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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des ersten Briefes Pauli C. 1. v. 12. 13.
[Spaltenumbruch] bezeichnet unser Heyland die Tüchtigkeit mit
dem Worte klug, Klugheit, wenn er spricht:
Welch ein grosses Ding ist es, um einen
treuen und klugen Haushalter!
Paulus se-
tzet auch beyde Stücke, die Tüchtigkeit und
Treue genaue zusammen, wenn er 2 Tim. 2, 4.
schreibet: Was du von mir gehöret hast,
durch viele Zeugen, das befiehl
treuen
Menschen, die da tüchtig sind auch ande-
re zu lehren.

V. 13.

Der ich zuvor war ein Lästerer der wi-
der Christum und seine Glieder, auch wider die
Christliche Religion allerhand Lästerungen mit
Worten ausstieß,) und Verfolger, (der es bey
den Worten nicht ließ, sondern auch zu solchen
bösen Wercken schritte, daß er die Christen ins
Gefängniß und zur Verleugnung des Namens
JEsu auf die Tortur brachte, und ihnen auf
allerhand Art mit allem Grimm, als ein reissen-
der Wolf heftig zusetzte. Ap. Gesch. 8, 3. c. 9, 5.
c. 22, 4. 5. c. 26, 11. 1 Cor. 15, 9. Gal. 1, 13. Phil.
3, 6.) und ein Schmäher (ubristes, der die
Lästerungen und übrigen Verfolgungen auf
die äusserste Beschimpfung richtete) aber mir
(einem so argen und grossen Sünder) ist Barm-
hertzigkeit wiederfahren
(eine solche Gnade,
nach welcher mich Gott in meinem höchst-elenden
Zustande an statt der gerechten Strafe mit lau-
ter Erbarmung angesehen hat, 1 Cor. 4, 1. und
zwar dergestalt, daß mir in der Ordnung wah-
rer Bekehrung meine schweren Sünden ver-
geben sind, und ich aus einem reissenden Wolfe
ein folgsames Schaf, ja ein Hirte der Schafe
und ein Aufseher der Hirten worden bin) denn
ich habs unwissend gethan im Unglauben

(habe die Erkänntniß nicht gehabt, wie viele an-
dere Pharisäer und Feinde Christi, von der Un-
schuld Christi und seiner Glieder; und also, da
jene solcher ihrer bessern Uberzeugungen wegen
die Sünde wider den heiligen Geist begangen,
Matth. 12, 31. dabey keine Bekehrung und Ver-
gebung statt gefunden, so hat noch die Gnade
zur Bekehrung bey mir Platz gehabt.)

Anmerckungen.

1. Der Haß wider die Wahrheit läßt es
gemeiniglich nicht bey blossen feindseligen Wor-
ten, sondern bricht auch gemeiniglich, wo er
nur nicht von aussen gehindert wird, zu anderer
würcklichen Verfolgung aus. Und da beydes
auf Schmach und Beschimpsung gehet, so hal-
ten die verfolgete dagegen an das Evangelium
tes doxes, der Herrlichkeit, v. 11. wie denn
auch der Geist der Herrlichkeit dabey auf
ihnen ruhet.
1 Pet. 4, 14.

2. Wie groß der Unterscheid sey zwischen
den gottseligen und gottlosen, das siehet man
unter andern auch daraus, daß jene sich ihrer
vor ihrer Bekehrung begangenen Sünden schä-
men, diese aber sich derselben zu rühmen pfle-
gen.

3. Die innige scham-volle Erkenntniß und
aufrichtige Bekenntniß der Sünden mit ihrer
[Spaltenumbruch] wircklichen Unterlassung, ist ein gewisses Kenn-
zeichen der geschehenen wahren Bekehrung.

4. Ob ein Gerechtfertigter schon weiß,
daß er Vergebung der Sünden hat, so behält er
deßwegen doch die Zeit seines Lebens davon ein
beständiges und scham-volles Andencken: wel-
ches denn eben ein kindliches und GOtt-ergebe-
nes Gemüth anzeiget.

5. Daß die heiligen Scribenten GOttes
von der grossen Aufrichtigkeit sind, daß sie ihre
eigne Fehler auch in ihren Schriften bekennen,
das ist nicht ein geringes Zeichen von ihrer
Glaubwürdigkeitin allen ihren übrigen Zeug-
nissen.

6. Den Unterscheid der Sünde wider den
Heiligen Geist von der Sünde wider des Men-
schen Sohn kan man gar deutlich sehen an dem
Exempel der Pharisäer und Pauli, auch Petri,
da er Christum verleugnete. Die Pharisäer
sündigten nach einer zur Uberzeugung empfange-
nen bessern Erkenntniß. Paulus aber versün-
digte sich aus Unwissenheit, ohne eine bessere
Uberzeugung zu haben; gleichwie Petrus sich
wider Christum mit der Verleugnung wider sei-
nen Vorsatz aus Schwachheit sehr verging, und
also mit Paulo die Sünde wider des Menschen
Sohn beging, bey welcher noch eine Bekehrung
und Vergebung statt funde. Matth. 12, 32.

7. Paulus entschuldiget keines weges seine
grobe Unwissenheit, zumal da sie mit dem Un-
glauben verknüpffet war, sondern er schämet
sich derselben vielmehr; er gedencket ihr aber
deßwegen, damit er den Unterschied zwischen sich
und andern Feinden Christi anzeige.

8. Da es recht zu verwundern ist, daß
Paulus bey dem, was zu seiner Zeit von Christo
vorgieng, und so beschaffen war, daß die übri-
gen Pharisäer grossen theils zu einer Uberzeugung
von der Unschuld und guten Sache Christi ge-
kommen sind, Joh. 3, 2. hat in einer so grossen
Unwissenheit bleiben können: so muß er sich vom
Gamaliel Ap. Gesch. 22, 3. und andern Phari-
säern dergestalt haben einnehmen lassen, daß er
auch, aus der beygebrachten Furcht verführet
zu werden, den Predigten Christi und seiner
Jünger nicht einmal nachgegangen, und nach
dem rechten Grund geforschet. Wie es denn
wohl noch heute zu Tage solche feindselige Leute
giebt, welche andere vor rechtschaffenen Knech-
ten und Kindern GOttes und allem ihrem Um-
gange, als vor einem heimlichen Giste, war-
nen.

9. Man hat aber von der Grösse der Sün-
den nicht allemal aus dem, was davon äusserlich
in die Sinne fällt zu urtheilen, sintemal eine
Sünde, die äusserlich nicht sonderlich hervor
trit, oft grösser seyn kan, als eine andere, die
ihrem Ausbruche nach viel schwerer zu seyn schei-
net. Ein klares Erempel haben wir hievon an
Paulo und an den meisten der übrigen Phari-
säer, denn unter diesen wird es kaum einer äus-
serlich so arg gemachet haben, als ihr Discipul,
Paulus; aber nichts desto weniger war ihre
Sünde viel schwerer, als Pauli, da sie nemlich
wider ihr besseres Wissen und Gewissen gehan-

delt,

Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 1. v. 12. 13.
[Spaltenumbruch] bezeichnet unſer Heyland die Tuͤchtigkeit mit
dem Worte klug, Klugheit, wenn er ſpricht:
Welch ein groſſes Ding iſt es, um einen
treuen und klugen Haushalter!
Paulus ſe-
tzet auch beyde Stuͤcke, die Tuͤchtigkeit und
Treue genaue zuſammen, wenn er 2 Tim. 2, 4.
ſchreibet: Was du von mir gehoͤret haſt,
durch viele Zeugen, das befiehl
treuen
Menſchen, die da tuͤchtig ſind auch ande-
re zu lehren.

V. 13.

Der ich zuvor war ein Laͤſterer der wi-
der Chriſtum und ſeine Glieder, auch wider die
Chriſtliche Religion allerhand Laͤſterungen mit
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den Worten nicht ließ, ſondern auch zu ſolchen
boͤſen Wercken ſchritte, daß er die Chriſten ins
Gefaͤngniß und zur Verleugnung des Namens
JEſu auf die Tortur brachte, und ihnen auf
allerhand Art mit allem Grimm, als ein reiſſen-
der Wolf heftig zuſetzte. Ap. Geſch. 8, 3. c. 9, 5.
c. 22, 4. 5. c. 26, 11. 1 Cor. 15, 9. Gal. 1, 13. Phil.
3, 6.) und ein Schmaͤher (ὑβριστὴς, der die
Laͤſterungen und uͤbrigen Verfolgungen auf
die aͤuſſerſte Beſchimpfung richtete) aber mir
(einem ſo argen und groſſen Suͤnder) iſt Barm-
hertzigkeit wiederfahren
(eine ſolche Gnade,
nach welcher mich Gott in meinem hoͤchſt-elenden
Zuſtande an ſtatt der gerechten Strafe mit lau-
ter Erbarmung angeſehen hat, 1 Cor. 4, 1. und
zwar dergeſtalt, daß mir in der Ordnung wah-
rer Bekehrung meine ſchweren Suͤnden ver-
geben ſind, und ich aus einem reiſſenden Wolfe
ein folgſames Schaf, ja ein Hirte der Schafe
und ein Aufſeher der Hirten worden bin) denn
ich habs unwiſſend gethan im Unglauben

(habe die Erkaͤnntniß nicht gehabt, wie viele an-
dere Phariſaͤer und Feinde Chriſti, von der Un-
ſchuld Chriſti und ſeiner Glieder; und alſo, da
jene ſolcher ihrer beſſern Uberzeugungen wegen
die Suͤnde wider den heiligen Geiſt begangen,
Matth. 12, 31. dabey keine Bekehrung und Ver-
gebung ſtatt gefunden, ſo hat noch die Gnade
zur Bekehrung bey mir Platz gehabt.)

Anmerckungen.

1. Der Haß wider die Wahrheit laͤßt es
gemeiniglich nicht bey bloſſen feindſeligen Wor-
ten, ſondern bricht auch gemeiniglich, wo er
nur nicht von auſſen gehindert wird, zu anderer
wuͤrcklichen Verfolgung aus. Und da beydes
auf Schmach und Beſchimpſung gehet, ſo hal-
ten die verfolgete dagegen an das Evangelium
τῆς δόξης, der Herrlichkeit, v. 11. wie denn
auch der Geiſt der Herrlichkeit dabey auf
ihnen ruhet.
1 Pet. 4, 14.

2. Wie groß der Unterſcheid ſey zwiſchen
den gottſeligen und gottloſen, das ſiehet man
unter andern auch daraus, daß jene ſich ihrer
vor ihrer Bekehrung begangenen Suͤnden ſchaͤ-
men, dieſe aber ſich derſelben zu ruͤhmen pfle-
gen.

3. Die innige ſcham-volle Erkenntniß und
aufrichtige Bekenntniß der Suͤnden mit ihrer
[Spaltenumbruch] wircklichen Unterlaſſung, iſt ein gewiſſes Kenn-
zeichen der geſchehenen wahren Bekehrung.

4. Ob ein Gerechtfertigter ſchon weiß,
daß er Vergebung der Suͤnden hat, ſo behaͤlt er
deßwegen doch die Zeit ſeines Lebens davon ein
beſtaͤndiges und ſcham-volles Andencken: wel-
ches denn eben ein kindliches und GOtt-ergebe-
nes Gemuͤth anzeiget.

5. Daß die heiligen Scribenten GOttes
von der groſſen Aufrichtigkeit ſind, daß ſie ihre
eigne Fehler auch in ihren Schriften bekennen,
das iſt nicht ein geringes Zeichen von ihrer
Glaubwuͤrdigkeitin allen ihren uͤbrigen Zeug-
niſſen.

6. Den Unterſcheid der Suͤnde wider den
Heiligen Geiſt von der Suͤnde wider des Men-
ſchen Sohn kan man gar deutlich ſehen an dem
Exempel der Phariſaͤer und Pauli, auch Petri,
da er Chriſtum verleugnete. Die Phariſaͤer
ſuͤndigten nach einer zur Uberzeugung empfange-
nen beſſern Erkenntniß. Paulus aber verſuͤn-
digte ſich aus Unwiſſenheit, ohne eine beſſere
Uberzeugung zu haben; gleichwie Petrus ſich
wider Chriſtum mit der Verleugnung wider ſei-
nen Vorſatz aus Schwachheit ſehr verging, und
alſo mit Paulo die Suͤnde wider des Menſchen
Sohn beging, bey welcher noch eine Bekehrung
und Vergebung ſtatt funde. Matth. 12, 32.

7. Paulus entſchuldiget keines weges ſeine
grobe Unwiſſenheit, zumal da ſie mit dem Un-
glauben verknuͤpffet war, ſondern er ſchaͤmet
ſich derſelben vielmehr; er gedencket ihr aber
deßwegen, damit er den Unterſchied zwiſchen ſich
und andern Feinden Chriſti anzeige.

8. Da es recht zu verwundern iſt, daß
Paulus bey dem, was zu ſeiner Zeit von Chriſto
vorgieng, und ſo beſchaffen war, daß die uͤbri-
gen Phariſaͤer groſſen theils zu einer Uberzeugung
von der Unſchuld und guten Sache Chriſti ge-
kommen ſind, Joh. 3, 2. hat in einer ſo groſſen
Unwiſſenheit bleiben koͤnnen: ſo muß er ſich vom
Gamaliel Ap. Geſch. 22, 3. und andern Phari-
ſaͤern dergeſtalt haben einnehmen laſſen, daß er
auch, aus der beygebrachten Furcht verfuͤhret
zu werden, den Predigten Chriſti und ſeiner
Juͤnger nicht einmal nachgegangen, und nach
dem rechten Grund geforſchet. Wie es denn
wohl noch heute zu Tage ſolche feindſelige Leute
giebt, welche andere vor rechtſchaffenen Knech-
ten und Kindern GOttes und allem ihrem Um-
gange, als vor einem heimlichen Giſte, war-
nen.

9. Man hat aber von der Groͤſſe der Suͤn-
den nicht allemal aus dem, was davon aͤuſſerlich
in die Sinne faͤllt zu urtheilen, ſintemal eine
Suͤnde, die aͤuſſerlich nicht ſonderlich hervor
trit, oft groͤſſer ſeyn kan, als eine andere, die
ihrem Ausbruche nach viel ſchwerer zu ſeyn ſchei-
net. Ein klares Erempel haben wir hievon an
Paulo und an den meiſten der uͤbrigen Phari-
ſaͤer, denn unter dieſen wird es kaum einer aͤuſ-
ſerlich ſo arg gemachet haben, als ihr Diſcipul,
Paulus; aber nichts deſto weniger war ihre
Suͤnde viel ſchwerer, als Pauli, da ſie nemlich
wider ihr beſſeres Wiſſen und Gewiſſen gehan-

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[88/0090] Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli C. 1. v. 12. 13. bezeichnet unſer Heyland die Tuͤchtigkeit mit dem Worte klug, Klugheit, wenn er ſpricht: Welch ein groſſes Ding iſt es, um einen treuen und klugen Haushalter! Paulus ſe- tzet auch beyde Stuͤcke, die Tuͤchtigkeit und Treue genaue zuſammen, wenn er 2 Tim. 2, 4. ſchreibet: Was du von mir gehoͤret haſt, durch viele Zeugen, das befiehl treuen Menſchen, die da tuͤchtig ſind auch ande- re zu lehren. V. 13. Der ich zuvor war ein Laͤſterer der wi- der Chriſtum und ſeine Glieder, auch wider die Chriſtliche Religion allerhand Laͤſterungen mit Worten ausſtieß,) und Verfolger, (der es bey den Worten nicht ließ, ſondern auch zu ſolchen boͤſen Wercken ſchritte, daß er die Chriſten ins Gefaͤngniß und zur Verleugnung des Namens JEſu auf die Tortur brachte, und ihnen auf allerhand Art mit allem Grimm, als ein reiſſen- der Wolf heftig zuſetzte. Ap. Geſch. 8, 3. c. 9, 5. c. 22, 4. 5. c. 26, 11. 1 Cor. 15, 9. Gal. 1, 13. Phil. 3, 6.) und ein Schmaͤher (ὑβριστὴς, der die Laͤſterungen und uͤbrigen Verfolgungen auf die aͤuſſerſte Beſchimpfung richtete) aber mir (einem ſo argen und groſſen Suͤnder) iſt Barm- hertzigkeit wiederfahren (eine ſolche Gnade, nach welcher mich Gott in meinem hoͤchſt-elenden Zuſtande an ſtatt der gerechten Strafe mit lau- ter Erbarmung angeſehen hat, 1 Cor. 4, 1. und zwar dergeſtalt, daß mir in der Ordnung wah- rer Bekehrung meine ſchweren Suͤnden ver- geben ſind, und ich aus einem reiſſenden Wolfe ein folgſames Schaf, ja ein Hirte der Schafe und ein Aufſeher der Hirten worden bin) denn ich habs unwiſſend gethan im Unglauben (habe die Erkaͤnntniß nicht gehabt, wie viele an- dere Phariſaͤer und Feinde Chriſti, von der Un- ſchuld Chriſti und ſeiner Glieder; und alſo, da jene ſolcher ihrer beſſern Uberzeugungen wegen die Suͤnde wider den heiligen Geiſt begangen, Matth. 12, 31. dabey keine Bekehrung und Ver- gebung ſtatt gefunden, ſo hat noch die Gnade zur Bekehrung bey mir Platz gehabt.) Anmerckungen. 1. Der Haß wider die Wahrheit laͤßt es gemeiniglich nicht bey bloſſen feindſeligen Wor- ten, ſondern bricht auch gemeiniglich, wo er nur nicht von auſſen gehindert wird, zu anderer wuͤrcklichen Verfolgung aus. Und da beydes auf Schmach und Beſchimpſung gehet, ſo hal- ten die verfolgete dagegen an das Evangelium τῆς δόξης, der Herrlichkeit, v. 11. wie denn auch der Geiſt der Herrlichkeit dabey auf ihnen ruhet. 1 Pet. 4, 14. 2. Wie groß der Unterſcheid ſey zwiſchen den gottſeligen und gottloſen, das ſiehet man unter andern auch daraus, daß jene ſich ihrer vor ihrer Bekehrung begangenen Suͤnden ſchaͤ- men, dieſe aber ſich derſelben zu ruͤhmen pfle- gen. 3. Die innige ſcham-volle Erkenntniß und aufrichtige Bekenntniß der Suͤnden mit ihrer wircklichen Unterlaſſung, iſt ein gewiſſes Kenn- zeichen der geſchehenen wahren Bekehrung. 4. Ob ein Gerechtfertigter ſchon weiß, daß er Vergebung der Suͤnden hat, ſo behaͤlt er deßwegen doch die Zeit ſeines Lebens davon ein beſtaͤndiges und ſcham-volles Andencken: wel- ches denn eben ein kindliches und GOtt-ergebe- nes Gemuͤth anzeiget. 5. Daß die heiligen Scribenten GOttes von der groſſen Aufrichtigkeit ſind, daß ſie ihre eigne Fehler auch in ihren Schriften bekennen, das iſt nicht ein geringes Zeichen von ihrer Glaubwuͤrdigkeitin allen ihren uͤbrigen Zeug- niſſen. 6. Den Unterſcheid der Suͤnde wider den Heiligen Geiſt von der Suͤnde wider des Men- ſchen Sohn kan man gar deutlich ſehen an dem Exempel der Phariſaͤer und Pauli, auch Petri, da er Chriſtum verleugnete. Die Phariſaͤer ſuͤndigten nach einer zur Uberzeugung empfange- nen beſſern Erkenntniß. Paulus aber verſuͤn- digte ſich aus Unwiſſenheit, ohne eine beſſere Uberzeugung zu haben; gleichwie Petrus ſich wider Chriſtum mit der Verleugnung wider ſei- nen Vorſatz aus Schwachheit ſehr verging, und alſo mit Paulo die Suͤnde wider des Menſchen Sohn beging, bey welcher noch eine Bekehrung und Vergebung ſtatt funde. Matth. 12, 32. 7. Paulus entſchuldiget keines weges ſeine grobe Unwiſſenheit, zumal da ſie mit dem Un- glauben verknuͤpffet war, ſondern er ſchaͤmet ſich derſelben vielmehr; er gedencket ihr aber deßwegen, damit er den Unterſchied zwiſchen ſich und andern Feinden Chriſti anzeige. 8. Da es recht zu verwundern iſt, daß Paulus bey dem, was zu ſeiner Zeit von Chriſto vorgieng, und ſo beſchaffen war, daß die uͤbri- gen Phariſaͤer groſſen theils zu einer Uberzeugung von der Unſchuld und guten Sache Chriſti ge- kommen ſind, Joh. 3, 2. hat in einer ſo groſſen Unwiſſenheit bleiben koͤnnen: ſo muß er ſich vom Gamaliel Ap. Geſch. 22, 3. und andern Phari- ſaͤern dergeſtalt haben einnehmen laſſen, daß er auch, aus der beygebrachten Furcht verfuͤhret zu werden, den Predigten Chriſti und ſeiner Juͤnger nicht einmal nachgegangen, und nach dem rechten Grund geforſchet. Wie es denn wohl noch heute zu Tage ſolche feindſelige Leute giebt, welche andere vor rechtſchaffenen Knech- ten und Kindern GOttes und allem ihrem Um- gange, als vor einem heimlichen Giſte, war- nen. 9. Man hat aber von der Groͤſſe der Suͤn- den nicht allemal aus dem, was davon aͤuſſerlich in die Sinne faͤllt zu urtheilen, ſintemal eine Suͤnde, die aͤuſſerlich nicht ſonderlich hervor trit, oft groͤſſer ſeyn kan, als eine andere, die ihrem Ausbruche nach viel ſchwerer zu ſeyn ſchei- net. Ein klares Erempel haben wir hievon an Paulo und an den meiſten der uͤbrigen Phari- ſaͤer, denn unter dieſen wird es kaum einer aͤuſ- ſerlich ſo arg gemachet haben, als ihr Diſcipul, Paulus; aber nichts deſto weniger war ihre Suͤnde viel ſchwerer, als Pauli, da ſie nemlich wider ihr beſſeres Wiſſen und Gewiſſen gehan- delt,

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/90>, abgerufen am 23.11.2024.