Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 1. v. 21. Erklärung des Briefes Jaeobi. [Spaltenumbruch]
Da sie das höreren, ging es ihnen durchsHertz und sprachen zu Petro und zu den an- dern Aposteln: Jhr Männer, lieben Brü- der, was sollen wir thun? da sie denn recht- schaffen zu Christo bekehret wurden. 4. Die Ordnung der fernern Aufnahme a. Die Unsauberkeit, [fremdsprachliches Material]uparia ist alhier amar- tia euperistatos, wie sie Paulus Hebr. 12, 1. nennet, die Sünde die uns immer ankle- bet: welche, nach der Eigenschaft des Griechi- schen Worts, gleich ist derjenigen Unreinig- keit, welche sich, wenn man gleich einmal ge- waschen und gereiniget ist, immer aufs neue dergestalt wieder an die Haut von aussen anle- get, daß, wo sich einer in längerer Zeit davon nicht aufs neue reinigen würde, er davon würde gantz ungestalt und scheußlich werden. b. Und eben dieses erläutert der Apostel mit den dazu gesetzten Worten: perisseian kakias, da denn kakia ist die noch übrige Erb-Sünde, die, wenn sie zur Herrschaft kömmt, heißt poneria, Bosheit. Weil sie doch aber aus- ser der Herrschaft in vielen Schwachheits- Sünden und Fehlern sich zu äussern pfleget, so nennet der Apostel diesen Ausbruch peris- seian, etwas, wodurch sich die böse Quelle der Erb-Sünde ergiesset, und womit sie aus, oder überflüßet; iedoch, so fern es von Wiederge- bornen gesaget wird, ohne Herrschaft. c. Dieses ists, was da soll bey der Annehmung des Worts abgeleget werden, und zwar der- gestalt, daß die Ablegung zur Ordnung der- selben gehöret. Denn in wessen Seele das Wort schon eingepflantzet ist, der hat von dem- selben nicht allein die Bestrafung und Uber- zeugung von seinen innerlichen und äusserli- chen Fehlern, sondern an demselben zugleich auch die Kraft, solche immer mehr abzulegen. Dazu denn eine rechte Treu erfodert wird. Kömmt er nun derselben gehorsamlich nach, so ist er des Worts, und darbey der Gnade GOttes, zu immer mehrer Aufnahme fähig. Beweiset er sich aber bey solcher innerlichen Zucht des Geistes untreue, so hält er dadurch den reichern Einfluß des gnadenreichen Worts GOttes zurück. Und also kan man hieraus erkennen, daß diese Ablegung zu der rechten Ordnung der würdigen Aufnahme des Worts gehöret. 5. Was die Aufnahme selbst betrift, so ist a. Daß dieselbe alhier von der Fortsetzung zu verstehen sey: wie man nicht allein aus dem Zustande der schon Bekehrten, an welche der Brief gerichtet ist, sondern auch daraus er- kennet, daß das aufzunehmende Wort das schon eingepflantzte genennet wird. b. Es verhält sich demnach mit dem Worte GOttes, als mit einer gesunden Speise, womit sie in der heiligen Schrift auch oft ver- glichen wird. Ob dieselbe schon mehrmal also eingenommen ist, daß man ihre Kraft [Spaltenumbruch] zur leiblichen Nahrung auch noch wircklich in sich befindet: So gebrauchet man sie doch immer aufs neue zur täglichen Nahrung und Stärckung, also daß es billig heißt: ie län- ger, ie lieber. c. Dieses finden wir gar schön in dem Orte Pe- tri vorgestellet Ep. 1. c. 2, 2. Seyd begierig nach der vernünftigen lautern Milch, als die itzt gebornen Kindlein, daß ihr durch dieselbe zunehmet. Die Gläubi- gen waren aus dem Samen des Worts schon neugeboren worden c. 1, 23. und dennoch, ja eben daher, solten sie nun nach eben demselben, als nach einer lautern Milch, begierig seyn, um ihr geistliches Leben aus eben dem Princi- pio, oder dem geistlichen Element, woraus sie es empfangen hatten, auch zu unterhalten. Welcher Ort diesen so vielmehr erläutert, so viel ausdrücklicher zu der begierigen Einnah- me der lautern Milch eben die Ordnung der Ablegung der erkannten Sünden erfodert wird: als davon es vorher v. 1. heißt: So leget nun ab alle Bosheit (kakian, böse Art der Sünde) und allen Betrug (Unlauterkeit) und Neid, und alles Afterreden. d. Es soll denn aber die fernere Aufnahme des Worts geschehen mit Sanftmuth, das ist, man solle sich durch das Wort GOttes gern bestrafen lassen; und, wenn man die Bestraf- fung im Gewissen fühlet, so soll man sich so gar nicht unwillig dagegen, oder gegen die, welche es an das Gewissen legen, bezeugen, daß man vielmehr der Uberzeugung mit stillem und sanften Geiste in aller willigen Folgsam- keit Platz gebe. e. Der Apostel hat mit Fleiß dieses Wort von der Sanftmuth zu der Erinnerung von der Aufnahme des Worts gesetzet, weil sich bey manchen das Gegentheil zu finden pfle- get; daß man nemlich ungehalten wird, wo nicht auf das Wort, doch auf den, der es ei- nem vorhält. Wodurch man sich denn ge- wiß sehr versündiget, da man eine solche Vor- haltung als eine grosse Wohlthat ansehen solte. Denn wenn man dieses an einem mer- cket, daß er sich nicht sagen läßt, sondern un- gehalten darüber wird, so beraubet er sich des Segens, welchen er von der Zurede ha- ben könte. f. Es ist aber auch, damit das Wort desto eher mit Sanftmuth könne aufgenommen werden, nöthig, daß es in einem Evangelischen Gei- ste mit Liebe und Sanftmuth vorgetragen werde, wie Paulus Gal. 5, 1. spricht: Lie- ben Brüder, so ein Mensch etwa von ei- nem Fehl übereilet würde, so helfet ihm wieder zu rechte mit sanftmüthigem Geiste, ihr, die ihr geistlich seyd. 6. Die Kraft und Frucht des würdig a. Das Wort GOttes hat eine Kraft; und zwar nicht nur eine natürliche, wie alles geschriebe- ne K k k
Cap. 1. v. 21. Erklaͤrung des Briefes Jaeobi. [Spaltenumbruch]
Da ſie das hoͤreren, ging es ihnen durchsHertz und ſprachen zu Petro und zu den an- dern Apoſteln: Jhr Maͤnner, lieben Bruͤ- der, was ſollen wir thun? da ſie denn recht- ſchaffen zu Chriſto bekehret wurden. 4. Die Ordnung der fernern Aufnahme a. Die Unſauberkeit, [fremdsprachliches Material]υπαρία iſt alhier ἁμαρ- τία ἐυπερίστατος, wie ſie Paulus Hebr. 12, 1. nennet, die Suͤnde die uns immer ankle- bet: welche, nach der Eigenſchaft des Griechi- ſchen Worts, gleich iſt derjenigen Unreinig- keit, welche ſich, wenn man gleich einmal ge- waſchen und gereiniget iſt, immer aufs neue dergeſtalt wieder an die Haut von auſſen anle- get, daß, wo ſich einer in laͤngerer Zeit davon nicht aufs neue reinigen wuͤrde, er davon wuͤrde gantz ungeſtalt und ſcheußlich werden. b. Und eben dieſes erlaͤutert der Apoſtel mit den dazu geſetzten Worten: περισσείαν κακίας, da denn κακία iſt die noch uͤbrige Erb-Suͤnde, die, wenn ſie zur Herrſchaft koͤmmt, heißt πονηρία, Bosheit. Weil ſie doch aber auſ- ſer der Herrſchaft in vielen Schwachheits- Suͤnden und Fehlern ſich zu aͤuſſern pfleget, ſo nennet der Apoſtel dieſen Ausbruch περισ- σέιαν, etwas, wodurch ſich die boͤſe Quelle der Erb-Suͤnde ergieſſet, und womit ſie aus, oder uͤberfluͤßet; iedoch, ſo fern es von Wiederge- bornen geſaget wird, ohne Herrſchaft. c. Dieſes iſts, was da ſoll bey der Annehmung des Worts abgeleget werden, und zwar der- geſtalt, daß die Ablegung zur Ordnung der- ſelben gehoͤret. Denn in weſſen Seele das Wort ſchon eingepflantzet iſt, der hat von dem- ſelben nicht allein die Beſtrafung und Uber- zeugung von ſeinen innerlichen und aͤuſſerli- chen Fehlern, ſondern an demſelben zugleich auch die Kraft, ſolche immer mehr abzulegen. Dazu denn eine rechte Treu erfodert wird. Koͤmmt er nun derſelben gehorſamlich nach, ſo iſt er des Worts, und darbey der Gnade GOttes, zu immer mehrer Aufnahme faͤhig. Beweiſet er ſich aber bey ſolcher innerlichen Zucht des Geiſtes untreue, ſo haͤlt er dadurch den reicheꝛn Einfluß des gnadenreichen Woꝛts GOttes zuruͤck. Und alſo kan man hieraus erkennen, daß dieſe Ablegung zu der rechten Ordnung der wuͤrdigen Aufnahme des Worts gehoͤret. 5. Was die Aufnahme ſelbſt betrift, ſo iſt a. Daß dieſelbe alhier von der Fortſetzung zu verſtehen ſey: wie man nicht allein aus dem Zuſtande der ſchon Bekehrten, an welche der Brief gerichtet iſt, ſondern auch daraus er- kennet, daß das aufzunehmende Wort das ſchon eingepflantzte genennet wird. b. Es verhaͤlt ſich demnach mit dem Worte GOttes, als mit einer geſunden Speiſe, womit ſie in der heiligen Schrift auch oft ver- glichen wird. Ob dieſelbe ſchon mehrmal alſo eingenommen iſt, daß man ihre Kraft [Spaltenumbruch] zur leiblichen Nahrung auch noch wircklich in ſich befindet: So gebrauchet man ſie doch immer aufs neue zur taͤglichen Nahrung und Staͤrckung, alſo daß es billig heißt: ie laͤn- ger, ie lieber. c. Dieſes finden wir gar ſchoͤn in dem Orte Pe- tri vorgeſtellet Ep. 1. c. 2, 2. Seyd begierig nach der vernuͤnftigen lautern Milch, als die itzt gebornen Kindlein, daß ihr durch dieſelbe zunehmet. Die Glaͤubi- gen waren aus dem Samen des Worts ſchon neugeboren worden c. 1, 23. und dennoch, ja eben daher, ſolten ſie nun nach eben demſelben, als nach einer lautern Milch, begierig ſeyn, um ihr geiſtliches Leben aus eben dem Princi- pio, oder dem geiſtlichen Element, woraus ſie es empfangen hatten, auch zu unterhalten. Welcher Ort dieſen ſo vielmehr erlaͤutert, ſo viel ausdruͤcklicher zu der begierigen Einnah- me der lautern Milch eben die Ordnung der Ablegung der erkannten Suͤnden erfodert wird: als davon es vorher v. 1. heißt: So leget nun ab alle Bosheit (κακίαν, boͤſe Art der Suͤnde) und allen Betrug (Unlauterkeit) und Neid, und alles Afterreden. d. Es ſoll denn aber die fernere Aufnahme des Worts geſchehen mit Sanftmuth, das iſt, man ſolle ſich durch das Wort GOttes gern beſtrafen laſſen; und, wenn man die Beſtraf- fung im Gewiſſen fuͤhlet, ſo ſoll man ſich ſo gar nicht unwillig dagegen, oder gegen die, welche es an das Gewiſſen legen, bezeugen, daß man vielmehr der Uberzeugung mit ſtillem und ſanften Geiſte in aller willigen Folgſam- keit Platz gebe. e. Der Apoſtel hat mit Fleiß dieſes Wort von der Sanftmuth zu der Erinnerung von der Aufnahme des Worts geſetzet, weil ſich bey manchen das Gegentheil zu finden pfle- get; daß man nemlich ungehalten wird, wo nicht auf das Wort, doch auf den, der es ei- nem vorhaͤlt. Wodurch man ſich denn ge- wiß ſehr verſuͤndiget, da man eine ſolche Vor- haltung als eine groſſe Wohlthat anſehen ſolte. Denn wenn man dieſes an einem mer- cket, daß er ſich nicht ſagen laͤßt, ſondern un- gehalten daruͤber wird, ſo beraubet er ſich des Segens, welchen er von der Zurede ha- ben koͤnte. f. Es iſt aber auch, damit das Wort deſto eher mit Sanftmuth koͤnne aufgenommen werden, noͤthig, daß es in einem Evangeliſchen Gei- ſte mit Liebe und Sanftmuth vorgetragen werde, wie Paulus Gal. 5, 1. ſpricht: Lie- ben Bruͤder, ſo ein Menſch etwa von ei- nem Fehl uͤbereilet wuͤrde, ſo helfet ihm wieder zu rechte mit ſanftmuͤthigem Geiſte, ihr, die ihr geiſtlich ſeyd. 6. Die Kraft und Frucht des wuͤrdig a. Das Wort GOttes hat eine Kraft; und zwar nicht nur eine natuͤrliche, wie alles geſchriebe- ne K k k
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0443" n="441"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 1. v. 21. Erklaͤrung des Briefes Jaeobi.</hi></fw><lb/><cb/><hi rendition="#fr">Da ſie das hoͤreren, ging es ihnen durchs<lb/> Hertz und ſprachen zu Petro und zu den an-<lb/> dern Apoſteln: Jhr Maͤnner, lieben Bruͤ-<lb/> der, was ſollen wir thun?</hi> da ſie denn recht-<lb/> ſchaffen zu Chriſto bekehret wurden.</p><lb/> <p>4. Die <hi rendition="#fr">Ordnung</hi> der fernern Aufnahme<lb/> wird mit den Worten von Ablegung aller Un-<lb/> ſauberkeit und Bosheit angewieſen. Dabey<lb/> folgendes zu mercken iſt:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Die <hi rendition="#fr">Unſauberkeit,</hi> <foreign xml:lang="gre"><gap reason="fm"/></foreign>υπαρία iſt alhier ἁμαρ-<lb/> τία ἐυπερίστατος, wie ſie Paulus Hebr. 12, 1.<lb/> nennet, <hi rendition="#fr">die Suͤnde die uns immer ankle-<lb/> bet:</hi> welche, nach der Eigenſchaft des Griechi-<lb/> ſchen Worts, gleich iſt derjenigen Unreinig-<lb/> keit, welche ſich, wenn man gleich einmal ge-<lb/> waſchen und gereiniget iſt, immer aufs neue<lb/> dergeſtalt wieder an die Haut von auſſen anle-<lb/> get, daß, wo ſich einer in laͤngerer Zeit davon<lb/> nicht aufs neue reinigen wuͤrde, er davon<lb/> wuͤrde gantz ungeſtalt und ſcheußlich werden.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Und eben dieſes erlaͤutert der Apoſtel mit den<lb/> dazu geſetzten Worten: περισσείαν κακίας, da<lb/> denn κακία iſt die noch uͤbrige <hi rendition="#fr">Erb-Suͤnde,</hi><lb/> die, wenn ſie zur Herrſchaft koͤmmt, heißt<lb/> πονηρία, <hi rendition="#fr">Bosheit.</hi> Weil ſie doch aber auſ-<lb/> ſer der Herrſchaft in vielen Schwachheits-<lb/> Suͤnden und Fehlern ſich zu aͤuſſern pfleget,<lb/> ſo nennet der Apoſtel dieſen Ausbruch περισ-<lb/> σέιαν, etwas, wodurch ſich die boͤſe Quelle der<lb/> Erb-Suͤnde ergieſſet, und womit ſie aus, oder<lb/> uͤberfluͤßet; iedoch, ſo fern es von Wiederge-<lb/> bornen geſaget wird, ohne Herrſchaft.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">c.</hi> Dieſes iſts, was da ſoll bey der Annehmung<lb/> des Worts abgeleget werden, und zwar der-<lb/> geſtalt, daß die Ablegung zur Ordnung der-<lb/> ſelben gehoͤret. Denn in weſſen Seele das<lb/> Wort ſchon eingepflantzet iſt, der hat von dem-<lb/> ſelben nicht allein die Beſtrafung und Uber-<lb/> zeugung von ſeinen innerlichen und aͤuſſerli-<lb/> chen Fehlern, ſondern an demſelben zugleich<lb/> auch die Kraft, ſolche immer mehr abzulegen.<lb/> Dazu denn eine rechte Treu erfodert wird.<lb/> Koͤmmt er nun derſelben gehorſamlich nach,<lb/> ſo iſt er des Worts, und darbey der Gnade<lb/> GOttes, zu immer mehrer Aufnahme faͤhig.<lb/> Beweiſet er ſich aber bey ſolcher innerlichen<lb/> Zucht des Geiſtes untreue, ſo haͤlt er dadurch<lb/> den reicheꝛn Einfluß des gnadenreichen Woꝛts<lb/> GOttes zuruͤck. Und alſo kan man hieraus<lb/> erkennen, daß dieſe <hi rendition="#fr">Ablegung</hi> zu der rechten<lb/><hi rendition="#fr">Ordnung</hi> der wuͤrdigen Aufnahme des<lb/> Worts gehoͤret.</item> </list><lb/> <p>5. Was die <hi rendition="#fr">Aufnahme</hi> ſelbſt betrift, ſo iſt<lb/> davon folgendes zu mercken:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Daß dieſelbe alhier von der <hi rendition="#fr">Fortſetzung</hi> zu<lb/> verſtehen ſey: wie man nicht allein aus dem<lb/> Zuſtande der ſchon Bekehrten, an welche der<lb/> Brief gerichtet iſt, ſondern auch daraus er-<lb/> kennet, daß das aufzunehmende Wort das<lb/> ſchon <hi rendition="#fr">eingepflantzte</hi> genennet wird.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Es verhaͤlt ſich demnach mit dem Worte<lb/> GOttes, als mit einer <hi rendition="#fr">geſunden Speiſe,</hi><lb/> womit ſie in der heiligen Schrift auch oft ver-<lb/> glichen wird. Ob dieſelbe ſchon mehrmal<lb/> alſo eingenommen iſt, daß man ihre Kraft<lb/><cb/> zur leiblichen Nahrung auch noch wircklich in<lb/> ſich befindet: So gebrauchet man ſie doch<lb/> immer aufs neue zur taͤglichen Nahrung und<lb/> Staͤrckung, alſo daß es billig heißt: <hi rendition="#fr">ie laͤn-<lb/> ger, ie lieber.</hi></item><lb/> <item><hi rendition="#aq">c.</hi> Dieſes finden wir gar ſchoͤn in dem Orte Pe-<lb/> tri vorgeſtellet Ep. 1. c. 2, 2. <hi rendition="#fr">Seyd begierig<lb/> nach der vernuͤnftigen lautern Milch,<lb/> als die itzt gebornen Kindlein, daß ihr<lb/> durch dieſelbe zunehmet.</hi> Die Glaͤubi-<lb/> gen waren aus dem Samen des Worts ſchon<lb/> neugeboren worden c. 1, 23. und dennoch, ja<lb/> eben daher, ſolten ſie nun nach eben demſelben,<lb/> als nach einer lautern Milch, begierig ſeyn,<lb/> um ihr geiſtliches Leben aus eben dem <hi rendition="#aq">Princi-<lb/> pio,</hi> oder dem geiſtlichen Element, woraus<lb/> ſie es empfangen hatten, auch zu unterhalten.<lb/> Welcher Ort dieſen ſo vielmehr erlaͤutert, ſo<lb/> viel ausdruͤcklicher zu der begierigen Einnah-<lb/> me der lautern Milch eben die <hi rendition="#fr">Ordnung der<lb/> Ablegung</hi> der erkannten Suͤnden erfodert<lb/> wird: als davon es vorher v. 1. heißt: <hi rendition="#fr">So<lb/> leget nun ab alle Bosheit</hi> (κακίαν, boͤſe Art<lb/> der Suͤnde) <hi rendition="#fr">und allen Betrug</hi> (Unlauterkeit)<lb/><hi rendition="#fr">und Neid, und alles Afterreden.</hi></item><lb/> <item><hi rendition="#aq">d.</hi> Es ſoll denn aber die fernere Aufnahme des<lb/> Worts geſchehen <hi rendition="#fr">mit Sanftmuth,</hi> das iſt,<lb/> man ſolle ſich durch das Wort GOttes gern<lb/> beſtrafen laſſen; und, wenn man die Beſtraf-<lb/> fung im Gewiſſen fuͤhlet, ſo ſoll man ſich ſo<lb/> gar nicht unwillig dagegen, oder gegen die,<lb/> welche es an das Gewiſſen legen, bezeugen, daß<lb/> man vielmehr der Uberzeugung mit ſtillem<lb/> und ſanften Geiſte in aller willigen Folgſam-<lb/> keit Platz gebe.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">e.</hi> Der Apoſtel hat mit Fleiß dieſes Wort von<lb/> der <hi rendition="#fr">Sanftmuth</hi> zu der Erinnerung von<lb/> der Aufnahme des Worts geſetzet, weil ſich<lb/> bey manchen das Gegentheil zu finden pfle-<lb/> get; daß man nemlich ungehalten wird, wo<lb/> nicht auf das Wort, doch auf den, der es ei-<lb/> nem vorhaͤlt. Wodurch man ſich denn ge-<lb/> wiß ſehr verſuͤndiget, da man eine ſolche Vor-<lb/> haltung als eine groſſe Wohlthat anſehen<lb/> ſolte. Denn wenn man dieſes an einem mer-<lb/> cket, daß er ſich nicht ſagen laͤßt, ſondern un-<lb/> gehalten daruͤber wird, ſo beraubet er ſich<lb/> des Segens, welchen er von der Zurede ha-<lb/> ben koͤnte.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">f.</hi> Es iſt aber auch, damit das Wort deſto eher<lb/> mit Sanftmuth koͤnne aufgenommen werden,<lb/> noͤthig, daß es in einem <hi rendition="#fr">Evangeliſchen Gei-<lb/> ſte</hi> mit Liebe und Sanftmuth vorgetragen<lb/> werde, wie Paulus Gal. 5, 1. ſpricht: <hi rendition="#fr">Lie-<lb/> ben Bruͤder, ſo ein Menſch etwa von ei-<lb/> nem Fehl uͤbereilet wuͤrde, ſo helfet ihm<lb/> wieder zu rechte mit ſanftmuͤthigem<lb/> Geiſte, ihr, die ihr geiſtlich ſeyd.</hi></item> </list><lb/> <p>6. Die <hi rendition="#fr">Kraft</hi> und <hi rendition="#fr">Frucht</hi> des wuͤrdig<lb/> aufgenommenen Worts wird bezeuget mit den<lb/> Worten: τὸν δυνάμενον <hi rendition="#fr">das kan, oder vermoͤ-<lb/> gend iſt eure Seelen ſelig zu machen.</hi> Da-<lb/> bey auch unterſchiedliches zu erwegen iſt:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Das Wort GOttes hat eine <hi rendition="#fr">Kraft;</hi> und zwar<lb/> nicht nur eine <hi rendition="#fr">natuͤrliche,</hi> wie alles geſchriebe-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">K k k</fw><fw place="bottom" type="catch">ne</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [441/0443]
Cap. 1. v. 21. Erklaͤrung des Briefes Jaeobi.
Da ſie das hoͤreren, ging es ihnen durchs
Hertz und ſprachen zu Petro und zu den an-
dern Apoſteln: Jhr Maͤnner, lieben Bruͤ-
der, was ſollen wir thun? da ſie denn recht-
ſchaffen zu Chriſto bekehret wurden.
4. Die Ordnung der fernern Aufnahme
wird mit den Worten von Ablegung aller Un-
ſauberkeit und Bosheit angewieſen. Dabey
folgendes zu mercken iſt:
a. Die Unſauberkeit, _ υπαρία iſt alhier ἁμαρ-
τία ἐυπερίστατος, wie ſie Paulus Hebr. 12, 1.
nennet, die Suͤnde die uns immer ankle-
bet: welche, nach der Eigenſchaft des Griechi-
ſchen Worts, gleich iſt derjenigen Unreinig-
keit, welche ſich, wenn man gleich einmal ge-
waſchen und gereiniget iſt, immer aufs neue
dergeſtalt wieder an die Haut von auſſen anle-
get, daß, wo ſich einer in laͤngerer Zeit davon
nicht aufs neue reinigen wuͤrde, er davon
wuͤrde gantz ungeſtalt und ſcheußlich werden.
b. Und eben dieſes erlaͤutert der Apoſtel mit den
dazu geſetzten Worten: περισσείαν κακίας, da
denn κακία iſt die noch uͤbrige Erb-Suͤnde,
die, wenn ſie zur Herrſchaft koͤmmt, heißt
πονηρία, Bosheit. Weil ſie doch aber auſ-
ſer der Herrſchaft in vielen Schwachheits-
Suͤnden und Fehlern ſich zu aͤuſſern pfleget,
ſo nennet der Apoſtel dieſen Ausbruch περισ-
σέιαν, etwas, wodurch ſich die boͤſe Quelle der
Erb-Suͤnde ergieſſet, und womit ſie aus, oder
uͤberfluͤßet; iedoch, ſo fern es von Wiederge-
bornen geſaget wird, ohne Herrſchaft.
c. Dieſes iſts, was da ſoll bey der Annehmung
des Worts abgeleget werden, und zwar der-
geſtalt, daß die Ablegung zur Ordnung der-
ſelben gehoͤret. Denn in weſſen Seele das
Wort ſchon eingepflantzet iſt, der hat von dem-
ſelben nicht allein die Beſtrafung und Uber-
zeugung von ſeinen innerlichen und aͤuſſerli-
chen Fehlern, ſondern an demſelben zugleich
auch die Kraft, ſolche immer mehr abzulegen.
Dazu denn eine rechte Treu erfodert wird.
Koͤmmt er nun derſelben gehorſamlich nach,
ſo iſt er des Worts, und darbey der Gnade
GOttes, zu immer mehrer Aufnahme faͤhig.
Beweiſet er ſich aber bey ſolcher innerlichen
Zucht des Geiſtes untreue, ſo haͤlt er dadurch
den reicheꝛn Einfluß des gnadenreichen Woꝛts
GOttes zuruͤck. Und alſo kan man hieraus
erkennen, daß dieſe Ablegung zu der rechten
Ordnung der wuͤrdigen Aufnahme des
Worts gehoͤret.
5. Was die Aufnahme ſelbſt betrift, ſo iſt
davon folgendes zu mercken:
a. Daß dieſelbe alhier von der Fortſetzung zu
verſtehen ſey: wie man nicht allein aus dem
Zuſtande der ſchon Bekehrten, an welche der
Brief gerichtet iſt, ſondern auch daraus er-
kennet, daß das aufzunehmende Wort das
ſchon eingepflantzte genennet wird.
b. Es verhaͤlt ſich demnach mit dem Worte
GOttes, als mit einer geſunden Speiſe,
womit ſie in der heiligen Schrift auch oft ver-
glichen wird. Ob dieſelbe ſchon mehrmal
alſo eingenommen iſt, daß man ihre Kraft
zur leiblichen Nahrung auch noch wircklich in
ſich befindet: So gebrauchet man ſie doch
immer aufs neue zur taͤglichen Nahrung und
Staͤrckung, alſo daß es billig heißt: ie laͤn-
ger, ie lieber.
c. Dieſes finden wir gar ſchoͤn in dem Orte Pe-
tri vorgeſtellet Ep. 1. c. 2, 2. Seyd begierig
nach der vernuͤnftigen lautern Milch,
als die itzt gebornen Kindlein, daß ihr
durch dieſelbe zunehmet. Die Glaͤubi-
gen waren aus dem Samen des Worts ſchon
neugeboren worden c. 1, 23. und dennoch, ja
eben daher, ſolten ſie nun nach eben demſelben,
als nach einer lautern Milch, begierig ſeyn,
um ihr geiſtliches Leben aus eben dem Princi-
pio, oder dem geiſtlichen Element, woraus
ſie es empfangen hatten, auch zu unterhalten.
Welcher Ort dieſen ſo vielmehr erlaͤutert, ſo
viel ausdruͤcklicher zu der begierigen Einnah-
me der lautern Milch eben die Ordnung der
Ablegung der erkannten Suͤnden erfodert
wird: als davon es vorher v. 1. heißt: So
leget nun ab alle Bosheit (κακίαν, boͤſe Art
der Suͤnde) und allen Betrug (Unlauterkeit)
und Neid, und alles Afterreden.
d. Es ſoll denn aber die fernere Aufnahme des
Worts geſchehen mit Sanftmuth, das iſt,
man ſolle ſich durch das Wort GOttes gern
beſtrafen laſſen; und, wenn man die Beſtraf-
fung im Gewiſſen fuͤhlet, ſo ſoll man ſich ſo
gar nicht unwillig dagegen, oder gegen die,
welche es an das Gewiſſen legen, bezeugen, daß
man vielmehr der Uberzeugung mit ſtillem
und ſanften Geiſte in aller willigen Folgſam-
keit Platz gebe.
e. Der Apoſtel hat mit Fleiß dieſes Wort von
der Sanftmuth zu der Erinnerung von
der Aufnahme des Worts geſetzet, weil ſich
bey manchen das Gegentheil zu finden pfle-
get; daß man nemlich ungehalten wird, wo
nicht auf das Wort, doch auf den, der es ei-
nem vorhaͤlt. Wodurch man ſich denn ge-
wiß ſehr verſuͤndiget, da man eine ſolche Vor-
haltung als eine groſſe Wohlthat anſehen
ſolte. Denn wenn man dieſes an einem mer-
cket, daß er ſich nicht ſagen laͤßt, ſondern un-
gehalten daruͤber wird, ſo beraubet er ſich
des Segens, welchen er von der Zurede ha-
ben koͤnte.
f. Es iſt aber auch, damit das Wort deſto eher
mit Sanftmuth koͤnne aufgenommen werden,
noͤthig, daß es in einem Evangeliſchen Gei-
ſte mit Liebe und Sanftmuth vorgetragen
werde, wie Paulus Gal. 5, 1. ſpricht: Lie-
ben Bruͤder, ſo ein Menſch etwa von ei-
nem Fehl uͤbereilet wuͤrde, ſo helfet ihm
wieder zu rechte mit ſanftmuͤthigem
Geiſte, ihr, die ihr geiſtlich ſeyd.
6. Die Kraft und Frucht des wuͤrdig
aufgenommenen Worts wird bezeuget mit den
Worten: τὸν δυνάμενον das kan, oder vermoͤ-
gend iſt eure Seelen ſelig zu machen. Da-
bey auch unterſchiedliches zu erwegen iſt:
a. Das Wort GOttes hat eine Kraft; und zwar
nicht nur eine natuͤrliche, wie alles geſchriebe-
ne
K k k
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |