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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 26. 27.
[Spaltenumbruch] wercke des gantzen Welt-Gebäudes sey, und an
ihm nach Leib und Seele alles unwandelbarer
und nothwendiger Weise geschehe? Könte auch
wol etwas thörichters ersonnen werden, als die-
ses? Könte auch wol etwas den Atheismum,
aus welchem es guten theils herfliesset, mehr be-
fördern, als eben dieses? doch dieses Monstrum
Morosophiae
habe ich in nicht unbekannten
Schriften nach seiner natürlichen Gestalt vorge-
stellet.

V. 27.

Ein reiner und unbefleckter Gottes-
dienst vor GOtt dem Vater ist der,
(erwei-
set sich unter andern seinen Proben insonderheit
damit) die Wäysen und Wittwen in ihrem
Trübsal besuchen, und sich von der Welt
unbefleckt behalten.

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apostel angezeiget, wo-
durch man zu erkennen gebe, daß man GOtt nicht
von Hertzen diene, nemlich unter andern durch
die Zungen-Sünden; so führet er nun hingegen
ein Kennzeichen des wahren Gottesdienstes an,
und setzet es insonderheit in dem thätigen Beweise
der Liebe gegen Wittwen und Wäysen, und
dabey auch darinnen, daß man sich von der Welt
unbefleckt behalte.

2. Das Griechische Wörtlein kai, zwi-
schen den Worten GOtt - - Vater, wird
nur Erklärungs-weise gesetzet, wie schon öfter
erinnert ist, und heißt soviel als GOtt, der da
ist der Vater.
Daher es Lutherus in der
Ubersetzung gar ausgelassen hat; wie denn auch
dem Verstande dadurch nichts abgehet. Es
wird aber damit auf den Dreyeinigen GOTT
gesehen, und wol daher bey dem Namen GOt-
tes zugleich der Vater-Name gesetzet, weil
dieser den Wittwen und Wäysen, davon der
Text handelt, am aller angenehmsten ist; wel-
chen auch GOtt gegen sie in der That erweiset.

3. Mit den Worten: Gottesdienst bey
GOtt,
zeiget der Apostel an, es sey ein grosser
Unterscheid des Urtheils, welches GOtt und
welches die Menschen vom Gottesdienste fällen.
Denn manches ist vor Menschen sehr groß und
scheinbar; aber vor GOtt nichts, ja ihm ein
Greuel: und ihm hingegen wichtig und wohlge-
fällig, was von Menschen nicht geachtet, ja
wol gar verworfen wird.

4. Wenn ein Gottesdienst soll rein und
unbeflecket seyn, so muß er einen guten Evan-
gelischen Grund,
eine gute innerliche Form,
und einen thätigen äusserlichen Erweis ha-
ben:

a. Der gute und reine Evangelische Grund
ist im Glauben an Christum, an welchem
man zugleich die Gnaden-Kraft, GOTT im
Geiste und in der Wahrheit zu dienen, schon
hat, theils durch ihn noch immer mehr em-
pfähet.
b. Die rechte Form ist diesem Grunde gemäß,
und bestehet darinn, daß man theils die Gna-
den-Wohlthaten
von GOtt nimmt nach
[Spaltenumbruch] dem Evangelio, theils dadurch die schuldi-
gen Pflichten
leistet nach dem Gesetze; und
zwar zuvorderst innerlich, in solchen Wer-
cken, darinn es die Seele eigentlich allein mit
GOtt zu thun hat. Da denn alles aus dem
Glauben
gehet, und wie in der Furcht
GOttes,
also auch im Namen Christi ge-
schiehet, und zu GOttes Ehre gerichtet wird.
Daher denn leichtlich zu erachten ist, daß ein
solcher Gottesdienst von aller unlautern Ver-
dienstlichkeit rein ist.
c. Stehet es nun recht um den Grund und um
die Form, so kan denn auch der äusserliche
Erweis nicht anderer, als rechter, Art seyn;
wie unser Heyland Matth. 12, 33. spricht:
Setzet einen guten Baum, so wird die
Frucht gut.

5. Wittwen sind überhaupt übel daran,
sie mögen arm, oder reich seyn, oder einen noth-
dürftigen Unterhalt haben. Der Haupt-Man-
gel, darein sie durch den Tod ihrer Ehemänner
gerathen, ist dieser, daß sie, ausser der Versor-
gung und des Schutzes, eines vernünftigen Re-
giments, wo sie es anders an dem Ehemanne ge-
habt haben, beraubet werden. Daher es denn
geschiehet, daß sie eines theils von ihrem eignen
Willen, dem sie dadurch überlassen werden,
die schwereste Versuchungen haben, zumal wenn
sie reich sind, oder doch ihr hinlängliches Aus-
kommen haben: andern theils aber leichtlich ver-
achtet, vergessen, ja wol gar gedrucket werden;
sonderlich wenn sie arm sind.

6. Um die Wäysen stehet es nicht besser,
sowol in Ansehung ihrer Erziehung nach dem
Gemüthe, als ihrer Verpflegung nach dem Lei-
be. Doch geschiehet es durch die göttliche Re-
gierung nicht selten, daß sie in ihrem Wäysen-
Stande, darinn sie etwa noch eher auf GOtt
sehen, besser gerathen, als unter der Vorsorge
ihrer Eltern würde geschehen seyn.

7. Weil doch nun die meisten Wittwen
und Wäysen arm und verlassen sind, so hat
GOTT zu ihrem Besten die nachdrücklichsten
Gebote gegeben, und gegen ihre Bedrückungen
den Fluch gedrohet. Man sehe unter andern
sonderlich 2 B. Mos. 22, 22. 23. 24. Jhr solt
keine Wittwen und Wäysen beleidigen,
wirst du sie beleidigen, so werden sie zu
mir schreyen, und ich werde ihr Schreyen
erhören: so wird mein Zorn ergrimmen,
daß ich euch mit dem Schwerdt tödte,
und eure Weiber Wittwen, und eure
Kinder Wäysen werden.
Jes. 1, 17. - Helft
dem Unterdruckten, schaffet den Wäysen
Recht, und helft der Wittwen Sachen.

u. f. Siehe auch Jer. 5, 28. Zach. 7. 10. Matth.
23, 15. u. s. w.

8. Die Trübsale der Wittwen und Wäy-
sen sind zwar zuvorderst allerhand gemeine Lei-
den, als Armuth, Kranckheit, Verlust der
Jhrigen, und sonderlich der Vorsorge, des
Schutzes, des Anhalts und des Raths, wel-
chen sie an ihren Männern und Eltern gehabt
haben. Und dazu kommen auch, wenn sie, wie
sie billig alle solten, GOtt fürchten, gewisse Lei-

den

Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 26. 27.
[Spaltenumbruch] wercke des gantzen Welt-Gebaͤudes ſey, und an
ihm nach Leib und Seele alles unwandelbarer
und nothwendiger Weiſe geſchehe? Koͤnte auch
wol etwas thoͤrichters erſonnen werden, als die-
ſes? Koͤnte auch wol etwas den Atheiſmum,
aus welchem es guten theils herflieſſet, mehr be-
foͤrdern, als eben dieſes? doch dieſes Monſtrum
Moroſophiæ
habe ich in nicht unbekannten
Schriften nach ſeiner natuͤrlichen Geſtalt vorge-
ſtellet.

V. 27.

Ein reiner und unbefleckter Gottes-
dienſt vor GOtt dem Vater iſt der,
(erwei-
ſet ſich unter andern ſeinen Proben inſonderheit
damit) die Waͤyſen und Wittwen in ihrem
Truͤbſal beſuchen, und ſich von der Welt
unbefleckt behalten.

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apoſtel angezeiget, wo-
durch man zu erkennen gebe, daß man GOtt nicht
von Hertzen diene, nemlich unter andern durch
die Zungen-Suͤnden; ſo fuͤhret er nun hingegen
ein Kennzeichen des wahren Gottesdienſtes an,
und ſetzet es inſonderheit in dem thaͤtigen Beweiſe
der Liebe gegen Wittwen und Waͤyſen, und
dabey auch darinnen, daß man ſich von der Welt
unbefleckt behalte.

2. Das Griechiſche Woͤrtlein καὶ, zwi-
ſchen den Worten GOtt ‒ ‒ Vater, wird
nur Erklaͤrungs-weiſe geſetzet, wie ſchon oͤfter
erinnert iſt, und heißt ſoviel als GOtt, der da
iſt der Vater.
Daher es Lutherus in der
Uberſetzung gar ausgelaſſen hat; wie denn auch
dem Verſtande dadurch nichts abgehet. Es
wird aber damit auf den Dreyeinigen GOTT
geſehen, und wol daher bey dem Namen GOt-
tes zugleich der Vater-Name geſetzet, weil
dieſer den Wittwen und Waͤyſen, davon der
Text handelt, am aller angenehmſten iſt; wel-
chen auch GOtt gegen ſie in der That erweiſet.

3. Mit den Worten: Gottesdienſt bey
GOtt,
zeiget der Apoſtel an, es ſey ein groſſer
Unterſcheid des Urtheils, welches GOtt und
welches die Menſchen vom Gottesdienſte faͤllen.
Denn manches iſt vor Menſchen ſehr groß und
ſcheinbar; aber vor GOtt nichts, ja ihm ein
Greuel: und ihm hingegen wichtig und wohlge-
faͤllig, was von Menſchen nicht geachtet, ja
wol gar verworfen wird.

4. Wenn ein Gottesdienſt ſoll rein und
unbeflecket ſeyn, ſo muß er einen guten Evan-
geliſchen Grund,
eine gute innerliche Form,
und einen thaͤtigen aͤuſſerlichen Erweis ha-
ben:

a. Der gute und reine Evangeliſche Grund
iſt im Glauben an Chriſtum, an welchem
man zugleich die Gnaden-Kraft, GOTT im
Geiſte und in der Wahrheit zu dienen, ſchon
hat, theils durch ihn noch immer mehr em-
pfaͤhet.
b. Die rechte Form iſt dieſem Grunde gemaͤß,
und beſtehet darinn, daß man theils die Gna-
den-Wohlthaten
von GOtt nimmt nach
[Spaltenumbruch] dem Evangelio, theils dadurch die ſchuldi-
gen Pflichten
leiſtet nach dem Geſetze; und
zwar zuvorderſt innerlich, in ſolchen Wer-
cken, darinn es die Seele eigentlich allein mit
GOtt zu thun hat. Da denn alles aus dem
Glauben
gehet, und wie in der Furcht
GOttes,
alſo auch im Namen Chriſti ge-
ſchiehet, und zu GOttes Ehre gerichtet wird.
Daher denn leichtlich zu erachten iſt, daß ein
ſolcher Gottesdienſt von aller unlautern Ver-
dienſtlichkeit rein iſt.
c. Stehet es nun recht um den Grund und um
die Form, ſo kan denn auch der aͤuſſerliche
Erweis nicht anderer, als rechter, Art ſeyn;
wie unſer Heyland Matth. 12, 33. ſpricht:
Setzet einen guten Baum, ſo wird die
Frucht gut.

5. Wittwen ſind uͤberhaupt uͤbel daran,
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duͤrftigen Unterhalt haben. Der Haupt-Man-
gel, darein ſie durch den Tod ihrer Ehemaͤnner
gerathen, iſt dieſer, daß ſie, auſſer der Verſor-
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Willen, dem ſie dadurch uͤberlaſſen werden,
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ſie reich ſind, oder doch ihr hinlaͤngliches Aus-
kommen haben: andern theils aber leichtlich ver-
achtet, vergeſſen, ja wol gar gedrucket werden;
ſonderlich wenn ſie arm ſind.

6. Um die Waͤyſen ſtehet es nicht beſſer,
ſowol in Anſehung ihrer Erziehung nach dem
Gemuͤthe, als ihrer Verpflegung nach dem Lei-
be. Doch geſchiehet es durch die goͤttliche Re-
gierung nicht ſelten, daß ſie in ihrem Waͤyſen-
Stande, darinn ſie etwa noch eher auf GOtt
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ihrer Eltern wuͤrde geſchehen ſeyn.

7. Weil doch nun die meiſten Wittwen
und Waͤyſen arm und verlaſſen ſind, ſo hat
GOTT zu ihrem Beſten die nachdruͤcklichſten
Gebote gegeben, und gegen ihre Bedruͤckungen
den Fluch gedrohet. Man ſehe unter andern
ſonderlich 2 B. Moſ. 22, 22. 23. 24. Jhr ſolt
keine Wittwen und Waͤyſen beleidigen,
wirſt du ſie beleidigen, ſo werden ſie zu
mir ſchreyen, und ich werde ihr Schreyen
erhoͤren: ſo wird mein Zorn ergrimmen,
daß ich euch mit dem Schwerdt toͤdte,
und eure Weiber Wittwen, und eure
Kinder Waͤyſen werden.
Jeſ. 1, 17. ‒ Helft
dem Unterdruckten, ſchaffet den Waͤyſen
Recht, und helft der Wittwen Sachen.

u. f. Siehe auch Jer. 5, 28. Zach. 7. 10. Matth.
23, 15. u. ſ. w.

8. Die Truͤbſale der Wittwen und Waͤy-
ſen ſind zwar zuvorderſt allerhand gemeine Lei-
den, als Armuth, Kranckheit, Verluſt der
Jhrigen, und ſonderlich der Vorſorge, des
Schutzes, des Anhalts und des Raths, wel-
chen ſie an ihren Maͤnnern und Eltern gehabt
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[446/0448] Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 26. 27. wercke des gantzen Welt-Gebaͤudes ſey, und an ihm nach Leib und Seele alles unwandelbarer und nothwendiger Weiſe geſchehe? Koͤnte auch wol etwas thoͤrichters erſonnen werden, als die- ſes? Koͤnte auch wol etwas den Atheiſmum, aus welchem es guten theils herflieſſet, mehr be- foͤrdern, als eben dieſes? doch dieſes Monſtrum Moroſophiæ habe ich in nicht unbekannten Schriften nach ſeiner natuͤrlichen Geſtalt vorge- ſtellet. V. 27. Ein reiner und unbefleckter Gottes- dienſt vor GOtt dem Vater iſt der, (erwei- ſet ſich unter andern ſeinen Proben inſonderheit damit) die Waͤyſen und Wittwen in ihrem Truͤbſal beſuchen, und ſich von der Welt unbefleckt behalten. Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel angezeiget, wo- durch man zu erkennen gebe, daß man GOtt nicht von Hertzen diene, nemlich unter andern durch die Zungen-Suͤnden; ſo fuͤhret er nun hingegen ein Kennzeichen des wahren Gottesdienſtes an, und ſetzet es inſonderheit in dem thaͤtigen Beweiſe der Liebe gegen Wittwen und Waͤyſen, und dabey auch darinnen, daß man ſich von der Welt unbefleckt behalte. 2. Das Griechiſche Woͤrtlein καὶ, zwi- ſchen den Worten GOtt ‒ ‒ Vater, wird nur Erklaͤrungs-weiſe geſetzet, wie ſchon oͤfter erinnert iſt, und heißt ſoviel als GOtt, der da iſt der Vater. Daher es Lutherus in der Uberſetzung gar ausgelaſſen hat; wie denn auch dem Verſtande dadurch nichts abgehet. Es wird aber damit auf den Dreyeinigen GOTT geſehen, und wol daher bey dem Namen GOt- tes zugleich der Vater-Name geſetzet, weil dieſer den Wittwen und Waͤyſen, davon der Text handelt, am aller angenehmſten iſt; wel- chen auch GOtt gegen ſie in der That erweiſet. 3. Mit den Worten: Gottesdienſt bey GOtt, zeiget der Apoſtel an, es ſey ein groſſer Unterſcheid des Urtheils, welches GOtt und welches die Menſchen vom Gottesdienſte faͤllen. Denn manches iſt vor Menſchen ſehr groß und ſcheinbar; aber vor GOtt nichts, ja ihm ein Greuel: und ihm hingegen wichtig und wohlge- faͤllig, was von Menſchen nicht geachtet, ja wol gar verworfen wird. 4. Wenn ein Gottesdienſt ſoll rein und unbeflecket ſeyn, ſo muß er einen guten Evan- geliſchen Grund, eine gute innerliche Form, und einen thaͤtigen aͤuſſerlichen Erweis ha- ben: a. Der gute und reine Evangeliſche Grund iſt im Glauben an Chriſtum, an welchem man zugleich die Gnaden-Kraft, GOTT im Geiſte und in der Wahrheit zu dienen, ſchon hat, theils durch ihn noch immer mehr em- pfaͤhet. b. Die rechte Form iſt dieſem Grunde gemaͤß, und beſtehet darinn, daß man theils die Gna- den-Wohlthaten von GOtt nimmt nach dem Evangelio, theils dadurch die ſchuldi- gen Pflichten leiſtet nach dem Geſetze; und zwar zuvorderſt innerlich, in ſolchen Wer- cken, darinn es die Seele eigentlich allein mit GOtt zu thun hat. Da denn alles aus dem Glauben gehet, und wie in der Furcht GOttes, alſo auch im Namen Chriſti ge- ſchiehet, und zu GOttes Ehre gerichtet wird. Daher denn leichtlich zu erachten iſt, daß ein ſolcher Gottesdienſt von aller unlautern Ver- dienſtlichkeit rein iſt. c. Stehet es nun recht um den Grund und um die Form, ſo kan denn auch der aͤuſſerliche Erweis nicht anderer, als rechter, Art ſeyn; wie unſer Heyland Matth. 12, 33. ſpricht: Setzet einen guten Baum, ſo wird die Frucht gut. 5. Wittwen ſind uͤberhaupt uͤbel daran, ſie moͤgen arm, oder reich ſeyn, oder einen noth- duͤrftigen Unterhalt haben. Der Haupt-Man- gel, darein ſie durch den Tod ihrer Ehemaͤnner gerathen, iſt dieſer, daß ſie, auſſer der Verſor- gung und des Schutzes, eines vernuͤnftigen Re- giments, wo ſie es anders an dem Ehemanne ge- habt haben, beraubet werden. Daher es denn geſchiehet, daß ſie eines theils von ihrem eignen Willen, dem ſie dadurch uͤberlaſſen werden, die ſchwereſte Verſuchungen haben, zumal wenn ſie reich ſind, oder doch ihr hinlaͤngliches Aus- kommen haben: andern theils aber leichtlich ver- achtet, vergeſſen, ja wol gar gedrucket werden; ſonderlich wenn ſie arm ſind. 6. Um die Waͤyſen ſtehet es nicht beſſer, ſowol in Anſehung ihrer Erziehung nach dem Gemuͤthe, als ihrer Verpflegung nach dem Lei- be. Doch geſchiehet es durch die goͤttliche Re- gierung nicht ſelten, daß ſie in ihrem Waͤyſen- Stande, darinn ſie etwa noch eher auf GOtt ſehen, beſſer gerathen, als unter der Vorſorge ihrer Eltern wuͤrde geſchehen ſeyn. 7. Weil doch nun die meiſten Wittwen und Waͤyſen arm und verlaſſen ſind, ſo hat GOTT zu ihrem Beſten die nachdruͤcklichſten Gebote gegeben, und gegen ihre Bedruͤckungen den Fluch gedrohet. Man ſehe unter andern ſonderlich 2 B. Moſ. 22, 22. 23. 24. Jhr ſolt keine Wittwen und Waͤyſen beleidigen, wirſt du ſie beleidigen, ſo werden ſie zu mir ſchreyen, und ich werde ihr Schreyen erhoͤren: ſo wird mein Zorn ergrimmen, daß ich euch mit dem Schwerdt toͤdte, und eure Weiber Wittwen, und eure Kinder Waͤyſen werden. Jeſ. 1, 17. ‒ Helft dem Unterdruckten, ſchaffet den Waͤyſen Recht, und helft der Wittwen Sachen. u. f. Siehe auch Jer. 5, 28. Zach. 7. 10. Matth. 23, 15. u. ſ. w. 8. Die Truͤbſale der Wittwen und Waͤy- ſen ſind zwar zuvorderſt allerhand gemeine Lei- den, als Armuth, Kranckheit, Verluſt der Jhrigen, und ſonderlich der Vorſorge, des Schutzes, des Anhalts und des Raths, wel- chen ſie an ihren Maͤnnern und Eltern gehabt haben. Und dazu kommen auch, wenn ſie, wie ſie billig alle ſolten, GOtt fuͤrchten, gewiſſe Lei- den

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/448>, abgerufen am 22.11.2024.