[Spaltenumbruch]
ist der grösseste Theil dieses Briefes entgegen ge- setzet. Welches wir unter andern daraus erken- nen, daß der Apostel es so viel mit den Sagern, oder denen, welche diß und das ohne allen Grund von sich vorgeben, zu thun hat. Denn eben dieses kömmt, ausser den folgenden Capi- teln, in diesem ersten noch dreymal vor, nemlich hinter einander v. 8. 9. 10. da es heißt: So wir sagen, so wir sagen, so wir sagen.
2. Das Sagen von der Gemeinschaft mit GOtt ist so viel als das Vorgeben vom Christenthum, vom Stande der Gnaden und von der ewigen Seligkeit: als worauf ein Mensch aus Betrug der Sünde bey der herr- schenden Eigen- und Welt-Liebe leichtlich fallen kan. Matth. 7, 22. 23. heißt es das HErr, HErr sagen. Röm. 2, 17. sich aufs Gesetz, oder auf die wahre Religion verlassen und sich GOt- tes rühmen. Off. 3, 17. sprechen: Jch bin reich, und habe gar satt, und darf nichts.
3. Die Finsterniß heißt alhier, wie auch noch sonst an mehrern Orten, das verderbte We- sen der herrschenden Sünde, wie es sich nach dem Verstande in Unwissenheit und in Jrrthü- mern, nach dem Willen und gantzen Leben in der Bosheit und Unordnung hervorthut: gleich- wie der Stand des Lichts in einer guten Einrich- tung des Verstandes, des Willens und des gan- tzen Lebens bestehet. Daher von beyden, dem Lichte und der Finsterniß des Wandelns gedacht wird.
4. Das lügenhafte Wesen, welches mit fälschlichem Vorgeben von der Gemeinschaft mit GOtt begangen wird, hat seinen Grund inner- lich im Selbst-Betruge des Hertzens, nach wel- chem ein solcher Mensch ist phrenapates, ein Selbstbetrüger seines eigenen Gemüths Tit. 1, 10. und es äussert sich durch allerhand Arten der Heucheley in Worten, Geberden und Wer- cken: welche alle dem rechtschaffnen Wesen ent- gegen stehen.
5. Die Wahrheit ist nicht allein geoffen- baret, sie zu wissen, sondern auch zu thun. Und da die Selbst-Betrüger so schwer von ihrem Selbst-Betruge zu überzeugen sind, so schärfet der Apostel das vorhergesetzte lügen wir noch mehr ein durch den Zusatz: und thun nicht die Wahrheit.
6. Da der Satan selbst sich verstellen kan in einen Engel des Lichts; 2 Cor. 11, 14. was ists denn Wunder, daß es auch seine ihm ergebene gottlose und dabey heuchlerische Menschen thun? Und da dieses von vielen schon zur Apostel-Zeit geschehen ist; so soll es uns nicht befremden, wennn es nach viel mehrerm Abfall von der Apo- stolischen Lauterkeit heute zu Tage noch viel häufi- ger geschiehet.
V. 7.
So wir aber im Lichte wandeln, wie er im Lichte ist, (und zu unserer Nachfolge Wercke des Lichts und der Wahrheit thut,) so haben wir (eine lautere) Gemeinschaft un- ter einander (in dem allgemeinen Genuß aller Heyls-Güter) und das Blut JEsu Christi [Spaltenumbruch]
seines Sohnes, machet uns rein (im Gegen- bilde auf das Levitische Opfer-Blut der ge- schlachteten Thiere,) von aller Sünde (also daß sie uns vergeben wird, und nach hinwegge- nommener Herrschaft auch derselben Anklebung immer mehr verringert wird.)
Anmerckungen.
1. Jm Lichte wandeln ist also ein Kind des Lichts, oder ein Licht im Herrn seyn, daß man sein innerlich brennendes Glaubens-Licht auch äusserlich in der Liebe scheinen lasse, wie von Johanne dem Täufer stehet Joh. 5, 35. sein Licht leuchten lassen vor den Leuten, daß sie unsere guten Wercke sehen, und darüber den Vater im Himmel preisen Matth. 5, 16. Siehe auch Joh. 3, 20. 21. Da es von den Kin- dern der Finsterniß und des Lichts mit grossem Unterscheide heißt: Wer arges thut, der has- set das Licht, und kömmt nicht an das Licht, auf daß seine Wercke nicht gestrafet werden. Wer aber die Wahrheit thut, der kömmt an das Licht, daß seine Wercke offenbar werden: denn sie sind in GOtt gethan.
2. GOtt ist also im Lichte, daß er auch das wesentliche Licht selbst ist, und, weil alle seine Wercke seinem Wesen gemäß sind, so ist er gleichsam mit lauter Lichts-Wercken umgeben und befindet sich darinnen, als in seinem rech- ten Eigenthum. Ob wir nun wol es GOtt dar- innen nicht gleich thun können, so haben wir uns doch der Nachfolge zu befleißigen: als in welcher das Ebenbild GOttes immer mehr bey uns angerichtet wird. Darum Paulus Eph. 4, 32. c. 5, 1. spricht: Seyd unter einander freundlich, hertzlich, und vergebet einer dem andern, gleichwie GOtt euch verge- ben hat in Christo. So seyd nun GOttes Nachfolger, als die lieben Kinder!
3. Mit den Worten: so haben wir Ge- meinschaft unter einander, siehet der Apostel zurück auf die Worte des dritten Verses; und haben wir alhier aus jenem Verse die alda be- findliche Worte im Sinne also zu ergäntzen, als stünde dabey: Und unsere Gemeinschaft sey mit dem Vater und mit seinem Sohne, JEsu CHristo. Da uns nun die unter einan- der habende Gemeinschaft auf die Gemeinschaft GOttes führet, so ist es eben so viel, als stünde alhier ausdrücklich: so haben wir Gemein- schaft mit ihm, nemlich mit GOtt. Von der Gemeinschaft der Gläubigen unter einander, so- he man Röm. 12, 4. u. f. 1 Cor. 12, 12. u. f. Ezech. 2, 21. c. 4, 16. u. s. w.
4. Zwischen den bisher erklärten und den folgenden Worten dieses Textes ist zuvorderst die Verbindung, worinnen sie stehen, wohl zu mercken. Der Apostel hatte gezeuget von der Gemeinschaft, welche die Gläubigen unter ein- ander und mit GOTT hätten, und daß sie zum Wandel im Licht verbunden wären: darauf führet er sie nun auf die rechte Evangelische Quel- le, woher solche Gnade und solche Kraft ge- flossen sey. Und weil die Gläubigen bey ih- rem Wandel im Lichte noch viel Finsterniß und
Unrei-
N n n n 2
Cap. 1. v. 6. 7. des erſten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch]
iſt der groͤſſeſte Theil dieſes Briefes entgegen ge- ſetzet. Welches wir unter andern daraus erken- nen, daß der Apoſtel es ſo viel mit den Sagern, oder denen, welche diß und das ohne allen Grund von ſich vorgeben, zu thun hat. Denn eben dieſes koͤmmt, auſſer den folgenden Capi- teln, in dieſem erſten noch dreymal vor, nemlich hinter einander v. 8. 9. 10. da es heißt: So wir ſagen, ſo wir ſagen, ſo wir ſagen.
2. Das Sagen von der Gemeinſchaft mit GOtt iſt ſo viel als das Vorgeben vom Chriſtenthum, vom Stande der Gnaden und von der ewigen Seligkeit: als worauf ein Menſch aus Betrug der Suͤnde bey der herr- ſchenden Eigen- und Welt-Liebe leichtlich fallen kan. Matth. 7, 22. 23. heißt es das HErr, HErr ſagen. Roͤm. 2, 17. ſich aufs Geſetz, oder auf die wahre Religion verlaſſen und ſich GOt- tes ruͤhmen. Off. 3, 17. ſprechen: Jch bin reich, und habe gar ſatt, und darf nichts.
3. Die Finſterniß heißt alhier, wie auch noch ſonſt an mehrern Orten, das verderbte We- ſen der herrſchenden Suͤnde, wie es ſich nach dem Verſtande in Unwiſſenheit und in Jrrthuͤ- mern, nach dem Willen und gantzen Leben in der Bosheit und Unordnung hervorthut: gleich- wie der Stand des Lichts in einer guten Einrich- tung des Verſtandes, des Willens und des gan- tzen Lebens beſtehet. Daher von beyden, dem Lichte und der Finſterniß des Wandelns gedacht wird.
4. Das luͤgenhafte Weſen, welches mit faͤlſchlichem Vorgeben von der Gemeinſchaft mit GOtt begangen wird, hat ſeinen Grund inner- lich im Selbſt-Betruge des Hertzens, nach wel- chem ein ſolcher Menſch iſt φρεναπάτης, ein Selbſtbetruͤger ſeines eigenen Gemuͤths Tit. 1, 10. und es aͤuſſert ſich durch allerhand Arten der Heucheley in Worten, Geberden und Wer- cken: welche alle dem rechtſchaffnen Weſen ent- gegen ſtehen.
5. Die Wahrheit iſt nicht allein geoffen- baret, ſie zu wiſſen, ſondern auch zu thun. Und da die Selbſt-Betruͤger ſo ſchwer von ihrem Selbſt-Betruge zu uͤberzeugen ſind, ſo ſchaͤrfet der Apoſtel das vorhergeſetzte luͤgen wir noch mehr ein durch den Zuſatz: und thun nicht die Wahrheit.
6. Da der Satan ſelbſt ſich verſtellen kan in einen Engel des Lichts; 2 Cor. 11, 14. was iſts denn Wunder, daß es auch ſeine ihm ergebene gottloſe und dabey heuchleriſche Menſchen thun? Und da dieſes von vielen ſchon zur Apoſtel-Zeit geſchehen iſt; ſo ſoll es uns nicht befremden, wennn es nach viel mehrerm Abfall von der Apo- ſtoliſchen Lauterkeit heute zu Tage noch viel haͤufi- ger geſchiehet.
V. 7.
So wir aber im Lichte wandeln, wie er im Lichte iſt, (und zu unſerer Nachfolge Wercke des Lichts und der Wahrheit thut,) ſo haben wir (eine lautere) Gemeinſchaft un- ter einander (in dem allgemeinen Genuß aller Heyls-Guͤter) und das Blut JEſu Chriſti [Spaltenumbruch]
ſeines Sohnes, machet uns rein (im Gegen- bilde auf das Levitiſche Opfer-Blut der ge- ſchlachteten Thiere,) von aller Suͤnde (alſo daß ſie uns vergeben wird, und nach hinwegge- nommener Herrſchaft auch derſelben Anklebung immer mehr verringert wird.)
Anmerckungen.
1. Jm Lichte wandeln iſt alſo ein Kind des Lichts, oder ein Licht im Herrn ſeyn, daß man ſein innerlich brennendes Glaubens-Licht auch aͤuſſerlich in der Liebe ſcheinen laſſe, wie von Johanne dem Taͤufer ſtehet Joh. 5, 35. ſein Licht leuchten laſſen vor den Leuten, daß ſie unſere guten Wercke ſehen, und daruͤber den Vater im Himmel preiſen Matth. 5, 16. Siehe auch Joh. 3, 20. 21. Da es von den Kin- dern der Finſterniß und des Lichts mit groſſem Unterſcheide heißt: Wer arges thut, der haſ- ſet das Licht, und koͤmmt nicht an das Licht, auf daß ſeine Wercke nicht geſtrafet weꝛden. Wer aber die Wahrheit thut, der koͤmmt an das Licht, daß ſeine Wercke offenbar werden: denn ſie ſind in GOtt gethan.
2. GOtt iſt alſo im Lichte, daß er auch das weſentliche Licht ſelbſt iſt, und, weil alle ſeine Wercke ſeinem Weſen gemaͤß ſind, ſo iſt er gleichſam mit lauter Lichts-Wercken umgeben und befindet ſich darinnen, als in ſeinem rech- ten Eigenthum. Ob wir nun wol es GOtt dar- innen nicht gleich thun koͤnnen, ſo haben wir uns doch der Nachfolge zu befleißigen: als in welcher das Ebenbild GOttes immer mehr bey uns angerichtet wird. Darum Paulus Eph. 4, 32. c. 5, 1. ſpricht: Seyd unter einander freundlich, hertzlich, und vergebet einer dem andern, gleichwie GOtt euch verge- ben hat in Chriſto. So ſeyd nun GOttes Nachfolger, als die lieben Kinder!
3. Mit den Worten: ſo haben wir Ge- meinſchaft unter einander, ſiehet der Apoſtel zuruͤck auf die Worte des dritten Verſes; und haben wir alhier aus jenem Verſe die alda be- findliche Worte im Sinne alſo zu ergaͤntzen, als ſtuͤnde dabey: Und unſere Gemeinſchaft ſey mit dem Vater und mit ſeinem Sohne, JEſu CHriſto. Da uns nun die unter einan- der habende Gemeinſchaft auf die Gemeinſchaft GOttes fuͤhret, ſo iſt es eben ſo viel, als ſtuͤnde alhier ausdruͤcklich: ſo haben wir Gemein- ſchaft mit ihm, nemlich mit GOtt. Von der Gemeinſchaft der Glaͤubigen unter einander, ſo- he man Roͤm. 12, 4. u. f. 1 Cor. 12, 12. u. f. Ezech. 2, 21. c. 4, 16. u. ſ. w.
4. Zwiſchen den bisher erklaͤrten und den folgenden Worten dieſes Textes iſt zuvorderſt die Verbindung, worinnen ſie ſtehen, wohl zu mercken. Der Apoſtel hatte gezeuget von der Gemeinſchaft, welche die Glaͤubigen unter ein- ander und mit GOTT haͤtten, und daß ſie zum Wandel im Licht verbunden waͤren: darauf fuͤhret er ſie nun auf die rechte Evangeliſche Quel- le, woher ſolche Gnade und ſolche Kraft ge- floſſen ſey. Und weil die Glaͤubigen bey ih- rem Wandel im Lichte noch viel Finſterniß und
Unrei-
N n n n 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0653"n="651"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Cap. 1. v. 6. 7. des erſten Briefes Johannis.</hi></fw><lb/><cb/>
iſt der groͤſſeſte Theil dieſes Briefes entgegen ge-<lb/>ſetzet. Welches wir unter andern daraus erken-<lb/>
nen, daß der Apoſtel es ſo viel mit den <hirendition="#fr">Sagern,</hi><lb/>
oder denen, welche diß und das ohne allen<lb/>
Grund von ſich vorgeben, zu thun hat. Denn<lb/>
eben dieſes koͤmmt, auſſer den folgenden Capi-<lb/>
teln, in dieſem erſten noch dreymal vor, nemlich<lb/>
hinter einander v. 8. 9. 10. da es heißt: <hirendition="#fr">So wir<lb/>ſagen, ſo wir ſagen, ſo wir ſagen.</hi></p><lb/><p>2. Das <hirendition="#fr">Sagen von der Gemeinſchaft<lb/>
mit GOtt</hi> iſt ſo viel als das Vorgeben vom<lb/>
Chriſtenthum, vom Stande der Gnaden und<lb/>
von der ewigen Seligkeit: als worauf ein<lb/>
Menſch aus Betrug der Suͤnde bey der herr-<lb/>ſchenden Eigen- und Welt-Liebe leichtlich fallen<lb/>
kan. Matth. 7, 22. 23. heißt es <hirendition="#fr">das HErr,<lb/>
HErr ſagen.</hi> Roͤm. 2, 17. ſich aufs Geſetz, oder<lb/>
auf die wahre Religion verlaſſen und ſich <hirendition="#fr">GOt-<lb/>
tes ruͤhmen.</hi> Off. 3, 17. ſprechen: <hirendition="#fr">Jch bin<lb/>
reich, und habe gar ſatt, und darf nichts.</hi></p><lb/><p>3. Die <hirendition="#fr">Finſterniß</hi> heißt alhier, wie auch<lb/>
noch ſonſt an mehrern Orten, das verderbte We-<lb/>ſen der herrſchenden Suͤnde, wie es ſich nach<lb/>
dem Verſtande in Unwiſſenheit und in Jrrthuͤ-<lb/>
mern, nach dem Willen und gantzen Leben in<lb/>
der Bosheit und Unordnung hervorthut: gleich-<lb/>
wie der Stand des Lichts in einer guten Einrich-<lb/>
tung des Verſtandes, des Willens und des gan-<lb/>
tzen Lebens beſtehet. Daher von beyden, dem<lb/>
Lichte und der Finſterniß des Wandelns gedacht<lb/>
wird.</p><lb/><p>4. Das <hirendition="#fr">luͤgenhafte Weſen,</hi> welches mit<lb/>
faͤlſchlichem Vorgeben von der Gemeinſchaft mit<lb/>
GOtt begangen wird, hat ſeinen Grund inner-<lb/>
lich im Selbſt-Betruge des Hertzens, nach wel-<lb/>
chem ein ſolcher Menſch iſt φρεναπάτης, ein<lb/><hirendition="#fr">Selbſtbetruͤger</hi>ſeines eigenen Gemuͤths Tit.<lb/>
1, 10. und es aͤuſſert ſich durch allerhand Arten<lb/>
der Heucheley in Worten, Geberden und Wer-<lb/>
cken: welche alle dem rechtſchaffnen Weſen ent-<lb/>
gegen ſtehen.</p><lb/><p>5. Die Wahrheit iſt nicht allein geoffen-<lb/>
baret, ſie zu wiſſen, ſondern auch zu thun. Und<lb/>
da die Selbſt-Betruͤger ſo ſchwer von ihrem<lb/>
Selbſt-Betruge zu uͤberzeugen ſind, ſo ſchaͤrfet<lb/>
der Apoſtel das vorhergeſetzte <hirendition="#fr">luͤgen wir</hi> noch<lb/>
mehr ein durch den Zuſatz: <hirendition="#fr">und thun nicht die<lb/>
Wahrheit.</hi></p><lb/><p>6. Da der Satan ſelbſt ſich verſtellen kan<lb/>
in einen Engel des Lichts; 2 Cor. 11, 14. was iſts<lb/>
denn Wunder, daß es auch ſeine ihm ergebene<lb/>
gottloſe und dabey heuchleriſche Menſchen thun?<lb/>
Und da dieſes von vielen ſchon zur Apoſtel-Zeit<lb/>
geſchehen iſt; ſo ſoll es uns nicht befremden,<lb/>
wennn es nach viel mehrerm Abfall von der Apo-<lb/>ſtoliſchen Lauterkeit heute zu Tage noch viel haͤufi-<lb/>
ger geſchiehet.</p></div></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">V. 7.</hi></head><lb/><p><hirendition="#fr">So wir aber im Lichte wandeln, wie<lb/>
er im Lichte iſt,</hi> (und zu unſerer Nachfolge<lb/>
Wercke des Lichts und der Wahrheit thut,) <hirendition="#fr">ſo<lb/>
haben wir</hi> (eine lautere) <hirendition="#fr">Gemeinſchaft un-<lb/>
ter einander</hi> (in dem allgemeinen Genuß aller<lb/>
Heyls-Guͤter) <hirendition="#fr">und das Blut JEſu Chriſti<lb/><cb/>ſeines Sohnes, machet uns rein</hi> (im Gegen-<lb/>
bilde auf das Levitiſche Opfer-Blut der ge-<lb/>ſchlachteten Thiere,) <hirendition="#fr">von aller Suͤnde</hi> (alſo<lb/>
daß ſie uns vergeben wird, und nach hinwegge-<lb/>
nommener Herrſchaft auch derſelben Anklebung<lb/>
immer mehr verringert wird.)</p><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">Anmerckungen.</hi></head><lb/><p>1. <hirendition="#fr">Jm Lichte wandeln</hi> iſt alſo ein Kind<lb/>
des Lichts, oder ein Licht im Herrn ſeyn, daß<lb/>
man ſein innerlich <hirendition="#fr">brennendes</hi> Glaubens-Licht<lb/>
auch aͤuſſerlich in der Liebe <hirendition="#fr">ſcheinen</hi> laſſe, wie<lb/>
von Johanne dem Taͤufer ſtehet Joh. 5, 35. <hirendition="#fr">ſein<lb/>
Licht leuchten laſſen vor den Leuten, daß<lb/>ſie unſere guten Wercke ſehen, und daruͤber<lb/>
den Vater im Himmel preiſen</hi> Matth. 5, 16.<lb/>
Siehe auch Joh. 3, 20. 21. Da es von den Kin-<lb/>
dern der Finſterniß und des Lichts mit groſſem<lb/>
Unterſcheide heißt: <hirendition="#fr">Wer arges thut, der haſ-<lb/>ſet das Licht, und koͤmmt nicht an das Licht,<lb/>
auf daß ſeine Wercke nicht geſtrafet weꝛden.<lb/>
Wer aber die Wahrheit thut, der koͤmmt<lb/>
an das Licht, daß ſeine Wercke offenbar<lb/>
werden: denn ſie ſind in GOtt gethan.</hi></p><lb/><p>2. GOtt iſt alſo im Lichte, daß er auch das<lb/>
weſentliche Licht ſelbſt iſt, und, weil alle ſeine<lb/>
Wercke ſeinem Weſen gemaͤß ſind, ſo iſt er<lb/>
gleichſam mit lauter Lichts-Wercken umgeben<lb/>
und befindet ſich darinnen, als in ſeinem rech-<lb/>
ten Eigenthum. Ob wir nun wol es GOtt dar-<lb/>
innen nicht gleich thun koͤnnen, ſo haben wir<lb/>
uns doch der Nachfolge zu befleißigen: als in<lb/>
welcher das Ebenbild GOttes immer mehr bey<lb/>
uns angerichtet wird. Darum Paulus Eph. 4,<lb/>
32. c. 5, 1. ſpricht: <hirendition="#fr">Seyd unter einander<lb/>
freundlich, hertzlich, und vergebet einer<lb/>
dem andern, gleichwie GOtt euch verge-<lb/>
ben hat in Chriſto. So ſeyd nun GOttes<lb/>
Nachfolger, als die lieben Kinder!</hi></p><lb/><p>3. Mit den Worten: <hirendition="#fr">ſo haben wir Ge-<lb/>
meinſchaft unter einander,</hi>ſiehet der Apoſtel<lb/>
zuruͤck auf die Worte des dritten Verſes; und<lb/>
haben wir alhier aus jenem Verſe die alda be-<lb/>
findliche Worte im Sinne alſo zu ergaͤntzen, als<lb/>ſtuͤnde dabey: <hirendition="#fr">Und unſere Gemeinſchaft ſey<lb/>
mit dem Vater und mit ſeinem Sohne,<lb/>
JEſu CHriſto.</hi> Da uns nun die unter einan-<lb/>
der habende Gemeinſchaft auf die Gemeinſchaft<lb/>
GOttes fuͤhret, ſo iſt es eben ſo viel, als ſtuͤnde<lb/>
alhier ausdruͤcklich: <hirendition="#fr">ſo haben wir Gemein-<lb/>ſchaft mit ihm,</hi> nemlich mit GOtt. Von der<lb/>
Gemeinſchaft der Glaͤubigen unter einander, ſo-<lb/>
he man Roͤm. 12, 4. u. f. 1 Cor. 12, 12. u. f.<lb/>
Ezech. 2, 21. c. 4, 16. u. ſ. w.</p><lb/><p>4. Zwiſchen den bisher erklaͤrten und den<lb/>
folgenden Worten dieſes Textes iſt zuvorderſt<lb/>
die Verbindung, worinnen ſie ſtehen, wohl zu<lb/>
mercken. Der Apoſtel hatte gezeuget von der<lb/>
Gemeinſchaft, welche die Glaͤubigen unter ein-<lb/>
ander und mit GOTT haͤtten, und daß ſie zum<lb/>
Wandel im Licht verbunden waͤren: darauf<lb/>
fuͤhret er ſie nun auf die rechte Evangeliſche Quel-<lb/>
le, woher ſolche Gnade und ſolche Kraft ge-<lb/>
floſſen ſey. Und weil die Glaͤubigen bey ih-<lb/>
rem Wandel im Lichte noch viel Finſterniß und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">N n n n 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Unrei-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[651/0653]
Cap. 1. v. 6. 7. des erſten Briefes Johannis.
iſt der groͤſſeſte Theil dieſes Briefes entgegen ge-
ſetzet. Welches wir unter andern daraus erken-
nen, daß der Apoſtel es ſo viel mit den Sagern,
oder denen, welche diß und das ohne allen
Grund von ſich vorgeben, zu thun hat. Denn
eben dieſes koͤmmt, auſſer den folgenden Capi-
teln, in dieſem erſten noch dreymal vor, nemlich
hinter einander v. 8. 9. 10. da es heißt: So wir
ſagen, ſo wir ſagen, ſo wir ſagen.
2. Das Sagen von der Gemeinſchaft
mit GOtt iſt ſo viel als das Vorgeben vom
Chriſtenthum, vom Stande der Gnaden und
von der ewigen Seligkeit: als worauf ein
Menſch aus Betrug der Suͤnde bey der herr-
ſchenden Eigen- und Welt-Liebe leichtlich fallen
kan. Matth. 7, 22. 23. heißt es das HErr,
HErr ſagen. Roͤm. 2, 17. ſich aufs Geſetz, oder
auf die wahre Religion verlaſſen und ſich GOt-
tes ruͤhmen. Off. 3, 17. ſprechen: Jch bin
reich, und habe gar ſatt, und darf nichts.
3. Die Finſterniß heißt alhier, wie auch
noch ſonſt an mehrern Orten, das verderbte We-
ſen der herrſchenden Suͤnde, wie es ſich nach
dem Verſtande in Unwiſſenheit und in Jrrthuͤ-
mern, nach dem Willen und gantzen Leben in
der Bosheit und Unordnung hervorthut: gleich-
wie der Stand des Lichts in einer guten Einrich-
tung des Verſtandes, des Willens und des gan-
tzen Lebens beſtehet. Daher von beyden, dem
Lichte und der Finſterniß des Wandelns gedacht
wird.
4. Das luͤgenhafte Weſen, welches mit
faͤlſchlichem Vorgeben von der Gemeinſchaft mit
GOtt begangen wird, hat ſeinen Grund inner-
lich im Selbſt-Betruge des Hertzens, nach wel-
chem ein ſolcher Menſch iſt φρεναπάτης, ein
Selbſtbetruͤger ſeines eigenen Gemuͤths Tit.
1, 10. und es aͤuſſert ſich durch allerhand Arten
der Heucheley in Worten, Geberden und Wer-
cken: welche alle dem rechtſchaffnen Weſen ent-
gegen ſtehen.
5. Die Wahrheit iſt nicht allein geoffen-
baret, ſie zu wiſſen, ſondern auch zu thun. Und
da die Selbſt-Betruͤger ſo ſchwer von ihrem
Selbſt-Betruge zu uͤberzeugen ſind, ſo ſchaͤrfet
der Apoſtel das vorhergeſetzte luͤgen wir noch
mehr ein durch den Zuſatz: und thun nicht die
Wahrheit.
6. Da der Satan ſelbſt ſich verſtellen kan
in einen Engel des Lichts; 2 Cor. 11, 14. was iſts
denn Wunder, daß es auch ſeine ihm ergebene
gottloſe und dabey heuchleriſche Menſchen thun?
Und da dieſes von vielen ſchon zur Apoſtel-Zeit
geſchehen iſt; ſo ſoll es uns nicht befremden,
wennn es nach viel mehrerm Abfall von der Apo-
ſtoliſchen Lauterkeit heute zu Tage noch viel haͤufi-
ger geſchiehet.
V. 7.
So wir aber im Lichte wandeln, wie
er im Lichte iſt, (und zu unſerer Nachfolge
Wercke des Lichts und der Wahrheit thut,) ſo
haben wir (eine lautere) Gemeinſchaft un-
ter einander (in dem allgemeinen Genuß aller
Heyls-Guͤter) und das Blut JEſu Chriſti
ſeines Sohnes, machet uns rein (im Gegen-
bilde auf das Levitiſche Opfer-Blut der ge-
ſchlachteten Thiere,) von aller Suͤnde (alſo
daß ſie uns vergeben wird, und nach hinwegge-
nommener Herrſchaft auch derſelben Anklebung
immer mehr verringert wird.)
Anmerckungen.
1. Jm Lichte wandeln iſt alſo ein Kind
des Lichts, oder ein Licht im Herrn ſeyn, daß
man ſein innerlich brennendes Glaubens-Licht
auch aͤuſſerlich in der Liebe ſcheinen laſſe, wie
von Johanne dem Taͤufer ſtehet Joh. 5, 35. ſein
Licht leuchten laſſen vor den Leuten, daß
ſie unſere guten Wercke ſehen, und daruͤber
den Vater im Himmel preiſen Matth. 5, 16.
Siehe auch Joh. 3, 20. 21. Da es von den Kin-
dern der Finſterniß und des Lichts mit groſſem
Unterſcheide heißt: Wer arges thut, der haſ-
ſet das Licht, und koͤmmt nicht an das Licht,
auf daß ſeine Wercke nicht geſtrafet weꝛden.
Wer aber die Wahrheit thut, der koͤmmt
an das Licht, daß ſeine Wercke offenbar
werden: denn ſie ſind in GOtt gethan.
2. GOtt iſt alſo im Lichte, daß er auch das
weſentliche Licht ſelbſt iſt, und, weil alle ſeine
Wercke ſeinem Weſen gemaͤß ſind, ſo iſt er
gleichſam mit lauter Lichts-Wercken umgeben
und befindet ſich darinnen, als in ſeinem rech-
ten Eigenthum. Ob wir nun wol es GOtt dar-
innen nicht gleich thun koͤnnen, ſo haben wir
uns doch der Nachfolge zu befleißigen: als in
welcher das Ebenbild GOttes immer mehr bey
uns angerichtet wird. Darum Paulus Eph. 4,
32. c. 5, 1. ſpricht: Seyd unter einander
freundlich, hertzlich, und vergebet einer
dem andern, gleichwie GOtt euch verge-
ben hat in Chriſto. So ſeyd nun GOttes
Nachfolger, als die lieben Kinder!
3. Mit den Worten: ſo haben wir Ge-
meinſchaft unter einander, ſiehet der Apoſtel
zuruͤck auf die Worte des dritten Verſes; und
haben wir alhier aus jenem Verſe die alda be-
findliche Worte im Sinne alſo zu ergaͤntzen, als
ſtuͤnde dabey: Und unſere Gemeinſchaft ſey
mit dem Vater und mit ſeinem Sohne,
JEſu CHriſto. Da uns nun die unter einan-
der habende Gemeinſchaft auf die Gemeinſchaft
GOttes fuͤhret, ſo iſt es eben ſo viel, als ſtuͤnde
alhier ausdruͤcklich: ſo haben wir Gemein-
ſchaft mit ihm, nemlich mit GOtt. Von der
Gemeinſchaft der Glaͤubigen unter einander, ſo-
he man Roͤm. 12, 4. u. f. 1 Cor. 12, 12. u. f.
Ezech. 2, 21. c. 4, 16. u. ſ. w.
4. Zwiſchen den bisher erklaͤrten und den
folgenden Worten dieſes Textes iſt zuvorderſt
die Verbindung, worinnen ſie ſtehen, wohl zu
mercken. Der Apoſtel hatte gezeuget von der
Gemeinſchaft, welche die Glaͤubigen unter ein-
ander und mit GOTT haͤtten, und daß ſie zum
Wandel im Licht verbunden waͤren: darauf
fuͤhret er ſie nun auf die rechte Evangeliſche Quel-
le, woher ſolche Gnade und ſolche Kraft ge-
floſſen ſey. Und weil die Glaͤubigen bey ih-
rem Wandel im Lichte noch viel Finſterniß und
Unrei-
N n n n 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/653>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.