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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 2. v. 1. 2. 3. des ersten Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] dem Schein einer indifferenten, oder zuläs-
sigen Sache betreten wird, und sich hernach
mit solcher Einbildung, da man es für wahr
hält, selbst, auch wohl noch dazu andere, be-
trieget. Daß aber dagegen in allen Stücken
ein rechter Ernst bewiesen werden soll, darauf
gehet der Apostel mit dem Beysatze des Worts
panta, allen.
e. Die Heucheley wird mit einem Worte im
Griechischen ausgedrucket, welches, nemlich
upokrisis eigentlich hergenommen ist von sol-
chen Menschen, die in eitelen Schauspielen sich
für diese und jene Person ausgeben, welche
sie doch nicht sind, sondern nur ihre Kleidun-
gen, Geberden und Worte annehmen. Denn
also machet es ein heuchler. Er ist kein wah-
rer Christ, und kein Kind GOttes, er hat also
auch nicht eine solche Fülle des guten Her-
tzens, aus welcher er reden und handeln kön-
te: nichts destoweniger aber giebt er sich für
einen Christen und für ein Kind GOttes aus,
redet und thut auch mit Worten und Wer-
cken äusserlich also, und agiret gleichsam ei-
ne fremde Person. Welches denn eine recht
schändliche Sache vor GOTT und Men-
schen, sonderlich vor den Augen des allsehen-
den GOttes.
f. Es setzet aber der Apostel das Wort hypo-
crisis
in der Zahl der Vielheit, upokriteis:
womit er anzeiget, daß es nicht allein vieler-
ley Handlungen, sondern auch vielerley Ar-
ten der Heucheley gebe. Die drey Haupt-
Gattungen sind diese:
a. Wenn man noch gar nicht im Stande der
Gnaden stehet, und doch dafür will gehal-
ten seyn, und zu dem Ende alles das, was
andere aus einem guten Grunde des Her-
tzens thun, nur äusserlich nach- und mit
machet. Weil nun solche Leute sich gar
leichte unter den Rechtschafnen mit ein-
finden konten, so warnet der Apostel da-
vor.
b. Wenn man bey solchem faulen Grunde ei-
ne Liebe gegen GOTT und den Nächsten
mit Worten vorgiebet, aber in der That
nichts weniger beweiset, sondern den Näch-
sten hülflos lässet.
g. Wenn man zwar im Stande der Gnaden
stehet, aber solchen nicht wohl bewahret,
sondern in allerhand Unlauterkeit eingehet,
und doch aber bey denen, die rechtschaf-
fen sind, noch immer das Ansehen haben
will, als wäre man es auch, und dazu äus-
serlich mehr Schein annimmt, als man in-
nerlich Kraft hat.
g. Ferner soll abgeleget werden der Neid, wo-
durch man andern das gute, so ihnen beson-
ders wiederfähret, mißgönnet, auch wohl has-
set; wie denn dieses Wort vom Hasse pfleget
mit verstanden zu werden. Und weil sich bey-
des auf mancherley Art bey dem Menschen
befindet, so gebrauchet der Apostel davon auch
die Zahl der Vielheit.
h. Was Afterreden sind, das ist bekant: nem-
lich es sind theils unwahre, theils ungütige
[Spaltenumbruch] Beurtheilungen anderer, und demnach also
beschaffen, daß sie theils wider die Wahrheit,
theils wider die Liebe lauffen, und bey vieler
Leichtgläubigkeit mit vieler Ubereilung gesche-
hen. Und ist eine Sünde, dazu ein Mensch
sehr leicht versuchet wird, und damit er am
meisten pfleget übereilet zu werden, so ist es
die Zungen-Sünde: darum Jacobus in sei-
nem Briefe so weitläuftig davon handelt.
Und um dieser vielfachen Art und Versündi-
gung willen setzet der Apostel das Wort nicht
allein in der Zahl der Vielheit, sondern füget
auch das Wort alle dazu, und spricht: pasas
katalalias.
i. Diese bisher recensirten den Christen unan-
ständige Dinge sollen nun abgeleget wer-
den, nemlich in der fernern Fortsetzung und
täglichen Erneuerung, um sich davon mehr
und mehr zu reinigen, nachdem allem sol-
chen sündlichen Wesen in der Bekehrung be-
reits die Herrschaft war genommen worden.
Bey der Ablegung aber kömmt es zuvorderst
an auf die genaue Selbst-Prüfung, daß
man sich recht kennen lerne, und sehe, wo es
einem noch fehlet: wie auch auf die Wach-
samkeit
über sich selbst, daß man sich davor
in der beywohnenden und noch mehr zu erbit-
tenden Kraft GOttes bewahren möge: und
denn nicht weniger auf die Treue, daß, sobald
man hie und da einige Ubereilung findet, man
sich dieselbe lasse hertzlich leid seyn, und zu
mehrer Wahrnehmung seiner selbst dienen.
k. Es hält aber die Ablegung zugleich eine Anle-
gung mit in sich. Denn es ist bey dem Men-
schen kein vacuum morale, daß er könne
vom Bösen und auch zugleich vom Guten leer
seyn: sondern wo das Böse austritt, so tritt
das Gute ein. Darum die heilige Schrift
zuweilen beydes bey einander setzet, als in
den bekanten Orten von Ablegung des alten
Menschen und Anlegung des neuen Eph. 4,
22. u. f. Col. 3, 8. u. s. w. Zuweilen des einen
Theils nur allein gedencket, aber das andere
allemal darunter verstehet: und wie hier, des
Bösen zur Unterlassung, also auch anderwär-
tig des Guten zur Ausübung.

3. Wir finden auch in den folgenden Wor-
ten eine Anmahnung zum Guten, ob gleich
nicht mit solchen Worten, welche den vorherbe-
meldeten Lastern entgegen stünden, doch sonst in
der Sache selbst gar nachdrücklich, wenn der A-
postel saget: Und seyd begierig nach der ver-
nünftigen lautern Milch, auf daß ihr da-
durch zunehmet.
Als womit er dergestalt
auf die Ausübung des Guten gehet, daß er da-
bey zugleich die gehörige Evangelische Gnaden-
Kraft anweiset, welche zu beyden, zur würdi-
gen Unterlassung des Bösen, und Ausübung des
Guten nöthig ist. Wir haben aber bey diesen
gar nachdrücklichen Worten folgendes zu mer-
cken:

a. Die Milch ist ein Bild des Evangelii, so fern
man dasselbe nicht allein nach der Lehre,
sondern auch der damit verknüpften Gnade
GOttes verstehet. Bey der Vergleichung
kömmt
X x x
Cap. 2. v. 1. 2. 3. des erſten Briefes Petri.
[Spaltenumbruch] dem Schein einer indifferenten, oder zulaͤſ-
ſigen Sache betreten wird, und ſich hernach
mit ſolcher Einbildung, da man es fuͤr wahr
haͤlt, ſelbſt, auch wohl noch dazu andere, be-
trieget. Daß aber dagegen in allen Stuͤcken
ein rechter Ernſt bewieſen werden ſoll, darauf
gehet der Apoſtel mit dem Beyſatze des Worts
πάντα, allen.
e. Die Heucheley wird mit einem Worte im
Griechiſchen ausgedrucket, welches, nemlich
ὑπόκρισις eigentlich hergenommen iſt von ſol-
chen Menſchen, die in eitelen Schauſpielen ſich
fuͤr dieſe und jene Perſon ausgeben, welche
ſie doch nicht ſind, ſondern nur ihre Kleidun-
gen, Geberden und Worte annehmen. Denn
alſo machet es ein heuchler. Er iſt kein wah-
rer Chriſt, und kein Kind GOttes, er hat alſo
auch nicht eine ſolche Fuͤlle des guten Her-
tzens, aus welcher er reden und handeln koͤn-
te: nichts deſtoweniger aber giebt er ſich fuͤr
einen Chriſten und fuͤr ein Kind GOttes aus,
redet und thut auch mit Worten und Wer-
cken aͤuſſerlich alſo, und agiret gleichſam ei-
ne fremde Perſon. Welches denn eine recht
ſchaͤndliche Sache vor GOTT und Men-
ſchen, ſonderlich vor den Augen des allſehen-
den GOttes.
f. Es ſetzet aber der Apoſtel das Wort hypo-
criſis
in der Zahl der Vielheit, ὑποκρίτεις:
womit er anzeiget, daß es nicht allein vieler-
ley Handlungen, ſondern auch vielerley Ar-
ten der Heucheley gebe. Die drey Haupt-
Gattungen ſind dieſe:
α. Wenn man noch gar nicht im Stande der
Gnaden ſtehet, und doch dafuͤr will gehal-
ten ſeyn, und zu dem Ende alles das, was
andere aus einem guten Grunde des Her-
tzens thun, nur aͤuſſerlich nach- und mit
machet. Weil nun ſolche Leute ſich gar
leichte unter den Rechtſchafnen mit ein-
finden konten, ſo warnet der Apoſtel da-
vor.
β. Wenn man bey ſolchem faulen Grunde ei-
ne Liebe gegen GOTT und den Naͤchſten
mit Worten vorgiebet, aber in der That
nichts weniger beweiſet, ſondern den Naͤch-
ſten huͤlflos laͤſſet.
γ. Wenn man zwar im Stande der Gnaden
ſtehet, aber ſolchen nicht wohl bewahret,
ſondern in allerhand Unlauterkeit eingehet,
und doch aber bey denen, die rechtſchaf-
fen ſind, noch immer das Anſehen haben
will, als waͤre man es auch, und dazu aͤuſ-
ſerlich mehr Schein annimmt, als man in-
nerlich Kraft hat.
g. Ferner ſoll abgeleget werden der Neid, wo-
durch man andern das gute, ſo ihnen beſon-
ders wiederfaͤhret, mißgoͤnnet, auch wohl haſ-
ſet; wie denn dieſes Wort vom Haſſe pfleget
mit verſtanden zu werden. Und weil ſich bey-
des auf mancherley Art bey dem Menſchen
befindet, ſo gebrauchet der Apoſtel davon auch
die Zahl der Vielheit.
h. Was Afterreden ſind, das iſt bekant: nem-
lich es ſind theils unwahre, theils unguͤtige
[Spaltenumbruch] Beurtheilungen anderer, und demnach alſo
beſchaffen, daß ſie theils wider die Wahrheit,
theils wider die Liebe lauffen, und bey vieler
Leichtglaͤubigkeit mit vieler Ubereilung geſche-
hen. Und iſt eine Suͤnde, dazu ein Menſch
ſehr leicht verſuchet wird, und damit er am
meiſten pfleget uͤbereilet zu werden, ſo iſt es
die Zungen-Suͤnde: darum Jacobus in ſei-
nem Briefe ſo weitlaͤuftig davon handelt.
Und um dieſer vielfachen Art und Verſuͤndi-
gung willen ſetzet der Apoſtel das Wort nicht
allein in der Zahl der Vielheit, ſondern fuͤget
auch das Wort alle dazu, und ſpricht: πάσας
καταλαλιὰς.
i. Dieſe bisher recenſirten den Chriſten unan-
ſtaͤndige Dinge ſollen nun abgeleget wer-
den, nemlich in der fernern Fortſetzung und
taͤglichen Erneuerung, um ſich davon mehr
und mehr zu reinigen, nachdem allem ſol-
chen ſuͤndlichen Weſen in der Bekehrung be-
reits die Herrſchaft war genommen worden.
Bey der Ablegung aber koͤmmt es zuvorderſt
an auf die genaue Selbſt-Pruͤfung, daß
man ſich recht kennen lerne, und ſehe, wo es
einem noch fehlet: wie auch auf die Wach-
ſamkeit
uͤber ſich ſelbſt, daß man ſich davor
in der beywohnenden und noch mehr zu erbit-
tenden Kraft GOttes bewahren moͤge: und
denn nicht weniger auf die Treue, daß, ſobald
man hie und da einige Ubereilung findet, man
ſich dieſelbe laſſe hertzlich leid ſeyn, und zu
mehrer Wahrnehmung ſeiner ſelbſt dienen.
k. Es haͤlt aber die Ablegung zugleich eine Anle-
gung mit in ſich. Denn es iſt bey dem Men-
ſchen kein vacuum morale, daß er koͤnne
vom Boͤſen und auch zugleich vom Guten leer
ſeyn: ſondern wo das Boͤſe austritt, ſo tritt
das Gute ein. Darum die heilige Schrift
zuweilen beydes bey einander ſetzet, als in
den bekanten Orten von Ablegung des alten
Menſchen und Anlegung des neuen Eph. 4,
22. u. f. Col. 3, 8. u. ſ. w. Zuweilen des einen
Theils nur allein gedencket, aber das andere
allemal darunter verſtehet: und wie hier, des
Boͤſen zur Unterlaſſung, alſo auch anderwaͤr-
tig des Guten zur Ausuͤbung.

3. Wir finden auch in den folgenden Wor-
ten eine Anmahnung zum Guten, ob gleich
nicht mit ſolchen Worten, welche den vorherbe-
meldeten Laſtern entgegen ſtuͤnden, doch ſonſt in
der Sache ſelbſt gar nachdruͤcklich, wenn der A-
poſtel ſaget: Und ſeyd begierig nach der ver-
nuͤnftigen lautern Milch, auf daß ihr da-
durch zunehmet.
Als womit er dergeſtalt
auf die Ausuͤbung des Guten gehet, daß er da-
bey zugleich die gehoͤrige Evangeliſche Gnaden-
Kraft anweiſet, welche zu beyden, zur wuͤrdi-
gen Unterlaſſung des Boͤſen, und Ausuͤbung des
Guten noͤthig iſt. Wir haben aber bey dieſen
gar nachdruͤcklichen Worten folgendes zu mer-
cken:

a. Die Milch iſt ein Bild des Evangelii, ſo fern
man daſſelbe nicht allein nach der Lehre,
ſondern auch der damit verknuͤpften Gnade
GOttes verſtehet. Bey der Vergleichung
koͤmmt
X x x
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[529/0531] Cap. 2. v. 1. 2. 3. des erſten Briefes Petri. dem Schein einer indifferenten, oder zulaͤſ- ſigen Sache betreten wird, und ſich hernach mit ſolcher Einbildung, da man es fuͤr wahr haͤlt, ſelbſt, auch wohl noch dazu andere, be- trieget. Daß aber dagegen in allen Stuͤcken ein rechter Ernſt bewieſen werden ſoll, darauf gehet der Apoſtel mit dem Beyſatze des Worts πάντα, allen. e. Die Heucheley wird mit einem Worte im Griechiſchen ausgedrucket, welches, nemlich ὑπόκρισις eigentlich hergenommen iſt von ſol- chen Menſchen, die in eitelen Schauſpielen ſich fuͤr dieſe und jene Perſon ausgeben, welche ſie doch nicht ſind, ſondern nur ihre Kleidun- gen, Geberden und Worte annehmen. Denn alſo machet es ein heuchler. Er iſt kein wah- rer Chriſt, und kein Kind GOttes, er hat alſo auch nicht eine ſolche Fuͤlle des guten Her- tzens, aus welcher er reden und handeln koͤn- te: nichts deſtoweniger aber giebt er ſich fuͤr einen Chriſten und fuͤr ein Kind GOttes aus, redet und thut auch mit Worten und Wer- cken aͤuſſerlich alſo, und agiret gleichſam ei- ne fremde Perſon. Welches denn eine recht ſchaͤndliche Sache vor GOTT und Men- ſchen, ſonderlich vor den Augen des allſehen- den GOttes. f. Es ſetzet aber der Apoſtel das Wort hypo- criſis in der Zahl der Vielheit, ὑποκρίτεις: womit er anzeiget, daß es nicht allein vieler- ley Handlungen, ſondern auch vielerley Ar- ten der Heucheley gebe. Die drey Haupt- Gattungen ſind dieſe: α. Wenn man noch gar nicht im Stande der Gnaden ſtehet, und doch dafuͤr will gehal- ten ſeyn, und zu dem Ende alles das, was andere aus einem guten Grunde des Her- tzens thun, nur aͤuſſerlich nach- und mit machet. Weil nun ſolche Leute ſich gar leichte unter den Rechtſchafnen mit ein- finden konten, ſo warnet der Apoſtel da- vor. β. Wenn man bey ſolchem faulen Grunde ei- ne Liebe gegen GOTT und den Naͤchſten mit Worten vorgiebet, aber in der That nichts weniger beweiſet, ſondern den Naͤch- ſten huͤlflos laͤſſet. γ. Wenn man zwar im Stande der Gnaden ſtehet, aber ſolchen nicht wohl bewahret, ſondern in allerhand Unlauterkeit eingehet, und doch aber bey denen, die rechtſchaf- fen ſind, noch immer das Anſehen haben will, als waͤre man es auch, und dazu aͤuſ- ſerlich mehr Schein annimmt, als man in- nerlich Kraft hat. g. Ferner ſoll abgeleget werden der Neid, wo- durch man andern das gute, ſo ihnen beſon- ders wiederfaͤhret, mißgoͤnnet, auch wohl haſ- ſet; wie denn dieſes Wort vom Haſſe pfleget mit verſtanden zu werden. Und weil ſich bey- des auf mancherley Art bey dem Menſchen befindet, ſo gebrauchet der Apoſtel davon auch die Zahl der Vielheit. h. Was Afterreden ſind, das iſt bekant: nem- lich es ſind theils unwahre, theils unguͤtige Beurtheilungen anderer, und demnach alſo beſchaffen, daß ſie theils wider die Wahrheit, theils wider die Liebe lauffen, und bey vieler Leichtglaͤubigkeit mit vieler Ubereilung geſche- hen. Und iſt eine Suͤnde, dazu ein Menſch ſehr leicht verſuchet wird, und damit er am meiſten pfleget uͤbereilet zu werden, ſo iſt es die Zungen-Suͤnde: darum Jacobus in ſei- nem Briefe ſo weitlaͤuftig davon handelt. Und um dieſer vielfachen Art und Verſuͤndi- gung willen ſetzet der Apoſtel das Wort nicht allein in der Zahl der Vielheit, ſondern fuͤget auch das Wort alle dazu, und ſpricht: πάσας καταλαλιὰς. i. Dieſe bisher recenſirten den Chriſten unan- ſtaͤndige Dinge ſollen nun abgeleget wer- den, nemlich in der fernern Fortſetzung und taͤglichen Erneuerung, um ſich davon mehr und mehr zu reinigen, nachdem allem ſol- chen ſuͤndlichen Weſen in der Bekehrung be- reits die Herrſchaft war genommen worden. Bey der Ablegung aber koͤmmt es zuvorderſt an auf die genaue Selbſt-Pruͤfung, daß man ſich recht kennen lerne, und ſehe, wo es einem noch fehlet: wie auch auf die Wach- ſamkeit uͤber ſich ſelbſt, daß man ſich davor in der beywohnenden und noch mehr zu erbit- tenden Kraft GOttes bewahren moͤge: und denn nicht weniger auf die Treue, daß, ſobald man hie und da einige Ubereilung findet, man ſich dieſelbe laſſe hertzlich leid ſeyn, und zu mehrer Wahrnehmung ſeiner ſelbſt dienen. k. Es haͤlt aber die Ablegung zugleich eine Anle- gung mit in ſich. Denn es iſt bey dem Men- ſchen kein vacuum morale, daß er koͤnne vom Boͤſen und auch zugleich vom Guten leer ſeyn: ſondern wo das Boͤſe austritt, ſo tritt das Gute ein. Darum die heilige Schrift zuweilen beydes bey einander ſetzet, als in den bekanten Orten von Ablegung des alten Menſchen und Anlegung des neuen Eph. 4, 22. u. f. Col. 3, 8. u. ſ. w. Zuweilen des einen Theils nur allein gedencket, aber das andere allemal darunter verſtehet: und wie hier, des Boͤſen zur Unterlaſſung, alſo auch anderwaͤr- tig des Guten zur Ausuͤbung. 3. Wir finden auch in den folgenden Wor- ten eine Anmahnung zum Guten, ob gleich nicht mit ſolchen Worten, welche den vorherbe- meldeten Laſtern entgegen ſtuͤnden, doch ſonſt in der Sache ſelbſt gar nachdruͤcklich, wenn der A- poſtel ſaget: Und ſeyd begierig nach der ver- nuͤnftigen lautern Milch, auf daß ihr da- durch zunehmet. Als womit er dergeſtalt auf die Ausuͤbung des Guten gehet, daß er da- bey zugleich die gehoͤrige Evangeliſche Gnaden- Kraft anweiſet, welche zu beyden, zur wuͤrdi- gen Unterlaſſung des Boͤſen, und Ausuͤbung des Guten noͤthig iſt. Wir haben aber bey dieſen gar nachdruͤcklichen Worten folgendes zu mer- cken: a. Die Milch iſt ein Bild des Evangelii, ſo fern man daſſelbe nicht allein nach der Lehre, ſondern auch der damit verknuͤpften Gnade GOttes verſtehet. Bey der Vergleichung koͤmmt X x x

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/531>, abgerufen am 25.11.2024.