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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 3. v. 6-10. an die Thessalonicher.
[Spaltenumbruch] meisten Orten leider den grössesten Haufen aus-
machen; so hat ein rechtschafner Christ sich sorg-
fältig vor dem genauen Umgange mit solchen
Leuten zu hüten. Jst er bürgerlicher Geschäfte
wegen nicht zu vermeiden, so muß es doch zu
keiner Familiarität kommen, sondern derselbe
also gemäßiget und geführet werden, daß die är-
gerlich lebende und unbekehrte theils mit Wor-
ten, theils mit der That überzeuget werden, daß
es ihnen noch am Stande der Gnade fehle. Sie-
he hievon ein mehrers 1 Cor. 5, 9. u. f.

V. 7.

Denn ihr (autoi ihr selbst) wisset, wie
ihr uns
(nicht allein könnet, sondern auch)
sollet nachfolgen. Denn wir sind nicht un-
ordentlich
(und im Leben ärgerlich) gewesen
unter euch
(sondern heilig, gerecht und unsträf-
lich. 1 Thess. 2, 10.)

Anmerckungen.

1. Es ist allerdinge eines Lehrers höchste
Pflicht, daß er seinen Zuhörern mit einem gu-
ten Exempel vorleuchte; sintemal er sonst mit
einem ärgerlichen Leben, bekannter maßen, mehr
niederreisset, als mit der Lehre bauet. Welche
denn auch von einem unbekehrten und ärgerlich
wandelnden Lehrer nicht recht lebendig und rich-
tig in allen Stücken gefasset, vielweniger mit
rechtem Nachdruck vorgetragen wird. Schei-
net denn schon einiger Nachdruck darhinter zu
seyn; so sind es doch gemeiniglich nur oratori-
sche Wort-Blumen, ohne Beweisung des Gei-
stes und der Kraft.

2. Jst ein Zuhörer bey seiner Gottlosigkeit
damit nicht entschuldiget, daß er das böse Exem-
pel des Lehrers vor sich hat, und sich darauf be-
rufen kan; sondern er sich zuförderst nach GOt-
tes Wort richten muß: was für eine schwere
Verantwortung müssen denn solche Zuhörer
nicht auf sich laden, welche an ihrem Lehrer
nebst der reinen lautern Lehre, und derselben
kräftigen Vortrag, auch sein erbauliches Ex-
empel vor sich haben?

V. 8.

Haben auch nicht umsonst das Brodt
(und was nothdürftigerer weise von Speise und
Tranck dazu gehöret: welche Redens-Art vom
Brodte hergenommen ist aus 1 B. Mos. 3, 19.
und Matth. 6, 11.) genommen von jemand;
sondern mit Arbeit und Mühe Tag und
Nacht
(das ist, auch in den zur Nacht gerechne-
ten Abend- und Frühestunden) haben wir ge-
würcket, daß wir niemand unter euch be-
schwerlich wären.
(Siehe hievon 1 Thess. 2,
19. desgleichen Ap. Ges. 20, 34. 1 Cor. 4, 12. c. 9,
6. 15. 2 Cor. 11, 8. 9.

V. 9.

Nicht darum, daß wir deß nicht
Macht haben
(den Unterhalt von euch zu
nehmen, welches vorher ein beschwerlich seyn,
genennet worden,) sondern daß wir uns selbst
zum Fürbilde euch geben uns nachzufolgen

(und also so viel weniger müßig zu seyn und an-
dern lästig zu werden.

[Spaltenumbruch]
Anmerckung.

Pauli Exempel hatte zwar etwas beson-
ders, welches zur Nachfolge nicht eben solte
und konte gezogen werden: nemlich daß ein je-
der Lehrer solte von seiner Hand-Arbeit leben:
als welcher Folge er theils hier, theils und noch
nachdrücklicher 1 Cor. 9, 4. u. s. w. widerspricht,
und dabey aus den Worten Christi deutlich be-
zeuget, daß ein Arbeiter seines Lohnes, oder Un-
terhalts, wehrt sey. Es folgte doch aber aus
Pauli Exempel so viel, daß man gar wohl schlies-
sen konte: Jst Paulus bey der mühsamen Pre-
digt des Evangelii nicht einmal müßig, sondern
dabey gar der Hand-Arbeit ergeben: wie viel-
weniger soll einer, der das Evangelium nicht zu
verkündigen hat, müßig seyn, und damit an-
dern zur Last werden. Auf welche Art denn
Pauli Exempel gar wohl zur Nachfolge vorge-
stellt werden und dienen konte. Von dem bil-
ligen Fürbilde eines Lehrers insgemein sehe
man 1 Cor. 4, 16. c. 11, 1. 1 Thess. 1, 6. c. 2, 7. Phil.
3, 17. 1 Tim. 5, 18.

V. 10.

Und da wir bey euch waren, gebo-
ten wir euch solches, daß, so iemand
(der
gesund ist, und Gelegenheit zur Arbeit hat) nicht
will arbeiten, der soll auch
(von Rechts
wegen) nicht essen (als der des Brodts un-
werth ist.)

Anmerckungen.

1. Paulus hat den Thessalonichern das Ge-
bot GOttes 1 B. Mos. 3, 19. Jm Schweiß
deines Angesichts solt du dein Brodt es-
sen,
damit eingeschärfet. Da nun dieses Gesetz
GOttes auch ein Gesetz der Natur ist; so haben
Christen, bey welchen die verderbte Natur durch
die Gnade nach und nach wider in einen guten
Stand gesetzet wird, demselben so viel mehr nach
zu kommen. Wie es denn wahrhaftig heissen
muß: Je frömmer Christ, ie fleißiger
Arbeiter.

2. Wo wollen doch nun immer mehr die-
jenigen Menschen mit ihrem Müßiggange vor
GOtt in ihrem Gewissen auskommen, welche
bey gesundem Leibe durch ein eigenwilliges Klo-
ster-Leben sich der Arbeit der äusserlichen Lebens-
Art entziehen; ja die ein so genanntes Melchi-
sedechisches Priesterthum vorgeben, dessen Eigen-
schaft seyn soll, daß man sich, um dem geistlichen,
aber gar übel verstandenen, Opfer obzuliegen, aller
äusserlichen Arbeit gäntzlich entschlage, und von
Almosen, welche einem GOtt durch das Gebet
bescheren wolle, lebe. Wie können solche blosse
und abergläubische Menschen-Satzungen immer
mehr mit dieser Paulinischen Lehre bestehen?

3. Jm übrigen ist leichtlich zu erachten, daß
Paulus mit obigen Worten nicht ein solches Ge-
setze giebet, welches durch die Strafe des Hun-
gers an den Müßiggängern wircklich solle vollzo-
gen werden; wie denn den Christen, als Christen,
eine solche Execution der leiblichen Bestrafung
nicht zukame. Denn der Apostel will damit nur
dieses bezeugen, daß die Müßiggänger von Rechts

wegen
J 2

Cap. 3. v. 6-10. an die Theſſalonicher.
[Spaltenumbruch] meiſten Orten leider den groͤſſeſten Haufen aus-
machen; ſo hat ein rechtſchafner Chriſt ſich ſorg-
faͤltig vor dem genauen Umgange mit ſolchen
Leuten zu huͤten. Jſt er buͤrgerlicher Geſchaͤfte
wegen nicht zu vermeiden, ſo muß es doch zu
keiner Familiaritaͤt kommen, ſondern derſelbe
alſo gemaͤßiget und gefuͤhret werden, daß die aͤr-
gerlich lebende und unbekehrte theils mit Wor-
ten, theils mit der That uͤberzeuget werden, daß
es ihnen noch am Stande der Gnade fehle. Sie-
he hievon ein mehrers 1 Cor. 5, 9. u. f.

V. 7.

Denn ihr (ἀυτοί ihr ſelbſt) wiſſet, wie
ihr uns
(nicht allein koͤnnet, ſondern auch)
ſollet nachfolgen. Denn wir ſind nicht un-
ordentlich
(und im Leben aͤrgerlich) geweſen
unter euch
(ſondern heilig, gerecht und unſtraͤf-
lich. 1 Theſſ. 2, 10.)

Anmerckungen.

1. Es iſt allerdinge eines Lehrers hoͤchſte
Pflicht, daß er ſeinen Zuhoͤrern mit einem gu-
ten Exempel vorleuchte; ſintemal er ſonſt mit
einem aͤrgerlichen Leben, bekannter maßen, mehr
niederreiſſet, als mit der Lehre bauet. Welche
denn auch von einem unbekehrten und aͤrgerlich
wandelnden Lehrer nicht recht lebendig und rich-
tig in allen Stuͤcken gefaſſet, vielweniger mit
rechtem Nachdruck vorgetragen wird. Schei-
net denn ſchon einiger Nachdruck darhinter zu
ſeyn; ſo ſind es doch gemeiniglich nur oratori-
ſche Wort-Blumen, ohne Beweiſung des Gei-
ſtes und der Kraft.

2. Jſt ein Zuhoͤrer bey ſeiner Gottloſigkeit
damit nicht entſchuldiget, daß er das boͤſe Exem-
pel des Lehrers vor ſich hat, und ſich darauf be-
rufen kan; ſondern er ſich zufoͤrderſt nach GOt-
tes Wort richten muß: was fuͤr eine ſchwere
Verantwortung muͤſſen denn ſolche Zuhoͤrer
nicht auf ſich laden, welche an ihrem Lehrer
nebſt der reinen lautern Lehre, und derſelben
kraͤftigen Vortrag, auch ſein erbauliches Ex-
empel vor ſich haben?

V. 8.

Haben auch nicht umſonſt das Brodt
(und was nothduͤrftigerer weiſe von Speiſe und
Tranck dazu gehoͤret: welche Redens-Art vom
Brodte hergenommen iſt aus 1 B. Moſ. 3, 19.
und Matth. 6, 11.) genommen von jemand;
ſondern mit Arbeit und Muͤhe Tag und
Nacht
(das iſt, auch in den zur Nacht gerechne-
ten Abend- und Fruͤheſtunden) haben wir ge-
wuͤrcket, daß wir niemand unter euch be-
ſchwerlich waͤren.
(Siehe hievon 1 Theſſ. 2,
19. desgleichen Ap. Geſ. 20, 34. 1 Cor. 4, 12. c. 9,
6. 15. 2 Cor. 11, 8. 9.

V. 9.

Nicht darum, daß wir deß nicht
Macht haben
(den Unterhalt von euch zu
nehmen, welches vorher ein beſchwerlich ſeyn,
genennet worden,) ſondern daß wir uns ſelbſt
zum Fuͤrbilde euch geben uns nachzufolgen

(und alſo ſo viel weniger muͤßig zu ſeyn und an-
dern laͤſtig zu werden.

[Spaltenumbruch]
Anmerckung.

Pauli Exempel hatte zwar etwas beſon-
ders, welches zur Nachfolge nicht eben ſolte
und konte gezogen werden: nemlich daß ein je-
der Lehrer ſolte von ſeiner Hand-Arbeit leben:
als welcher Folge er theils hier, theils und noch
nachdruͤcklicher 1 Cor. 9, 4. u. ſ. w. widerſpricht,
und dabey aus den Worten Chriſti deutlich be-
zeuget, daß ein Arbeiter ſeines Lohnes, oder Un-
terhalts, wehrt ſey. Es folgte doch aber aus
Pauli Exempel ſo viel, daß man gar wohl ſchlieſ-
ſen konte: Jſt Paulus bey der muͤhſamen Pre-
digt des Evangelii nicht einmal muͤßig, ſondern
dabey gar der Hand-Arbeit ergeben: wie viel-
weniger ſoll einer, der das Evangelium nicht zu
verkuͤndigen hat, muͤßig ſeyn, und damit an-
dern zur Laſt werden. Auf welche Art denn
Pauli Exempel gar wohl zur Nachfolge vorge-
ſtellt werden und dienen konte. Von dem bil-
ligen Fuͤrbilde eines Lehrers insgemein ſehe
man 1 Cor. 4, 16. c. 11, 1. 1 Theſſ. 1, 6. c. 2, 7. Phil.
3, 17. 1 Tim. 5, 18.

V. 10.

Und da wir bey euch waren, gebo-
ten wir euch ſolches, daß, ſo iemand
(der
geſund iſt, und Gelegenheit zur Arbeit hat) nicht
will arbeiten, der ſoll auch
(von Rechts
wegen) nicht eſſen (als der des Brodts un-
werth iſt.)

Anmerckungen.

1. Paulus hat den Theſſalonichern das Ge-
bot GOttes 1 B. Moſ. 3, 19. Jm Schweiß
deines Angeſichts ſolt du dein Brodt eſ-
ſen,
damit eingeſchaͤrfet. Da nun dieſes Geſetz
GOttes auch ein Geſetz der Natur iſt; ſo haben
Chriſten, bey welchen die verderbte Natur durch
die Gnade nach und nach wider in einen guten
Stand geſetzet wird, demſelben ſo viel mehr nach
zu kommen. Wie es denn wahrhaftig heiſſen
muß: Je froͤmmer Chriſt, ie fleißiger
Arbeiter.

2. Wo wollen doch nun immer mehr die-
jenigen Menſchen mit ihrem Muͤßiggange vor
GOtt in ihrem Gewiſſen auskommen, welche
bey geſundem Leibe durch ein eigenwilliges Klo-
ſter-Leben ſich der Arbeit der aͤuſſerlichen Lebens-
Art entziehen; ja die ein ſo genanntes Melchi-
ſedechiſches Prieſterthum vorgeben, deſſen Eigen-
ſchaft ſeyn ſoll, daß man ſich, um dem geiſtlichen,
aber gar uͤbel verſtandenen, Opfer obzuliegen, aller
aͤuſſerlichen Arbeit gaͤntzlich entſchlage, und von
Almoſen, welche einem GOtt durch das Gebet
beſcheren wolle, lebe. Wie koͤnnen ſolche bloſſe
und aberglaͤubiſche Menſchen-Satzungen immer
mehr mit dieſer Pauliniſchen Lehre beſtehen?

3. Jm uͤbrigen iſt leichtlich zu erachten, daß
Paulus mit obigen Worten nicht ein ſolches Ge-
ſetze giebet, welches durch die Strafe des Hun-
gers an den Muͤßiggaͤngern wircklich ſolle vollzo-
gen werden; wie denn den Chriſten, als Chriſten,
eine ſolche Execution der leiblichen Beſtrafung
nicht zukame. Denn der Apoſtel will damit nur
dieſes bezeugen, daß die Muͤßiggaͤnger von Rechts

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[67/0069] Cap. 3. v. 6-10. an die Theſſalonicher. meiſten Orten leider den groͤſſeſten Haufen aus- machen; ſo hat ein rechtſchafner Chriſt ſich ſorg- faͤltig vor dem genauen Umgange mit ſolchen Leuten zu huͤten. Jſt er buͤrgerlicher Geſchaͤfte wegen nicht zu vermeiden, ſo muß es doch zu keiner Familiaritaͤt kommen, ſondern derſelbe alſo gemaͤßiget und gefuͤhret werden, daß die aͤr- gerlich lebende und unbekehrte theils mit Wor- ten, theils mit der That uͤberzeuget werden, daß es ihnen noch am Stande der Gnade fehle. Sie- he hievon ein mehrers 1 Cor. 5, 9. u. f. V. 7. Denn ihr (ἀυτοί ihr ſelbſt) wiſſet, wie ihr uns (nicht allein koͤnnet, ſondern auch) ſollet nachfolgen. Denn wir ſind nicht un- ordentlich (und im Leben aͤrgerlich) geweſen unter euch (ſondern heilig, gerecht und unſtraͤf- lich. 1 Theſſ. 2, 10.) Anmerckungen. 1. Es iſt allerdinge eines Lehrers hoͤchſte Pflicht, daß er ſeinen Zuhoͤrern mit einem gu- ten Exempel vorleuchte; ſintemal er ſonſt mit einem aͤrgerlichen Leben, bekannter maßen, mehr niederreiſſet, als mit der Lehre bauet. Welche denn auch von einem unbekehrten und aͤrgerlich wandelnden Lehrer nicht recht lebendig und rich- tig in allen Stuͤcken gefaſſet, vielweniger mit rechtem Nachdruck vorgetragen wird. Schei- net denn ſchon einiger Nachdruck darhinter zu ſeyn; ſo ſind es doch gemeiniglich nur oratori- ſche Wort-Blumen, ohne Beweiſung des Gei- ſtes und der Kraft. 2. Jſt ein Zuhoͤrer bey ſeiner Gottloſigkeit damit nicht entſchuldiget, daß er das boͤſe Exem- pel des Lehrers vor ſich hat, und ſich darauf be- rufen kan; ſondern er ſich zufoͤrderſt nach GOt- tes Wort richten muß: was fuͤr eine ſchwere Verantwortung muͤſſen denn ſolche Zuhoͤrer nicht auf ſich laden, welche an ihrem Lehrer nebſt der reinen lautern Lehre, und derſelben kraͤftigen Vortrag, auch ſein erbauliches Ex- empel vor ſich haben? V. 8. Haben auch nicht umſonſt das Brodt (und was nothduͤrftigerer weiſe von Speiſe und Tranck dazu gehoͤret: welche Redens-Art vom Brodte hergenommen iſt aus 1 B. Moſ. 3, 19. und Matth. 6, 11.) genommen von jemand; ſondern mit Arbeit und Muͤhe Tag und Nacht (das iſt, auch in den zur Nacht gerechne- ten Abend- und Fruͤheſtunden) haben wir ge- wuͤrcket, daß wir niemand unter euch be- ſchwerlich waͤren. (Siehe hievon 1 Theſſ. 2, 19. desgleichen Ap. Geſ. 20, 34. 1 Cor. 4, 12. c. 9, 6. 15. 2 Cor. 11, 8. 9. V. 9. Nicht darum, daß wir deß nicht Macht haben (den Unterhalt von euch zu nehmen, welches vorher ein beſchwerlich ſeyn, genennet worden,) ſondern daß wir uns ſelbſt zum Fuͤrbilde euch geben uns nachzufolgen (und alſo ſo viel weniger muͤßig zu ſeyn und an- dern laͤſtig zu werden. Anmerckung. Pauli Exempel hatte zwar etwas beſon- ders, welches zur Nachfolge nicht eben ſolte und konte gezogen werden: nemlich daß ein je- der Lehrer ſolte von ſeiner Hand-Arbeit leben: als welcher Folge er theils hier, theils und noch nachdruͤcklicher 1 Cor. 9, 4. u. ſ. w. widerſpricht, und dabey aus den Worten Chriſti deutlich be- zeuget, daß ein Arbeiter ſeines Lohnes, oder Un- terhalts, wehrt ſey. Es folgte doch aber aus Pauli Exempel ſo viel, daß man gar wohl ſchlieſ- ſen konte: Jſt Paulus bey der muͤhſamen Pre- digt des Evangelii nicht einmal muͤßig, ſondern dabey gar der Hand-Arbeit ergeben: wie viel- weniger ſoll einer, der das Evangelium nicht zu verkuͤndigen hat, muͤßig ſeyn, und damit an- dern zur Laſt werden. Auf welche Art denn Pauli Exempel gar wohl zur Nachfolge vorge- ſtellt werden und dienen konte. Von dem bil- ligen Fuͤrbilde eines Lehrers insgemein ſehe man 1 Cor. 4, 16. c. 11, 1. 1 Theſſ. 1, 6. c. 2, 7. Phil. 3, 17. 1 Tim. 5, 18. V. 10. Und da wir bey euch waren, gebo- ten wir euch ſolches, daß, ſo iemand (der geſund iſt, und Gelegenheit zur Arbeit hat) nicht will arbeiten, der ſoll auch (von Rechts wegen) nicht eſſen (als der des Brodts un- werth iſt.) Anmerckungen. 1. Paulus hat den Theſſalonichern das Ge- bot GOttes 1 B. Moſ. 3, 19. Jm Schweiß deines Angeſichts ſolt du dein Brodt eſ- ſen, damit eingeſchaͤrfet. Da nun dieſes Geſetz GOttes auch ein Geſetz der Natur iſt; ſo haben Chriſten, bey welchen die verderbte Natur durch die Gnade nach und nach wider in einen guten Stand geſetzet wird, demſelben ſo viel mehr nach zu kommen. Wie es denn wahrhaftig heiſſen muß: Je froͤmmer Chriſt, ie fleißiger Arbeiter. 2. Wo wollen doch nun immer mehr die- jenigen Menſchen mit ihrem Muͤßiggange vor GOtt in ihrem Gewiſſen auskommen, welche bey geſundem Leibe durch ein eigenwilliges Klo- ſter-Leben ſich der Arbeit der aͤuſſerlichen Lebens- Art entziehen; ja die ein ſo genanntes Melchi- ſedechiſches Prieſterthum vorgeben, deſſen Eigen- ſchaft ſeyn ſoll, daß man ſich, um dem geiſtlichen, aber gar uͤbel verſtandenen, Opfer obzuliegen, aller aͤuſſerlichen Arbeit gaͤntzlich entſchlage, und von Almoſen, welche einem GOtt durch das Gebet beſcheren wolle, lebe. Wie koͤnnen ſolche bloſſe und aberglaͤubiſche Menſchen-Satzungen immer mehr mit dieſer Pauliniſchen Lehre beſtehen? 3. Jm uͤbrigen iſt leichtlich zu erachten, daß Paulus mit obigen Worten nicht ein ſolches Ge- ſetze giebet, welches durch die Strafe des Hun- gers an den Muͤßiggaͤngern wircklich ſolle vollzo- gen werden; wie denn den Chriſten, als Chriſten, eine ſolche Execution der leiblichen Beſtrafung nicht zukame. Denn der Apoſtel will damit nur dieſes bezeugen, daß die Muͤßiggaͤnger von Rechts wegen J 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/69>, abgerufen am 23.11.2024.