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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 1. v. 5-9. des andern Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] C. 4, 21. spricht: Diß Gebot haben wir von
ihm, daß, wer GOtt liebet, der auch sei-
nen Bruder liebe.
Und c. 5, 1. Wer da liebet
den, der ihn geboren hat, der liebet auch
den, der von ihm geboren ist.
Was aber
alles zur Bruder-Liebe gehöre, das läßt sich al-
hier so kurtz nicht fassen. Man sehe davon un-
ter andern Eph. 4, 32. c. 1. 2. 1 Pet. 3, 8. Wie
sie gereiniget werden müsse, zeiget Petrus an
Ep. 1. c. 1, 22.

14. Es bleibet doch aber ein Kind GOttes
in solcher menschlichen Gesellschaft stehen, daran
es noch immer viele unbekehrte Leute um sich hat
und behält. Dannenhero bey der Bruder-Lie-
be auch agape, die Gemeine Liebe erfordert wird;
wie der sel. Lutherus alhie solches Wort gar
recht übersetzet hat. Der höchste Grad davon
ist, wenn sie auch gegen die ärgsten Feinde thätig
ausgeübet wird, nach der Ermahnung Christi.
Matth. 5, 44. Jhre Eigenschaften sehe man mit
mehrern 1 Cor. 13. alwo von der Liebe überhaupt
gehandelt wird. Und da der Apostel von dem
alhier redet, was aus der Evangelischen Gna-
den-Qvelle fliesset, und im Glauben dargerei-
chet wird, so ist leichtlich zu erachten, wie sehr
die recht Christliche Liebe von der bloß natürli-
chen unterschieden sey: welches von wenigen,
und nur von denen, welche aus GOtt geboren
sind, recht erkannt wird. Von dieser also Ket-
ten-weise verknüpften Tugend-Ubung fähret
nun der Apostel also fort:

V. 8.

Wo solches reichlich bey euch ist, wirds
euch nicht faul, noch unfruchtbar seyn
lassen in der Erkenntniß
(Gr. zur Erkennt-
niß) unsers HErrn JEsu Christi, (in dem
Glauben an ihn.)

Anmerckungen.

1. Die zuvor gedachte Tugend-Kette soll
nicht allein gantz, sondern dabey auch dergestalt
beschaffen seyn, daß ein iedes Glied in seiner
rechten Fülle dastehe, und zu seinem rechten
Masse komme. Darum sollen sie nicht nur
seyn uparkhonta, die wircklich da sind, sondern auch
pleonazonta, sie sollen reichlich vorhanden seyn.
Womit der Apostel auf denjenigen Stand der
Gläubigen gehet, welcher den nepiois, den jun-
gen Kindern, entgegen stehet; welchen Paulus
Eph. 4, 13. und Hebr. 5, 12. u. f. beschreibet. Diß
ist ein gehöriger, und nöthiger, auch seliger ple-
onasmus.
Wie man dazu gelange, zeiget
unser Heyland an Matth. 13, 12. mit den Wor-
ten: Wer da hat (nemlich also, daß er es
wohl anleget) dem wird gegeben, daß er
die Fülle habe.
Und Joh. 15, 2. Einen iegli-
chen Reben, der da Frucht bringet, wird
der himmlische Vater reinigen, daß er
mehr Frucht bringe.

2. Was der Apostel mit den ersten Wor-
ten des Verses gesaget hat, das erläutert er mit
den letztern: als damit er anzeiget, daß, wo die
Christen-Pflichten in einer recht harmonischen
Ubung stünden, da würden die Christen weder
[Spaltenumbruch] faul seyn, oder in einer Trägheit sich finden las-
sen, noch sich unfruchtbar erweisen, sondern
recht fruchtbare Bäume seyn; die da an den
Wasserbächen des Evangelii in Christo gepflan-
tzet sind, nach Ps. 1, 3.

3. Es soll sich aber die Fruchtbringung
sonderlich hervorthun in oder zu der Erkennt-
niß Christi.
Man bleibet alhier billig bey der
eigentlichen Bedeutung der praeposition eis, zu.
Denn es wird damit angezeiget, wozu die in der
Erneuerung erwiesene mehrere Treue gereiche;
nemlich zu einem mehrern Wachsthum in der
Erkenntniß, welcher auch allerdinge daher ent-
stehet. Denn ie mehr ein Mensch in der Heili-
gung wächset, ie mehr fallen die Hinderungen
der wahren Erleuchtung hinweg, und iemehr
kömmt der Verstand bey ihm in göttlichen Din-
gen zur Aufklärung. Und diß ists, was Pau-
lus unter andern Röm. 12, 2. bezeuget, da er aus
der Erneuerung des Gemüths die mehrere Prü-
fung des Willens GOttes herleitet. Man sehe
auch Phil. 1, 9. 10. 11.

4. Da Petrus dieses alles von den Chri-
sten insgemein saget, sie auch grossen theils also
beschaffen gewesen sind, daß sie solches alles
reichlich an sich erwiesen haben; so ist leichtlich
zu erachten, wie uns allen insgemein, und son-
derlich den Lehrern, dieses zur Prüfung diene.

V 9.

Welcher aber solches nicht hat, (oder
darinnen nicht beharret, sondern vielmehr auf
das Gegentheil verfallen ist,) der ist blind,
(der hat mit dem geistlichen Leben auch das geist-
liche Licht verloren,) und tappet mit der
Hand,
(muopazon, er siehet nur auf das Gegen-
wärtige und irdische, was er vor den Füssen hat,)
und vergisset der Reinigung seiner vori-
gen Sünden,
(sowol der Reinigung, welche er
in der Bekehrung, als der, welche er in der da-
bey verknüpften Rechtfertigung empfangen hat-
te: beyder vergisset er dergestalt, daß er, was
er hatte, wieder verlieret.)

Anmerckungen.

1. Das nicht haben, ist alhier soviel,
als nicht recht, oder nicht also haben, daß man,
was man hat, getreulich anlege. Denn der
Context handelt von solchen Leuten, welche die
Reinigung empfangen hatten. Man sehe der-
gleichen Redens-Art Matth. 13, 12. Und ein
solches nicht haben ist in der That noch ärger,
als etwas schlechterdinge nicht haben; sintemal
es viel mehr oder viel schwerere Verantwortung
bringet.

2. Gleichwie der Apostel vorher den Ernst
der Erneuerung mit dem Wachsthum in der
Erkenntniß verknüpfet hat: also verbindet er al-
hier das Gegentheil mit einander, nemlich bey
Ermangelung der wahren Tugend auch des
wahren Lichts beraubet seyn: wenn er saget:
Wer aber solches (was zu dem zuvor ange-
zeigeten Tugend-Wandel gehöret,) nicht hat,
der ist blind.
Die Haupt-Kräfte der Seele,
der Verstand und Wille, stehen in einer solchen

Ge-
F f f f

Cap. 1. v. 5-9. des andern Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] C. 4, 21. ſpricht: Diß Gebot haben wir von
ihm, daß, wer GOtt liebet, der auch ſei-
nen Bruder liebe.
Und c. 5, 1. Wer da liebet
den, der ihn geboren hat, der liebet auch
den, der von ihm geboren iſt.
Was aber
alles zur Bruder-Liebe gehoͤre, das laͤßt ſich al-
hier ſo kurtz nicht faſſen. Man ſehe davon un-
ter andern Eph. 4, 32. c. 1. 2. 1 Pet. 3, 8. Wie
ſie gereiniget werden muͤſſe, zeiget Petrus an
Ep. 1. c. 1, 22.

14. Es bleibet doch aber ein Kind GOttes
in ſolcher menſchlichen Geſellſchaft ſtehen, daran
es noch immer viele unbekehrte Leute um ſich hat
und behaͤlt. Dannenhero bey der Bruder-Lie-
be auch ἀγάπη, die Gemeine Liebe erfordert wird;
wie der ſel. Lutherus alhie ſolches Wort gar
recht uͤberſetzet hat. Der hoͤchſte Grad davon
iſt, wenn ſie auch gegen die aͤrgſten Feinde thaͤtig
ausgeuͤbet wird, nach der Ermahnung Chriſti.
Matth. 5, 44. Jhre Eigenſchaften ſehe man mit
mehrern 1 Cor. 13. alwo von der Liebe uͤberhaupt
gehandelt wird. Und da der Apoſtel von dem
alhier redet, was aus der Evangeliſchen Gna-
den-Qvelle flieſſet, und im Glauben dargerei-
chet wird, ſo iſt leichtlich zu erachten, wie ſehr
die recht Chriſtliche Liebe von der bloß natuͤrli-
chen unterſchieden ſey: welches von wenigen,
und nur von denen, welche aus GOtt geboren
ſind, recht erkannt wird. Von dieſer alſo Ket-
ten-weiſe verknuͤpften Tugend-Ubung faͤhret
nun der Apoſtel alſo fort:

V. 8.

Wo ſolches reichlich bey euch iſt, wirds
euch nicht faul, noch unfruchtbar ſeyn
laſſen in der Erkenntniß
(Gr. zur Erkennt-
niß) unſers HErrn JEſu Chriſti, (in dem
Glauben an ihn.)

Anmerckungen.

1. Die zuvor gedachte Tugend-Kette ſoll
nicht allein gantz, ſondern dabey auch dergeſtalt
beſchaffen ſeyn, daß ein iedes Glied in ſeiner
rechten Fuͤlle daſtehe, und zu ſeinem rechten
Maſſe komme. Darum ſollen ſie nicht nur
ſeyn ὑπάρχοντα, die wircklich da ſind, ſondern auch
πλεονάζοντα, ſie ſollen reichlich vorhanden ſeyn.
Womit der Apoſtel auf denjenigen Stand der
Glaͤubigen gehet, welcher den νηπίοις, den jun-
gen Kindern, entgegen ſtehet; welchen Paulus
Eph. 4, 13. und Hebr. 5, 12. u. f. beſchreibet. Diß
iſt ein gehoͤriger, und noͤthiger, auch ſeliger ple-
onaſmus.
Wie man dazu gelange, zeiget
unſer Heyland an Matth. 13, 12. mit den Wor-
ten: Wer da hat (nemlich alſo, daß er es
wohl anleget) dem wird gegeben, daß er
die Fuͤlle habe.
Und Joh. 15, 2. Einen iegli-
chen Reben, der da Frucht bringet, wird
der himmliſche Vater reinigen, daß er
mehr Frucht bringe.

2. Was der Apoſtel mit den erſten Wor-
ten des Verſes geſaget hat, das erlaͤutert er mit
den letztern: als damit er anzeiget, daß, wo die
Chriſten-Pflichten in einer recht harmoniſchen
Ubung ſtuͤnden, da wuͤrden die Chriſten weder
[Spaltenumbruch] faul ſeyn, oder in einer Traͤgheit ſich finden laſ-
ſen, noch ſich unfruchtbar erweiſen, ſondern
recht fruchtbare Baͤume ſeyn; die da an den
Waſſerbaͤchen des Evangelii in Chriſto gepflan-
tzet ſind, nach Pſ. 1, 3.

3. Es ſoll ſich aber die Fruchtbringung
ſonderlich hervorthun in oder zu der Erkennt-
niß Chriſti.
Man bleibet alhier billig bey der
eigentlichen Bedeutung der præpoſition ἐις, zu.
Denn es wird damit angezeiget, wozu die in der
Erneuerung erwieſene mehrere Treue gereiche;
nemlich zu einem mehrern Wachsthum in der
Erkenntniß, welcher auch allerdinge daher ent-
ſtehet. Denn ie mehr ein Menſch in der Heili-
gung waͤchſet, ie mehr fallen die Hinderungen
der wahren Erleuchtung hinweg, und iemehr
koͤmmt der Verſtand bey ihm in goͤttlichen Din-
gen zur Aufklaͤrung. Und diß iſts, was Pau-
lus unter andern Roͤm. 12, 2. bezeuget, da er aus
der Erneuerung des Gemuͤths die mehrere Pruͤ-
fung des Willens GOttes herleitet. Man ſehe
auch Phil. 1, 9. 10. 11.

4. Da Petrus dieſes alles von den Chri-
ſten insgemein ſaget, ſie auch groſſen theils alſo
beſchaffen geweſen ſind, daß ſie ſolches alles
reichlich an ſich erwieſen haben; ſo iſt leichtlich
zu erachten, wie uns allen insgemein, und ſon-
derlich den Lehrern, dieſes zur Pruͤfung diene.

V 9.

Welcher aber ſolches nicht hat, (oder
darinnen nicht beharret, ſondern vielmehr auf
das Gegentheil verfallen iſt,) der iſt blind,
(der hat mit dem geiſtlichen Leben auch das geiſt-
liche Licht verloren,) und tappet mit der
Hand,
(μυωπάζων, er ſiehet nur auf das Gegen-
waͤrtige und irdiſche, was er vor den Fuͤſſen hat,)
und vergiſſet der Reinigung ſeiner vori-
gen Suͤnden,
(ſowol der Reinigung, welche er
in der Bekehrung, als der, welche er in der da-
bey verknuͤpften Rechtfertigung empfangen hat-
te: beyder vergiſſet er dergeſtalt, daß er, was
er hatte, wieder verlieret.)

Anmerckungen.

1. Das nicht haben, iſt alhier ſoviel,
als nicht recht, oder nicht alſo haben, daß man,
was man hat, getreulich anlege. Denn der
Context handelt von ſolchen Leuten, welche die
Reinigung empfangen hatten. Man ſehe der-
gleichen Redens-Art Matth. 13, 12. Und ein
ſolches nicht haben iſt in der That noch aͤrger,
als etwas ſchlechterdinge nicht haben; ſintemal
es viel mehr oder viel ſchwerere Verantwortung
bringet.

2. Gleichwie der Apoſtel vorher den Ernſt
der Erneuerung mit dem Wachsthum in der
Erkenntniß verknuͤpfet hat: alſo verbindet er al-
hier das Gegentheil mit einander, nemlich bey
Ermangelung der wahren Tugend auch des
wahren Lichts beraubet ſeyn: wenn er ſaget:
Wer aber ſolches (was zu dem zuvor ange-
zeigeten Tugend-Wandel gehoͤret,) nicht hat,
der iſt blind.
Die Haupt-Kraͤfte der Seele,
der Verſtand und Wille, ſtehen in einer ſolchen

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F f f f
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[593/0595] Cap. 1. v. 5-9. des andern Briefes Petri. C. 4, 21. ſpricht: Diß Gebot haben wir von ihm, daß, wer GOtt liebet, der auch ſei- nen Bruder liebe. Und c. 5, 1. Wer da liebet den, der ihn geboren hat, der liebet auch den, der von ihm geboren iſt. Was aber alles zur Bruder-Liebe gehoͤre, das laͤßt ſich al- hier ſo kurtz nicht faſſen. Man ſehe davon un- ter andern Eph. 4, 32. c. 1. 2. 1 Pet. 3, 8. Wie ſie gereiniget werden muͤſſe, zeiget Petrus an Ep. 1. c. 1, 22. 14. Es bleibet doch aber ein Kind GOttes in ſolcher menſchlichen Geſellſchaft ſtehen, daran es noch immer viele unbekehrte Leute um ſich hat und behaͤlt. Dannenhero bey der Bruder-Lie- be auch ἀγάπη, die Gemeine Liebe erfordert wird; wie der ſel. Lutherus alhie ſolches Wort gar recht uͤberſetzet hat. Der hoͤchſte Grad davon iſt, wenn ſie auch gegen die aͤrgſten Feinde thaͤtig ausgeuͤbet wird, nach der Ermahnung Chriſti. Matth. 5, 44. Jhre Eigenſchaften ſehe man mit mehrern 1 Cor. 13. alwo von der Liebe uͤberhaupt gehandelt wird. Und da der Apoſtel von dem alhier redet, was aus der Evangeliſchen Gna- den-Qvelle flieſſet, und im Glauben dargerei- chet wird, ſo iſt leichtlich zu erachten, wie ſehr die recht Chriſtliche Liebe von der bloß natuͤrli- chen unterſchieden ſey: welches von wenigen, und nur von denen, welche aus GOtt geboren ſind, recht erkannt wird. Von dieſer alſo Ket- ten-weiſe verknuͤpften Tugend-Ubung faͤhret nun der Apoſtel alſo fort: V. 8. Wo ſolches reichlich bey euch iſt, wirds euch nicht faul, noch unfruchtbar ſeyn laſſen in der Erkenntniß (Gr. zur Erkennt- niß) unſers HErrn JEſu Chriſti, (in dem Glauben an ihn.) Anmerckungen. 1. Die zuvor gedachte Tugend-Kette ſoll nicht allein gantz, ſondern dabey auch dergeſtalt beſchaffen ſeyn, daß ein iedes Glied in ſeiner rechten Fuͤlle daſtehe, und zu ſeinem rechten Maſſe komme. Darum ſollen ſie nicht nur ſeyn ὑπάρχοντα, die wircklich da ſind, ſondern auch πλεονάζοντα, ſie ſollen reichlich vorhanden ſeyn. Womit der Apoſtel auf denjenigen Stand der Glaͤubigen gehet, welcher den νηπίοις, den jun- gen Kindern, entgegen ſtehet; welchen Paulus Eph. 4, 13. und Hebr. 5, 12. u. f. beſchreibet. Diß iſt ein gehoͤriger, und noͤthiger, auch ſeliger ple- onaſmus. Wie man dazu gelange, zeiget unſer Heyland an Matth. 13, 12. mit den Wor- ten: Wer da hat (nemlich alſo, daß er es wohl anleget) dem wird gegeben, daß er die Fuͤlle habe. Und Joh. 15, 2. Einen iegli- chen Reben, der da Frucht bringet, wird der himmliſche Vater reinigen, daß er mehr Frucht bringe. 2. Was der Apoſtel mit den erſten Wor- ten des Verſes geſaget hat, das erlaͤutert er mit den letztern: als damit er anzeiget, daß, wo die Chriſten-Pflichten in einer recht harmoniſchen Ubung ſtuͤnden, da wuͤrden die Chriſten weder faul ſeyn, oder in einer Traͤgheit ſich finden laſ- ſen, noch ſich unfruchtbar erweiſen, ſondern recht fruchtbare Baͤume ſeyn; die da an den Waſſerbaͤchen des Evangelii in Chriſto gepflan- tzet ſind, nach Pſ. 1, 3. 3. Es ſoll ſich aber die Fruchtbringung ſonderlich hervorthun in oder zu der Erkennt- niß Chriſti. Man bleibet alhier billig bey der eigentlichen Bedeutung der præpoſition ἐις, zu. Denn es wird damit angezeiget, wozu die in der Erneuerung erwieſene mehrere Treue gereiche; nemlich zu einem mehrern Wachsthum in der Erkenntniß, welcher auch allerdinge daher ent- ſtehet. Denn ie mehr ein Menſch in der Heili- gung waͤchſet, ie mehr fallen die Hinderungen der wahren Erleuchtung hinweg, und iemehr koͤmmt der Verſtand bey ihm in goͤttlichen Din- gen zur Aufklaͤrung. Und diß iſts, was Pau- lus unter andern Roͤm. 12, 2. bezeuget, da er aus der Erneuerung des Gemuͤths die mehrere Pruͤ- fung des Willens GOttes herleitet. Man ſehe auch Phil. 1, 9. 10. 11. 4. Da Petrus dieſes alles von den Chri- ſten insgemein ſaget, ſie auch groſſen theils alſo beſchaffen geweſen ſind, daß ſie ſolches alles reichlich an ſich erwieſen haben; ſo iſt leichtlich zu erachten, wie uns allen insgemein, und ſon- derlich den Lehrern, dieſes zur Pruͤfung diene. V 9. Welcher aber ſolches nicht hat, (oder darinnen nicht beharret, ſondern vielmehr auf das Gegentheil verfallen iſt,) der iſt blind, (der hat mit dem geiſtlichen Leben auch das geiſt- liche Licht verloren,) und tappet mit der Hand, (μυωπάζων, er ſiehet nur auf das Gegen- waͤrtige und irdiſche, was er vor den Fuͤſſen hat,) und vergiſſet der Reinigung ſeiner vori- gen Suͤnden, (ſowol der Reinigung, welche er in der Bekehrung, als der, welche er in der da- bey verknuͤpften Rechtfertigung empfangen hat- te: beyder vergiſſet er dergeſtalt, daß er, was er hatte, wieder verlieret.) Anmerckungen. 1. Das nicht haben, iſt alhier ſoviel, als nicht recht, oder nicht alſo haben, daß man, was man hat, getreulich anlege. Denn der Context handelt von ſolchen Leuten, welche die Reinigung empfangen hatten. Man ſehe der- gleichen Redens-Art Matth. 13, 12. Und ein ſolches nicht haben iſt in der That noch aͤrger, als etwas ſchlechterdinge nicht haben; ſintemal es viel mehr oder viel ſchwerere Verantwortung bringet. 2. Gleichwie der Apoſtel vorher den Ernſt der Erneuerung mit dem Wachsthum in der Erkenntniß verknuͤpfet hat: alſo verbindet er al- hier das Gegentheil mit einander, nemlich bey Ermangelung der wahren Tugend auch des wahren Lichts beraubet ſeyn: wenn er ſaget: Wer aber ſolches (was zu dem zuvor ange- zeigeten Tugend-Wandel gehoͤret,) nicht hat, der iſt blind. Die Haupt-Kraͤfte der Seele, der Verſtand und Wille, ſtehen in einer ſolchen Ge- F f f f

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/595>, abgerufen am 25.11.2024.