[Spaltenumbruch]
big vorstellen, unsere Begierden zu ihm erheben, ihn anrufen, uns ihm aufopfern, ihn lieben und ihm im Geiste und in der Wahrheit dienen. Welches Zunahen auch sonst das Suchen Got- tes heißt: da wir durch die Sünde, welche uns von GOTT scheidet, als hindurch dringen, daß wir ihr durch die Gnade GOttes immer mehr absterben, und uns durch sie von der seli- gen Gemeinschaft mit GOTT nicht abhalten lassen.
3. GOTT nahet sich zu uns, wenn er seine Gegenwart in besondern Wirckungen sei- ner Gnade gegen uns erweiset. Er entfernet sich von uns, wenn er uns solche entziehet.
4. Und also hat man wohl zu mercken, wie sich eines auf das andere beziehet. Denn da- durch, daß sich der Mensch zu GOTT nahet, das ist, sein Hertz zu ihm erhebet, und gegen ihn öffnet, und dabey aus dem Wege räumet alles, was der Gegenwart GOttes und dem Zufluß seiner Gnade entgegen stehet, kan sich GOTT also zu ihm nahen, daß er ihm seine Gnade, der er sich in solcher Ordnung zwar nicht würdig, doch fähig machet, in immer mehrerm Maße kan mittheilen. Siehe auch Jer. 15, 19. da es heißt: Wo du dich zu mir hältst, so will ich mich zu dir halten. Jmgleichen Zach. 1, 3. So spricht der HErr Zebaoth: kehret euch zu mir, so will ich mich zu euch kehren.
5. Wir haben hierbey zu mercken, daß zwar das zu GOtt nahen eine Wohlthat und Pflicht sey aller Gläubigen zu allen Zeiten: aber daß es doch in einem besondern Maße ein Privilegi- um sey der Gläubigen des neuen Testaments: davon man sehe Eph. 2, 18. c. 3, 12. Hebr. 4, 16. c. 7, 19. c. 10, 19. 20. 21. 22.
6. Wie das zunahen zu GOtt geschehen soll, zeiget der Apostel insonderheit damit an, daß er fordert die Reinigung der Hände und die Keuschmachung der Hertzen. Die, von welchen er solches fordert, sind dipsukhoi, Wan- ckelmüthigen, gleichsam die Zweyhertzigen, wel- cher er schon oben gedacht, c. 1, 8. deren Eigen- schaft ist, bald glauben, bald nicht glauben; bald GOtt, bald der Welt anhangen, und also gleichsam ein geistlich-ehebrecherisches Hertz ha- ben, und der Welt Freundschaft mit der Liebe GOttes verbinden wollen. Und da solches kei- ne geringe, sondern eine solche Sünde ist, da- durch man von dem lebendigen GOtt abtritt, so nennet er sie dabey amartolou`s, solche Sünder, welche ihre innerlich herrschende Lüste auch äus- serlich liessen zum Ausbruch kommen.
7. Die geforderte Reinigung der Hände gehet auf einen äusserlich unsträfli- chen und unanstößigen Wandel; sintemal die Hände das Werckzeug der meisten Verrich- tungen im äusserlichen Leben sind: und die Keuschmachung der Seelen gehet auf eine wahre innere Reinigung der Seelen, nach dem Willen von den herrschenden und auch sonst ver- unreinigenden Lüsten, nach dem Verstande von den schädlichen Jrrthümern. Und aus dieser in- nerlichen Reinigung will der Apostel die äusserli- che hergeführet wissen. Der äussern aber ge- dencket er zuerst, weil man den Menschen dabey [Spaltenumbruch]
am ersten angreifen, und davon auf das innerli- che führen kan.
8. Es ist aber leicht zu erachten, in welchem Verstande dem Menschen selbst das Werck der zu reinigenden Hände zugeschrieben werde: nemlich in Ansehung der Gnade, welche sie dazu theils als angeboten annehmen, auch getreulich anwenden konten und solten. Jm gleichen Ver- stande heißt es Jes. 1, 16. Waschet euch, reini- get euch, thut euer böses Wesen von meinen Augen. Also auch 2 Cor. 7, 1. Dieweil wir solche Verheissung haben, (daß GOtt sich selbst zu uns nahen und uns als seine Söhne und Töchter annehmen will, c. 6, 18.) so lasset uns von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen, und fort- fahren in der Heiligung mit der Furcht GOttes. 1 Joh. 3, 3. Ein ieglicher, der sol- che Hoffnung zu ihm hat, (GOtt dermal- eins zu sehen, wie er ist) der reiniget sich (agni- zei eauton, er machet sich selbst keusch und rein,) gleichwie er rein ist. Welches agnizein auch Petrus fodert Ep. 1. c. 1, 22. wenn er spricht: Machet keusch eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit zu ungefärbter Bruder- Liebe, und habet euch brünstig lieb aus reinem Hertzen. Und da die wahre Weis- heit ist agne, keusch, so ist diese Reinigung der Hände und Keuschmachung der Hertzen ihr rech- ter Character. Da kan man denn nach dem Grunde eines reinen Hertzens heilige und un- schuldige Hände im Gebet aufheben. 1 Tim. 2, 8. Wie uns GOtt selbst reinige nach der Wohlthat der Erlösung, Rechtfertigung und Erneuerung, sehe man Apost. Ges. 15, 8. Tit. 2, 14. Hebr. 1, 3. c. 9, 14. c. 10, 14. 1 Joh. 1, 7. u. s. w.
V. 9.
Seyd elend (erkennet euer Elend, worein ihr euch durch euer sündliches Wesen gestürtzet, und das Aergerniß, welches ihr dadurch der Christlichen Kirche gegeben habet,) und traget Leide, (sintemal die Leidtragenden selig sind, Matth. 5, 4. als die da sollen getröstet werden,) und weinet, (also, daß euer zerbrochnes und zerknirschtes Hertz sich durch aufrichtige Buß- Thränen äussere,) euer (freches) lachen (als das Zeichen eines ungebrochnen und vereitelten Hertzens) verkehre sich in weinen, (damit es nicht in einen ewigen Jammer verwandelt werden dürfe,) und eure Freude (welche durch die Frechheit eures Gesichts und eurer Geberden sich zeiget,) in Traurigkeit, (katepheian, einen solchen Kummer über das geistliche Elend eurer Seelen, welcher sich durch eine solche Scham zu erkennen giebet, vermöge dessen man, wie der bußfertige Zöllner, kaum seine Augen vor GOtt und Menschen aufheben mag. Luc. 18, 13.)
Anmerckungen.
1. Man siehet hieraus, wie auch aus dem gantzen Briefe Jacobi, und aus den andern Apo- stolischen Briefen, wie man die Apostolische Kir- che anzusehen habe nemlich daß sie eines theils zwar, was das rechtschaffne Christenthum be-
triff,
Richtige und erbauliche Cap. 4. v. 8. 9.
[Spaltenumbruch]
big vorſtellen, unſere Begierden zu ihm erheben, ihn anrufen, uns ihm aufopfern, ihn lieben und ihm im Geiſte und in der Wahrheit dienen. Welches Zunahen auch ſonſt das Suchen Got- tes heißt: da wir durch die Suͤnde, welche uns von GOTT ſcheidet, als hindurch dringen, daß wir ihr durch die Gnade GOttes immer mehr abſterben, und uns durch ſie von der ſeli- gen Gemeinſchaft mit GOTT nicht abhalten laſſen.
3. GOTT nahet ſich zu uns, wenn er ſeine Gegenwart in beſondern Wirckungen ſei- ner Gnade gegen uns erweiſet. Er entfernet ſich von uns, wenn er uns ſolche entziehet.
4. Und alſo hat man wohl zu mercken, wie ſich eines auf das andere beziehet. Denn da- durch, daß ſich der Menſch zu GOTT nahet, das iſt, ſein Hertz zu ihm erhebet, und gegen ihn oͤffnet, und dabey aus dem Wege raͤumet alles, was der Gegenwart GOttes und dem Zufluß ſeiner Gnade entgegen ſtehet, kan ſich GOTT alſo zu ihm nahen, daß er ihm ſeine Gnade, der er ſich in ſolcher Ordnung zwar nicht wuͤrdig, doch faͤhig machet, in immer mehrerm Maße kan mittheilen. Siehe auch Jer. 15, 19. da es heißt: Wo du dich zu mir haͤltſt, ſo will ich mich zu dir halten. Jmgleichen Zach. 1, 3. So ſpricht der HErr Zebaoth: kehret euch zu mir, ſo will ich mich zu euch kehren.
5. Wir haben hierbey zu mercken, daß zwar das zu GOtt nahen eine Wohlthat und Pflicht ſey aller Glaͤubigen zu allen Zeiten: aber daß es doch in einem beſondern Maße ein Privilegi- um ſey der Glaͤubigen des neuen Teſtaments: davon man ſehe Eph. 2, 18. c. 3, 12. Hebr. 4, 16. c. 7, 19. c. 10, 19. 20. 21. 22.
6. Wie das zunahen zu GOtt geſchehen ſoll, zeiget der Apoſtel inſonderheit damit an, daß er fordert die Reinigung der Haͤnde und die Keuſchmachung der Hertzen. Die, von welchen er ſolches fordert, ſind δίψυχοι, Wan- ckelmuͤthigen, gleichſam die Zweyhertzigen, wel- cher er ſchon oben gedacht, c. 1, 8. deren Eigen- ſchaft iſt, bald glauben, bald nicht glauben; bald GOtt, bald der Welt anhangen, und alſo gleichſam ein geiſtlich-ehebrecheriſches Hertz ha- ben, und der Welt Freundſchaft mit der Liebe GOttes verbinden wollen. Und da ſolches kei- ne geringe, ſondern eine ſolche Suͤnde iſt, da- durch man von dem lebendigen GOtt abtritt, ſo nennet er ſie dabey ἁμαρτωλου`ς, ſolche Suͤnder, welche ihre innerlich herrſchende Luͤſte auch aͤuſ- ſerlich lieſſen zum Ausbruch kommen.
7. Die geforderte Reinigung der Haͤnde gehet auf einen aͤuſſerlich unſtraͤfli- chen und unanſtoͤßigen Wandel; ſintemal die Haͤnde das Werckzeug der meiſten Verrich- tungen im aͤuſſerlichen Leben ſind: und die Keuſchmachung der Seelen gehet auf eine wahre innere Reinigung der Seelen, nach dem Willen von den herrſchenden und auch ſonſt ver- unreinigenden Luͤſten, nach dem Verſtande von den ſchaͤdlichen Jrrthuͤmern. Und aus dieſer in- nerlichen Reinigung will der Apoſtel die aͤuſſerli- che hergefuͤhret wiſſen. Der aͤuſſern aber ge- dencket er zuerſt, weil man den Menſchen dabey [Spaltenumbruch]
am erſten angreifen, und davon auf das innerli- che fuͤhren kan.
8. Es iſt aber leicht zu erachten, in welchem Verſtande dem Menſchen ſelbſt das Werck der zu reinigenden Haͤnde zugeſchrieben werde: nemlich in Anſehung der Gnade, welche ſie dazu theils als angeboten annehmen, auch getreulich anwenden konten und ſolten. Jm gleichen Ver- ſtande heißt es Jeſ. 1, 16. Waſchet euch, reini- get euch, thut euer boͤſes Weſen von meinen Augen. Alſo auch 2 Cor. 7, 1. Dieweil wir ſolche Verheiſſung haben, (daß GOtt ſich ſelbſt zu uns nahen und uns als ſeine Soͤhne und Toͤchter annehmen will, c. 6, 18.) ſo laſſet uns von aller Befleckung des Fleiſches und des Geiſtes uns reinigen, und fort- fahren in der Heiligung mit der Furcht GOttes. 1 Joh. 3, 3. Ein ieglicher, der ſol- che Hoffnung zu ihm hat, (GOtt dermal- eins zu ſehen, wie er iſt) der reiniget ſich (ἁγνί- ζει ἑαυτὸν, er machet ſich ſelbſt keuſch und rein,) gleichwie er rein iſt. Welches ἁγνίζειν auch Petrus fodert Ep. 1. c. 1, 22. wenn er ſpricht: Machet keuſch eure Seelen im Gehorſam der Wahrheit zu ungefaͤrbter Bruder- Liebe, und habet euch bruͤnſtig lieb aus reinem Hertzen. Und da die wahre Weis- heit iſt ἁγνὴ, keuſch, ſo iſt dieſe Reinigung der Haͤnde und Keuſchmachung der Hertzen ihr rech- ter Character. Da kan man denn nach dem Grunde eines reinen Hertzens heilige und un- ſchuldige Haͤnde im Gebet aufheben. 1 Tim. 2, 8. Wie uns GOtt ſelbſt reinige nach der Wohlthat der Erloͤſung, Rechtfertigung und Erneuerung, ſehe man Apoſt. Geſ. 15, 8. Tit. 2, 14. Hebr. 1, 3. c. 9, 14. c. 10, 14. 1 Joh. 1, 7. u. ſ. w.
V. 9.
Seyd elend (erkennet euer Elend, worein ihr euch durch euer ſuͤndliches Weſen geſtuͤrtzet, und das Aergerniß, welches ihr dadurch der Chriſtlichen Kirche gegeben habet,) und traget Leide, (ſintemal die Leidtragenden ſelig ſind, Matth. 5, 4. als die da ſollen getroͤſtet werden,) und weinet, (alſo, daß euer zerbrochnes und zerknirſchtes Hertz ſich durch aufrichtige Buß- Thraͤnen aͤuſſere,) euer (freches) lachen (als das Zeichen eines ungebrochnen und vereitelten Hertzens) verkehre ſich in weinen, (damit es nicht in einen ewigen Jammer verwandelt werden duͤrfe,) und eure Freude (welche durch die Frechheit eures Geſichts und eurer Geberden ſich zeiget,) in Traurigkeit, (κατήφειαν, einen ſolchen Kummer uͤber das geiſtliche Elend eurer Seelen, welcher ſich durch eine ſolche Scham zu erkennen giebet, vermoͤge deſſen man, wie der bußfertige Zoͤllner, kaum ſeine Augen vor GOtt und Menſchen aufheben mag. Luc. 18, 13.)
Anmerckungen.
1. Man ſiehet hieraus, wie auch aus dem gantzen Briefe Jacobi, und aus den andern Apo- ſtoliſchen Briefen, wie man die Apoſtoliſche Kir- che anzuſehen habe nemlich daß ſie eines theils zwar, was das rechtſchaffne Chriſtenthum be-
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[476/0478]
Richtige und erbauliche Cap. 4. v. 8. 9.
big vorſtellen, unſere Begierden zu ihm erheben,
ihn anrufen, uns ihm aufopfern, ihn lieben
und ihm im Geiſte und in der Wahrheit dienen.
Welches Zunahen auch ſonſt das Suchen Got-
tes heißt: da wir durch die Suͤnde, welche uns
von GOTT ſcheidet, als hindurch dringen,
daß wir ihr durch die Gnade GOttes immer
mehr abſterben, und uns durch ſie von der ſeli-
gen Gemeinſchaft mit GOTT nicht abhalten
laſſen.
3. GOTT nahet ſich zu uns, wenn er
ſeine Gegenwart in beſondern Wirckungen ſei-
ner Gnade gegen uns erweiſet. Er entfernet
ſich von uns, wenn er uns ſolche entziehet.
4. Und alſo hat man wohl zu mercken, wie
ſich eines auf das andere beziehet. Denn da-
durch, daß ſich der Menſch zu GOTT nahet,
das iſt, ſein Hertz zu ihm erhebet, und gegen ihn
oͤffnet, und dabey aus dem Wege raͤumet alles,
was der Gegenwart GOttes und dem Zufluß
ſeiner Gnade entgegen ſtehet, kan ſich GOTT
alſo zu ihm nahen, daß er ihm ſeine Gnade, der
er ſich in ſolcher Ordnung zwar nicht wuͤrdig,
doch faͤhig machet, in immer mehrerm Maße
kan mittheilen. Siehe auch Jer. 15, 19. da es
heißt: Wo du dich zu mir haͤltſt, ſo will ich
mich zu dir halten. Jmgleichen Zach. 1, 3.
So ſpricht der HErr Zebaoth: kehret euch
zu mir, ſo will ich mich zu euch kehren.
5. Wir haben hierbey zu mercken, daß zwar
das zu GOtt nahen eine Wohlthat und Pflicht
ſey aller Glaͤubigen zu allen Zeiten: aber daß es
doch in einem beſondern Maße ein Privilegi-
um ſey der Glaͤubigen des neuen Teſtaments:
davon man ſehe Eph. 2, 18. c. 3, 12. Hebr. 4, 16.
c. 7, 19. c. 10, 19. 20. 21. 22.
6. Wie das zunahen zu GOtt geſchehen
ſoll, zeiget der Apoſtel inſonderheit damit an,
daß er fordert die Reinigung der Haͤnde und
die Keuſchmachung der Hertzen. Die, von
welchen er ſolches fordert, ſind δίψυχοι, Wan-
ckelmuͤthigen, gleichſam die Zweyhertzigen, wel-
cher er ſchon oben gedacht, c. 1, 8. deren Eigen-
ſchaft iſt, bald glauben, bald nicht glauben;
bald GOtt, bald der Welt anhangen, und alſo
gleichſam ein geiſtlich-ehebrecheriſches Hertz ha-
ben, und der Welt Freundſchaft mit der Liebe
GOttes verbinden wollen. Und da ſolches kei-
ne geringe, ſondern eine ſolche Suͤnde iſt, da-
durch man von dem lebendigen GOtt abtritt, ſo
nennet er ſie dabey ἁμαρτωλου`ς, ſolche Suͤnder,
welche ihre innerlich herrſchende Luͤſte auch aͤuſ-
ſerlich lieſſen zum Ausbruch kommen.
7. Die geforderte Reinigung der
Haͤnde gehet auf einen aͤuſſerlich unſtraͤfli-
chen und unanſtoͤßigen Wandel; ſintemal
die Haͤnde das Werckzeug der meiſten Verrich-
tungen im aͤuſſerlichen Leben ſind: und die
Keuſchmachung der Seelen gehet auf eine
wahre innere Reinigung der Seelen, nach dem
Willen von den herrſchenden und auch ſonſt ver-
unreinigenden Luͤſten, nach dem Verſtande von
den ſchaͤdlichen Jrrthuͤmern. Und aus dieſer in-
nerlichen Reinigung will der Apoſtel die aͤuſſerli-
che hergefuͤhret wiſſen. Der aͤuſſern aber ge-
dencket er zuerſt, weil man den Menſchen dabey
am erſten angreifen, und davon auf das innerli-
che fuͤhren kan.
8. Es iſt aber leicht zu erachten, in welchem
Verſtande dem Menſchen ſelbſt das Werck
der zu reinigenden Haͤnde zugeſchrieben werde:
nemlich in Anſehung der Gnade, welche ſie dazu
theils als angeboten annehmen, auch getreulich
anwenden konten und ſolten. Jm gleichen Ver-
ſtande heißt es Jeſ. 1, 16. Waſchet euch, reini-
get euch, thut euer boͤſes Weſen von
meinen Augen. Alſo auch 2 Cor. 7, 1. Dieweil
wir ſolche Verheiſſung haben, (daß GOtt
ſich ſelbſt zu uns nahen und uns als ſeine Soͤhne
und Toͤchter annehmen will, c. 6, 18.) ſo laſſet
uns von aller Befleckung des Fleiſches
und des Geiſtes uns reinigen, und fort-
fahren in der Heiligung mit der Furcht
GOttes. 1 Joh. 3, 3. Ein ieglicher, der ſol-
che Hoffnung zu ihm hat, (GOtt dermal-
eins zu ſehen, wie er iſt) der reiniget ſich (ἁγνί-
ζει ἑαυτὸν, er machet ſich ſelbſt keuſch und rein,)
gleichwie er rein iſt. Welches ἁγνίζειν auch
Petrus fodert Ep. 1. c. 1, 22. wenn er ſpricht:
Machet keuſch eure Seelen im Gehorſam
der Wahrheit zu ungefaͤrbter Bruder-
Liebe, und habet euch bruͤnſtig lieb aus
reinem Hertzen. Und da die wahre Weis-
heit iſt ἁγνὴ, keuſch, ſo iſt dieſe Reinigung der
Haͤnde und Keuſchmachung der Hertzen ihr rech-
ter Character. Da kan man denn nach dem
Grunde eines reinen Hertzens heilige und un-
ſchuldige Haͤnde im Gebet aufheben. 1 Tim.
2, 8. Wie uns GOtt ſelbſt reinige nach der
Wohlthat der Erloͤſung, Rechtfertigung und
Erneuerung, ſehe man Apoſt. Geſ. 15, 8. Tit.
2, 14. Hebr. 1, 3. c. 9, 14. c. 10, 14. 1 Joh. 1, 7.
u. ſ. w.
V. 9.
Seyd elend (erkennet euer Elend, worein
ihr euch durch euer ſuͤndliches Weſen geſtuͤrtzet,
und das Aergerniß, welches ihr dadurch der
Chriſtlichen Kirche gegeben habet,) und traget
Leide, (ſintemal die Leidtragenden ſelig ſind,
Matth. 5, 4. als die da ſollen getroͤſtet werden,)
und weinet, (alſo, daß euer zerbrochnes und
zerknirſchtes Hertz ſich durch aufrichtige Buß-
Thraͤnen aͤuſſere,) euer (freches) lachen (als
das Zeichen eines ungebrochnen und vereitelten
Hertzens) verkehre ſich in weinen, (damit
es nicht in einen ewigen Jammer verwandelt
werden duͤrfe,) und eure Freude (welche durch
die Frechheit eures Geſichts und eurer Geberden
ſich zeiget,) in Traurigkeit, (κατήφειαν, einen
ſolchen Kummer uͤber das geiſtliche Elend eurer
Seelen, welcher ſich durch eine ſolche Scham
zu erkennen giebet, vermoͤge deſſen man, wie
der bußfertige Zoͤllner, kaum ſeine Augen vor
GOtt und Menſchen aufheben mag. Luc. 18, 13.)
Anmerckungen.
1. Man ſiehet hieraus, wie auch aus dem
gantzen Briefe Jacobi, und aus den andern Apo-
ſtoliſchen Briefen, wie man die Apoſtoliſche Kir-
che anzuſehen habe nemlich daß ſie eines theils
zwar, was das rechtſchaffne Chriſtenthum be-
triff,
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/478>, abgerufen am 29.06.2024.
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