Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.Menschheit in nuce zu verabreichen, sie fertig zu machen; 1) Zur Einführung in die eigentlichen Haushaltsgeschäfte, die wir
keineswegs vernachlässigt wissen wollen -- in der Mädchen- erziehung müssen praktische und geistige Bildung einander stets das Gleich- gewicht halten, -- bleibt nebenher und bei weitaus den meisten Mädchen ja auch nachher noch Zeit genug. Menschheit in nuce zu verabreichen, sie fertig zu machen; 1) Zur Einführung in die eigentlichen Haushaltsgeschäfte, die wir
keineswegs vernachlässigt wissen wollen — in der Mädchen- erziehung müssen praktische und geistige Bildung einander stets das Gleich- gewicht halten, — bleibt nebenher und bei weitaus den meisten Mädchen ja auch nachher noch Zeit genug. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="23"/> Menschheit in <hi rendition="#aq">nuce</hi> zu verabreichen, sie <hi rendition="#g">fertig</hi> zu machen;<lb/> aber Interesse und Fähigkeit für ein <hi rendition="#g">späteres</hi> Eindringen<lb/> in dasselbe kann und sollte sie bilden. Selbst wenn sich<lb/> dann keine weitere Ausbildung anschlösse, so würden<lb/> Mädchen, die zu warmem Interesse an allem Menschlichen<lb/> und zu selbständigem Denken erzogen sind, durch Auto-<lb/> didaxie später viel weiter kommen, als die zu Automaten<lb/> erzogenen Mädchen unserer Tage, wenn auch unserer Auf-<lb/> fassung nach nicht weit genug; und darum sind wir ent-<lb/> schieden der Meinung, <hi rendition="#g">daß unseren jungen Mädchen</hi><note place="right">Es muß den jungen Mäd-<lb/> chen Gelegenheit zu einer<lb/> Fortbildung gegeben<lb/> werden.</note><lb/><hi rendition="#g">Gelegenheit zu einer weiter gehenden Ausbildung<lb/> gegeben werden muß</hi>, und zwar, das erscheint immer<lb/> mehr als absolute Notwendigkeit, in richtigen, an die Schule<lb/> anschließenden Klassen mit beschränkter Stundenzahl, die<lb/> dann freilich nicht in der Weise unserer heutigen sogenannten<lb/> Selekten Kunstgeschichte, Porzellanmalen und Italienisch in<lb/> den Vordergrund stellen dürften, sondern Litteratur und Ge-<lb/> schichte, Pädagogik und Naturwissenschaften; an die sich ferner<lb/><hi rendition="#g">notwendig ein Kindergarten anschließen</hi> müßte, um<lb/> den jungen Mädchen Gelegenheit zu erster Bekanntschaft mit<lb/> ihrem späteren eigentlichen Beruf zu verschaffen. Alle diese<lb/> Beschäftigungen<note place="foot" n="1)">Zur Einführung in die eigentlichen Haushaltsgeschäfte, <hi rendition="#g">die wir<lb/> keineswegs vernachlässigt wissen wollen</hi> — in der Mädchen-<lb/> erziehung müssen praktische und geistige Bildung einander stets das Gleich-<lb/> gewicht halten, — bleibt nebenher und bei weitaus den meisten Mädchen<lb/> ja auch nachher noch Zeit genug.</note> zusammen genommen würden für junge<lb/> Mädchen von 15 — 17, resp. 16 — 18 Jahren weder physisch<lb/> noch moralisch die gesundheitsschädliche Wirkung haben, wie<lb/> das verfrühte Ball- und Gesellschaftsleben einerseits, die<lb/> Versenkung in Romanlektüre und die demoralisierende Ge-<lb/> dankenjagd auf einen Mann andrerseits. Wir sind zwar<lb/> auch dann noch keineswegs der Meinung, die jungen<lb/> Mädchen „fertig“ gemacht zu haben, aber wir hoffen, sie<lb/> sind auf dem besten Wege, wenn auch nicht fertig, so doch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [23/0024]
Menschheit in nuce zu verabreichen, sie fertig zu machen;
aber Interesse und Fähigkeit für ein späteres Eindringen
in dasselbe kann und sollte sie bilden. Selbst wenn sich
dann keine weitere Ausbildung anschlösse, so würden
Mädchen, die zu warmem Interesse an allem Menschlichen
und zu selbständigem Denken erzogen sind, durch Auto-
didaxie später viel weiter kommen, als die zu Automaten
erzogenen Mädchen unserer Tage, wenn auch unserer Auf-
fassung nach nicht weit genug; und darum sind wir ent-
schieden der Meinung, daß unseren jungen Mädchen
Gelegenheit zu einer weiter gehenden Ausbildung
gegeben werden muß, und zwar, das erscheint immer
mehr als absolute Notwendigkeit, in richtigen, an die Schule
anschließenden Klassen mit beschränkter Stundenzahl, die
dann freilich nicht in der Weise unserer heutigen sogenannten
Selekten Kunstgeschichte, Porzellanmalen und Italienisch in
den Vordergrund stellen dürften, sondern Litteratur und Ge-
schichte, Pädagogik und Naturwissenschaften; an die sich ferner
notwendig ein Kindergarten anschließen müßte, um
den jungen Mädchen Gelegenheit zu erster Bekanntschaft mit
ihrem späteren eigentlichen Beruf zu verschaffen. Alle diese
Beschäftigungen 1) zusammen genommen würden für junge
Mädchen von 15 — 17, resp. 16 — 18 Jahren weder physisch
noch moralisch die gesundheitsschädliche Wirkung haben, wie
das verfrühte Ball- und Gesellschaftsleben einerseits, die
Versenkung in Romanlektüre und die demoralisierende Ge-
dankenjagd auf einen Mann andrerseits. Wir sind zwar
auch dann noch keineswegs der Meinung, die jungen
Mädchen „fertig“ gemacht zu haben, aber wir hoffen, sie
sind auf dem besten Wege, wenn auch nicht fertig, so doch
Es muß den jungen Mäd-
chen Gelegenheit zu einer
Fortbildung gegeben
werden.
1) Zur Einführung in die eigentlichen Haushaltsgeschäfte, die wir
keineswegs vernachlässigt wissen wollen — in der Mädchen-
erziehung müssen praktische und geistige Bildung einander stets das Gleich-
gewicht halten, — bleibt nebenher und bei weitaus den meisten Mädchen
ja auch nachher noch Zeit genug.
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Zitationshilfe: | Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/24>, abgerufen am 16.02.2025. |