[Spaltenumbruch]
chen zu conferiren; oder da er sich kurtz vorher in den Gemeinen Asiens aufgehalten hat, so ist er in kirchlicher Angelegenheit aus eigenem Triebe, wo nicht auch aus Veranlassung derselben zu Pe- tro nach Babylon, wo er den Brief geschrieben gereiset.
2. Das pronomen umin kan entweder mit dem Worte pistou in leichter Construction, oder mit dem Worte egrapsa gelesen werden. Nimmt man jenes, so will der Apostel anzeigen, daß Sil- vanus den Gläubigen zum besten sich sehr treu er- wiesen hätte: wie er denn vor dem die Asiatische Gemeinen nebst Paulo zum theil hatte pflantzen und begiessen helfen. Jst aber dieses, so wird da- mit gesehen auf Silvani Dienst, welchen er in Uberbringung dieses Briefes den Gemeinen lei- sten würde. Daß der Brief aus Petri Munde durch Silvanum geschrieben sey, das folget nicht aus der Redens-Art; ob es gleich an sich selbst wol kan geschehen seyn.
3. Die parenthetischen Worte os logizo- mai, als ich achte, zeigen bey Petro keinen Zwei- fel an, sondern, wie es ihre eigentliche Bedeutung mit sich bringet, einen gewissen Schluß, den er aus genugsamen Proben von der Treue Silvani machte: und zwar ohne Zweifel zu dem Ende, damit er bey ihnen mit seinem mündlichen Vor- trage so viel mehrern Eingang haben möchte.
4. Es war zwar der Brief nicht eben gar kurtz: Weil er doch aber noch viel länger hätte seyn können, Paulus auch viel längere geschrie- ben hat, und Petro das Hertz voll war von Liebe gegen die Gläubigen, also daß ihm dabey der Brief soviel kürtzer vorgekommen ist: so spricht er: di oligon, kürtzlich, oder mit wenigen habe ich geschrieben. Aus gleichem Grunde, und sonder- lich in Ansehung der Materien, welche noch viel weiter ausgeführet werden könten, setzte Paulus im Beschluß des noch längern Briefes an die He- bräer c. 13, 22: ich habe euch kurtz geschrie- ben.
5. Das Wort parakalon, ermahnende, oder daß ich ermahnete, gehet nach dem Zwecke des Briefes auf den Zustand der gläubigen Ge- meinen, denn weil sie schon im Glauben gepflan- tzet und wohl gegründet waren, so gebrauchten sie nicht sowol das Unterrichts, als der Ermahnung und trostreichen Aufmunterung zur Beständig- keit unter dem Creutze im Laufe des Christen- thums: Davon auch der Brief nebst den dabey aufs neue eingeschärfeten wichtigsten Lehren von Christo voll ist.
6. Das Wort [e]pimarturon gehet auf ein solches Zeugniß, dadurch sie in der Lehre selbst konten bevestiget werden: welches der Apostel über die andern Zeugnisse, welche sie davon schon hatten, und auch über das, welches ihnen die Versiegelung des Heiligen Geistes gab, hinzu that.
7. Durch das Wort Gnade verstehet der Apostel die gantze Christliche Religion, oder das Evangelium samt dem würcklichen Gnaden- Stande der Gläubigen. Und wenn er davon saget: eis en estekate, so setzet er, nach Art der He- bräer (davon man den Lateinischen Comment. [Spaltenumbruch]
p. 534. seq. sehe) ein Wort für zwey, und ist es soviel, als sagte er: zu welcher ihr gekom- men seyd, und in welcher ihr stehet.
8. Es konte seyn, daß noch einiger Mißver- stand übrig war von dem, was ehemals zu Antio- chia mit Petro, nach Pauli, Bericht Gal. 2, 11. u. f. war vorgegangen; und einige, welche bey dem Evangelio auf Judische Satzungen gingen, sich mochten auf Petri Exempel berufen haben. Es war auch der zu Jerusalem gefassete Apostoli- sche Schluß von der evangelischen Freyheit den gemeinen in Asien kund gemachet; wie wir se- hen Ap. Gesch. 16, 4. 5. Darauf hat nun wol Petrus ein besonders Absehen, wenn er den Gläu- bigen bezeuget, das sey die wahrhaftige Gnade und der rechte Gnaden-Stand nach dem Evan- gelio, dazu sie gleich anfangs gebracht und darin bisher bestanden wären.
9. Es ist nichts leichters, als daß man von dem rechten Sinne und Stande der Gnade ab- weichet; entweder zur rechten auf eine gesetzliche und eigene Gerechtigkeit mit Verdunckelung des Evangelii; oder zur lincken auf eine fleischliche Sicherheit mit Mißbrauch des Evangelii und Ungehorsam gegen das Gesetz, oder in untreuer Ausübung der nöthigen Pflichten. Es ist dem- nach viel daran gelegen, daß man in der wahr- haftigen Gnade stehe.
10. Da sich nun in diesem, wie auch in dem andern Briefe Petri eine richtige Vorstellung von der wahrhaftigen Gnade und dem Gnaden- Stande befindet, so kan einer, um von seinem richtigen Zustande versichert zu werden, nicht bes- ser thun, als wenn er sich fleißig nach dieser Apo- stolischen Vorschrift prüfet, und sich darnach richtet.
V. 13.
Es grüssen euch die samt euch aus- erwehlet sind (Gr. Die samt euch auserwehl- te, nemlich Gemeine) zu Babylonia, und mein Sohn Marcus.
Anmerckungen.
1. Mit dem Worte suneklekte, mit aus- erwehlte, siehet der Apostel wol zurück auf den Anfang des Briefes, da er die Gläubigen in den Asiatischen Gemeinen genennet hatte eklektous,
2. Es war fast kein Ort in Orient mehr mit Juden erfüllet, als Chaldäa, und darinn die Stadt Babylon. Und weil Petrus sein Apostel-Amt sonderlich unter die Juden führete, nach der mit Paulo und Johanne genommenen Abrede, so hat er sich einige Zeit daselbst aufgehalten, und von dannen diesen Brief geschrieben.
3. Durch den Gruß läßt die Gemeine zu Babylon, dero Aeltesten Petrus wohl vorher von seinem Vorhaben diesen Brief zuschreiben wird gesaget haben, die Gemeinschaft ihres Sin- nes mit einem Segens-Wunsche bezeugen, wel- ches auch die Eigenschaft eines wohl gemeinten Grusses ist.
4. Der alhier bemeldete Mareus ist ver- muthlich der Evangelist; als der, nach dem Zeug- nisse der ältesten Scribenten, viel um Pertum soll
gewe-
Cap. 5. v. 12. 13. des erſten Briefes Petri.
[Spaltenumbruch]
chen zu conferiren; oder da er ſich kurtz vorher in den Gemeinen Aſiens aufgehalten hat, ſo iſt er in kirchlicher Angelegenheit aus eigenem Triebe, wo nicht auch aus Veranlaſſung derſelben zu Pe- tro nach Babylon, wo er den Brief geſchrieben gereiſet.
2. Das pronomen ὑμῖν kan entweder mit dem Worte πιστοῦ in leichter Conſtruction, oder mit dem Worte ἔγραψα geleſen werden. Nimmt man jenes, ſo will der Apoſtel anzeigen, daß Sil- vanus den Glaͤubigen zum beſten ſich ſehr treu er- wieſen haͤtte: wie er denn vor dem die Aſiatiſche Gemeinen nebſt Paulo zum theil hatte pflantzen und begieſſen helfen. Jſt aber dieſes, ſo wird da- mit geſehen auf Silvani Dienſt, welchen er in Uberbringung dieſes Briefes den Gemeinen lei- ſten wuͤrde. Daß der Brief aus Petri Munde durch Silvanum geſchrieben ſey, das folget nicht aus der Redens-Art; ob es gleich an ſich ſelbſt wol kan geſchehen ſeyn.
3. Die parenthetiſchen Worte ὡς λογίζο- μαι, als ich achte, zeigen bey Petro keinen Zwei- fel an, ſondern, wie es ihre eigentliche Bedeutung mit ſich bringet, einen gewiſſen Schluß, den er aus genugſamen Proben von der Treue Silvani machte: und zwar ohne Zweifel zu dem Ende, damit er bey ihnen mit ſeinem muͤndlichen Vor- trage ſo viel mehrern Eingang haben moͤchte.
4. Es war zwar der Brief nicht eben gar kurtz: Weil er doch aber noch viel laͤnger haͤtte ſeyn koͤnnen, Paulus auch viel laͤngere geſchrie- ben hat, und Petro das Hertz voll war von Liebe gegen die Glaͤubigen, alſo daß ihm dabey der Brief ſoviel kuͤrtzer vorgekommen iſt: ſo ſpricht er: δἰ ὀλίγων, kuͤrtzlich, oder mit wenigen habe ich geſchrieben. Aus gleichem Grunde, und ſonder- lich in Anſehung der Materien, welche noch viel weiter ausgefuͤhret werden koͤnten, ſetzte Paulus im Beſchluß des noch laͤngern Briefes an die He- braͤer c. 13, 22: ich habe euch kurtz geſchrie- ben.
5. Das Wort παρακαλῶν, ermahnende, oder daß ich ermahnete, gehet nach dem Zwecke des Briefes auf den Zuſtand der glaͤubigen Ge- meinen, denn weil ſie ſchon im Glauben gepflan- tzet und wohl gegruͤndet waren, ſo gebrauchten ſie nicht ſowol das Unterrichts, als der Ermahnung und troſtreichen Aufmunterung zur Beſtaͤndig- keit unter dem Creutze im Laufe des Chriſten- thums: Davon auch der Brief nebſt den dabey aufs neue eingeſchaͤrfeten wichtigſten Lehren von Chriſto voll iſt.
6. Das Wort [ἐ]πιμαρτυρῶν gehet auf ein ſolches Zeugniß, dadurch ſie in der Lehre ſelbſt konten beveſtiget werden: welches der Apoſtel uͤber die andern Zeugniſſe, welche ſie davon ſchon hatten, und auch uͤber das, welches ihnen die Verſiegelung des Heiligen Geiſtes gab, hinzu that.
7. Durch das Wort Gnade verſtehet der Apoſtel die gantze Chriſtliche Religion, oder das Evangelium ſamt dem wuͤrcklichen Gnaden- Stande der Glaͤubigen. Und wenn er davon ſaget: ἐις ἥν ἑστήκατε, ſo ſetzet er, nach Art der He- braͤer (davon man den Lateiniſchen Comment. [Spaltenumbruch]
p. 534. ſeq. ſehe) ein Wort fuͤr zwey, und iſt es ſoviel, als ſagte er: zu welcher ihr gekom- men ſeyd, und in welcher ihr ſtehet.
8. Es konte ſeyn, daß noch einiger Mißver- ſtand uͤbrig war von dem, was ehemals zu Antio- chia mit Petro, nach Pauli, Bericht Gal. 2, 11. u. f. war vorgegangen; und einige, welche bey dem Evangelio auf Judiſche Satzungen gingen, ſich mochten auf Petri Exempel berufen haben. Es war auch der zu Jeruſalem gefaſſete Apoſtoli- ſche Schluß von der evangeliſchen Freyheit den gemeinen in Aſien kund gemachet; wie wir ſe- hen Ap. Geſch. 16, 4. 5. Darauf hat nun wol Petrus ein beſonders Abſehen, wenn er den Glaͤu- bigen bezeuget, das ſey die wahrhaftige Gnade und der rechte Gnaden-Stand nach dem Evan- gelio, dazu ſie gleich anfangs gebracht und darin bisher beſtanden waͤren.
9. Es iſt nichts leichters, als daß man von dem rechten Sinne und Stande der Gnade ab- weichet; entweder zur rechten auf eine geſetzliche und eigene Gerechtigkeit mit Verdunckelung des Evangelii; oder zur lincken auf eine fleiſchliche Sicherheit mit Mißbrauch des Evangelii und Ungehorſam gegen das Geſetz, oder in untreuer Ausuͤbung der noͤthigen Pflichten. Es iſt dem- nach viel daran gelegen, daß man in der wahr- haftigen Gnade ſtehe.
10. Da ſich nun in dieſem, wie auch in dem andern Briefe Petri eine richtige Vorſtellung von der wahrhaftigen Gnade und dem Gnaden- Stande befindet, ſo kan einer, um von ſeinem richtigen Zuſtande verſichert zu werden, nicht beſ- ſer thun, als wenn er ſich fleißig nach dieſer Apo- ſtoliſchen Vorſchrift pruͤfet, und ſich darnach richtet.
V. 13.
Es gruͤſſen euch die ſamt euch aus- erwehlet ſind (Gr. Die ſamt euch auserwehl- te, nemlich Gemeine) zu Babylonia, und mein Sohn Marcus.
Anmerckungen.
1. Mit dem Worte συνεκλεκτὴ, mit aus- erwehlte, ſiehet der Apoſtel wol zuruͤck auf den Anfang des Briefes, da er die Glaͤubigen in den Aſiatiſchen Gemeinen genennet hatte ἐκλεκτοὺς,
2. Es war faſt kein Ort in Orient mehr mit Juden erfuͤllet, als Chaldaͤa, und darinn die Stadt Babylon. Und weil Petrus ſein Apoſtel-Amt ſonderlich unter die Juden fuͤhrete, nach der mit Paulo und Johanne genommenen Abrede, ſo hat er ſich einige Zeit daſelbſt aufgehalten, und von dannen dieſen Brief geſchrieben.
3. Durch den Gruß laͤßt die Gemeine zu Babylon, dero Aelteſten Petrus wohl vorher von ſeinem Vorhaben dieſen Brief zuſchreiben wird geſaget haben, die Gemeinſchaft ihres Sin- nes mit einem Segens-Wunſche bezeugen, wel- ches auch die Eigenſchaft eines wohl gemeinten Gruſſes iſt.
4. Der alhier bemeldete Mareus iſt ver- muthlich der Evangeliſt; als der, nach dem Zeug- niſſe der aͤlteſten Scribenten, viel um Pertum ſoll
gewe-
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[583/0585]
Cap. 5. v. 12. 13. des erſten Briefes Petri.
chen zu conferiren; oder da er ſich kurtz vorher
in den Gemeinen Aſiens aufgehalten hat, ſo iſt er
in kirchlicher Angelegenheit aus eigenem Triebe,
wo nicht auch aus Veranlaſſung derſelben zu Pe-
tro nach Babylon, wo er den Brief geſchrieben
gereiſet.
2. Das pronomen ὑμῖν kan entweder mit
dem Worte πιστοῦ in leichter Conſtruction, oder
mit dem Worte ἔγραψα geleſen werden. Nimmt
man jenes, ſo will der Apoſtel anzeigen, daß Sil-
vanus den Glaͤubigen zum beſten ſich ſehr treu er-
wieſen haͤtte: wie er denn vor dem die Aſiatiſche
Gemeinen nebſt Paulo zum theil hatte pflantzen
und begieſſen helfen. Jſt aber dieſes, ſo wird da-
mit geſehen auf Silvani Dienſt, welchen er in
Uberbringung dieſes Briefes den Gemeinen lei-
ſten wuͤrde. Daß der Brief aus Petri Munde
durch Silvanum geſchrieben ſey, das folget nicht
aus der Redens-Art; ob es gleich an ſich ſelbſt
wol kan geſchehen ſeyn.
3. Die parenthetiſchen Worte ὡς λογίζο-
μαι, als ich achte, zeigen bey Petro keinen Zwei-
fel an, ſondern, wie es ihre eigentliche Bedeutung
mit ſich bringet, einen gewiſſen Schluß, den er
aus genugſamen Proben von der Treue Silvani
machte: und zwar ohne Zweifel zu dem Ende,
damit er bey ihnen mit ſeinem muͤndlichen Vor-
trage ſo viel mehrern Eingang haben moͤchte.
4. Es war zwar der Brief nicht eben gar
kurtz: Weil er doch aber noch viel laͤnger haͤtte
ſeyn koͤnnen, Paulus auch viel laͤngere geſchrie-
ben hat, und Petro das Hertz voll war von Liebe
gegen die Glaͤubigen, alſo daß ihm dabey der
Brief ſoviel kuͤrtzer vorgekommen iſt: ſo ſpricht er:
δἰ ὀλίγων, kuͤrtzlich, oder mit wenigen habe ich
geſchrieben. Aus gleichem Grunde, und ſonder-
lich in Anſehung der Materien, welche noch viel
weiter ausgefuͤhret werden koͤnten, ſetzte Paulus
im Beſchluß des noch laͤngern Briefes an die He-
braͤer c. 13, 22: ich habe euch kurtz geſchrie-
ben.
5. Das Wort παρακαλῶν, ermahnende,
oder daß ich ermahnete, gehet nach dem Zwecke
des Briefes auf den Zuſtand der glaͤubigen Ge-
meinen, denn weil ſie ſchon im Glauben gepflan-
tzet und wohl gegruͤndet waren, ſo gebrauchten ſie
nicht ſowol das Unterrichts, als der Ermahnung
und troſtreichen Aufmunterung zur Beſtaͤndig-
keit unter dem Creutze im Laufe des Chriſten-
thums: Davon auch der Brief nebſt den dabey
aufs neue eingeſchaͤrfeten wichtigſten Lehren von
Chriſto voll iſt.
6. Das Wort ἐπιμαρτυρῶν gehet auf ein
ſolches Zeugniß, dadurch ſie in der Lehre ſelbſt
konten beveſtiget werden: welches der Apoſtel
uͤber die andern Zeugniſſe, welche ſie davon ſchon
hatten, und auch uͤber das, welches ihnen die
Verſiegelung des Heiligen Geiſtes gab, hinzu
that.
7. Durch das Wort Gnade verſtehet der
Apoſtel die gantze Chriſtliche Religion, oder das
Evangelium ſamt dem wuͤrcklichen Gnaden-
Stande der Glaͤubigen. Und wenn er davon
ſaget: ἐις ἥν ἑστήκατε, ſo ſetzet er, nach Art der He-
braͤer (davon man den Lateiniſchen Comment.
p. 534. ſeq. ſehe) ein Wort fuͤr zwey, und iſt es
ſoviel, als ſagte er: zu welcher ihr gekom-
men ſeyd, und in welcher ihr ſtehet.
8. Es konte ſeyn, daß noch einiger Mißver-
ſtand uͤbrig war von dem, was ehemals zu Antio-
chia mit Petro, nach Pauli, Bericht Gal. 2, 11.
u. f. war vorgegangen; und einige, welche bey
dem Evangelio auf Judiſche Satzungen gingen,
ſich mochten auf Petri Exempel berufen haben.
Es war auch der zu Jeruſalem gefaſſete Apoſtoli-
ſche Schluß von der evangeliſchen Freyheit den
gemeinen in Aſien kund gemachet; wie wir ſe-
hen Ap. Geſch. 16, 4. 5. Darauf hat nun wol
Petrus ein beſonders Abſehen, wenn er den Glaͤu-
bigen bezeuget, das ſey die wahrhaftige Gnade
und der rechte Gnaden-Stand nach dem Evan-
gelio, dazu ſie gleich anfangs gebracht und darin
bisher beſtanden waͤren.
9. Es iſt nichts leichters, als daß man von
dem rechten Sinne und Stande der Gnade ab-
weichet; entweder zur rechten auf eine geſetzliche
und eigene Gerechtigkeit mit Verdunckelung des
Evangelii; oder zur lincken auf eine fleiſchliche
Sicherheit mit Mißbrauch des Evangelii und
Ungehorſam gegen das Geſetz, oder in untreuer
Ausuͤbung der noͤthigen Pflichten. Es iſt dem-
nach viel daran gelegen, daß man in der wahr-
haftigen Gnade ſtehe.
10. Da ſich nun in dieſem, wie auch in dem
andern Briefe Petri eine richtige Vorſtellung
von der wahrhaftigen Gnade und dem Gnaden-
Stande befindet, ſo kan einer, um von ſeinem
richtigen Zuſtande verſichert zu werden, nicht beſ-
ſer thun, als wenn er ſich fleißig nach dieſer Apo-
ſtoliſchen Vorſchrift pruͤfet, und ſich darnach
richtet.
V. 13.
Es gruͤſſen euch die ſamt euch aus-
erwehlet ſind (Gr. Die ſamt euch auserwehl-
te, nemlich Gemeine) zu Babylonia, und
mein Sohn Marcus.
Anmerckungen.
1. Mit dem Worte συνεκλεκτὴ, mit aus-
erwehlte, ſiehet der Apoſtel wol zuruͤck auf den
Anfang des Briefes, da er die Glaͤubigen in den
Aſiatiſchen Gemeinen genennet hatte ἐκλεκτοὺς,
2. Es war faſt kein Ort in Orient mehr mit
Juden erfuͤllet, als Chaldaͤa, und darinn die Stadt
Babylon. Und weil Petrus ſein Apoſtel-Amt
ſonderlich unter die Juden fuͤhrete, nach der mit
Paulo und Johanne genommenen Abrede, ſo hat
er ſich einige Zeit daſelbſt aufgehalten, und von
dannen dieſen Brief geſchrieben.
3. Durch den Gruß laͤßt die Gemeine zu
Babylon, dero Aelteſten Petrus wohl vorher
von ſeinem Vorhaben dieſen Brief zuſchreiben
wird geſaget haben, die Gemeinſchaft ihres Sin-
nes mit einem Segens-Wunſche bezeugen, wel-
ches auch die Eigenſchaft eines wohl gemeinten
Gruſſes iſt.
4. Der alhier bemeldete Mareus iſt ver-
muthlich der Evangeliſt; als der, nach dem Zeug-
niſſe der aͤlteſten Scribenten, viel um Pertum ſoll
gewe-
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/585>, abgerufen am 29.06.2024.
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