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Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

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der Oberstufe wird fast ausschließlich von ihnen erteilt und
auch auf der Mittelstufe überwiegt ihr Unterricht bei wei-
tem; ja, bei vielen staatlichen und städtischen Schulen
stehen selbst die eben in die Schule eintretenden sechs-
jährigen kleinen Mädchen unter der Leitung von Lehrern
anstatt von Lehrerinnen, und die unumwunden ausge-
sprochene Ansicht eines bekannten Berliner Schulmannes:
Lehrerinnen seien höchstens zur Aufsicht in den Zwischen-
stunden und zum Handarbeitsunterricht (der aber auch
noch von Männern inspiciert werden müsse), tauglich, war
nur der konsequenteste Ausdruck des grundlegenden Prin-
cips der Weimaraner1).

1) Das Weimarer Programm verlangt zwar Mitwirkung von Leh-
rerinnen, wohl mehr "der Not gehorchend als dem eigenen Trieb". Es
wurden in Weimar von einigen Lehrerinnen (Frl. Mithene und Frl.
Stoephasius) Anträge gestellt, welche auf Gleichberechtigung der Lehrerin-
nen mit den Lehrern und bessere Ausbildung der Lehrerinnen hinaus-
gingen. "Wenn sich auch die Versammlung in ihrer Mehrheit
ablehnend zu diesen Anträgen verhalten hat
, so hat in der in
ihrem Namen den Staatsregierungen überreichten Denkschrift die allge-
meine Tendenz derselben doch ihren Ausdruck und ihre Anerkennung ge-
funden." (F. Cauer, Die höhere Mädchenschule etc. S. 15.) Da jedoch
alles beim Alten blieb, wurde die Frage in Dresden (1875) und in Cöln
(1876) wieder angeregt und der letzteren Versammlung unter teilweise
geradezu tumultuarischen Scenen wenigstens der Satz abgerungen, daß die
Anstellung von Lehrerinnen auch in den oberen Klassen "wünschenswert"
sei. Dieses Zugeständnis ist wiederum ohne Folge geblieben. Wir
wissen nun zwar sehr wohl, daß die Anstellung von Lehrerinnen durch
die Behörde erfolgt, und daß der einzelne Direktor wenig dabei thun
kann; wir wissen aber auch, daß die Behörde mit der Nichtanstellung von
Lehrerinnen an den Oberklassen nur den geheimen oder offen ausge-
sprochenen Wünschen der großen Mehrzahl der Mädchenschul-Dirigenten
entgegenkommt. (Ausnahmen erkennen wir gern und dankbar an; so hat
u. a. Rich. Schornstein, Direktor der höheren Mädchenschule in Elberfeld
[obwohl einer der Unterzeichner der Weimarer Denkschrift], mehrfach warm
und ernstlich sowohl in der Stoa wie in der von ihm herausgegebenen
Zeitschrift für weibliche Bildung für die Lehrerinnen gesprochen.) Wäre
die herrschende Richtung eine andere als sie ist, würden alle oder doch die
meisten Dirigenten höherer Mädchenschulen der Regierung gegenüber den

der Oberstufe wird fast ausschließlich von ihnen erteilt und
auch auf der Mittelstufe überwiegt ihr Unterricht bei wei-
tem; ja, bei vielen staatlichen und städtischen Schulen
stehen selbst die eben in die Schule eintretenden sechs-
jährigen kleinen Mädchen unter der Leitung von Lehrern
anstatt von Lehrerinnen, und die unumwunden ausge-
sprochene Ansicht eines bekannten Berliner Schulmannes:
Lehrerinnen seien höchstens zur Aufsicht in den Zwischen-
stunden und zum Handarbeitsunterricht (der aber auch
noch von Männern inspiciert werden müsse), tauglich, war
nur der konsequenteste Ausdruck des grundlegenden Prin-
cips der Weimaraner1).

1) Das Weimarer Programm verlangt zwar Mitwirkung von Leh-
rerinnen, wohl mehr „der Not gehorchend als dem eigenen Trieb“. Es
wurden in Weimar von einigen Lehrerinnen (Frl. Mithène und Frl.
Stoephasius) Anträge gestellt, welche auf Gleichberechtigung der Lehrerin-
nen mit den Lehrern und bessere Ausbildung der Lehrerinnen hinaus-
gingen. „Wenn sich auch die Versammlung in ihrer Mehrheit
ablehnend zu diesen Anträgen verhalten hat
, so hat in der in
ihrem Namen den Staatsregierungen überreichten Denkschrift die allge-
meine Tendenz derselben doch ihren Ausdruck und ihre Anerkennung ge-
funden.“ (F. Cauer, Die höhere Mädchenschule ꝛc. S. 15.) Da jedoch
alles beim Alten blieb, wurde die Frage in Dresden (1875) und in Cöln
(1876) wieder angeregt und der letzteren Versammlung unter teilweise
geradezu tumultuarischen Scenen wenigstens der Satz abgerungen, daß die
Anstellung von Lehrerinnen auch in den oberen Klassen „wünschenswert“
sei. Dieses Zugeständnis ist wiederum ohne Folge geblieben. Wir
wissen nun zwar sehr wohl, daß die Anstellung von Lehrerinnen durch
die Behörde erfolgt, und daß der einzelne Direktor wenig dabei thun
kann; wir wissen aber auch, daß die Behörde mit der Nichtanstellung von
Lehrerinnen an den Oberklassen nur den geheimen oder offen ausge-
sprochenen Wünschen der großen Mehrzahl der Mädchenschul-Dirigenten
entgegenkommt. (Ausnahmen erkennen wir gern und dankbar an; so hat
u. a. Rich. Schornstein, Direktor der höheren Mädchenschule in Elberfeld
[obwohl einer der Unterzeichner der Weimarer Denkschrift], mehrfach warm
und ernstlich sowohl in der Stoa wie in der von ihm herausgegebenen
Zeitschrift für weibliche Bildung für die Lehrerinnen gesprochen.) Wäre
die herrschende Richtung eine andere als sie ist, würden alle oder doch die
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[11/0012] der Oberstufe wird fast ausschließlich von ihnen erteilt und auch auf der Mittelstufe überwiegt ihr Unterricht bei wei- tem; ja, bei vielen staatlichen und städtischen Schulen stehen selbst die eben in die Schule eintretenden sechs- jährigen kleinen Mädchen unter der Leitung von Lehrern anstatt von Lehrerinnen, und die unumwunden ausge- sprochene Ansicht eines bekannten Berliner Schulmannes: Lehrerinnen seien höchstens zur Aufsicht in den Zwischen- stunden und zum Handarbeitsunterricht (der aber auch noch von Männern inspiciert werden müsse), tauglich, war nur der konsequenteste Ausdruck des grundlegenden Prin- cips der Weimaraner 1). 1) Das Weimarer Programm verlangt zwar Mitwirkung von Leh- rerinnen, wohl mehr „der Not gehorchend als dem eigenen Trieb“. Es wurden in Weimar von einigen Lehrerinnen (Frl. Mithène und Frl. Stoephasius) Anträge gestellt, welche auf Gleichberechtigung der Lehrerin- nen mit den Lehrern und bessere Ausbildung der Lehrerinnen hinaus- gingen. „Wenn sich auch die Versammlung in ihrer Mehrheit ablehnend zu diesen Anträgen verhalten hat, so hat in der in ihrem Namen den Staatsregierungen überreichten Denkschrift die allge- meine Tendenz derselben doch ihren Ausdruck und ihre Anerkennung ge- funden.“ (F. Cauer, Die höhere Mädchenschule ꝛc. S. 15.) Da jedoch alles beim Alten blieb, wurde die Frage in Dresden (1875) und in Cöln (1876) wieder angeregt und der letzteren Versammlung unter teilweise geradezu tumultuarischen Scenen wenigstens der Satz abgerungen, daß die Anstellung von Lehrerinnen auch in den oberen Klassen „wünschenswert“ sei. Dieses Zugeständnis ist wiederum ohne Folge geblieben. Wir wissen nun zwar sehr wohl, daß die Anstellung von Lehrerinnen durch die Behörde erfolgt, und daß der einzelne Direktor wenig dabei thun kann; wir wissen aber auch, daß die Behörde mit der Nichtanstellung von Lehrerinnen an den Oberklassen nur den geheimen oder offen ausge- sprochenen Wünschen der großen Mehrzahl der Mädchenschul-Dirigenten entgegenkommt. (Ausnahmen erkennen wir gern und dankbar an; so hat u. a. Rich. Schornstein, Direktor der höheren Mädchenschule in Elberfeld [obwohl einer der Unterzeichner der Weimarer Denkschrift], mehrfach warm und ernstlich sowohl in der Stoa wie in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift für weibliche Bildung für die Lehrerinnen gesprochen.) Wäre die herrschende Richtung eine andere als sie ist, würden alle oder doch die meisten Dirigenten höherer Mädchenschulen der Regierung gegenüber den

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/12>, abgerufen am 24.11.2024.