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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 4. v. 16-18. des ersten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] sichert halten: bleibet man denn bey der Liebe
GOttes, die er gegen und an uns hat, so bleibet
man auf der rechten Weide, und da wird es einem
solchen Gläubigen so natürlich, oder so leichte,
auch die Liebe gegen den Nächsten auszuüben,
und in solcher Ausübung zu verharren, als es ei-
nem Schafe wird, da es auf einer grünen und
fetten auch Wasserreichen Weide gute Milch
und gute Wolle von sich giebt. Von diesem blei-
ben in der Liebe GOttes, die er zu uns träget, oder
sich von derselben versichert halten, heißt es Röm.
8, 35. u. f. Wer will uns scheiden von der
Liebe GOttes.
u. s. w.

V. 17.

Daran (wenn wir in GOtt bleiben und er
in uns) ist die Liebe (die GOtt zu uns träget)
völlig bey uns, auf daß wir eine Freudig-
keit haben am Tage des Gerichts. Denn
wie er ist, so sind auch wir in der Welt

(so wol in Erweisung der Liebe, als in der Uber-
nehmung des Creutzes, was die Nachfolge un-
sers Heylandes betrift.)

Anmerckungen.

1. Die Liebe läßt sich alhier am aller-
füglichsten von der Liebe GOttes gegen uns verste-
hen; als davon der Context vorher und nachher
am meisten handelt; doch also, daß diese Liebe
GOttes gegen uns unsere Liebe gegen ihn und
den Nächsten gebieret. So haben wir auch im
gleichen Verstande das Wort teteleiotai, ist völ-
lig,
oder ist vollkommen, von der Liebe schon
oben gehabt c. 2, 5. Wie auch in diesem vierten
Capitel v. 12. da es von der Liebe heißt: tetelei-
omene estin, ist völlig in uns. Das meth' emon ist al-
hier soviel, als en emin v. 16.

2. Das en touto lässet sich nach diesem Ver-
stande am füglichsten auf das vorhergehende,
nemlich auf das, was von der Vereinigung
GOttes und der Gläubigen gesaget ist, ziehen:
sintemal sich eben darinn die Liebe also erweiset,
daß sie zu ihrem rechten Zweck gelanget ist. Daß
das en touto auch auf das vorhergehende zurück
gehe, haben wir bereits in diesem Briefe gesehen,
nemlich c. 2, 15, 19 c. 3, 10.

3. Mit den Worten; aufdaß wir eine
Freudigkeit haben am Tage des Gerichts,

zeiget der Apostel an, wozu uns die Versicherung
von der Liebe GOttes gegen uns dienen solle, und
wozu sie auch würcklich gereiche. Diese auf das
künftige Gericht gehende Freudigkeit aber hält
diejenige in sich, welche wir vorher im gantzen Le-
ben nöthig haben, sonderlich bey der Vorstellung
und würcklichen Annäherung unsers Todes.
Siehe davon die Anmerckungen über c. 2, 28. und
c. 3, 21.

4. Die letztern Worte dieses Verses sind
etwas dunckler, wenn es heißt: Denn gleich-
wie er ist, so sind auch wir in der Welt.

Da denn zuvorderst dieses zu mercken ist, daß das
ekeinos sonderlich auf den zwar nicht unmittelbar
vorher, aber doch v. 14. und 16. und sonst im gan-
tzen Briefe am meisten erwehnten Sohn GOt-
tes
gehet: Wie wir es denn vorher von ihm fin-
[Spaltenumbruch] den c. 2, 6. c. 3, 3. 5. 7. 16. Es will der Apostel mit
den Worten soviel sagen, als er bereits oben c. 2, 6.
bezeuget hat, da es heißt: Wer da saget, daß
er in ihm bleibet, der soll auch wandeln,
gleichwie
ekeinos er, der Sohn GOttes gewan-
delt hat.
Denn gleichwie der Apostel c. 2, 6.
den CHristo gleichförmigen Wandel zum Kenn-
zeichen der Vereinigung und Gemeinschaft mit
ihm setzet und ihn zum Erweis der vorgegebnen
Gemeinschaft gefodert hat: also erweiset er alhier
c. 4. diese Gemeinschaft, welche eine Freudig-
keit auf den Tag des Gerichts bringet, eben da-
mit, daß er von den Gläubigen saget, daß sie in
der Welt wären, oder wandelten, wie er gewe-
sen sey, oder gewandelt habe, nemlich also, daß er
Liebe ausgeübet und Haß über sich genommen,
oder gutes gethan und böses gelitten habe.

5. Es dienen uns demnach diese Worte
zur Ermahnung und zum Trost. Zur Ermah-
nung,
um uns der Nachfolge Christi zu befleißi-
gen, und damit unsere gläubige Gemeinschaft
mit ihm zuerweisen: zum Trost, daß, wenn unse-
re Treue und Liebe von der Welt nicht erkant
wird, sondern wir darüber gehasset und verfolget
werden, wir uns solches nicht befremden lassen.
Darum er selbst Joh. 15, 18. 19. 20. gesaget hat:
So euch die Welt hasset, so wisset, daß
sie mich vor euch gehasset hat. Wäret
ihr von der Welt, so hätte die Welt, das
ihre Lieb. Dieweil ihr aber nicht von der
Welt seyd, sondern ich habe euch von der
Welt erwehlet, darum hasset euch die
Welt. - - - haben sie mich verfolget sie
werden euch auch verfolgen: haben sie
mein Wort gehalten, so werden sie eures
auch halten.

V. 18.

Furcht (nemlich die knechtische) ist nicht
in der Liebe
(in, oder bey dem würcklichen
Genuß der Liebe GOttes gegen uns,) sondern
die völlige Liebe
(wo die Liebe GOttes von
uns im Glauben ergriffen und also zu ihrem Zwe-
cke bey uns gelanget ist, uns von der Gnade GOt-
tes und unserm Heyl zu versichern) treibet die
(knechtische) Furcht aus (sintemal man sich
zu dem uns in CHristo aufs innigste liebenden
GOTT alles gutes versehen, auch eine Freudig-
keit am Tage des Gerichts haben kan:) denn die
(knechtische) Furcht (da man bey der Anklage
des Gewissens sich die Strafe vorstellet) hat
Pein
(bringet Kummer und Angst, auch schon vor
der würcklichen Strafe.) Wer sich aber fürch-
tet
(noch eines erschrockenen und blöden Gewis-
sens ist) der ist nicht völlig in der Liebe
(in dessen Hertzen ist sie durch den Heiligen Geist
noch nicht also ausgegossen, daß sie die knechtische
Furcht hätte völlig austreiben können.)

Anmerckungen.

1. Die Furcht vor GOTT theilet man
billig ein in die kindliche und knechtische.
Der Unterscheid ist mancherley.

a. Die kindliche ist bey den wahren Kindern
GOttes, und ist kindlicher Art; daher sie auch
den
X x x x 2

Cap. 4. v. 16-18. des erſten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] ſichert halten: bleibet man denn bey der Liebe
GOttes, die er gegen und an uns hat, ſo bleibet
man auf der rechten Weide, und da wird es einem
ſolchen Glaͤubigen ſo natuͤrlich, oder ſo leichte,
auch die Liebe gegen den Naͤchſten auszuuͤben,
und in ſolcher Ausuͤbung zu verharren, als es ei-
nem Schafe wird, da es auf einer gruͤnen und
fetten auch Waſſerreichen Weide gute Milch
und gute Wolle von ſich giebt. Von dieſem blei-
ben in der Liebe GOttes, die er zu uns traͤget, oder
ſich von derſelben verſichert halten, heißt es Roͤm.
8, 35. u. f. Wer will uns ſcheiden von der
Liebe GOttes.
u. ſ. w.

V. 17.

Daran (wenn wir in GOtt bleiben und er
in uns) iſt die Liebe (die GOtt zu uns traͤget)
voͤllig bey uns, auf daß wir eine Freudig-
keit haben am Tage des Gerichts. Denn
wie er iſt, ſo ſind auch wir in der Welt

(ſo wol in Erweiſung der Liebe, als in der Uber-
nehmung des Creutzes, was die Nachfolge un-
ſers Heylandes betrift.)

Anmerckungen.

1. Die Liebe laͤßt ſich alhier am aller-
fuͤglichſten von der Liebe GOttes gegen uns verſte-
hen; als davon der Context vorher und nachher
am meiſten handelt; doch alſo, daß dieſe Liebe
GOttes gegen uns unſere Liebe gegen ihn und
den Naͤchſten gebieret. So haben wir auch im
gleichen Verſtande das Wort τετελείωται, iſt voͤl-
lig,
oder iſt vollkommen, von der Liebe ſchon
oben gehabt c. 2, 5. Wie auch in dieſem vierten
Capitel v. 12. da es von der Liebe heißt: τετελει-
ωμένη ἐςτιν, iſt voͤllig in uns. Das μεϑ᾽ ἡμῶν iſt al-
hier ſoviel, als ἐν ἡμῖν v. 16.

2. Das ἐν τούτῳ laͤſſet ſich nach dieſem Ver-
ſtande am fuͤglichſten auf das vorhergehende,
nemlich auf das, was von der Vereinigung
GOttes und der Glaͤubigen geſaget iſt, ziehen:
ſintemal ſich eben darinn die Liebe alſo erweiſet,
daß ſie zu ihrem rechten Zweck gelanget iſt. Daß
das ἐν τούτῳ auch auf das vorhergehende zuruͤck
gehe, haben wir bereits in dieſem Briefe geſehen,
nemlich c. 2, 15, 19 c. 3, 10.

3. Mit den Worten; aufdaß wir eine
Freudigkeit haben am Tage des Gerichts,

zeiget der Apoſtel an, wozu uns die Verſicherung
von der Liebe GOttes gegen uns dienen ſolle, und
wozu ſie auch wuͤrcklich gereiche. Dieſe auf das
kuͤnftige Gericht gehende Freudigkeit aber haͤlt
diejenige in ſich, welche wir vorher im gantzen Le-
ben noͤthig haben, ſonderlich bey der Vorſtellung
und wuͤrcklichen Annaͤherung unſers Todes.
Siehe davon die Anmerckungen uͤber c. 2, 28. und
c. 3, 21.

4. Die letztern Worte dieſes Verſes ſind
etwas dunckler, wenn es heißt: Denn gleich-
wie er iſt, ſo ſind auch wir in der Welt.

Da denn zuvorderſt dieſes zu mercken iſt, daß das
ἐκεῖνος ſonderlich auf den zwar nicht unmittelbar
vorher, aber doch v. 14. und 16. und ſonſt im gan-
tzen Briefe am meiſten erwehnten Sohn GOt-
tes
gehet: Wie wir es denn vorher von ihm fin-
[Spaltenumbruch] den c. 2, 6. c. 3, 3. 5. 7. 16. Es will der Apoſtel mit
den Worten ſoviel ſagen, als er bereits oben c. 2, 6.
bezeuget hat, da es heißt: Wer da ſaget, daß
er in ihm bleibet, der ſoll auch wandeln,
gleichwie
ἐκεῖνος er, der Sohn GOttes gewan-
delt hat.
Denn gleichwie der Apoſtel c. 2, 6.
den CHriſto gleichfoͤrmigen Wandel zum Kenn-
zeichen der Vereinigung und Gemeinſchaft mit
ihm ſetzet und ihn zum Erweis der vorgegebnen
Gemeinſchaft gefodert hat: alſo erweiſet er alhier
c. 4. dieſe Gemeinſchaft, welche eine Freudig-
keit auf den Tag des Gerichts bringet, eben da-
mit, daß er von den Glaͤubigen ſaget, daß ſie in
der Welt waͤren, oder wandelten, wie er gewe-
ſen ſey, oder gewandelt habe, nemlich alſo, daß er
Liebe ausgeuͤbet und Haß uͤber ſich genommen,
oder gutes gethan und boͤſes gelitten habe.

5. Es dienen uns demnach dieſe Worte
zur Ermahnung und zum Troſt. Zur Ermah-
nung,
um uns der Nachfolge Chriſti zu befleißi-
gen, und damit unſere glaͤubige Gemeinſchaft
mit ihm zuerweiſen: zum Troſt, daß, wenn unſe-
re Treue und Liebe von der Welt nicht erkant
wird, ſondern wir daruͤber gehaſſet und verfolget
werden, wir uns ſolches nicht befremden laſſen.
Darum er ſelbſt Joh. 15, 18. 19. 20. geſaget hat:
So euch die Welt haſſet, ſo wiſſet, daß
ſie mich vor euch gehaſſet hat. Waͤret
ihr von der Welt, ſo haͤtte die Welt, das
ihre Lieb. Dieweil ihr aber nicht von der
Welt ſeyd, ſondern ich habe euch von der
Welt erwehlet, darum haſſet euch die
Welt. ‒ ‒ ‒ haben ſie mich verfolget ſie
werden euch auch verfolgen: haben ſie
mein Wort gehalten, ſo werden ſie eures
auch halten.

V. 18.

Furcht (nemlich die knechtiſche) iſt nicht
in der Liebe
(in, oder bey dem wuͤrcklichen
Genuß der Liebe GOttes gegen uns,) ſondern
die voͤllige Liebe
(wo die Liebe GOttes von
uns im Glauben ergriffen und alſo zu ihrem Zwe-
cke bey uns gelanget iſt, uns von der Gnade GOt-
tes und unſerm Heyl zu verſichern) treibet die
(knechtiſche) Furcht aus (ſintemal man ſich
zu dem uns in CHriſto aufs innigſte liebenden
GOTT alles gutes verſehen, auch eine Freudig-
keit am Tage des Gerichts haben kan:) denn die
(knechtiſche) Furcht (da man bey der Anklage
des Gewiſſens ſich die Strafe vorſtellet) hat
Pein
(bringet Kummer und Angſt, auch ſchon vor
der wuͤrcklichen Strafe.) Wer ſich aber fuͤrch-
tet
(noch eines erſchrockenen und bloͤden Gewiſ-
ſens iſt) der iſt nicht voͤllig in der Liebe
(in deſſen Hertzen iſt ſie durch den Heiligen Geiſt
noch nicht alſo ausgegoſſen, daß ſie die knechtiſche
Furcht haͤtte voͤllig austreiben koͤnnen.)

Anmerckungen.

1. Die Furcht vor GOTT theilet man
billig ein in die kindliche und knechtiſche.
Der Unterſcheid iſt mancherley.

a. Die kindliche iſt bey den wahren Kindern
GOttes, und iſt kindlicher Art; daher ſie auch
den
X x x x 2
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[717/0717] Cap. 4. v. 16-18. des erſten Briefes Johannis. ſichert halten: bleibet man denn bey der Liebe GOttes, die er gegen und an uns hat, ſo bleibet man auf der rechten Weide, und da wird es einem ſolchen Glaͤubigen ſo natuͤrlich, oder ſo leichte, auch die Liebe gegen den Naͤchſten auszuuͤben, und in ſolcher Ausuͤbung zu verharren, als es ei- nem Schafe wird, da es auf einer gruͤnen und fetten auch Waſſerreichen Weide gute Milch und gute Wolle von ſich giebt. Von dieſem blei- ben in der Liebe GOttes, die er zu uns traͤget, oder ſich von derſelben verſichert halten, heißt es Roͤm. 8, 35. u. f. Wer will uns ſcheiden von der Liebe GOttes. u. ſ. w. V. 17. Daran (wenn wir in GOtt bleiben und er in uns) iſt die Liebe (die GOtt zu uns traͤget) voͤllig bey uns, auf daß wir eine Freudig- keit haben am Tage des Gerichts. Denn wie er iſt, ſo ſind auch wir in der Welt (ſo wol in Erweiſung der Liebe, als in der Uber- nehmung des Creutzes, was die Nachfolge un- ſers Heylandes betrift.) Anmerckungen. 1. Die Liebe laͤßt ſich alhier am aller- fuͤglichſten von der Liebe GOttes gegen uns verſte- hen; als davon der Context vorher und nachher am meiſten handelt; doch alſo, daß dieſe Liebe GOttes gegen uns unſere Liebe gegen ihn und den Naͤchſten gebieret. So haben wir auch im gleichen Verſtande das Wort τετελείωται, iſt voͤl- lig, oder iſt vollkommen, von der Liebe ſchon oben gehabt c. 2, 5. Wie auch in dieſem vierten Capitel v. 12. da es von der Liebe heißt: τετελει- ωμένη ἐςτιν, iſt voͤllig in uns. Das μεϑ᾽ ἡμῶν iſt al- hier ſoviel, als ἐν ἡμῖν v. 16. 2. Das ἐν τούτῳ laͤſſet ſich nach dieſem Ver- ſtande am fuͤglichſten auf das vorhergehende, nemlich auf das, was von der Vereinigung GOttes und der Glaͤubigen geſaget iſt, ziehen: ſintemal ſich eben darinn die Liebe alſo erweiſet, daß ſie zu ihrem rechten Zweck gelanget iſt. Daß das ἐν τούτῳ auch auf das vorhergehende zuruͤck gehe, haben wir bereits in dieſem Briefe geſehen, nemlich c. 2, 15, 19 c. 3, 10. 3. Mit den Worten; aufdaß wir eine Freudigkeit haben am Tage des Gerichts, zeiget der Apoſtel an, wozu uns die Verſicherung von der Liebe GOttes gegen uns dienen ſolle, und wozu ſie auch wuͤrcklich gereiche. Dieſe auf das kuͤnftige Gericht gehende Freudigkeit aber haͤlt diejenige in ſich, welche wir vorher im gantzen Le- ben noͤthig haben, ſonderlich bey der Vorſtellung und wuͤrcklichen Annaͤherung unſers Todes. Siehe davon die Anmerckungen uͤber c. 2, 28. und c. 3, 21. 4. Die letztern Worte dieſes Verſes ſind etwas dunckler, wenn es heißt: Denn gleich- wie er iſt, ſo ſind auch wir in der Welt. Da denn zuvorderſt dieſes zu mercken iſt, daß das ἐκεῖνος ſonderlich auf den zwar nicht unmittelbar vorher, aber doch v. 14. und 16. und ſonſt im gan- tzen Briefe am meiſten erwehnten Sohn GOt- tes gehet: Wie wir es denn vorher von ihm fin- den c. 2, 6. c. 3, 3. 5. 7. 16. Es will der Apoſtel mit den Worten ſoviel ſagen, als er bereits oben c. 2, 6. bezeuget hat, da es heißt: Wer da ſaget, daß er in ihm bleibet, der ſoll auch wandeln, gleichwie ἐκεῖνος er, der Sohn GOttes gewan- delt hat. Denn gleichwie der Apoſtel c. 2, 6. den CHriſto gleichfoͤrmigen Wandel zum Kenn- zeichen der Vereinigung und Gemeinſchaft mit ihm ſetzet und ihn zum Erweis der vorgegebnen Gemeinſchaft gefodert hat: alſo erweiſet er alhier c. 4. dieſe Gemeinſchaft, welche eine Freudig- keit auf den Tag des Gerichts bringet, eben da- mit, daß er von den Glaͤubigen ſaget, daß ſie in der Welt waͤren, oder wandelten, wie er gewe- ſen ſey, oder gewandelt habe, nemlich alſo, daß er Liebe ausgeuͤbet und Haß uͤber ſich genommen, oder gutes gethan und boͤſes gelitten habe. 5. Es dienen uns demnach dieſe Worte zur Ermahnung und zum Troſt. Zur Ermah- nung, um uns der Nachfolge Chriſti zu befleißi- gen, und damit unſere glaͤubige Gemeinſchaft mit ihm zuerweiſen: zum Troſt, daß, wenn unſe- re Treue und Liebe von der Welt nicht erkant wird, ſondern wir daruͤber gehaſſet und verfolget werden, wir uns ſolches nicht befremden laſſen. Darum er ſelbſt Joh. 15, 18. 19. 20. geſaget hat: So euch die Welt haſſet, ſo wiſſet, daß ſie mich vor euch gehaſſet hat. Waͤret ihr von der Welt, ſo haͤtte die Welt, das ihre Lieb. Dieweil ihr aber nicht von der Welt ſeyd, ſondern ich habe euch von der Welt erwehlet, darum haſſet euch die Welt. ‒ ‒ ‒ haben ſie mich verfolget ſie werden euch auch verfolgen: haben ſie mein Wort gehalten, ſo werden ſie eures auch halten. V. 18. Furcht (nemlich die knechtiſche) iſt nicht in der Liebe (in, oder bey dem wuͤrcklichen Genuß der Liebe GOttes gegen uns,) ſondern die voͤllige Liebe (wo die Liebe GOttes von uns im Glauben ergriffen und alſo zu ihrem Zwe- cke bey uns gelanget iſt, uns von der Gnade GOt- tes und unſerm Heyl zu verſichern) treibet die (knechtiſche) Furcht aus (ſintemal man ſich zu dem uns in CHriſto aufs innigſte liebenden GOTT alles gutes verſehen, auch eine Freudig- keit am Tage des Gerichts haben kan:) denn die (knechtiſche) Furcht (da man bey der Anklage des Gewiſſens ſich die Strafe vorſtellet) hat Pein (bringet Kummer und Angſt, auch ſchon vor der wuͤrcklichen Strafe.) Wer ſich aber fuͤrch- tet (noch eines erſchrockenen und bloͤden Gewiſ- ſens iſt) der iſt nicht voͤllig in der Liebe (in deſſen Hertzen iſt ſie durch den Heiligen Geiſt noch nicht alſo ausgegoſſen, daß ſie die knechtiſche Furcht haͤtte voͤllig austreiben koͤnnen.) Anmerckungen. 1. Die Furcht vor GOTT theilet man billig ein in die kindliche und knechtiſche. Der Unterſcheid iſt mancherley. a. Die kindliche iſt bey den wahren Kindern GOttes, und iſt kindlicher Art; daher ſie auch den X x x x 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/717>, abgerufen am 23.11.2024.