Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite
Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 4. v. 7-10.
[Spaltenumbruch]
a. Wer nicht Lieb hat, nemlich seinen Näch-
sten, folglich auch nicht in einer wohlgeordneten
Liebe gegen sich selbst und gegen GOtt stehet,
der ermangelt der Liebe also, daß sich dafür das
Gegentheil bey ihm befindet im Haß und des-
selben vielen Ausbrüchen.
b. Ein Liebloser kennet GOtt nicht, nemlich
auf eine geistliche, übernatürliche und lebendi-
ge Art, welche die wahre Erkenntniß an sich
hat. Jst er gleich kein Atheist; so ist doch sei-
ne Erkenntniß nur theils blos natürlich, theils
blos buchstäblich, welche er sich aus eignen
Natur-Kräften hat zu wege gebracht. Es ist
demnach unmöglich, daß ein beharrlich
Gottloser erleuchtet seyn und nach der
Wahrheit genennet werden könne. Wer sol-
ches vorgiebt, der scheuet sich nicht dem Apo-
stel des HErrn, und also Christo selbst, zu
widersprechen. Wolte man sagen, Johannes
rede alhier von der gläubigen und seligma-
chenden Erkenntniß, nicht aber von der wah-
ren: so wäre solches eine grosse Leichtsinnig-
keit, solchergestalt die Worte des Apostels zu
entkräften, und vorzugeben, als wenn auch
noch eine andere Erkenntniß, als die gläubige
und seligmachende, die wahre, oder wahrhafte
und ächte wäre. Man conferire hier-
bey was wir davon bereits bey dem andern
Capitel v. 3. u. f. betrachtet haben.
c. Den Erweis seines Satzes, daß ein Liebloser
GOTT nicht kenne, nimmt der Apostel da-
von her, da er spricht: Denn GOtt ist die
Liebe.
Wobey zu mercken ist:
a. Daß dieses daher von GOTT könne gesa-
get werden, weil alle Eigenschaften an ihm
wesentlich und unendlich sind.
b. Daß, GOtt wahrhaftig kennen, sey ihn
also kennen; daß man auch seinen Sinn an
sich nehme und ihm gleich gesinnet werde;
nemlich dadurch, daß, weil die wahre Er-
kenntniß Glaubens-voll ist, und wenn sie in
der Seelen aufgehet, die Liebe GOT-
TES, die er zu uns träget, in unser
Hertz ausgegossen wird durch den Heili-
gen Geist. Da sich nun GOTT solcher
gestalt als die Liebe erweiset: und uns zur
Liebe entzündet, so kennet der GOtt nicht,
wer nicht in der Liebe stehet. Denn solte ein
liebloser GOTT kennen, so müste theils
GOtt die Liebe nicht seyn, noch sich als die
Liebe in Mittheilung seines Sinnes zu erken-
nen geben, theils müste die Erkenntnß GOt-
tes ohne die gläubige und wahre Gemein-
schaft mit GOTT seyn können. Deren
keines seyn kan, sondern beydes wider die
Cathechetischen Wahrheiten der Apostoli-
schen Lehre lauft.
g. Daß GOtt die Liebe sey, das muß ja nicht
gemißbrauchet werden, weder zum Nach-
theil seiner Gerechtigkeit, daß man daher die
Nothwendigkeit der von dem menschlichen
Geschlechte geforderten und von CHristo ge-
leisteten Satisfaction leugnen wolte; noch
zur fleischlichen Sicherheit. Denn gleich-
wie er die Liebe ist, so ist er auch die Gerech-
[Spaltenumbruch] tigkeit, und nach derselben ein verzehrendes
Feuer. Hebr. 12, 29. 2 B. Mos. 24, 17. 5 B.
Mos. 4, 24. c. 9, 3.
d. Wenn wir eine Korn-Aehre im Felde, oder
eine Frucht auf dem Baume, oder eine wohl-
riechende Blume im Garten sehen, so mögen
wir wohl gedencken, als rufte sie uns zu:
GOtt ist die Liebe! und reitze uns zur
Gegenliebe. Doch ist dieser Erweis der Lie-
be GOttes im Reiche der Natur, so groß er
auch gleich ist, noch gering gegen den im Rei-
che der Gnaden, davon der Apostel also fort-
fähret:
V. 9. 10.

Daran ist erschienen die Liebe GOt-
tes gegen uns daß GOtt seinen eingebor-
nen Sohn gesandt hat in die Welt, daß
wir durch ihn leben sollen.
Darinn stehet
die Liebe, (Joh. 3, 16. Röm. 5, 6. u. f.) nicht
daß wir geliebet haben, sondern daß er
uns geliebet hat und gesandt seinen Sohn
zur Versöhnung für unsere Sünde.

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apostel gesaget hatte, daß
GOtt die Liebe sey, zuvorderst wesentlich; so be-
zeuget er darauf, wie thätig er seine Liebe in dem
grossen Wercke der Sendung seines Sohnes zur
Erlösung erwiesen habe. Wir finden der Ord-
nung nach alhier drey Stücke, erstlich die Liebe
GOttes
an sich selbst; hernach derselben Er-
weis
in der Sendung des Sohnes; und denn
dieses Erweises und der Erlösung Zweck.

2. Von der Liebe GOttes an sich selbst
ist folgendes zu mercken:

a. Das Wort GOtt gehet vorher nach dem
Wesen GOttes auf die heilige Dreyeinigkeit:
hier aber auf die Person des Vaters; sintemal
dabey der Sendung des Sohnes gedacht
wird.
b. Diese Liebe heißt auch sonst die Gnade, die
Barmhertzigkeit, die Leutseligkeit und Freund-
lichkeit.
c. Diese Liebe ist gantz unverdienet, da uns GOtt
nach unserm Verdienste vielmehr hassen solte.
Darum der Apostel saget: Darinn stehet
die Liebe, nicht daß wir GOtt geliebet
haben,
Siehe Röm. 5, 6-10.
d. Diese Liebe ist erschienen, und in Christo
gleichsam sichtbar gemacht: und also hat sie
sich auch thätig erwiesen.
e. Sie ist erschienen gegen uns, daß sie sich auch
offenbaret hat en umin, unter und in uns: un-
ter uns
durch die daher entstehende würdige
Application, davon es Röm. 5, 5. heißt:
Die Liebe GOttes ist ausgegossen in un-
sern Hertzen durch den Heiligen Geist.

Und: Schmecket und sehet, daß der HErr
freundlich ist.
Ps. 34, 9. 1 Pet. 2, 3.

3. Von dem so herrlichen Erweise der Liebe
GOttes in der Sendung des Sohnes ist auch
unterschiedliches insonderheit zu erwegen:

a. Der Sendende ist GOtt der Vater, und mit
ihm auch der Heilige Geist; als von und mit
wel-
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 4. v. 7-10.
[Spaltenumbruch]
a. Wer nicht Lieb hat, nemlich ſeinen Naͤch-
ſten, folglich auch nicht in einer wohlgeordneten
Liebe gegen ſich ſelbſt und gegen GOtt ſtehet,
der ermangelt der Liebe alſo, daß ſich dafuͤr das
Gegentheil bey ihm befindet im Haß und deſ-
ſelben vielen Ausbruͤchen.
b. Ein Liebloſer kennet GOtt nicht, nemlich
auf eine geiſtliche, uͤbernatuͤrliche und lebendi-
ge Art, welche die wahre Erkenntniß an ſich
hat. Jſt er gleich kein Atheiſt; ſo iſt doch ſei-
ne Erkenntniß nur theils blos natuͤrlich, theils
blos buchſtaͤblich, welche er ſich aus eignen
Natur-Kraͤften hat zu wege gebracht. Es iſt
demnach unmoͤglich, daß ein beharrlich
Gottloſer erleuchtet ſeyn und nach der
Wahrheit genennet werden koͤnne. Wer ſol-
ches vorgiebt, der ſcheuet ſich nicht dem Apo-
ſtel des HErrn, und alſo Chriſto ſelbſt, zu
widerſprechen. Wolte man ſagen, Johannes
rede alhier von der glaͤubigen und ſeligma-
chenden Erkenntniß, nicht aber von der wah-
ren: ſo waͤre ſolches eine groſſe Leichtſinnig-
keit, ſolchergeſtalt die Worte des Apoſtels zu
entkraͤften, und vorzugeben, als wenn auch
noch eine andere Erkenntniß, als die glaͤubige
und ſeligmachende, die wahre, oder wahrhafte
und aͤchte waͤre. Man conferire hier-
bey was wir davon bereits bey dem andern
Capitel v. 3. u. f. betrachtet haben.
c. Den Erweis ſeines Satzes, daß ein Liebloſer
GOTT nicht kenne, nimmt der Apoſtel da-
von her, da er ſpricht: Denn GOtt iſt die
Liebe.
Wobey zu mercken iſt:
α. Daß dieſes daher von GOTT koͤnne geſa-
get werden, weil alle Eigenſchaften an ihm
weſentlich und unendlich ſind.
β. Daß, GOtt wahrhaftig kennen, ſey ihn
alſo kennen; daß man auch ſeinen Sinn an
ſich nehme und ihm gleich geſinnet werde;
nemlich dadurch, daß, weil die wahre Er-
kenntniß Glaubens-voll iſt, und wenn ſie in
der Seelen aufgehet, die Liebe GOT-
TES, die er zu uns traͤget, in unſer
Hertz ausgegoſſen wird durch den Heili-
gen Geiſt. Da ſich nun GOTT ſolcher
geſtalt als die Liebe erweiſet: und uns zur
Liebe entzuͤndet, ſo kennet der GOtt nicht,
wer nicht in der Liebe ſtehet. Denn ſolte ein
liebloſer GOTT kennen, ſo muͤſte theils
GOtt die Liebe nicht ſeyn, noch ſich als die
Liebe in Mittheilung ſeines Sinnes zu erken-
nen geben, theils muͤſte die Erkenntnß GOt-
tes ohne die glaͤubige und wahre Gemein-
ſchaft mit GOTT ſeyn koͤnnen. Deren
keines ſeyn kan, ſondern beydes wider die
Cathechetiſchen Wahrheiten der Apoſtoli-
ſchen Lehre lauft.
γ. Daß GOtt die Liebe ſey, das muß ja nicht
gemißbrauchet werden, weder zum Nach-
theil ſeiner Gerechtigkeit, daß man daher die
Nothwendigkeit der von dem menſchlichen
Geſchlechte geforderten und von CHriſto ge-
leiſteten Satisfaction leugnen wolte; noch
zur fleiſchlichen Sicherheit. Denn gleich-
wie er die Liebe iſt, ſo iſt er auch die Gerech-
[Spaltenumbruch] tigkeit, und nach derſelben ein verzehrendes
Feuer. Hebr. 12, 29. 2 B. Moſ. 24, 17. 5 B.
Moſ. 4, 24. c. 9, 3.
δ. Wenn wir eine Korn-Aehre im Felde, oder
eine Frucht auf dem Baume, oder eine wohl-
riechende Blume im Garten ſehen, ſo moͤgen
wir wohl gedencken, als rufte ſie uns zu:
GOtt iſt die Liebe! und reitze uns zur
Gegenliebe. Doch iſt dieſer Erweis der Lie-
be GOttes im Reiche der Natur, ſo groß er
auch gleich iſt, noch gering gegen den im Rei-
che der Gnaden, davon der Apoſtel alſo fort-
faͤhret:
V. 9. 10.

Daran iſt erſchienen die Liebe GOt-
tes gegen uns daß GOtt ſeinen eingebor-
nen Sohn geſandt hat in die Welt, daß
wir durch ihn leben ſollen.
Darinn ſtehet
die Liebe, (Joh. 3, 16. Roͤm. 5, 6. u. f.) nicht
daß wir geliebet haben, ſondern daß er
uns geliebet hat und geſandt ſeinen Sohn
zur Verſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde.

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apoſtel geſaget hatte, daß
GOtt die Liebe ſey, zuvorderſt weſentlich; ſo be-
zeuget er darauf, wie thaͤtig er ſeine Liebe in dem
groſſen Wercke der Sendung ſeines Sohnes zur
Erloͤſung erwieſen habe. Wir finden der Ord-
nung nach alhier drey Stuͤcke, erſtlich die Liebe
GOttes
an ſich ſelbſt; hernach derſelben Er-
weis
in der Sendung des Sohnes; und denn
dieſes Erweiſes und der Erloͤſung Zweck.

2. Von der Liebe GOttes an ſich ſelbſt
iſt folgendes zu mercken:

a. Das Wort GOtt gehet vorher nach dem
Weſen GOttes auf die heilige Dreyeinigkeit:
hier aber auf die Perſon des Vaters; ſintemal
dabey der Sendung des Sohnes gedacht
wird.
b. Dieſe Liebe heißt auch ſonſt die Gnade, die
Barmhertzigkeit, die Leutſeligkeit und Freund-
lichkeit.
c. Dieſe Liebe iſt gantz unverdienet, da uns GOtt
nach unſerm Verdienſte vielmehr haſſen ſolte.
Darum der Apoſtel ſaget: Darinn ſtehet
die Liebe, nicht daß wir GOtt geliebet
haben,
Siehe Roͤm. 5, 6-10.
d. Dieſe Liebe iſt erſchienen, und in Chriſto
gleichſam ſichtbar gemacht: und alſo hat ſie
ſich auch thaͤtig erwieſen.
e. Sie iſt erſchienen gegen uns, daß ſie ſich auch
offenbaret hat ἐν ὑμῖν, unter und in uns: un-
ter uns
durch die daher entſtehende wuͤrdige
Application, davon es Roͤm. 5, 5. heißt:
Die Liebe GOttes iſt ausgegoſſen in un-
ſern Hertzen durch den Heiligen Geiſt.

Und: Schmecket und ſehet, daß der HErr
freundlich iſt.
Pſ. 34, 9. 1 Pet. 2, 3.

3. Von dem ſo herrlichen Erweiſe der Liebe
GOttes in der Sendung des Sohnes iſt auch
unterſchiedliches inſonderheit zu erwegen:

a. Der Sendende iſt GOtt der Vater, und mit
ihm auch der Heilige Geiſt; als von und mit
wel-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0712" n="712"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Richtige und erbauliche Erkla&#x0364;rung Cap. 4. v. 7-10.</hi> </fw><lb/>
              <cb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a.</hi><hi rendition="#fr">Wer nicht Lieb hat,</hi> nemlich &#x017F;einen Na&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten, folglich auch nicht in einer wohlgeordneten<lb/>
Liebe gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und gegen GOtt &#x017F;tehet,<lb/>
der ermangelt der Liebe al&#x017F;o, daß &#x017F;ich dafu&#x0364;r das<lb/>
Gegentheil bey ihm befindet im Haß und de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben vielen Ausbru&#x0364;chen.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Ein Lieblo&#x017F;er <hi rendition="#fr">kennet GOtt nicht,</hi> nemlich<lb/>
auf eine gei&#x017F;tliche, u&#x0364;bernatu&#x0364;rliche und lebendi-<lb/>
ge Art, welche die wahre Erkenntniß an &#x017F;ich<lb/>
hat. J&#x017F;t er gleich kein Athei&#x017F;t; &#x017F;o i&#x017F;t doch &#x017F;ei-<lb/>
ne Erkenntniß nur theils blos natu&#x0364;rlich, theils<lb/>
blos buch&#x017F;ta&#x0364;blich, welche er &#x017F;ich aus eignen<lb/>
Natur-Kra&#x0364;ften hat zu wege gebracht. Es i&#x017F;t<lb/>
demnach unmo&#x0364;glich, daß ein beharrlich<lb/>
Gottlo&#x017F;er <hi rendition="#fr">erleuchtet</hi> &#x017F;eyn und nach der<lb/>
Wahrheit genennet werden ko&#x0364;nne. Wer &#x017F;ol-<lb/>
ches vorgiebt, der &#x017F;cheuet &#x017F;ich nicht dem Apo-<lb/>
&#x017F;tel des HErrn, und al&#x017F;o Chri&#x017F;to &#x017F;elb&#x017F;t, zu<lb/>
wider&#x017F;prechen. Wolte man &#x017F;agen, Johannes<lb/>
rede alhier von der gla&#x0364;ubigen und &#x017F;eligma-<lb/>
chenden Erkenntniß, nicht aber von der wah-<lb/>
ren: &#x017F;o wa&#x0364;re &#x017F;olches eine gro&#x017F;&#x017F;e Leicht&#x017F;innig-<lb/>
keit, &#x017F;olcherge&#x017F;talt die Worte des Apo&#x017F;tels zu<lb/>
entkra&#x0364;ften, und vorzugeben, als wenn auch<lb/>
noch eine andere Erkenntniß, als die gla&#x0364;ubige<lb/>
und &#x017F;eligmachende, die wahre, oder wahrhafte<lb/>
und a&#x0364;chte wa&#x0364;re. Man <hi rendition="#aq">conferir</hi>e hier-<lb/>
bey was wir davon bereits bey dem andern<lb/>
Capitel v. 3. u. f. betrachtet haben.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">c.</hi> Den Erweis &#x017F;eines Satzes, daß ein Lieblo&#x017F;er<lb/>
GOTT nicht kenne, nimmt der Apo&#x017F;tel da-<lb/>
von her, da er &#x017F;pricht: <hi rendition="#fr">Denn GOtt i&#x017F;t die<lb/>
Liebe.</hi> Wobey zu mercken i&#x017F;t:<lb/><list><item>&#x03B1;. Daß die&#x017F;es daher von GOTT ko&#x0364;nne ge&#x017F;a-<lb/>
get werden, weil alle Eigen&#x017F;chaften an ihm<lb/>
we&#x017F;entlich und unendlich &#x017F;ind.</item><lb/><item>&#x03B2;. Daß, GOtt wahrhaftig kennen, &#x017F;ey ihn<lb/>
al&#x017F;o kennen; daß man auch &#x017F;einen Sinn an<lb/>
&#x017F;ich nehme und ihm gleich ge&#x017F;innet werde;<lb/>
nemlich dadurch, daß, weil die wahre Er-<lb/>
kenntniß Glaubens-voll i&#x017F;t, und wenn &#x017F;ie in<lb/>
der Seelen aufgehet, die Liebe GOT-<lb/>
TES, die er zu uns tra&#x0364;get, in un&#x017F;er<lb/>
Hertz ausgego&#x017F;&#x017F;en wird durch den Heili-<lb/>
gen Gei&#x017F;t. Da &#x017F;ich nun GOTT &#x017F;olcher<lb/>
ge&#x017F;talt als die Liebe erwei&#x017F;et: und uns zur<lb/>
Liebe entzu&#x0364;ndet, &#x017F;o kennet der GOtt nicht,<lb/>
wer nicht in der Liebe &#x017F;tehet. Denn &#x017F;olte ein<lb/>
lieblo&#x017F;er <hi rendition="#g">GOTT</hi> kennen, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;te theils<lb/>
GOtt die Liebe nicht &#x017F;eyn, noch &#x017F;ich als die<lb/>
Liebe in Mittheilung &#x017F;eines Sinnes zu erken-<lb/>
nen geben, theils mu&#x0364;&#x017F;te die Erkenntnß GOt-<lb/>
tes ohne die gla&#x0364;ubige und wahre Gemein-<lb/>
&#x017F;chaft mit GOTT &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen. Deren<lb/>
keines &#x017F;eyn kan, &#x017F;ondern beydes wider die<lb/><hi rendition="#aq">Cathecheti</hi>&#x017F;chen Wahrheiten der Apo&#x017F;toli-<lb/>
&#x017F;chen Lehre lauft.</item><lb/><item>&#x03B3;. Daß GOtt die Liebe &#x017F;ey, das muß ja nicht<lb/>
gemißbrauchet werden, weder zum Nach-<lb/>
theil &#x017F;einer Gerechtigkeit, daß man daher die<lb/>
Nothwendigkeit der von dem men&#x017F;chlichen<lb/>
Ge&#x017F;chlechte geforderten und von CHri&#x017F;to ge-<lb/>
lei&#x017F;teten <hi rendition="#aq">Satisfaction</hi> leugnen wolte; noch<lb/>
zur flei&#x017F;chlichen Sicherheit. Denn gleich-<lb/>
wie er die Liebe i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t er auch die Gerech-<lb/><cb/>
tigkeit, und nach der&#x017F;elben ein verzehrendes<lb/>
Feuer. Hebr. 12, 29. 2 B. Mo&#x017F;. 24, 17. 5 B.<lb/>
Mo&#x017F;. 4, 24. c. 9, 3.</item><lb/><item>&#x03B4;. Wenn wir eine Korn-Aehre im Felde, oder<lb/>
eine Frucht auf dem Baume, oder eine wohl-<lb/>
riechende Blume im Garten &#x017F;ehen, &#x017F;o mo&#x0364;gen<lb/>
wir wohl gedencken, als rufte &#x017F;ie uns zu:<lb/><hi rendition="#fr">GOtt i&#x017F;t die Liebe!</hi> und reitze uns zur<lb/>
Gegenliebe. Doch i&#x017F;t die&#x017F;er Erweis der Lie-<lb/>
be GOttes im Reiche der Natur, &#x017F;o groß er<lb/>
auch gleich i&#x017F;t, noch gering gegen den im Rei-<lb/>
che der Gnaden, davon der Apo&#x017F;tel al&#x017F;o fort-<lb/>
fa&#x0364;hret:</item></list></item>
              </list>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 9. 10.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Daran i&#x017F;t er&#x017F;chienen die Liebe GOt-<lb/>
tes gegen uns daß GOtt &#x017F;einen eingebor-<lb/>
nen Sohn ge&#x017F;andt hat in die Welt, daß<lb/>
wir durch ihn leben &#x017F;ollen.</hi> Darinn &#x017F;tehet<lb/>
die Liebe, (Joh. 3, 16. Ro&#x0364;m. 5, 6. u. f.) <hi rendition="#fr">nicht<lb/>
daß wir geliebet haben, &#x017F;ondern daß er<lb/>
uns geliebet hat und ge&#x017F;andt &#x017F;einen Sohn<lb/>
zur Ver&#x017F;o&#x0364;hnung fu&#x0364;r un&#x017F;ere Su&#x0364;nde.</hi></p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Nachdem der Apo&#x017F;tel ge&#x017F;aget hatte, daß<lb/>
GOtt die Liebe &#x017F;ey, zuvorder&#x017F;t we&#x017F;entlich; &#x017F;o be-<lb/>
zeuget er darauf, wie tha&#x0364;tig er &#x017F;eine Liebe in dem<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Wercke der Sendung &#x017F;eines Sohnes zur<lb/>
Erlo&#x0364;&#x017F;ung erwie&#x017F;en habe. Wir finden der Ord-<lb/>
nung nach alhier drey Stu&#x0364;cke, er&#x017F;tlich die <hi rendition="#fr">Liebe<lb/>
GOttes</hi> an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t; hernach der&#x017F;elben <hi rendition="#fr">Er-<lb/>
weis</hi> in der Sendung des Sohnes; und denn<lb/>
die&#x017F;es Erwei&#x017F;es und der Erlo&#x0364;&#x017F;ung <hi rendition="#fr">Zweck.</hi></p><lb/>
              <p>2. Von der <hi rendition="#fr">Liebe GOttes</hi> an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t folgendes zu mercken:</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Das Wort <hi rendition="#fr">GOtt</hi> gehet vorher nach dem<lb/>
We&#x017F;en GOttes auf die heilige Dreyeinigkeit:<lb/>
hier aber auf die Per&#x017F;on des Vaters; &#x017F;intemal<lb/>
dabey der Sendung des Sohnes gedacht<lb/>
wird.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Die&#x017F;e Liebe heißt auch &#x017F;on&#x017F;t die Gnade, die<lb/>
Barmhertzigkeit, die Leut&#x017F;eligkeit und Freund-<lb/>
lichkeit.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">c.</hi> Die&#x017F;e Liebe i&#x017F;t gantz unverdienet, da uns GOtt<lb/>
nach un&#x017F;erm Verdien&#x017F;te vielmehr ha&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte.<lb/>
Darum der Apo&#x017F;tel &#x017F;aget: <hi rendition="#fr">Darinn &#x017F;tehet<lb/>
die Liebe, nicht daß wir GOtt geliebet<lb/>
haben,</hi> Siehe Ro&#x0364;m. 5, 6-10.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">d.</hi> Die&#x017F;e Liebe i&#x017F;t <hi rendition="#fr">er&#x017F;chienen,</hi> und in Chri&#x017F;to<lb/>
gleich&#x017F;am &#x017F;ichtbar gemacht: und al&#x017F;o hat &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich auch tha&#x0364;tig erwie&#x017F;en.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">e.</hi> Sie i&#x017F;t er&#x017F;chienen <hi rendition="#fr">gegen uns,</hi> daß &#x017F;ie &#x017F;ich auch<lb/>
offenbaret hat &#x1F10;&#x03BD; &#x1F51;&#x03BC;&#x1FD6;&#x03BD;, unter und <hi rendition="#fr">in uns: un-<lb/>
ter uns</hi> durch die daher ent&#x017F;tehende wu&#x0364;rdige<lb/><hi rendition="#aq">Application,</hi> davon es Ro&#x0364;m. 5, 5. heißt:<lb/><hi rendition="#fr">Die Liebe GOttes i&#x017F;t ausgego&#x017F;&#x017F;en in un-<lb/>
&#x017F;ern Hertzen durch den Heiligen Gei&#x017F;t.</hi><lb/>
Und: <hi rendition="#fr">Schmecket und &#x017F;ehet, daß der HErr<lb/>
freundlich i&#x017F;t.</hi> P&#x017F;. 34, 9. 1 Pet. 2, 3.</item>
              </list><lb/>
              <p>3. Von dem &#x017F;o herrlichen Erwei&#x017F;e der Liebe<lb/>
GOttes in der Sendung des Sohnes i&#x017F;t auch<lb/>
unter&#x017F;chiedliches in&#x017F;onderheit zu erwegen:</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Der <hi rendition="#fr">Sendende</hi> i&#x017F;t GOtt der Vater, und mit<lb/>
ihm auch der Heilige Gei&#x017F;t; als von und mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wel-</fw><lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[712/0712] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 4. v. 7-10. a. Wer nicht Lieb hat, nemlich ſeinen Naͤch- ſten, folglich auch nicht in einer wohlgeordneten Liebe gegen ſich ſelbſt und gegen GOtt ſtehet, der ermangelt der Liebe alſo, daß ſich dafuͤr das Gegentheil bey ihm befindet im Haß und deſ- ſelben vielen Ausbruͤchen. b. Ein Liebloſer kennet GOtt nicht, nemlich auf eine geiſtliche, uͤbernatuͤrliche und lebendi- ge Art, welche die wahre Erkenntniß an ſich hat. Jſt er gleich kein Atheiſt; ſo iſt doch ſei- ne Erkenntniß nur theils blos natuͤrlich, theils blos buchſtaͤblich, welche er ſich aus eignen Natur-Kraͤften hat zu wege gebracht. Es iſt demnach unmoͤglich, daß ein beharrlich Gottloſer erleuchtet ſeyn und nach der Wahrheit genennet werden koͤnne. Wer ſol- ches vorgiebt, der ſcheuet ſich nicht dem Apo- ſtel des HErrn, und alſo Chriſto ſelbſt, zu widerſprechen. Wolte man ſagen, Johannes rede alhier von der glaͤubigen und ſeligma- chenden Erkenntniß, nicht aber von der wah- ren: ſo waͤre ſolches eine groſſe Leichtſinnig- keit, ſolchergeſtalt die Worte des Apoſtels zu entkraͤften, und vorzugeben, als wenn auch noch eine andere Erkenntniß, als die glaͤubige und ſeligmachende, die wahre, oder wahrhafte und aͤchte waͤre. Man conferire hier- bey was wir davon bereits bey dem andern Capitel v. 3. u. f. betrachtet haben. c. Den Erweis ſeines Satzes, daß ein Liebloſer GOTT nicht kenne, nimmt der Apoſtel da- von her, da er ſpricht: Denn GOtt iſt die Liebe. Wobey zu mercken iſt: α. Daß dieſes daher von GOTT koͤnne geſa- get werden, weil alle Eigenſchaften an ihm weſentlich und unendlich ſind. β. Daß, GOtt wahrhaftig kennen, ſey ihn alſo kennen; daß man auch ſeinen Sinn an ſich nehme und ihm gleich geſinnet werde; nemlich dadurch, daß, weil die wahre Er- kenntniß Glaubens-voll iſt, und wenn ſie in der Seelen aufgehet, die Liebe GOT- TES, die er zu uns traͤget, in unſer Hertz ausgegoſſen wird durch den Heili- gen Geiſt. Da ſich nun GOTT ſolcher geſtalt als die Liebe erweiſet: und uns zur Liebe entzuͤndet, ſo kennet der GOtt nicht, wer nicht in der Liebe ſtehet. Denn ſolte ein liebloſer GOTT kennen, ſo muͤſte theils GOtt die Liebe nicht ſeyn, noch ſich als die Liebe in Mittheilung ſeines Sinnes zu erken- nen geben, theils muͤſte die Erkenntnß GOt- tes ohne die glaͤubige und wahre Gemein- ſchaft mit GOTT ſeyn koͤnnen. Deren keines ſeyn kan, ſondern beydes wider die Cathechetiſchen Wahrheiten der Apoſtoli- ſchen Lehre lauft. γ. Daß GOtt die Liebe ſey, das muß ja nicht gemißbrauchet werden, weder zum Nach- theil ſeiner Gerechtigkeit, daß man daher die Nothwendigkeit der von dem menſchlichen Geſchlechte geforderten und von CHriſto ge- leiſteten Satisfaction leugnen wolte; noch zur fleiſchlichen Sicherheit. Denn gleich- wie er die Liebe iſt, ſo iſt er auch die Gerech- tigkeit, und nach derſelben ein verzehrendes Feuer. Hebr. 12, 29. 2 B. Moſ. 24, 17. 5 B. Moſ. 4, 24. c. 9, 3. δ. Wenn wir eine Korn-Aehre im Felde, oder eine Frucht auf dem Baume, oder eine wohl- riechende Blume im Garten ſehen, ſo moͤgen wir wohl gedencken, als rufte ſie uns zu: GOtt iſt die Liebe! und reitze uns zur Gegenliebe. Doch iſt dieſer Erweis der Lie- be GOttes im Reiche der Natur, ſo groß er auch gleich iſt, noch gering gegen den im Rei- che der Gnaden, davon der Apoſtel alſo fort- faͤhret: V. 9. 10. Daran iſt erſchienen die Liebe GOt- tes gegen uns daß GOtt ſeinen eingebor- nen Sohn geſandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben ſollen. Darinn ſtehet die Liebe, (Joh. 3, 16. Roͤm. 5, 6. u. f.) nicht daß wir geliebet haben, ſondern daß er uns geliebet hat und geſandt ſeinen Sohn zur Verſoͤhnung fuͤr unſere Suͤnde. Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel geſaget hatte, daß GOtt die Liebe ſey, zuvorderſt weſentlich; ſo be- zeuget er darauf, wie thaͤtig er ſeine Liebe in dem groſſen Wercke der Sendung ſeines Sohnes zur Erloͤſung erwieſen habe. Wir finden der Ord- nung nach alhier drey Stuͤcke, erſtlich die Liebe GOttes an ſich ſelbſt; hernach derſelben Er- weis in der Sendung des Sohnes; und denn dieſes Erweiſes und der Erloͤſung Zweck. 2. Von der Liebe GOttes an ſich ſelbſt iſt folgendes zu mercken: a. Das Wort GOtt gehet vorher nach dem Weſen GOttes auf die heilige Dreyeinigkeit: hier aber auf die Perſon des Vaters; ſintemal dabey der Sendung des Sohnes gedacht wird. b. Dieſe Liebe heißt auch ſonſt die Gnade, die Barmhertzigkeit, die Leutſeligkeit und Freund- lichkeit. c. Dieſe Liebe iſt gantz unverdienet, da uns GOtt nach unſerm Verdienſte vielmehr haſſen ſolte. Darum der Apoſtel ſaget: Darinn ſtehet die Liebe, nicht daß wir GOtt geliebet haben, Siehe Roͤm. 5, 6-10. d. Dieſe Liebe iſt erſchienen, und in Chriſto gleichſam ſichtbar gemacht: und alſo hat ſie ſich auch thaͤtig erwieſen. e. Sie iſt erſchienen gegen uns, daß ſie ſich auch offenbaret hat ἐν ὑμῖν, unter und in uns: un- ter uns durch die daher entſtehende wuͤrdige Application, davon es Roͤm. 5, 5. heißt: Die Liebe GOttes iſt ausgegoſſen in un- ſern Hertzen durch den Heiligen Geiſt. Und: Schmecket und ſehet, daß der HErr freundlich iſt. Pſ. 34, 9. 1 Pet. 2, 3. 3. Von dem ſo herrlichen Erweiſe der Liebe GOttes in der Sendung des Sohnes iſt auch unterſchiedliches inſonderheit zu erwegen: a. Der Sendende iſt GOtt der Vater, und mit ihm auch der Heilige Geiſt; als von und mit wel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/712
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/712>, abgerufen am 23.11.2024.