz</hi> derselben, dann sind sie nicht mehr<lb/> die bloßen Durchschnittsmenschen, von denen wir ausgehen<lb/> und ausgehen müssen. So können wir nur eine Verhöh-<lb/> nung darin sehen, wenn man die jetzigen Leistungen von<lb/> Lehrerinnen, denen alles eigentliche Selbstsuchen und Denken,<lb/> alles wirkliche <hi rendition="#g">Studieren</hi> auf das sorgfältigste fern-<lb/> gehalten ist, deren Bildung noch weniger gründlich als<lb/> die der Elementarlehrer betrieben worden, gegen ihre Be-<lb/> fähigung in die Wagschale werfen will.</p><lb/> <p>Überdies giebt es denn aber doch eine ganze Anzahl<lb/> recht guter Leistungen; die Urteile der Dirigenten der öffent-<lb/> lichen Schulen, auf die man besonderen Wert zu legen pflegt,<lb/> sind in Bezug auf die Befähigungsfrage durchaus nicht<lb/> maßgebend. Die öffentlichen Schulen sind nämlich, von<lb/> anderen, hier nicht zu erörternden Gründen abgesehen, schon<lb/> aus dem <hi rendition="#g">einen</hi> Grunde gar nicht imstande, ein so gutes<lb/> Lehrerinnenmaterial heranzubilden als die Privatschulen,<lb/> weil sie ihren Lehrerinnen nirgends Raum zur Entfaltung<lb/> und Weiterentwicklung ihrer Kräfte gewähren. Nur im<lb/> Wasser aber kann man schwimmen lernen, und Organe,<lb/> die nicht gebraucht werden, verkümmern bekanntlich. Es<lb/> ist also natürlich, daß Lehrerinnen, die wöchentlich circa<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [47/0048]
in den Stand, Fertigkeiten beizubringen, das Begriffs- und
Urteilsvermögen bis zu einem gewissen Grade zu bilden
und diejenigen positiven Thatsachen zu überliefern, die als
Grundlage der allgemeinen Bildung dienen sollen. Was
es aber nicht geben kann, das sind freie Kenntnisse, die
nur durch eigenes Denken und Forschen errungen werden
können, den weiten geistigen Horizont, der mit der Fähig-
keit selbständigen Eindringens in eine Wissenschaft, mit
dem Überblick über die Beziehungen der einzelnen Wissen-
schaften untereinander und zum Ganzen zusammenhängt.
Wir sagen nicht, daß nicht seminaristisch gebildete Lehrer
wie Lehrerinnen zu solchen freien Kenntnissen, solch weitem
geistigen Horizont gelangen können und gelangt sind; dann
gelangen sie aber dahin nicht durch ihre seminaristische
Bildung, sondern trotz derselben, dann sind sie nicht mehr
die bloßen Durchschnittsmenschen, von denen wir ausgehen
und ausgehen müssen. So können wir nur eine Verhöh-
nung darin sehen, wenn man die jetzigen Leistungen von
Lehrerinnen, denen alles eigentliche Selbstsuchen und Denken,
alles wirkliche Studieren auf das sorgfältigste fern-
gehalten ist, deren Bildung noch weniger gründlich als
die der Elementarlehrer betrieben worden, gegen ihre Be-
fähigung in die Wagschale werfen will.
Überdies giebt es denn aber doch eine ganze Anzahl
recht guter Leistungen; die Urteile der Dirigenten der öffent-
lichen Schulen, auf die man besonderen Wert zu legen pflegt,
sind in Bezug auf die Befähigungsfrage durchaus nicht
maßgebend. Die öffentlichen Schulen sind nämlich, von
anderen, hier nicht zu erörternden Gründen abgesehen, schon
aus dem einen Grunde gar nicht imstande, ein so gutes
Lehrerinnenmaterial heranzubilden als die Privatschulen,
weil sie ihren Lehrerinnen nirgends Raum zur Entfaltung
und Weiterentwicklung ihrer Kräfte gewähren. Nur im
Wasser aber kann man schwimmen lernen, und Organe,
die nicht gebraucht werden, verkümmern bekanntlich. Es
ist also natürlich, daß Lehrerinnen, die wöchentlich circa
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