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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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hat; wir können nur auf das Lebhafteste bedauern, daß
unsere Mädchen so von einem Extrem in das andere
kommen, und bezweifeln, daß sich an der Hand des Nor-
mallehrplans, der den Stoff teils zu stark beschneidet, teils
so unpädagogisch ordnet, daß der Überbürdung und der
Gefahr nur Übersichten zu geben nicht einmal abgeholfen
ist, unser weiterhin zur Besprechung kommendes Princip
durchführen lassen wird.

Tiefere Ursache der an-
gegebenen Erscheinungen:
die Grundanschauung der
Weimaraner; die Frau
soll darnach nicht um ihrer
selbst, sie soll um des
Mannes willen gebildet
werden.

Die ganze bisherige Überbürdung aber können wir
überdies nur als Symptom eines tieferen Schadens an-
sehen. Wir haben schon oben gesagt, worin wir den
tieferen Grund der mangelhaften Resultate unserer Mäd-
chenbildung suchen: in der falschen Ansicht über die
Bestimmung der Frau, und wir wiederholen es mit den
Worten Betty Gleims, die schon vor 77 Jahren ungehört
und unbeachtet an die große Wahrheit gemahnt hat, daß
durch das (trotz der christlichen Lehre von der Gleich-
wertigkeit beider Geschlechter nicht beseitigte) Vorurteil
"als sei das Weib nur des Mannes wegen da, und nur
insofern etwas wert, als es dem Manne gefalle und
diene, in ihm Vieles unterdrückt und geknickt, Vieles un-
erkannt und unbemerkt zu Grunde gegangen sei", daß "die
Kunst würdig zu leben", "das rechte Verhältnis der inne-
ren und äußeren Thätigkeit zu treffen", "aufwärts zu
streben", ihm dadurch abhanden gekommen sei. "Fragt
ihr, welches die Quelle sei dieses Verfalls, so sage ich
euch, daß ich sie zu finden glaube in der unrichtigen An-
sicht der Bestimmung des Weibes. Schief und schielend
muß jede Menschenbildung ausfallen, die hervorgeht aus
der Verwechslung der Stufe mit dem Gipfel, des Mittels
mit dem Zweck, des Weltlichen mit dem Überweltlichen,
des Zeitlichen mit dem Ewigen; und solche Verwechslung
läßt sich nachweisen in der gewöhnlichen und herrschenden
Erziehung der Frauen."1)

1) Erziehung und Unterricht des weiblichen Geschlechts. Ein Buch

hat; wir können nur auf das Lebhafteste bedauern, daß
unsere Mädchen so von einem Extrem in das andere
kommen, und bezweifeln, daß sich an der Hand des Nor-
mallehrplans, der den Stoff teils zu stark beschneidet, teils
so unpädagogisch ordnet, daß der Überbürdung und der
Gefahr nur Übersichten zu geben nicht einmal abgeholfen
ist, unser weiterhin zur Besprechung kommendes Princip
durchführen lassen wird.

Tiefere Ursache der an-
gegebenen Erscheinungen:
die Grundanschauung der
Weimaraner; die Frau
soll darnach nicht um ihrer
selbst, sie soll um des
Mannes willen gebildet
werden.

Die ganze bisherige Überbürdung aber können wir
überdies nur als Symptom eines tieferen Schadens an-
sehen. Wir haben schon oben gesagt, worin wir den
tieferen Grund der mangelhaften Resultate unserer Mäd-
chenbildung suchen: in der falschen Ansicht über die
Bestimmung der Frau, und wir wiederholen es mit den
Worten Betty Gleims, die schon vor 77 Jahren ungehört
und unbeachtet an die große Wahrheit gemahnt hat, daß
durch das (trotz der christlichen Lehre von der Gleich-
wertigkeit beider Geschlechter nicht beseitigte) Vorurteil
„als sei das Weib nur des Mannes wegen da, und nur
insofern etwas wert, als es dem Manne gefalle und
diene, in ihm Vieles unterdrückt und geknickt, Vieles un-
erkannt und unbemerkt zu Grunde gegangen sei“, daß „die
Kunst würdig zu leben“, „das rechte Verhältnis der inne-
ren und äußeren Thätigkeit zu treffen“, „aufwärts zu
streben“, ihm dadurch abhanden gekommen sei. „Fragt
ihr, welches die Quelle sei dieses Verfalls, so sage ich
euch, daß ich sie zu finden glaube in der unrichtigen An-
sicht der Bestimmung des Weibes. Schief und schielend
muß jede Menschenbildung ausfallen, die hervorgeht aus
der Verwechslung der Stufe mit dem Gipfel, des Mittels
mit dem Zweck, des Weltlichen mit dem Überweltlichen,
des Zeitlichen mit dem Ewigen; und solche Verwechslung
läßt sich nachweisen in der gewöhnlichen und herrschenden
Erziehung der Frauen.“1)

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[18/0019] hat; wir können nur auf das Lebhafteste bedauern, daß unsere Mädchen so von einem Extrem in das andere kommen, und bezweifeln, daß sich an der Hand des Nor- mallehrplans, der den Stoff teils zu stark beschneidet, teils so unpädagogisch ordnet, daß der Überbürdung und der Gefahr nur Übersichten zu geben nicht einmal abgeholfen ist, unser weiterhin zur Besprechung kommendes Princip durchführen lassen wird. Die ganze bisherige Überbürdung aber können wir überdies nur als Symptom eines tieferen Schadens an- sehen. Wir haben schon oben gesagt, worin wir den tieferen Grund der mangelhaften Resultate unserer Mäd- chenbildung suchen: in der falschen Ansicht über die Bestimmung der Frau, und wir wiederholen es mit den Worten Betty Gleims, die schon vor 77 Jahren ungehört und unbeachtet an die große Wahrheit gemahnt hat, daß durch das (trotz der christlichen Lehre von der Gleich- wertigkeit beider Geschlechter nicht beseitigte) Vorurteil „als sei das Weib nur des Mannes wegen da, und nur insofern etwas wert, als es dem Manne gefalle und diene, in ihm Vieles unterdrückt und geknickt, Vieles un- erkannt und unbemerkt zu Grunde gegangen sei“, daß „die Kunst würdig zu leben“, „das rechte Verhältnis der inne- ren und äußeren Thätigkeit zu treffen“, „aufwärts zu streben“, ihm dadurch abhanden gekommen sei. „Fragt ihr, welches die Quelle sei dieses Verfalls, so sage ich euch, daß ich sie zu finden glaube in der unrichtigen An- sicht der Bestimmung des Weibes. Schief und schielend muß jede Menschenbildung ausfallen, die hervorgeht aus der Verwechslung der Stufe mit dem Gipfel, des Mittels mit dem Zweck, des Weltlichen mit dem Überweltlichen, des Zeitlichen mit dem Ewigen; und solche Verwechslung läßt sich nachweisen in der gewöhnlichen und herrschenden Erziehung der Frauen.“ 1) 1) Erziehung und Unterricht des weiblichen Geschlechts. Ein Buch

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/19>, abgerufen am 11.12.2024.