Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Richtige und erbauliche Erklärung V. 1-3. [Spaltenumbruch]
sondern um Christi willen, welcher mit derChristlichen Religion lauter Wahrheit ist. b. Es verstehet demnach der Apostel alhier die wahre Bruder-Liebe, welche von der ge- meinen Liebe und von der Liebe der Feinde sehr unterschieden ist; als welche man zu lie- ben hat, wenn sie auch gleich der Wahrheit abhold sind. c. Da von der Wahrheit gesaget wird, daß sie in uns bleibet, so siehet man wohl, daß damit auf Christum selbst, als die selbstän- dige Wahrheit, gesehen wird: als von dem es sonst eigentlich gesaget wird, daß er in uns sey und bleibe, nach dem oftmaligen Aus- spruch des Apostels im ersten Briefe: alwo c. 3, 9. diese Wahrheit der in uns bleiben- de Saame GOttes genennet wird: und Hebr. 10, 34. heißt die in uns bleibende Wahr- heit die bessere und bleibende Haabe, die man in sich und zugleich auch im Himmel be- sitze. d. Es ist demnach leichtlich zu erachten, daß, da sowol die Wahrheit, als das bleiben in uns von solchem Nachdrucke ist, der Sitz der Wahrheit in uns nicht allein der Ver- stand mit dem Gedächtniß, sondern auch der Wille sey, und der gantze Mensch davon eingenommen, und wie dadurch erleuchtet, also auch geheiliget und bewahret werde. e. Wenn die Wahrheit soll seyn meth emon. mit und bey uns, so muß sie zuvorderst in uns seyn: Wie wir denn sehen, daß der Apostel beydes aufs genaueste zusammen se- tzet und mit einander verbindet, ja der Ord- nung nach die Einwohnung der Wahrheit derselben Mitwirckung vorsetzet. f. Da nun, was der Apostel von der Wahr- heit saget, auch von der Gnade gilt, die mit jener durch Christum worden ist Joh. 1, 17. so ist es ein nichtiges Getichte, wenn man eine gratiam adsistentem sine inhabitan- te, eine solche beystehende Gnade statuiret, welche auch ohne Einwohnung bey den Gottlosen sich befinde, sonderlich in ihrem geistlichen Lehr-Amt, daß sie demselben da- durch in allen Haupt-Stücken würdig und gehörig vorstehen könnten. V. 3. Gnade und Barmhertzigkeit, Friede Anmerckungen. 1. Das Wort Gnade, wird durch das 2. Wenn der Mensch auch schon bey 3. Es kan auch der Gnade niemand wür- 4. Gnade und Friede sind allemal unzer- 5. Gnade ohne Friede ist nichts, als ei- 6. Nicht weniger ist der Friede, welchen 7. Da nun diese schon erweckte und im 8. Hat
Richtige und erbauliche Erklaͤrung V. 1-3. [Spaltenumbruch]
ſondern um Chriſti willen, welcher mit derChriſtlichen Religion lauter Wahrheit iſt. b. Es verſtehet demnach der Apoſtel alhier die wahre Bruder-Liebe, welche von der ge- meinen Liebe und von der Liebe der Feinde ſehr unterſchieden iſt; als welche man zu lie- ben hat, wenn ſie auch gleich der Wahrheit abhold ſind. c. Da von der Wahrheit geſaget wird, daß ſie in uns bleibet, ſo ſiehet man wohl, daß damit auf Chriſtum ſelbſt, als die ſelbſtaͤn- dige Wahrheit, geſehen wird: als von dem es ſonſt eigentlich geſaget wird, daß er in uns ſey und bleibe, nach dem oftmaligen Aus- ſpruch des Apoſtels im erſten Briefe: alwo c. 3, 9. dieſe Wahrheit der in uns bleiben- de Saame GOttes genennet wird: und Hebr. 10, 34. heißt die in uns bleibende Wahr- heit die beſſere und bleibende Haabe, die man in ſich und zugleich auch im Himmel be- ſitze. d. Es iſt demnach leichtlich zu erachten, daß, da ſowol die Wahrheit, als das bleiben in uns von ſolchem Nachdrucke iſt, der Sitz der Wahrheit in uns nicht allein der Ver- ſtand mit dem Gedaͤchtniß, ſondern auch der Wille ſey, und der gantze Menſch davon eingenommen, und wie dadurch erleuchtet, alſo auch geheiliget und bewahret werde. e. Wenn die Wahrheit ſoll ſeyn μεϑ ἡμῶν. mit und bey uns, ſo muß ſie zuvorderſt in uns ſeyn: Wie wir denn ſehen, daß der Apoſtel beydes aufs genaueſte zuſammen ſe- tzet und mit einander verbindet, ja der Ord- nung nach die Einwohnung der Wahrheit derſelben Mitwirckung vorſetzet. f. Da nun, was der Apoſtel von der Wahr- heit ſaget, auch von der Gnade gilt, die mit jener durch Chriſtum worden iſt Joh. 1, 17. ſo iſt es ein nichtiges Getichte, wenn man eine gratiam adſiſtentem ſine inhabitan- te, eine ſolche beyſtehende Gnade ſtatuiret, welche auch ohne Einwohnung bey den Gottloſen ſich befinde, ſonderlich in ihrem geiſtlichen Lehr-Amt, daß ſie demſelben da- durch in allen Haupt-Stuͤcken wuͤrdig und gehoͤrig vorſtehen koͤnnten. V. 3. Gnade und Barmhertzigkeit, Friede Anmerckungen. 1. Das Wort Gnade, wird durch das 2. Wenn der Menſch auch ſchon bey 3. Es kan auch der Gnade niemand wuͤr- 4. Gnade und Friede ſind allemal unzer- 5. Gnade ohne Friede iſt nichts, als ei- 6. Nicht weniger iſt der Friede, welchen 7. Da nun dieſe ſchon erweckte und im 8. Hat
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Richtige und erbauliche Erklaͤrung V. 1-3.
ſondern um Chriſti willen, welcher mit der
Chriſtlichen Religion lauter Wahrheit iſt.
b. Es verſtehet demnach der Apoſtel alhier die
wahre Bruder-Liebe, welche von der ge-
meinen Liebe und von der Liebe der Feinde
ſehr unterſchieden iſt; als welche man zu lie-
ben hat, wenn ſie auch gleich der Wahrheit
abhold ſind.
c. Da von der Wahrheit geſaget wird, daß
ſie in uns bleibet, ſo ſiehet man wohl, daß
damit auf Chriſtum ſelbſt, als die ſelbſtaͤn-
dige Wahrheit, geſehen wird: als von dem
es ſonſt eigentlich geſaget wird, daß er in uns
ſey und bleibe, nach dem oftmaligen Aus-
ſpruch des Apoſtels im erſten Briefe: alwo
c. 3, 9. dieſe Wahrheit der in uns bleiben-
de Saame GOttes genennet wird: und
Hebr. 10, 34. heißt die in uns bleibende Wahr-
heit die beſſere und bleibende Haabe, die
man in ſich und zugleich auch im Himmel be-
ſitze.
d. Es iſt demnach leichtlich zu erachten, daß, da
ſowol die Wahrheit, als das bleiben in
uns von ſolchem Nachdrucke iſt, der Sitz
der Wahrheit in uns nicht allein der Ver-
ſtand mit dem Gedaͤchtniß, ſondern auch der
Wille ſey, und der gantze Menſch davon
eingenommen, und wie dadurch erleuchtet,
alſo auch geheiliget und bewahret werde.
e. Wenn die Wahrheit ſoll ſeyn μεϑ ἡμῶν.
mit und bey uns, ſo muß ſie zuvorderſt in
uns ſeyn: Wie wir denn ſehen, daß der
Apoſtel beydes aufs genaueſte zuſammen ſe-
tzet und mit einander verbindet, ja der Ord-
nung nach die Einwohnung der Wahrheit
derſelben Mitwirckung vorſetzet.
f. Da nun, was der Apoſtel von der Wahr-
heit ſaget, auch von der Gnade gilt, die mit
jener durch Chriſtum worden iſt Joh. 1, 17.
ſo iſt es ein nichtiges Getichte, wenn man
eine gratiam adſiſtentem ſine inhabitan-
te, eine ſolche beyſtehende Gnade ſtatuiret,
welche auch ohne Einwohnung bey den
Gottloſen ſich befinde, ſonderlich in ihrem
geiſtlichen Lehr-Amt, daß ſie demſelben da-
durch in allen Haupt-Stuͤcken wuͤrdig und
gehoͤrig vorſtehen koͤnnten.
V. 3.
Gnade und Barmhertzigkeit, Friede
von GOtt dem Vater, und von dem
HErrn JEſu CHriſto, dem Sohn des
Vaters, in der Wahrheit und in der
Liebe ſey mit uns (μεϑ᾽ ὑμῶν, mit euch,
aber auch zugleich mit uns.)
Anmerckungen.
1. Das Wort Gnade, wird durch das
dazu geſetzte Wort Barmhertzigkeit erlaͤu-
tert, wie auch 1 Tim. 1, 2. 2 Tim. 1, 2. Tit.
1, 4. geſchiehet, um damit anzuzeigen, daß die
Gnade unverdienet ſey, ſondern uns, in Anſe-
hung unſers groſſen Elendes, aus dem Grunde
der ewigen Liebe zu theil werde.
2. Wenn der Menſch auch ſchon bey
GOtt im Stande der Gnaden ſtehet, wie die-
ſe auserwehlte Frau mit ihren Kindern, ſo ge-
brauchet man wegen des noch in uns uͤbrigen
vielen Suͤnden-Elendes doch noch immer der
Erbarmung GOttes. Wie ſie denn auch da-
her die Heilige Schrift denen, welche ihn
fuͤrchten, anpreiſet: Pſ. 103, 15. Wie ſich ein
Vater uͤber Kinder erbarmet, ſo erbar-
met ſich der HERR uͤber die, ſo ihn
fuͤrchten. Luc. 2, 50. Seine Barmhertzig-
keit waͤhret immer fuͤr und fuͤr bey denen,
die ihn fuͤrchten.
3. Es kan auch der Gnade niemand wuͤr-
dig genieſſen, als wer ſie anſiehet und an-
nimmt, als eine Erbarmung. Denn ſo bald
der Menſch aus dem Gefuͤhle ſeiner geiſtlichen
Armuth ſchreitet und ſeiner Wuͤrdigkeit etwas
zuſchreibet, ſo bald hemmet er den mehrern Zu-
fluß der mehrern Gnade. Je unwuͤrdiger a-
ber er ſich derſelben haͤlt, ie faͤhiger iſt er ihrer.
4. Gnade und Friede ſind allemal unzer-
trennlich bey einander, wenn auch gleich des
einen allein ausdruͤcklich gedacht wird. Denn
wem GOtt um CHriſti willen gnaͤdig iſt, den
begnadiget er mit den von ihm erworbenen
Heils-Guͤtern, welche im Friede liegen: Wie
denn auch daher der Friede bey den Hebraͤern
von der Vollkommenheit, da alle Theile
gantz bey einander ſind, und bey den Griechen
von Verbindung aller Stuͤcke in eins den
Namen hat. Und alſo iſt die Gnade anzuſe-
hen, als die wirckende Urſache, der Friede als
das daher entſtehende Heil: Die Gnade als
die Qvelle, der Friede als die daraus flieſſen-
de Baͤchlein.
5. Gnade ohne Friede iſt nichts, als ei-
ne leere Einbildung: Doch iſt allhier der
Stand der Angefochtenen ſowol im Anfange
ihrer Bekehrung, als auch hernach in ſchweren
geiſtlichen Verſuchungen, ausgenommen; als
welche ſchon in der Gnade ſtehen, ob ſie gleich
den Frieden GOttes in ihrer Seele zu ihrer
voͤlligen Beruhigung und zur Freude im Heiligen
Geiſte noch nicht empfinden, oder ihn wieder
fuͤr verlohren achten.
6. Nicht weniger iſt der Friede, welchen
man ohne Gnade der Bekehrung und Rechtfer-
tigung zu haben vermeinet, nichts als ein bloſ-
ſes Natur-Werck, und eine fleiſchliche Sicher-
heit, und ein ſehr gemeiner Selbſt-Betrug vie-
ler Leute.
7. Da nun dieſe ſchon erweckte und im
Guten beveſtigte Seelen noch der Gnade und
des Friedens gebrauchten, ſo muß ein ieder gott-
ſeliger Chriſt zuſehen, daß er zu ſeinem Wachs-
thum und zu ſeiner Beharrung beſtaͤndig an
der Evangeliſchen Qvelle bleibe. Und hat ein
ieder Leſer bey dieſen Worten ein wenig ſtille
zu ſtehen, und ſich beydes die Gnade und den
Frieden glaͤubig zuzueignen; ſonderlich derjeni-
ge, wer von beyden bisher noch ferne gewe-
ſen iſt. Da denn die Gnade ihre Kraft und
Frucht zuvorderſt in der heilſamen Zuͤchtigung
zur Verlaͤugnung alles ungoͤttlichen Weſens
zeiget.
8. Hat
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