Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 4. v. 18-21. des ersten Briefes Johannis. [Spaltenumbruch]
b. Zur Erweckung und zum Troste gläubiger und dabey blöder Seelen, welche wircklich im Stande der Gnaden stehen, aber doch so viele knechtische Furcht bey sich empfinden. Denn diese können, durch die anderwärtig in diesem Briefe gegebnen Characteres, z. E. durch das aufrichtige Halten der Gebote GOttes c. 2, 3. 4. und durch die Liebe gegen die Brüder c. 3, 14. ihres Gnaden-Standes und ihrer Kindschaft bey GOtt versichert seyn. Jst aber dieses, so haben sie denn alle schreckende Furcht fahren zu lassen, und sich zuversichtlich in der Liebe und Gnade GOttes, welche ihnen in Christo offen stehet, gleichsam zu lagern und darinn vergnüg- lich zu ruhen. Sie haben auch diejenige Furcht, welche vom blöden Gewissen, oder von Erman- gelung des Gnaden-Standes kömmt, von der- selbigen wohl zu unterscheiden, welche von ih- rem natürlichen Temperamento herrühret; als davon manche Seele eine Bedrückung em- pfindet, daß sie sich nicht allein vor dem Tode, sondern auch wohl vor einem Ungewitter zu sehr fürchtet. Wenn es nur sonst mit den von Johanne angewiesenen Kennzeichen des Gna- den-Standes seine Richtigkeit hat, so soll ih- nen solche Furchtsamkeit an dem freyen Genusse der Liebe GOttes nicht hinderlich seyn. GOtt ist auch getreu, daß er sie darinnen nicht läßt, und solten sie auch darinnen ihr Leben endigen, so sterben sie doch selig. V. 19. Lasset uns ihn lieben, denn er hat uns Anmerckungen. 1. Diese Worte bekräftigen den bisher ge- 2. Wir finden in der gantzen heiligen 3. Wir finden alhier nicht allein das Evan- 4. Die Vorstellung von der Gerechtigkeit 5. Es lassen sich diese Worte auch gar füg- 6. GOtt machet den Anfang in der Liebe, 7. Es weiset uns demnach der Apostel wie 8. Hat uns GOtt zuerst geliebet, und, da V. 20. 21. So iemand spricht: Jch liebe GOtt Anmerckungen. 1. Nachdem der Apostel die Liebe GOttes 2. Und gleichwie er im gantzen Briefe 3. Es hat demnach schon zu Johannis Zei- dar- X x x x 3
Cap. 4. v. 18-21. des erſten Briefes Johannis. [Spaltenumbruch]
b. Zur Erweckung und zum Troſte glaͤubiger und dabey bloͤder Seelen, welche wircklich im Stande der Gnaden ſtehen, aber doch ſo viele knechtiſche Furcht bey ſich empfinden. Denn dieſe koͤnnen, durch die anderwaͤrtig in dieſem Briefe gegebnen Characteres, z. E. durch das aufrichtige Halten der Gebote GOttes c. 2, 3. 4. und durch die Liebe gegen die Bruͤder c. 3, 14. ihres Gnaden-Standes und ihrer Kindſchaft bey GOtt verſichert ſeyn. Jſt aber dieſes, ſo haben ſie denn alle ſchreckende Furcht fahren zu laſſen, und ſich zuverſichtlich in der Liebe und Gnade GOttes, welche ihnen in Chriſto offen ſtehet, gleichſam zu lagern und darinn vergnuͤg- lich zu ruhen. Sie haben auch diejenige Furcht, welche vom bloͤden Gewiſſen, oder von Erman- gelung des Gnaden-Standes koͤmmt, von der- ſelbigen wohl zu unterſcheiden, welche von ih- rem natuͤrlichen Temperamento herruͤhret; als davon manche Seele eine Bedruͤckung em- pfindet, daß ſie ſich nicht allein vor dem Tode, ſondern auch wohl vor einem Ungewitter zu ſehr fuͤrchtet. Wenn es nur ſonſt mit den von Johanne angewieſenen Kennzeichen des Gna- den-Standes ſeine Richtigkeit hat, ſo ſoll ih- nen ſolche Furchtſamkeit an dem freyen Genuſſe der Liebe GOttes nicht hinderlich ſeyn. GOtt iſt auch getreu, daß er ſie darinnen nicht laͤßt, und ſolten ſie auch darinnen ihr Leben endigen, ſo ſterben ſie doch ſelig. V. 19. Laſſet uns ihn lieben, denn er hat uns Anmerckungen. 1. Dieſe Worte bekraͤftigen den bisher ge- 2. Wir finden in der gantzen heiligen 3. Wir finden alhier nicht allein das Evan- 4. Die Vorſtellung von der Gerechtigkeit 5. Es laſſen ſich dieſe Worte auch gar fuͤg- 6. GOtt machet den Anfang in der Liebe, 7. Es weiſet uns demnach der Apoſtel wie 8. Hat uns GOtt zuerſt geliebet, und, da V. 20. 21. So iemand ſpricht: Jch liebe GOtt Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel die Liebe GOttes 2. Und gleichwie er im gantzen Briefe 3. Es hat demnach ſchon zu Johannis Zei- dar- X x x x 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0719" n="719"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Cap. 4. v. 18-21. des erſten Briefes Johannis.</hi> </fw><lb/> <cb/> <list> <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Zur <hi rendition="#fr">Erweckung</hi> und zum <hi rendition="#fr">Troſte</hi> glaͤubiger<lb/> und dabey bloͤder Seelen, welche wircklich im<lb/> Stande der Gnaden ſtehen, aber doch ſo viele<lb/> knechtiſche Furcht bey ſich empfinden. Denn<lb/> dieſe koͤnnen, durch die anderwaͤrtig in dieſem<lb/> Briefe gegebnen <hi rendition="#aq">Characteres,</hi> z. E. durch das<lb/> aufrichtige Halten der Gebote GOttes c. 2, 3.<lb/> 4. und durch die Liebe gegen die Bruͤder c. 3, 14.<lb/> ihres Gnaden-Standes und ihrer Kindſchaft<lb/> bey GOtt verſichert ſeyn. Jſt aber dieſes, ſo<lb/> haben ſie denn alle ſchreckende Furcht fahren zu<lb/> laſſen, und ſich zuverſichtlich in der Liebe und<lb/> Gnade GOttes, welche ihnen in Chriſto offen<lb/> ſtehet, gleichſam zu lagern und darinn vergnuͤg-<lb/> lich zu ruhen. Sie haben auch diejenige Furcht,<lb/> welche vom bloͤden Gewiſſen, oder von Erman-<lb/> gelung des Gnaden-Standes koͤmmt, von der-<lb/> ſelbigen wohl zu unterſcheiden, welche von ih-<lb/> rem natuͤrlichen <hi rendition="#aq">Temperamento</hi> herruͤhret;<lb/> als davon manche Seele eine Bedruͤckung em-<lb/> pfindet, daß ſie ſich nicht allein vor dem Tode,<lb/> ſondern auch wohl vor einem Ungewitter zu<lb/> ſehr fuͤrchtet. Wenn es nur ſonſt mit den von<lb/> Johanne angewieſenen Kennzeichen des Gna-<lb/> den-Standes ſeine Richtigkeit hat, ſo ſoll ih-<lb/> nen ſolche Furchtſamkeit an dem freyen Genuſſe<lb/> der Liebe GOttes nicht hinderlich ſeyn. GOtt<lb/> iſt auch getreu, daß er ſie darinnen nicht laͤßt,<lb/> und ſolten ſie auch darinnen ihr Leben endigen,<lb/> ſo ſterben ſie doch ſelig.</item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">V. 19.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Laſſet uns ihn lieben, denn er hat uns<lb/> erſt geliebet.</hi> </p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <p>1. Dieſe Worte bekraͤftigen den bisher ge-<lb/> zeigten Verſtand des gantzen Contextes, daß er<lb/> nemlich ſonderlich handele von der Liebe GOttes<lb/> gegen uns und von der daher zu nehmenden Freu-<lb/> digkeit des Glaubens: Daß aber dadurch unſe-<lb/> rer thaͤtigen Liebe gegen GOTT nichts abgehen,<lb/> ſondern dieſe aus ſolchem evangeliſchen Grunde<lb/> erſt recht erwachſen ſolle, wird damit zugleich an-<lb/> gezeiget.</p><lb/> <p>2. Wir finden in der gantzen heiligen<lb/> Schrift nicht leichtlich einen eintzigen Ort, darin-<lb/> nen uns derſelben gantzer Jnhalt kuͤrtzer und nach-<lb/> druͤcklicher ausgedrucket wird, als in dieſen Wor-<lb/> ten. Denn es lieget darinn das Evangelium<lb/> und Geſetz: <hi rendition="#fr">Das Evangelium: er hat uns<lb/> erſt geliebet,</hi> liebet uns noch, und wird uns auch<lb/> ferner, ja in Ewigkeit lieben. <hi rendition="#fr">Das Geſetz: laſſet<lb/> uns ihn lieben,</hi> und dabey den Naͤchſten, als<lb/> uns ſelbſt.</p><lb/> <p>3. Wir finden alhier nicht allein das Evan-<lb/> gelium und das Geſetze in einem unzertrennlichen<lb/> Bande zuſammen, ſondern auch die Ordnung,<lb/> in welcher ſie der <hi rendition="#aq">Application</hi> nach bey dem<lb/> Menſchen ſich finden: nemlich das Evangelium<lb/> gehet voran, und das Geſetz folget. Denn es<lb/> heißt: <hi rendition="#fr">er hat uns erſt geliebet:</hi> darum <hi rendition="#fr">laßt<lb/> uns ihn lieben.</hi></p><lb/> <p>4. Die Vorſtellung von der Gerechtigkeit<lb/> und Heiligkeit, worinn das Geſetz GOttes ſeinen<lb/><cb/> Grund hat, iſt zwar noͤthig und nuͤtzlich zur Lei-<lb/> ſtung unſerer Liebes-Pflichten: aber die Betrach-<lb/> tung der Liebe und Gnade GOttes iſt noch noͤthi-<lb/> ger und nuͤtzlicher. Denn da uns jene auf das<lb/> muͤſſen fuͤhret, ſo weiſet uns dieſe das wollen und<lb/> das koͤnnen an, da es uns willig und vermoͤgend<lb/> machet.</p><lb/> <p>5. Es laſſen ſich dieſe Worte auch gar fuͤg-<lb/> lich, als ein Satz im <hi rendition="#aq">Indicativo</hi> annehmen,<lb/> nemlich alſo: <hi rendition="#fr">Wir lieben ihn: denn er hat<lb/> uns erſt geliebet.</hi></p><lb/> <p>6. GOtt machet den Anfang in der Liebe,<lb/> wie ein Braͤutigam von der ehelichen Liebe; als<lb/> welcher eben dadurch bey der Perſon, welche er<lb/> ſich erwehlet, eine eheliche Gegenliebe erwecket,<lb/> wenn er ihr mit ſeiner Liebe zuvor koͤmmt.</p><lb/> <p>7. Es weiſet uns demnach der Apoſtel wie<lb/> im gantzen Briefe, alſo inſonderheit mit dieſen<lb/> Worten ein rechtes Evangeliſches Chriſtenthum<lb/> an. Darinn wir uns wohl zu uͤben haben. Und<lb/> nach dieſem evangeliſchen Grunde konte er auch<lb/> hernach c. 5, 3. ſagen: <hi rendition="#fr">ſeine Gebote ſind nicht<lb/> ſchwer.</hi></p><lb/> <p>8. Hat uns GOtt zuerſt geliebet, und, da<lb/> wir noch ſeine Feinde waren, mit der Liebe den<lb/> Anfang gemachet: ſo hat man ſo viel weniger<lb/> an der Liebe GOttes zu zweifeln, ſo viel mehr man<lb/> bereits ſich in der aufrichtigen Gegen-Liebe befin-<lb/> det: als davon es heißt: <hi rendition="#fr">Wer mich liebet, der<lb/> wird mein Wort halten, und mein Vater<lb/> wird ihn lieben, und wir werden zu ihm<lb/> kommen und Wohnung bey ihm machen.</hi><lb/> Siehe Roͤm. 5, 6. u. f. auch c. 3, 31. <hi rendition="#fr">Wir richten<lb/> das Geſetz auf durch den Glauben.</hi></p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">V. 20. 21.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#fr">So iemand ſpricht: Jch liebe GOtt<lb/> und haſſet ſeinen Bruder, der iſt ein Luͤg-<lb/> ner. Denn wer ſeinen Bruder nicht liebet,<lb/> den er ſiehet, wie kan er GOtt lieben, den<lb/> er nicht ſiehet? Und diß Gebot haben wir<lb/> von ihm, daß wer GOtt liebet, daß der<lb/> auch ſeinen Bruder liebe</hi> (ſintemal die Gebote<lb/> der anderen Tafel mit denen der erſten zugleich<lb/> gegeben und zuſammen gefuͤget ſind.)</p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <p>1. Nachdem der Apoſtel die Liebe GOttes<lb/> gegen uns den Glaͤubigen angeprieſen hat, ſo<lb/> dringet er dabey auch nicht weniger auf die ſchul-<lb/> dige Gegen-Liebe, und erlaͤutert damit, was er<lb/> davon bereits vorher kuͤrtzlich geſaget hatte.</p><lb/> <p>2. Und gleichwie er im gantzen Briefe<lb/> eines theils die bloͤden, aber GOtt im Glauben<lb/> und in der Liebe wahrhaftig ergebnen Seelen ſu-<lb/> chet zur Glaubens-Freudigkeit zu erwecken: alſo<lb/> decket er auch andern theils denen ſichern und<lb/> heuchleriſchen Menſchen ihren boͤſen Grund und<lb/> ihren Selbſt-Betrug auf, da er ihres falſchen<lb/> Ruhms mit dieſen Worten gedencket: <hi rendition="#fr">wer da<lb/> ſpricht: ſo wir ſagen: wer da ſaget.</hi></p><lb/> <p>3. Es hat demnach ſchon zu Johannis Zei-<lb/> ten nicht an ſolchen Leuten gefehlet, welche ſich bey<lb/> ihrem Chriſtenthum der Liebe GOttes faͤlſchlich<lb/> geruͤhmet haben: daher man ſich ſo viel weniger<lb/> <fw place="bottom" type="sig">X x x x 3</fw><fw place="bottom" type="catch">dar-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [719/0719]
Cap. 4. v. 18-21. des erſten Briefes Johannis.
b. Zur Erweckung und zum Troſte glaͤubiger
und dabey bloͤder Seelen, welche wircklich im
Stande der Gnaden ſtehen, aber doch ſo viele
knechtiſche Furcht bey ſich empfinden. Denn
dieſe koͤnnen, durch die anderwaͤrtig in dieſem
Briefe gegebnen Characteres, z. E. durch das
aufrichtige Halten der Gebote GOttes c. 2, 3.
4. und durch die Liebe gegen die Bruͤder c. 3, 14.
ihres Gnaden-Standes und ihrer Kindſchaft
bey GOtt verſichert ſeyn. Jſt aber dieſes, ſo
haben ſie denn alle ſchreckende Furcht fahren zu
laſſen, und ſich zuverſichtlich in der Liebe und
Gnade GOttes, welche ihnen in Chriſto offen
ſtehet, gleichſam zu lagern und darinn vergnuͤg-
lich zu ruhen. Sie haben auch diejenige Furcht,
welche vom bloͤden Gewiſſen, oder von Erman-
gelung des Gnaden-Standes koͤmmt, von der-
ſelbigen wohl zu unterſcheiden, welche von ih-
rem natuͤrlichen Temperamento herruͤhret;
als davon manche Seele eine Bedruͤckung em-
pfindet, daß ſie ſich nicht allein vor dem Tode,
ſondern auch wohl vor einem Ungewitter zu
ſehr fuͤrchtet. Wenn es nur ſonſt mit den von
Johanne angewieſenen Kennzeichen des Gna-
den-Standes ſeine Richtigkeit hat, ſo ſoll ih-
nen ſolche Furchtſamkeit an dem freyen Genuſſe
der Liebe GOttes nicht hinderlich ſeyn. GOtt
iſt auch getreu, daß er ſie darinnen nicht laͤßt,
und ſolten ſie auch darinnen ihr Leben endigen,
ſo ſterben ſie doch ſelig.
V. 19.
Laſſet uns ihn lieben, denn er hat uns
erſt geliebet.
Anmerckungen.
1. Dieſe Worte bekraͤftigen den bisher ge-
zeigten Verſtand des gantzen Contextes, daß er
nemlich ſonderlich handele von der Liebe GOttes
gegen uns und von der daher zu nehmenden Freu-
digkeit des Glaubens: Daß aber dadurch unſe-
rer thaͤtigen Liebe gegen GOTT nichts abgehen,
ſondern dieſe aus ſolchem evangeliſchen Grunde
erſt recht erwachſen ſolle, wird damit zugleich an-
gezeiget.
2. Wir finden in der gantzen heiligen
Schrift nicht leichtlich einen eintzigen Ort, darin-
nen uns derſelben gantzer Jnhalt kuͤrtzer und nach-
druͤcklicher ausgedrucket wird, als in dieſen Wor-
ten. Denn es lieget darinn das Evangelium
und Geſetz: Das Evangelium: er hat uns
erſt geliebet, liebet uns noch, und wird uns auch
ferner, ja in Ewigkeit lieben. Das Geſetz: laſſet
uns ihn lieben, und dabey den Naͤchſten, als
uns ſelbſt.
3. Wir finden alhier nicht allein das Evan-
gelium und das Geſetze in einem unzertrennlichen
Bande zuſammen, ſondern auch die Ordnung,
in welcher ſie der Application nach bey dem
Menſchen ſich finden: nemlich das Evangelium
gehet voran, und das Geſetz folget. Denn es
heißt: er hat uns erſt geliebet: darum laßt
uns ihn lieben.
4. Die Vorſtellung von der Gerechtigkeit
und Heiligkeit, worinn das Geſetz GOttes ſeinen
Grund hat, iſt zwar noͤthig und nuͤtzlich zur Lei-
ſtung unſerer Liebes-Pflichten: aber die Betrach-
tung der Liebe und Gnade GOttes iſt noch noͤthi-
ger und nuͤtzlicher. Denn da uns jene auf das
muͤſſen fuͤhret, ſo weiſet uns dieſe das wollen und
das koͤnnen an, da es uns willig und vermoͤgend
machet.
5. Es laſſen ſich dieſe Worte auch gar fuͤg-
lich, als ein Satz im Indicativo annehmen,
nemlich alſo: Wir lieben ihn: denn er hat
uns erſt geliebet.
6. GOtt machet den Anfang in der Liebe,
wie ein Braͤutigam von der ehelichen Liebe; als
welcher eben dadurch bey der Perſon, welche er
ſich erwehlet, eine eheliche Gegenliebe erwecket,
wenn er ihr mit ſeiner Liebe zuvor koͤmmt.
7. Es weiſet uns demnach der Apoſtel wie
im gantzen Briefe, alſo inſonderheit mit dieſen
Worten ein rechtes Evangeliſches Chriſtenthum
an. Darinn wir uns wohl zu uͤben haben. Und
nach dieſem evangeliſchen Grunde konte er auch
hernach c. 5, 3. ſagen: ſeine Gebote ſind nicht
ſchwer.
8. Hat uns GOtt zuerſt geliebet, und, da
wir noch ſeine Feinde waren, mit der Liebe den
Anfang gemachet: ſo hat man ſo viel weniger
an der Liebe GOttes zu zweifeln, ſo viel mehr man
bereits ſich in der aufrichtigen Gegen-Liebe befin-
det: als davon es heißt: Wer mich liebet, der
wird mein Wort halten, und mein Vater
wird ihn lieben, und wir werden zu ihm
kommen und Wohnung bey ihm machen.
Siehe Roͤm. 5, 6. u. f. auch c. 3, 31. Wir richten
das Geſetz auf durch den Glauben.
V. 20. 21.
So iemand ſpricht: Jch liebe GOtt
und haſſet ſeinen Bruder, der iſt ein Luͤg-
ner. Denn wer ſeinen Bruder nicht liebet,
den er ſiehet, wie kan er GOtt lieben, den
er nicht ſiehet? Und diß Gebot haben wir
von ihm, daß wer GOtt liebet, daß der
auch ſeinen Bruder liebe (ſintemal die Gebote
der anderen Tafel mit denen der erſten zugleich
gegeben und zuſammen gefuͤget ſind.)
Anmerckungen.
1. Nachdem der Apoſtel die Liebe GOttes
gegen uns den Glaͤubigen angeprieſen hat, ſo
dringet er dabey auch nicht weniger auf die ſchul-
dige Gegen-Liebe, und erlaͤutert damit, was er
davon bereits vorher kuͤrtzlich geſaget hatte.
2. Und gleichwie er im gantzen Briefe
eines theils die bloͤden, aber GOtt im Glauben
und in der Liebe wahrhaftig ergebnen Seelen ſu-
chet zur Glaubens-Freudigkeit zu erwecken: alſo
decket er auch andern theils denen ſichern und
heuchleriſchen Menſchen ihren boͤſen Grund und
ihren Selbſt-Betrug auf, da er ihres falſchen
Ruhms mit dieſen Worten gedencket: wer da
ſpricht: ſo wir ſagen: wer da ſaget.
3. Es hat demnach ſchon zu Johannis Zei-
ten nicht an ſolchen Leuten gefehlet, welche ſich bey
ihrem Chriſtenthum der Liebe GOttes faͤlſchlich
geruͤhmet haben: daher man ſich ſo viel weniger
dar-
X x x x 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |