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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 3. v. 6. 7.
[Spaltenumbruch]
V. 6.

Wer in ihm bleibet, der sündiget nicht,
(also daß er die Sünde herrschen lasse:) wer da
(solchergestalt) sündiget, der hat ihn nicht
gesehen, noch erkant
(entweder noch nie-
mal im Glauben an CHristum gestanden, oder
ihn durch Verletzung des guten Gewissens doch
wieder verloren.

Anmerckungen.

1. Hiermit bezeuget der Apostel, daß der
Zweck der v. 5. gedachten Menschwerdung und
des Mittler-Amts Christi in Hinwegnehmung
der Sünde nicht allein auf die Erlösung und der
Sünden Vergebung, sondern auch auf die wirck-
liche Reinigung und Befreyung von der Sünden
Herrschaft gerichtet sey. Auf welche Art er denn
das Gesetz mit dem Evangelio abermal aufs ge-
naueste verbindet.

2. Und eben dieses sehen wir ausdrücklich
in den Worten, wer in ihm bleibet, als welche
auf das Evangelium gehen, und denen: der
sündiget nicht;
in welchen die Kraft und Frucht
des Evangelii gezeiget wird.

3. Das Bleiben in Christo hat den Glau-
ben, und die vermöge desselben schon geschehene
Vereinigung und Gemeinschaft zum Grunde,
nach c. 2, 6. und bestehet in der gläubigen Behar-
rung, nach welcher man also in ihm bleibet, wie
der Rebe am Weinstock, wie der Baum in sei-
nem fruchtbaren Boden, und daher die Kraft
schöpfet sich von aller vorsetzlichen Sünde zu
hüten.

4. Das sehen wird alhier durch erkennen
erläutert. Und eben also redet unser Heyland
Joh. 14, 17. wenn er spricht: Den Geist der
Wahrheit kan die Welt nicht empfahen:
denn sie siehet ihn nicht, und kennet ihn
nicht.
Will man aber das erkennen wegen des
davor gesetzten Wörtleins oude vom sehen unter-
scherden: so kan man sagen, das sehen gehe auf
die gnädige Gegenwart des HErrn, das erken-
nen
auf den Genuß desselben, welchen man da-
von in der Erfahrung habe, wenn man sich die
gnädige Gegenwart ja die Einwohnung des
HErrn, gläubig vorstellet. Denn Christum
gläubig sehen und erkennen ist in ihm seyn, in ihm
bleiben und in seiner Gemeinschaft stehen, und
solcher gestalt eine lebendige Erkenntniß, die voller
Erfahrung ist, haben.

5. Da nun die wahre Erkenntniß solcher
Art ist, so ist es offenbar, daß sie sich unmöglich
bey einem beharrlich gottlosen Menschen finden
könne. Und eben dieses ist es, welches Johannes
alhier mit ausdrücklichen Worten bezeuget, wenn
er saget: Wer da sündiget (also daß er die
Sünde über sich herrschen lässet) der hat ihn
nicht gesehen, noch erkannt.

6. Die Praeterita hat gesehen, hat er-
kannt
nimmt man alhier billig an in praesenti,
er siehet und er kennet: gleichwie Lutherus
oben c. 2, 3. 4. das egnokamen, egnoka durch wir
kennen, ich kenne
übersetzet hat. Es ist doch
aber dabey wahr, daß mit der herrschenden Sünde
[Spaltenumbruch] der schon vorher gegangene Mangel wahrer Er-
kenntniß bezeuget werde. Denn gleichwie bey
denjenigen, welche zum Gnaden-Stande gelan-
gen, und darinn bevestiget werden der an sich
nicht unmögliche gäntzliche Rückfall nicht so
leichtlich zu geschehen pfleget: also haben dieje-
nigen, welche muthwillig sündigen und damit auch
andern zum Aergerniß werden, gemeiniglich noch
nie recht in der Gnade gestanden, vielweniger sind
sie darinn recht bevestiget worden, sondern es ist
ihr vormaliges Vorgeben vom rechtschaffnen
Wesen nur Heucheley gewesen, oder nicht weiter,
als zu einigem Anfange unter guten Bewegungen
gekommen, und alles ohne Ernst geblieben. Jn
diesem Verstande kan man auch von der vergan-
genen Zeit sagen: Wer da sündiget, der hat
ihn nicht gesehen, noch erkannt.
Eben die-
ses hat der Apostel c. 2, 19. mit diesen Worten
bezeuget: wo sie von uns gewesen wären, so
wären sie ja bey uns geblieben.
Und bey sol-
chem also eingeschrenckten Sinne dieser Worte
bleibet denn der Satz von dem möglichen Rück-
fall der wahrhaftig Gläubigen veste stehen. Denn
wenn dieses nicht wäre, warum solte denn der
Apostel die wircklich stehenden davor waren, wenn
er also fortfähret:

V. 7.

Kindlein, laßt euch niemand verfüh-
ren. Wer recht thut, der ist gerecht, gleich-
wie er
(ekeinos, der Sohn GOttes v. 3. 5.) ge-
recht ist.

Anmerckungen.

1. Die Verführung war in der ersten
Kirchen mancherley, theils zur falschen Lehre
von der Person und dem Mittler-Amte Christi,
da man seine wahre Gottheit und das eigentliche
Werck der Erlösung leugnete, und die Seelen von
Christo auf Mosen führete nach c. 2, 22. 23. theils
zum gottlosen Leben, da man die wahre Lehre
von der Erlösung Christi und der daher entstehen-
den Rechtfertigung vor GOtt auf Muthwillen
zog und sie auch selbst damit verfälschte. Auf die-
se letztere Art der Verführung siehet der Apostel
alhier, wie auch Paulus hin und wider, sonder-
lich Röm. 6, 1. u. f. und Petrus 2 Ep. c. 2. son-
derlich v. 18. 19. auch Judas v. 4.

2. Weil es möglich war, daß auch die ste-
hende durch solche Lockspeise, als wenn uns Chri-
stus auch vom Gehorsam des Gesetzes, da er sol-
chen für uns geleistet habe, befreyet, konten ver-
sühret werden, so warnet der Apostel davor, wie
auch Paulus, Petrus und Judas in den angeführ-
ten und mehrern Orten thun. Man hat demnach
Ursache wohl auf seiner Hut zu seyn, um sowol
ein gutes Gewissen, als darinnen das Geheimniß
des Glaubens, als eine theure Beylage, sorgfäl-
tig zu bewahren. Welch ein Ernst aber es Jo-
hanni mit dieser Warnung muß gewesen seyn,
das siehet man auch daraus, daß er die schon oben
c. 2, 26. gethane Warnung vor der Verführung
alhier widerholet: wiewol er dort eigentlich von
der Verführung der ersten Gattung handelt.

3. Recht thun ist im Lichte wandeln c. 1, 7.

die
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 6. 7.
[Spaltenumbruch]
V. 6.

Wer in ihm bleibet, der ſuͤndiget nicht,
(alſo daß er die Suͤnde herrſchen laſſe:) wer da
(ſolchergeſtalt) ſuͤndiget, der hat ihn nicht
geſehen, noch erkant
(entweder noch nie-
mal im Glauben an CHriſtum geſtanden, oder
ihn durch Verletzung des guten Gewiſſens doch
wieder verloren.

Anmerckungen.

1. Hiermit bezeuget der Apoſtel, daß der
Zweck der v. 5. gedachten Menſchwerdung und
des Mittler-Amts Chriſti in Hinwegnehmung
der Suͤnde nicht allein auf die Erloͤſung und der
Suͤnden Vergebung, ſondern auch auf die wirck-
liche Reinigung und Befreyung von der Suͤnden
Herrſchaft gerichtet ſey. Auf welche Art er denn
das Geſetz mit dem Evangelio abermal aufs ge-
naueſte verbindet.

2. Und eben dieſes ſehen wir ausdruͤcklich
in den Worten, wer in ihm bleibet, als welche
auf das Evangelium gehen, und denen: der
ſuͤndiget nicht;
in welchen die Kraft und Frucht
des Evangelii gezeiget wird.

3. Das Bleiben in Chriſto hat den Glau-
ben, und die vermoͤge deſſelben ſchon geſchehene
Vereinigung und Gemeinſchaft zum Grunde,
nach c. 2, 6. und beſtehet in der glaͤubigen Behar-
rung, nach welcher man alſo in ihm bleibet, wie
der Rebe am Weinſtock, wie der Baum in ſei-
nem fruchtbaren Boden, und daher die Kraft
ſchoͤpfet ſich von aller vorſetzlichen Suͤnde zu
huͤten.

4. Das ſehen wird alhier durch erkennen
erlaͤutert. Und eben alſo redet unſer Heyland
Joh. 14, 17. wenn er ſpricht: Den Geiſt der
Wahrheit kan die Welt nicht empfahen:
denn ſie ſiehet ihn nicht, und kennet ihn
nicht.
Will man aber das erkennen wegen des
davor geſetzten Woͤrtleins οὐδὲ vom ſehen unter-
ſcherden: ſo kan man ſagen, das ſehen gehe auf
die gnaͤdige Gegenwart des HErrn, das erken-
nen
auf den Genuß deſſelben, welchen man da-
von in der Erfahrung habe, wenn man ſich die
gnaͤdige Gegenwart ja die Einwohnung des
HErrn, glaͤubig vorſtellet. Denn Chriſtum
glaͤubig ſehen und erkennen iſt in ihm ſeyn, in ihm
bleiben und in ſeiner Gemeinſchaft ſtehen, und
ſolcher geſtalt eine lebendige Erkenntniß, die voller
Erfahrung iſt, haben.

5. Da nun die wahre Erkenntniß ſolcher
Art iſt, ſo iſt es offenbar, daß ſie ſich unmoͤglich
bey einem beharrlich gottloſen Menſchen finden
koͤnne. Und eben dieſes iſt es, welches Johannes
alhier mit ausdruͤcklichen Worten bezeuget, wenn
er ſaget: Wer da ſuͤndiget (alſo daß er die
Suͤnde uͤber ſich herrſchen laͤſſet) der hat ihn
nicht geſehen, noch erkannt.

6. Die Præterita hat geſehen, hat er-
kannt
nimmt man alhier billig an in præſenti,
er ſiehet und er kennet: gleichwie Lutherus
oben c. 2, 3. 4. das ἐγνώκαμεν, ἔγνωκα durch wir
kennen, ich kenne
uͤberſetzet hat. Es iſt doch
aber dabey wahr, daß mit der herrſchenden Suͤnde
[Spaltenumbruch] der ſchon vorher gegangene Mangel wahrer Er-
kenntniß bezeuget werde. Denn gleichwie bey
denjenigen, welche zum Gnaden-Stande gelan-
gen, und darinn beveſtiget werden der an ſich
nicht unmoͤgliche gaͤntzliche Ruͤckfall nicht ſo
leichtlich zu geſchehen pfleget: alſo haben dieje-
nigen, welche muthwillig ſuͤndigen und damit auch
andern zum Aergerniß werden, gemeiniglich noch
nie recht in der Gnade geſtanden, vielweniger ſind
ſie darinn recht beveſtiget worden, ſondern es iſt
ihr vormaliges Vorgeben vom rechtſchaffnen
Weſen nur Heucheley geweſen, oder nicht weiter,
als zu einigem Anfange unter guten Bewegungen
gekommen, und alles ohne Ernſt geblieben. Jn
dieſem Verſtande kan man auch von der vergan-
genen Zeit ſagen: Wer da ſuͤndiget, der hat
ihn nicht geſehen, noch erkannt.
Eben die-
ſes hat der Apoſtel c. 2, 19. mit dieſen Worten
bezeuget: wo ſie von uns geweſen waͤren, ſo
waͤren ſie ja bey uns geblieben.
Und bey ſol-
chem alſo eingeſchrenckten Sinne dieſer Worte
bleibet denn der Satz von dem moͤglichen Ruͤck-
fall der wahrhaftig Glaͤubigen veſte ſtehen. Denn
wenn dieſes nicht waͤre, warum ſolte denn der
Apoſtel die wircklich ſtehenden davor waren, wenn
er alſo fortfaͤhret:

V. 7.

Kindlein, laßt euch niemand verfuͤh-
ren. Wer recht thut, der iſt gerecht, gleich-
wie er
(ἐκεῖνος, der Sohn GOttes v. 3. 5.) ge-
recht iſt.

Anmerckungen.

1. Die Verfuͤhrung war in der erſten
Kirchen mancherley, theils zur falſchen Lehre
von der Perſon und dem Mittler-Amte Chriſti,
da man ſeine wahre Gottheit und das eigentliche
Werck der Erloͤſung leugnete, und die Seelen von
Chriſto auf Moſen fuͤhrete nach c. 2, 22. 23. theils
zum gottloſen Leben, da man die wahre Lehre
von der Erloͤſung Chriſti und der daher entſtehen-
den Rechtfertigung vor GOtt auf Muthwillen
zog und ſie auch ſelbſt damit verfaͤlſchte. Auf die-
ſe letztere Art der Verfuͤhrung ſiehet der Apoſtel
alhier, wie auch Paulus hin und wider, ſonder-
lich Roͤm. 6, 1. u. f. und Petrus 2 Ep. c. 2. ſon-
derlich v. 18. 19. auch Judas v. 4.

2. Weil es moͤglich war, daß auch die ſte-
hende durch ſolche Lockſpeiſe, als wenn uns Chri-
ſtus auch vom Gehorſam des Geſetzes, da er ſol-
chen fuͤr uns geleiſtet habe, befreyet, konten ver-
ſuͤhret werden, ſo warnet der Apoſtel davor, wie
auch Paulus, Petrus und Judas in den angefuͤhr-
ten und mehrern Orten thun. Man hat demnach
Urſache wohl auf ſeiner Hut zu ſeyn, um ſowol
ein gutes Gewiſſen, als darinnen das Geheimniß
des Glaubens, als eine theure Beylage, ſorgfaͤl-
tig zu bewahren. Welch ein Ernſt aber es Jo-
hanni mit dieſer Warnung muß geweſen ſeyn,
das ſiehet man auch daraus, daß er die ſchon oben
c. 2, 26. gethane Warnung vor der Verfuͤhrung
alhier widerholet: wiewol er dort eigentlich von
der Verfuͤhrung der erſten Gattung handelt.

3. Recht thun iſt im Lichte wandeln c. 1, 7.

die
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[686/0688] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 3. v. 6. 7. V. 6. Wer in ihm bleibet, der ſuͤndiget nicht, (alſo daß er die Suͤnde herrſchen laſſe:) wer da (ſolchergeſtalt) ſuͤndiget, der hat ihn nicht geſehen, noch erkant (entweder noch nie- mal im Glauben an CHriſtum geſtanden, oder ihn durch Verletzung des guten Gewiſſens doch wieder verloren. Anmerckungen. 1. Hiermit bezeuget der Apoſtel, daß der Zweck der v. 5. gedachten Menſchwerdung und des Mittler-Amts Chriſti in Hinwegnehmung der Suͤnde nicht allein auf die Erloͤſung und der Suͤnden Vergebung, ſondern auch auf die wirck- liche Reinigung und Befreyung von der Suͤnden Herrſchaft gerichtet ſey. Auf welche Art er denn das Geſetz mit dem Evangelio abermal aufs ge- naueſte verbindet. 2. Und eben dieſes ſehen wir ausdruͤcklich in den Worten, wer in ihm bleibet, als welche auf das Evangelium gehen, und denen: der ſuͤndiget nicht; in welchen die Kraft und Frucht des Evangelii gezeiget wird. 3. Das Bleiben in Chriſto hat den Glau- ben, und die vermoͤge deſſelben ſchon geſchehene Vereinigung und Gemeinſchaft zum Grunde, nach c. 2, 6. und beſtehet in der glaͤubigen Behar- rung, nach welcher man alſo in ihm bleibet, wie der Rebe am Weinſtock, wie der Baum in ſei- nem fruchtbaren Boden, und daher die Kraft ſchoͤpfet ſich von aller vorſetzlichen Suͤnde zu huͤten. 4. Das ſehen wird alhier durch erkennen erlaͤutert. Und eben alſo redet unſer Heyland Joh. 14, 17. wenn er ſpricht: Den Geiſt der Wahrheit kan die Welt nicht empfahen: denn ſie ſiehet ihn nicht, und kennet ihn nicht. Will man aber das erkennen wegen des davor geſetzten Woͤrtleins οὐδὲ vom ſehen unter- ſcherden: ſo kan man ſagen, das ſehen gehe auf die gnaͤdige Gegenwart des HErrn, das erken- nen auf den Genuß deſſelben, welchen man da- von in der Erfahrung habe, wenn man ſich die gnaͤdige Gegenwart ja die Einwohnung des HErrn, glaͤubig vorſtellet. Denn Chriſtum glaͤubig ſehen und erkennen iſt in ihm ſeyn, in ihm bleiben und in ſeiner Gemeinſchaft ſtehen, und ſolcher geſtalt eine lebendige Erkenntniß, die voller Erfahrung iſt, haben. 5. Da nun die wahre Erkenntniß ſolcher Art iſt, ſo iſt es offenbar, daß ſie ſich unmoͤglich bey einem beharrlich gottloſen Menſchen finden koͤnne. Und eben dieſes iſt es, welches Johannes alhier mit ausdruͤcklichen Worten bezeuget, wenn er ſaget: Wer da ſuͤndiget (alſo daß er die Suͤnde uͤber ſich herrſchen laͤſſet) der hat ihn nicht geſehen, noch erkannt. 6. Die Præterita hat geſehen, hat er- kannt nimmt man alhier billig an in præſenti, er ſiehet und er kennet: gleichwie Lutherus oben c. 2, 3. 4. das ἐγνώκαμεν, ἔγνωκα durch wir kennen, ich kenne uͤberſetzet hat. Es iſt doch aber dabey wahr, daß mit der herrſchenden Suͤnde der ſchon vorher gegangene Mangel wahrer Er- kenntniß bezeuget werde. Denn gleichwie bey denjenigen, welche zum Gnaden-Stande gelan- gen, und darinn beveſtiget werden der an ſich nicht unmoͤgliche gaͤntzliche Ruͤckfall nicht ſo leichtlich zu geſchehen pfleget: alſo haben dieje- nigen, welche muthwillig ſuͤndigen und damit auch andern zum Aergerniß werden, gemeiniglich noch nie recht in der Gnade geſtanden, vielweniger ſind ſie darinn recht beveſtiget worden, ſondern es iſt ihr vormaliges Vorgeben vom rechtſchaffnen Weſen nur Heucheley geweſen, oder nicht weiter, als zu einigem Anfange unter guten Bewegungen gekommen, und alles ohne Ernſt geblieben. Jn dieſem Verſtande kan man auch von der vergan- genen Zeit ſagen: Wer da ſuͤndiget, der hat ihn nicht geſehen, noch erkannt. Eben die- ſes hat der Apoſtel c. 2, 19. mit dieſen Worten bezeuget: wo ſie von uns geweſen waͤren, ſo waͤren ſie ja bey uns geblieben. Und bey ſol- chem alſo eingeſchrenckten Sinne dieſer Worte bleibet denn der Satz von dem moͤglichen Ruͤck- fall der wahrhaftig Glaͤubigen veſte ſtehen. Denn wenn dieſes nicht waͤre, warum ſolte denn der Apoſtel die wircklich ſtehenden davor waren, wenn er alſo fortfaͤhret: V. 7. Kindlein, laßt euch niemand verfuͤh- ren. Wer recht thut, der iſt gerecht, gleich- wie er (ἐκεῖνος, der Sohn GOttes v. 3. 5.) ge- recht iſt. Anmerckungen. 1. Die Verfuͤhrung war in der erſten Kirchen mancherley, theils zur falſchen Lehre von der Perſon und dem Mittler-Amte Chriſti, da man ſeine wahre Gottheit und das eigentliche Werck der Erloͤſung leugnete, und die Seelen von Chriſto auf Moſen fuͤhrete nach c. 2, 22. 23. theils zum gottloſen Leben, da man die wahre Lehre von der Erloͤſung Chriſti und der daher entſtehen- den Rechtfertigung vor GOtt auf Muthwillen zog und ſie auch ſelbſt damit verfaͤlſchte. Auf die- ſe letztere Art der Verfuͤhrung ſiehet der Apoſtel alhier, wie auch Paulus hin und wider, ſonder- lich Roͤm. 6, 1. u. f. und Petrus 2 Ep. c. 2. ſon- derlich v. 18. 19. auch Judas v. 4. 2. Weil es moͤglich war, daß auch die ſte- hende durch ſolche Lockſpeiſe, als wenn uns Chri- ſtus auch vom Gehorſam des Geſetzes, da er ſol- chen fuͤr uns geleiſtet habe, befreyet, konten ver- ſuͤhret werden, ſo warnet der Apoſtel davor, wie auch Paulus, Petrus und Judas in den angefuͤhr- ten und mehrern Orten thun. Man hat demnach Urſache wohl auf ſeiner Hut zu ſeyn, um ſowol ein gutes Gewiſſen, als darinnen das Geheimniß des Glaubens, als eine theure Beylage, ſorgfaͤl- tig zu bewahren. Welch ein Ernſt aber es Jo- hanni mit dieſer Warnung muß geweſen ſeyn, das ſiehet man auch daraus, daß er die ſchon oben c. 2, 26. gethane Warnung vor der Verfuͤhrung alhier widerholet: wiewol er dort eigentlich von der Verfuͤhrung der erſten Gattung handelt. 3. Recht thun iſt im Lichte wandeln c. 1, 7. die

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/688>, abgerufen am 23.11.2024.