Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Richtige und erbauliche Cap. 5. v. 10-11.
[Spaltenumbruch] ein besonders Geschäfte zugeschrieben wird.
2 Pet. 2, 21. u. s. w.

3. Jm Griechischen stehet von den Prophe-
ten nur schlechthin, daß sie im Namen des
HErrn geredet haben,
nicht aber mit dem
Zusatze, euch; der selige Lutherus aber hat die-
ses Wort vermuthlich deßwegen dazu gesetzet,
weil die Gläubigen billig dafür hielten, daß al-
les, was die Propheten ihren Vätern geredet,
und dazu in Schriften hinterlassen hatten, auch
ihnen geredet war.

4. Daß die Propheten von ihrem eignen
Volcke vieles erdulden müssen, siehet man
zum Theil aus ihren Zeugnissen und aus dem
Verhalten des Volcks. Es ist demnach das
Geheimniß des Creutzes was allgemeines un-
ter dem alten und neuen Testamente; und unter
diesem soviel gemeiner, soviel mercklicher davon
der Anfang an Christo selbst und an seinen Apo-
steln gemachet ist.

5. Das Exempel der Propheten stellete
unser Heyland selbst seinen Zuhörern in der
Berg-Predigt vor, wenn er sprach: Selig
seyd ihr, wenn euch die Menschen um
meinet willen schmähen und verfolgen,
und reden allerley Ubels wider euch, so
sie daran lügen. Seyd frölich und getrost,
es wird euch im Himmel wohl belohnet
werden. Denn also haben sie verfolget
die Propheten, die vor euch gewesen sind.

Matth. 5, 11. 12.

6. Es setzet aber Jacobus an den Exem-
peln der Propheten das Leiden und die Ge-
duld
gar fein zusammen: sintemal sich die Lei-
den, die man um GOttes und des Gewissens
willen über sich nimmt, durch die Geduld am
meisten characterisiren und von andern Leiden
unterscheiden. Denn da bey den selbstgemachten
Leiden die Geduld nur gantz gezwungen und vol-
ler Unwillen und Unruhe ist; und in den ge-
meinen, oder bloß natürlichen Leiden die Geduld
bey den Gottlosen auch nur aus natürlichen Kräf-
ten kömmt, und nicht rechter Art ist; so ist sie
bey den Leiden um Christi willen willig, freudig,
und beständig.

7. Ein Exempel des Leidens und der Ge-
duld an den Propheten nehmen ist das Creutz
Christi nicht ansehen als etwas fremdes, das ei-
nem nur allein bey dem Evangelio von Christo
begegne; sondern als etwas altes und gemeines,
und sich die löblichen Exempel so vieler Vorgän-
ger zur getreuen Nachfolge dienen lassen. Wel-
che Ermahnung Paulus auch Hebr. 12, 1. u. f.
aus dem grossen und langen Haufen der Cap. 11.
angeführten gläubigen Creutzträger des alten
Testaments ziehet.

V. 11.

Siehe, wir preisen selig, die erduldet
haben,
(und folgen darinnen unserm Heylande
billig nach, als der auch solches Matth. 5, 10.
11. thut.) Die Geduld Hiob habet ihr ge-
höret, und das Ende des HERRN
(wie
GOtt sein Leiden in Freude verkehret, und ihm
allen Verlust so reichlich ersetzet hat,) habt ihr
[Spaltenumbruch] gesehen: denn der HErr ist barmhertzig,

(polusplagkhnos, sehr barmhertzig, sehr mitleidig,)
und ein Erbarmer, (nach 2 B. Mos. 20, 6.
4 B. Mos. 14, 18. Ps. 103, 8. wie er sich inson-
derheit gegen den Hiob erwiesen hat.)

Anmerckungen.

1. Preiset man die, welche erduldet haben,
selig, so suchet man billig sich auch also zu ver-
halten, daß man möge unter denen seyn, wel-
che selig gepriesen werden; doch daß es einem
nicht um die Seligpreisung, sondern um die Se-
ligkeit selbst zu thun sey.

2. Man siehet aus diesem Zeugnisse Jacobs,
daß das, was vom Hiob in seinem Buche auf-
gezeichnet gelesen wird, eine wircklich also ergan-
gene Geschicht sey, und dafür bey der alten Ju-
dischen und Christlichen Kirche sey gehalten wor-
den. Eben dieses bezeuget, ausser den im Bu-
che selbst befindlichen Umständen und Eigenschaf-
ten einer wircklichen Historie, auch GOtt selbst
beym Ezechiel c. 14, 14. 16. 18. 20. da es heißt:
wenn gleich die drey Männer, Noah, Da-
niel, und Hiob darinnen
(in einem Lande)
wären, so würden sie allein ihre Seele er-
retten durch ihre Gerechtigkeit, spricht
der HErr HErr,
u. s. w.

3. Da Hiob, wie unstreitig ist, kurtz vor
Mosis Zeiten gelebet, aber zu den Jsraeliten in
Egypten nicht gehöret hat; sondern einer von de-
nen gewesen, welche ausser dem Volcke GOt-
tes unter den übrigen Völckern, sonderlich in
Orient, GOtt also erkannt, und ihm also ge-
dienet haben, wie es die Noachische Theolo-
gi
e und Unterweisung mit sich brachte; so siehet
man aus seinem Exempel, wie GOtt auch aus-
ser dem Judischen Volcke die Seinigen gehabt
habe, die ihm im Geiste und in der Wahrheit,
nach dem Lichte der durch die ächte Tradition
fortgepflantzen Offenbarung gedienet haben.
Welches man auch von den Freunden Hiobs sa-
gen kan. Denn ob sie gleich in der auf den Hi-
ob gemachten Application ihrer Reden hie und
da irreten, so waren diese doch an sich selbst im
Grunde des Glaubens richtig.

4. Beging gleich Hiob auf einige Zeit eine
nicht geringe Schwachheit der Ungeduld; wie
er auch selbst bekennet, c. 42, 3. so hat ihm doch
GOtt solche nicht zugerechnet, ja ihn selbst gegen
seine Freunde vertreten. c. 42, 7. u. f. Es heißt
demnach alhier auch: a potiori fit denomi-
natio:
man benennet eine Sache billig von dem,
was das meiste und beste an ihr ist.

5. Es könten zwar, nach einiger ihrer Aus-
legung, die Worte: das Ende des HErrn
habt ihr gesehen,
von Christi Leiden verstan-
den werden, also daß dabey das sehen mancher
Juden dem hören vom Hiob entgegen gesetzet,
und angezeiget werde, wie daß man nebst den
Exempeln der Propheten und Hiobs zuvorderst
auf das Exempel der Geduld Christi, welche er
in seinem Leiden bis in den Tod erwiesen habe,
zu sehen habe: aber sie lassen sich doch nach dem
Contexte viel füglicher vom Hiob verstehen: sin-
temal wir in seinem Buche lesen, was seine Lei-

den

Richtige und erbauliche Cap. 5. v. 10-11.
[Spaltenumbruch] ein beſonders Geſchaͤfte zugeſchrieben wird.
2 Pet. 2, 21. u. ſ. w.

3. Jm Griechiſchen ſtehet von den Prophe-
ten nur ſchlechthin, daß ſie im Namen des
HErrn geredet haben,
nicht aber mit dem
Zuſatze, euch; der ſelige Lutherus aber hat die-
ſes Wort vermuthlich deßwegen dazu geſetzet,
weil die Glaͤubigen billig dafuͤr hielten, daß al-
les, was die Propheten ihren Vaͤtern geredet,
und dazu in Schriften hinterlaſſen hatten, auch
ihnen geredet war.

4. Daß die Propheten von ihrem eignen
Volcke vieles erdulden muͤſſen, ſiehet man
zum Theil aus ihren Zeugniſſen und aus dem
Verhalten des Volcks. Es iſt demnach das
Geheimniß des Creutzes was allgemeines un-
ter dem alten und neuen Teſtamente; und unter
dieſem ſoviel gemeiner, ſoviel mercklicher davon
der Anfang an Chriſto ſelbſt und an ſeinen Apo-
ſteln gemachet iſt.

5. Das Exempel der Propheten ſtellete
unſer Heyland ſelbſt ſeinen Zuhoͤrern in der
Berg-Predigt vor, wenn er ſprach: Selig
ſeyd ihr, wenn euch die Menſchen um
meinet willen ſchmaͤhen und verfolgen,
und reden allerley Ubels wider euch, ſo
ſie daran luͤgen. Seyd froͤlich und getroſt,
es wird euch im Himmel wohl belohnet
werden. Denn alſo haben ſie verfolget
die Propheten, die vor euch geweſen ſind.

Matth. 5, 11. 12.

6. Es ſetzet aber Jacobus an den Exem-
peln der Propheten das Leiden und die Ge-
duld
gar fein zuſammen: ſintemal ſich die Lei-
den, die man um GOttes und des Gewiſſens
willen uͤber ſich nimmt, durch die Geduld am
meiſten characteriſiren und von andern Leiden
unterſcheiden. Denn da bey den ſelbſtgemachten
Leiden die Geduld nur gantz gezwungen und vol-
ler Unwillen und Unruhe iſt; und in den ge-
meinen, oder bloß natuͤrlichen Leiden die Geduld
bey den Gottloſen auch nur aus natuͤrlichen Kraͤf-
ten koͤmmt, und nicht rechter Art iſt; ſo iſt ſie
bey den Leiden um Chriſti willen willig, freudig,
und beſtaͤndig.

7. Ein Exempel des Leidens und der Ge-
duld an den Propheten nehmen iſt das Creutz
Chriſti nicht anſehen als etwas fremdes, das ei-
nem nur allein bey dem Evangelio von Chriſto
begegne; ſondern als etwas altes und gemeines,
und ſich die loͤblichen Exempel ſo vieler Vorgaͤn-
ger zur getreuen Nachfolge dienen laſſen. Wel-
che Ermahnung Paulus auch Hebr. 12, 1. u. f.
aus dem groſſen und langen Haufen der Cap. 11.
angefuͤhrten glaͤubigen Creutztraͤger des alten
Teſtaments ziehet.

V. 11.

Siehe, wir preiſen ſelig, die erduldet
haben,
(und folgen darinnen unſerm Heylande
billig nach, als der auch ſolches Matth. 5, 10.
11. thut.) Die Geduld Hiob habet ihr ge-
hoͤret, und das Ende des HERRN
(wie
GOtt ſein Leiden in Freude verkehret, und ihm
allen Verluſt ſo reichlich erſetzet hat,) habt ihr
[Spaltenumbruch] geſehen: denn der HErr iſt barmhertzig,

(πολύσπλαγχνος, ſehr barmhertzig, ſehr mitleidig,)
und ein Erbarmer, (nach 2 B. Moſ. 20, 6.
4 B. Moſ. 14, 18. Pſ. 103, 8. wie er ſich inſon-
derheit gegen den Hiob erwieſen hat.)

Anmerckungen.

1. Preiſet man die, welche erduldet haben,
ſelig, ſo ſuchet man billig ſich auch alſo zu ver-
halten, daß man moͤge unter denen ſeyn, wel-
che ſelig geprieſen werden; doch daß es einem
nicht um die Seligpreiſung, ſondern um die Se-
ligkeit ſelbſt zu thun ſey.

2. Man ſiehet aus dieſem Zeugniſſe Jacobs,
daß das, was vom Hiob in ſeinem Buche auf-
gezeichnet geleſen wird, eine wircklich alſo ergan-
gene Geſchicht ſey, und dafuͤr bey der alten Ju-
diſchen und Chriſtlichen Kirche ſey gehalten wor-
den. Eben dieſes bezeuget, auſſer den im Bu-
che ſelbſt befindlichen Umſtaͤnden und Eigenſchaf-
ten einer wircklichen Hiſtorie, auch GOtt ſelbſt
beym Ezechiel c. 14, 14. 16. 18. 20. da es heißt:
wenn gleich die drey Maͤnner, Noah, Da-
niel, und Hiob darinnen
(in einem Lande)
waͤren, ſo wuͤrden ſie allein ihre Seele er-
retten durch ihre Gerechtigkeit, ſpricht
der HErr HErr,
u. ſ. w.

3. Da Hiob, wie unſtreitig iſt, kurtz vor
Moſis Zeiten gelebet, aber zu den Jſraeliten in
Egypten nicht gehoͤret hat; ſondern einer von de-
nen geweſen, welche auſſer dem Volcke GOt-
tes unter den uͤbrigen Voͤlckern, ſonderlich in
Orient, GOtt alſo erkannt, und ihm alſo ge-
dienet haben, wie es die Noachiſche Theolo-
gi
e und Unterweiſung mit ſich brachte; ſo ſiehet
man aus ſeinem Exempel, wie GOtt auch auſ-
ſer dem Judiſchen Volcke die Seinigen gehabt
habe, die ihm im Geiſte und in der Wahrheit,
nach dem Lichte der durch die aͤchte Tradition
fortgepflantzen Offenbarung gedienet haben.
Welches man auch von den Freunden Hiobs ſa-
gen kan. Denn ob ſie gleich in der auf den Hi-
ob gemachten Application ihrer Reden hie und
da irreten, ſo waren dieſe doch an ſich ſelbſt im
Grunde des Glaubens richtig.

4. Beging gleich Hiob auf einige Zeit eine
nicht geringe Schwachheit der Ungeduld; wie
er auch ſelbſt bekennet, c. 42, 3. ſo hat ihm doch
GOtt ſolche nicht zugerechnet, ja ihn ſelbſt gegen
ſeine Freunde vertreten. c. 42, 7. u. f. Es heißt
demnach alhier auch: a potiori fit denomi-
natio:
man benennet eine Sache billig von dem,
was das meiſte und beſte an ihr iſt.

5. Es koͤnten zwar, nach einiger ihrer Aus-
legung, die Worte: das Ende des HErrn
habt ihr geſehen,
von Chriſti Leiden verſtan-
den werden, alſo daß dabey das ſehen mancher
Juden dem hoͤren vom Hiob entgegen geſetzet,
und angezeiget werde, wie daß man nebſt den
Exempeln der Propheten und Hiobs zuvorderſt
auf das Exempel der Geduld Chriſti, welche er
in ſeinem Leiden bis in den Tod erwieſen habe,
zu ſehen habe: aber ſie laſſen ſich doch nach dem
Contexte viel fuͤglicher vom Hiob verſtehen: ſin-
temal wir in ſeinem Buche leſen, was ſeine Lei-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0488" n="486"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Richtige und erbauliche Cap. 5. v. 10-11.</hi></fw><lb/><cb/>
ein be&#x017F;onders Ge&#x017F;cha&#x0364;fte zuge&#x017F;chrieben wird.<lb/>
2 Pet. 2, 21. u. &#x017F;. w.</p><lb/>
              <p>3. Jm Griechi&#x017F;chen &#x017F;tehet von den Prophe-<lb/>
ten nur &#x017F;chlechthin, daß &#x017F;ie <hi rendition="#fr">im Namen des<lb/>
HErrn geredet haben,</hi> nicht aber mit dem<lb/>
Zu&#x017F;atze, <hi rendition="#fr">euch;</hi> der &#x017F;elige <hi rendition="#aq">Lutherus</hi> aber hat die-<lb/>
&#x017F;es Wort vermuthlich deßwegen dazu ge&#x017F;etzet,<lb/>
weil die Gla&#x0364;ubigen billig dafu&#x0364;r hielten, daß al-<lb/>
les, was die Propheten ihren Va&#x0364;tern geredet,<lb/>
und dazu in Schriften hinterla&#x017F;&#x017F;en hatten, auch<lb/>
ihnen geredet war.</p><lb/>
              <p>4. Daß die Propheten von ihrem eignen<lb/>
Volcke vieles <hi rendition="#fr">erdulden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</hi> &#x017F;iehet man<lb/>
zum Theil aus ihren Zeugni&#x017F;&#x017F;en und aus dem<lb/>
Verhalten des Volcks. Es i&#x017F;t demnach das<lb/><hi rendition="#fr">Geheimniß des Creutzes</hi> was allgemeines un-<lb/>
ter dem alten und neuen Te&#x017F;tamente; und unter<lb/>
die&#x017F;em &#x017F;oviel gemeiner, &#x017F;oviel mercklicher davon<lb/>
der Anfang an Chri&#x017F;to &#x017F;elb&#x017F;t und an &#x017F;einen Apo-<lb/>
&#x017F;teln gemachet i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>5. Das <hi rendition="#fr">Exempel der Propheten</hi> &#x017F;tellete<lb/>
un&#x017F;er Heyland &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;einen Zuho&#x0364;rern in der<lb/>
Berg-Predigt vor, wenn er &#x017F;prach: <hi rendition="#fr">Selig<lb/>
&#x017F;eyd ihr, wenn euch die Men&#x017F;chen um<lb/>
meinet willen &#x017F;chma&#x0364;hen und verfolgen,<lb/>
und reden allerley Ubels wider euch, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ie daran lu&#x0364;gen. Seyd fro&#x0364;lich und getro&#x017F;t,<lb/>
es wird euch im Himmel wohl belohnet<lb/>
werden. Denn al&#x017F;o haben &#x017F;ie verfolget<lb/>
die Propheten, die vor euch gewe&#x017F;en &#x017F;ind.</hi><lb/>
Matth. 5, 11. 12.</p><lb/>
              <p>6. Es &#x017F;etzet aber Jacobus an den Exem-<lb/>
peln der Propheten <hi rendition="#fr">das Leiden</hi> und <hi rendition="#fr">die Ge-<lb/>
duld</hi> gar fein zu&#x017F;ammen: &#x017F;intemal &#x017F;ich die Lei-<lb/>
den, die man um GOttes und des Gewi&#x017F;&#x017F;ens<lb/>
willen u&#x0364;ber &#x017F;ich nimmt, durch die Geduld am<lb/>
mei&#x017F;ten <hi rendition="#aq">characteri&#x017F;ir</hi>en und von andern Leiden<lb/>
unter&#x017F;cheiden. Denn da bey den &#x017F;elb&#x017F;tgemachten<lb/>
Leiden die Geduld nur gantz gezwungen und vol-<lb/>
ler Unwillen und Unruhe i&#x017F;t; und in den ge-<lb/>
meinen, oder bloß natu&#x0364;rlichen Leiden die Geduld<lb/>
bey den Gottlo&#x017F;en auch nur aus natu&#x0364;rlichen Kra&#x0364;f-<lb/>
ten ko&#x0364;mmt, und nicht rechter Art i&#x017F;t; &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
bey den Leiden um Chri&#x017F;ti willen willig, freudig,<lb/>
und be&#x017F;ta&#x0364;ndig.</p><lb/>
              <p>7. Ein <hi rendition="#fr">Exempel</hi> des Leidens und der Ge-<lb/>
duld an den Propheten <hi rendition="#fr">nehmen</hi> i&#x017F;t das Creutz<lb/>
Chri&#x017F;ti nicht an&#x017F;ehen als etwas fremdes, das ei-<lb/>
nem nur allein bey dem Evangelio von Chri&#x017F;to<lb/>
begegne; &#x017F;ondern als etwas altes und gemeines,<lb/>
und &#x017F;ich die lo&#x0364;blichen Exempel &#x017F;o vieler Vorga&#x0364;n-<lb/>
ger zur getreuen Nachfolge dienen la&#x017F;&#x017F;en. Wel-<lb/>
che Ermahnung Paulus auch Hebr. 12, 1. u. f.<lb/>
aus dem gro&#x017F;&#x017F;en und langen Haufen der Cap. 11.<lb/>
angefu&#x0364;hrten gla&#x0364;ubigen Creutztra&#x0364;ger des alten<lb/>
Te&#x017F;taments ziehet.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 11.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Siehe, wir prei&#x017F;en &#x017F;elig, die erduldet<lb/>
haben,</hi> (und folgen darinnen un&#x017F;erm Heylande<lb/>
billig nach, als der auch &#x017F;olches Matth. 5, 10.<lb/>
11. thut.) <hi rendition="#fr">Die Geduld Hiob habet ihr ge-<lb/>
ho&#x0364;ret, und das Ende des HERRN</hi> (wie<lb/>
GOtt &#x017F;ein Leiden in Freude verkehret, und ihm<lb/>
allen Verlu&#x017F;t &#x017F;o reichlich er&#x017F;etzet hat,) <hi rendition="#fr">habt ihr<lb/><cb/>
ge&#x017F;ehen: denn der HErr i&#x017F;t barmhertzig,</hi><lb/>
(&#x03C0;&#x03BF;&#x03BB;&#x03CD;&#x03C3;&#x03C0;&#x03BB;&#x03B1;&#x03B3;&#x03C7;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2;, &#x017F;ehr barmhertzig, &#x017F;ehr mitleidig,)<lb/><hi rendition="#fr">und ein Erbarmer,</hi> (nach 2 B. Mo&#x017F;. 20, 6.<lb/>
4 B. Mo&#x017F;. 14, 18. P&#x017F;. 103, 8. wie er &#x017F;ich in&#x017F;on-<lb/>
derheit gegen den Hiob erwie&#x017F;en hat.)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Prei&#x017F;et man die, welche erduldet haben,<lb/>
&#x017F;elig, &#x017F;o &#x017F;uchet man billig &#x017F;ich auch al&#x017F;o zu ver-<lb/>
halten, daß man mo&#x0364;ge unter denen &#x017F;eyn, wel-<lb/>
che &#x017F;elig geprie&#x017F;en werden; doch daß es einem<lb/>
nicht um die Seligprei&#x017F;ung, &#x017F;ondern um die Se-<lb/>
ligkeit &#x017F;elb&#x017F;t zu thun &#x017F;ey.</p><lb/>
              <p>2. Man &#x017F;iehet aus die&#x017F;em Zeugni&#x017F;&#x017F;e Jacobs,<lb/>
daß das, was vom Hiob in &#x017F;einem Buche auf-<lb/>
gezeichnet gele&#x017F;en wird, eine wircklich al&#x017F;o ergan-<lb/>
gene Ge&#x017F;chicht &#x017F;ey, und dafu&#x0364;r bey der alten Ju-<lb/>
di&#x017F;chen und Chri&#x017F;tlichen Kirche &#x017F;ey gehalten wor-<lb/>
den. Eben die&#x017F;es bezeuget, au&#x017F;&#x017F;er den im Bu-<lb/>
che &#x017F;elb&#x017F;t befindlichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden und Eigen&#x017F;chaf-<lb/>
ten einer wircklichen Hi&#x017F;torie, auch GOtt &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
beym Ezechiel c. 14, 14. 16. 18. 20. da es heißt:<lb/><hi rendition="#fr">wenn gleich die drey Ma&#x0364;nner, Noah, Da-<lb/>
niel, und Hiob darinnen</hi> (in einem Lande)<lb/><hi rendition="#fr">wa&#x0364;ren, &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ie allein ihre Seele er-<lb/>
retten durch ihre Gerechtigkeit, &#x017F;pricht<lb/>
der HErr HErr,</hi> u. &#x017F;. w.</p><lb/>
              <p>3. Da Hiob, wie un&#x017F;treitig i&#x017F;t, kurtz vor<lb/>
Mo&#x017F;is Zeiten gelebet, aber zu den J&#x017F;raeliten in<lb/>
Egypten nicht geho&#x0364;ret hat; &#x017F;ondern einer von de-<lb/>
nen gewe&#x017F;en, welche au&#x017F;&#x017F;er dem Volcke GOt-<lb/>
tes unter den u&#x0364;brigen Vo&#x0364;lckern, &#x017F;onderlich in<lb/>
Orient, GOtt al&#x017F;o erkannt, und ihm al&#x017F;o ge-<lb/>
dienet haben, wie es die Noachi&#x017F;che <hi rendition="#aq">Theolo-<lb/>
gi</hi>e und Unterwei&#x017F;ung mit &#x017F;ich brachte; &#x017F;o &#x017F;iehet<lb/>
man aus &#x017F;einem Exempel, wie GOtt auch au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er dem Judi&#x017F;chen Volcke die Seinigen gehabt<lb/>
habe, die ihm im Gei&#x017F;te und in der Wahrheit,<lb/>
nach dem Lichte der durch die a&#x0364;chte <hi rendition="#aq">Tradition</hi><lb/>
fortgepflantzen Offenbarung gedienet haben.<lb/>
Welches man auch von den Freunden Hiobs &#x017F;a-<lb/>
gen kan. Denn ob &#x017F;ie gleich in der auf den Hi-<lb/>
ob gemachten <hi rendition="#aq">Application</hi> ihrer Reden hie und<lb/>
da irreten, &#x017F;o waren die&#x017F;e doch an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t im<lb/>
Grunde des Glaubens richtig.</p><lb/>
              <p>4. Beging gleich Hiob auf einige Zeit eine<lb/>
nicht geringe Schwachheit der Ungeduld; wie<lb/>
er auch &#x017F;elb&#x017F;t bekennet, c. 42, 3. &#x017F;o hat ihm doch<lb/>
GOtt &#x017F;olche nicht zugerechnet, ja ihn &#x017F;elb&#x017F;t gegen<lb/>
&#x017F;eine Freunde vertreten. c. 42, 7. u. f. Es heißt<lb/>
demnach alhier auch: <hi rendition="#aq">a potiori fit denomi-<lb/>
natio:</hi> man benennet eine Sache billig von dem,<lb/>
was das mei&#x017F;te und be&#x017F;te an ihr i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>5. Es ko&#x0364;nten zwar, nach einiger ihrer Aus-<lb/>
legung, die Worte: <hi rendition="#fr">das Ende des HErrn<lb/>
habt ihr ge&#x017F;ehen,</hi> von Chri&#x017F;ti Leiden ver&#x017F;tan-<lb/>
den werden, al&#x017F;o daß dabey das <hi rendition="#fr">&#x017F;ehen</hi> mancher<lb/>
Juden dem <hi rendition="#fr">ho&#x0364;ren</hi> vom Hiob entgegen ge&#x017F;etzet,<lb/>
und angezeiget werde, wie daß man neb&#x017F;t den<lb/>
Exempeln der Propheten und Hiobs zuvorder&#x017F;t<lb/>
auf das Exempel der Geduld Chri&#x017F;ti, welche er<lb/>
in &#x017F;einem Leiden bis in den Tod erwie&#x017F;en habe,<lb/>
zu &#x017F;ehen habe: aber &#x017F;ie la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich doch nach dem<lb/>
Contexte viel fu&#x0364;glicher vom Hiob ver&#x017F;tehen: &#x017F;in-<lb/>
temal wir in &#x017F;einem Buche le&#x017F;en, was &#x017F;eine Lei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[486/0488] Richtige und erbauliche Cap. 5. v. 10-11. ein beſonders Geſchaͤfte zugeſchrieben wird. 2 Pet. 2, 21. u. ſ. w. 3. Jm Griechiſchen ſtehet von den Prophe- ten nur ſchlechthin, daß ſie im Namen des HErrn geredet haben, nicht aber mit dem Zuſatze, euch; der ſelige Lutherus aber hat die- ſes Wort vermuthlich deßwegen dazu geſetzet, weil die Glaͤubigen billig dafuͤr hielten, daß al- les, was die Propheten ihren Vaͤtern geredet, und dazu in Schriften hinterlaſſen hatten, auch ihnen geredet war. 4. Daß die Propheten von ihrem eignen Volcke vieles erdulden muͤſſen, ſiehet man zum Theil aus ihren Zeugniſſen und aus dem Verhalten des Volcks. Es iſt demnach das Geheimniß des Creutzes was allgemeines un- ter dem alten und neuen Teſtamente; und unter dieſem ſoviel gemeiner, ſoviel mercklicher davon der Anfang an Chriſto ſelbſt und an ſeinen Apo- ſteln gemachet iſt. 5. Das Exempel der Propheten ſtellete unſer Heyland ſelbſt ſeinen Zuhoͤrern in der Berg-Predigt vor, wenn er ſprach: Selig ſeyd ihr, wenn euch die Menſchen um meinet willen ſchmaͤhen und verfolgen, und reden allerley Ubels wider euch, ſo ſie daran luͤgen. Seyd froͤlich und getroſt, es wird euch im Himmel wohl belohnet werden. Denn alſo haben ſie verfolget die Propheten, die vor euch geweſen ſind. Matth. 5, 11. 12. 6. Es ſetzet aber Jacobus an den Exem- peln der Propheten das Leiden und die Ge- duld gar fein zuſammen: ſintemal ſich die Lei- den, die man um GOttes und des Gewiſſens willen uͤber ſich nimmt, durch die Geduld am meiſten characteriſiren und von andern Leiden unterſcheiden. Denn da bey den ſelbſtgemachten Leiden die Geduld nur gantz gezwungen und vol- ler Unwillen und Unruhe iſt; und in den ge- meinen, oder bloß natuͤrlichen Leiden die Geduld bey den Gottloſen auch nur aus natuͤrlichen Kraͤf- ten koͤmmt, und nicht rechter Art iſt; ſo iſt ſie bey den Leiden um Chriſti willen willig, freudig, und beſtaͤndig. 7. Ein Exempel des Leidens und der Ge- duld an den Propheten nehmen iſt das Creutz Chriſti nicht anſehen als etwas fremdes, das ei- nem nur allein bey dem Evangelio von Chriſto begegne; ſondern als etwas altes und gemeines, und ſich die loͤblichen Exempel ſo vieler Vorgaͤn- ger zur getreuen Nachfolge dienen laſſen. Wel- che Ermahnung Paulus auch Hebr. 12, 1. u. f. aus dem groſſen und langen Haufen der Cap. 11. angefuͤhrten glaͤubigen Creutztraͤger des alten Teſtaments ziehet. V. 11. Siehe, wir preiſen ſelig, die erduldet haben, (und folgen darinnen unſerm Heylande billig nach, als der auch ſolches Matth. 5, 10. 11. thut.) Die Geduld Hiob habet ihr ge- hoͤret, und das Ende des HERRN (wie GOtt ſein Leiden in Freude verkehret, und ihm allen Verluſt ſo reichlich erſetzet hat,) habt ihr geſehen: denn der HErr iſt barmhertzig, (πολύσπλαγχνος, ſehr barmhertzig, ſehr mitleidig,) und ein Erbarmer, (nach 2 B. Moſ. 20, 6. 4 B. Moſ. 14, 18. Pſ. 103, 8. wie er ſich inſon- derheit gegen den Hiob erwieſen hat.) Anmerckungen. 1. Preiſet man die, welche erduldet haben, ſelig, ſo ſuchet man billig ſich auch alſo zu ver- halten, daß man moͤge unter denen ſeyn, wel- che ſelig geprieſen werden; doch daß es einem nicht um die Seligpreiſung, ſondern um die Se- ligkeit ſelbſt zu thun ſey. 2. Man ſiehet aus dieſem Zeugniſſe Jacobs, daß das, was vom Hiob in ſeinem Buche auf- gezeichnet geleſen wird, eine wircklich alſo ergan- gene Geſchicht ſey, und dafuͤr bey der alten Ju- diſchen und Chriſtlichen Kirche ſey gehalten wor- den. Eben dieſes bezeuget, auſſer den im Bu- che ſelbſt befindlichen Umſtaͤnden und Eigenſchaf- ten einer wircklichen Hiſtorie, auch GOtt ſelbſt beym Ezechiel c. 14, 14. 16. 18. 20. da es heißt: wenn gleich die drey Maͤnner, Noah, Da- niel, und Hiob darinnen (in einem Lande) waͤren, ſo wuͤrden ſie allein ihre Seele er- retten durch ihre Gerechtigkeit, ſpricht der HErr HErr, u. ſ. w. 3. Da Hiob, wie unſtreitig iſt, kurtz vor Moſis Zeiten gelebet, aber zu den Jſraeliten in Egypten nicht gehoͤret hat; ſondern einer von de- nen geweſen, welche auſſer dem Volcke GOt- tes unter den uͤbrigen Voͤlckern, ſonderlich in Orient, GOtt alſo erkannt, und ihm alſo ge- dienet haben, wie es die Noachiſche Theolo- gie und Unterweiſung mit ſich brachte; ſo ſiehet man aus ſeinem Exempel, wie GOtt auch auſ- ſer dem Judiſchen Volcke die Seinigen gehabt habe, die ihm im Geiſte und in der Wahrheit, nach dem Lichte der durch die aͤchte Tradition fortgepflantzen Offenbarung gedienet haben. Welches man auch von den Freunden Hiobs ſa- gen kan. Denn ob ſie gleich in der auf den Hi- ob gemachten Application ihrer Reden hie und da irreten, ſo waren dieſe doch an ſich ſelbſt im Grunde des Glaubens richtig. 4. Beging gleich Hiob auf einige Zeit eine nicht geringe Schwachheit der Ungeduld; wie er auch ſelbſt bekennet, c. 42, 3. ſo hat ihm doch GOtt ſolche nicht zugerechnet, ja ihn ſelbſt gegen ſeine Freunde vertreten. c. 42, 7. u. f. Es heißt demnach alhier auch: a potiori fit denomi- natio: man benennet eine Sache billig von dem, was das meiſte und beſte an ihr iſt. 5. Es koͤnten zwar, nach einiger ihrer Aus- legung, die Worte: das Ende des HErrn habt ihr geſehen, von Chriſti Leiden verſtan- den werden, alſo daß dabey das ſehen mancher Juden dem hoͤren vom Hiob entgegen geſetzet, und angezeiget werde, wie daß man nebſt den Exempeln der Propheten und Hiobs zuvorderſt auf das Exempel der Geduld Chriſti, welche er in ſeinem Leiden bis in den Tod erwieſen habe, zu ſehen habe: aber ſie laſſen ſich doch nach dem Contexte viel fuͤglicher vom Hiob verſtehen: ſin- temal wir in ſeinem Buche leſen, was ſeine Lei- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/488
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/488>, abgerufen am 22.11.2024.