1. Haben die Reichen gleich einen Vor- zug vor den Armen in dieser Welt, wie die Blumen vor dem gemeinen Grase: so sind sie hingegen viel hinfälliger, da sie der Arbeit, wel- che das beste Mittel für die zuerhaltende Ge- sundheit ist, weniger obliegen. Die Armen und Niedrigen sind dem Grase gleich, darüber man zwar hingehet, welches aber gemeiniglich länger stehet und grünet, als eine Blume blühet.
2. Da aber beydes die Blume und das Graß vergänglich ist, so thut man wohl, wenn man sich bey Zeiten nach dem unvergängli- chen umsiehet: Welches Petrus Ep. 1. c. 1, 4. nennet das unvergängliche, unbefleckte und unverwelckliche Erbe, das behalten wird im Himmel.
3. Da sich die heilige Schrift dieser Ver- gleichung öfter bedienet, so sehe man davon son- derlich Job. 14, 1. 2. Der Mensch vom Weibe geboren lebt kurtze Zeit, und ist voller Un- ruhe: er gehet auf, wie eine Blume, und fället abe, fleucht wie ein Schatten, und bleibet nicht. Siehe auch Ps. 103, 15. Jes. 40, 6. 1 Pet. 1, 24.
4. Es ist demnach nöthig, daß man die Hinfälligkeit des Lebens und die Unbestän- digkeit des äusserlichen Wohlseyns wohl beden- cke: und sich dergleichen Vorstellungen sonder- lich zur Frühlings- und Sommers-Zeit ma- che, wenn man sich in den Gärten, oder auf den Feldern und Wiesen, befindet.
V. 12.
Selig ist der Mann, der die Anfech- tung erduldet! denn nachdem er bewäh- ret ist, wird er die Crone des Lebens em- pfahen, welche GOtt verheissen hat denen, die ihn lieb haben.
Anmerckungen.
1. Die Creutzträger sollen nicht allein selig werden, sondern sie sind schon unter ihrem Lei- den selig. Darum unser Heyland ihnen die Seligkeit zweymal zuspricht, wenn er saget: Selig sind, die um Gerechtigkeit willen ver- folget werden: denn das Himmelreich ist ihr. Selig seyd ihr, wenn euch die Men- schen um meinet willen schmähen und ver- folgen u. f. Matth. 5, 10. 11. Also auch Petrus 1 Pet. 4, 14. Selig seyd ihr, wenn ihr ge- schmähet werdet, über dem Namen Chri- sti. Denn der Geist, der ein Geist der Herr- lichkeit und GOttes ist, ruhet auf euch!
2. Ob man nun gleich im Stande der An- fechtungen schon auf gewisse Art selig ist; so ist man doch nicht dadurch, sondern nur darinn selig, also daß sie dem Stande der Gnaden nicht entgegen stehen, sondern vielmehr ein unfehlba- res Kennzeichen davon sind.
3. Und da es nicht selten geschiehet, daß auch wol die getreusten Creutzträger, weil sie ih- re Armuth am Geiste fühlen, an ihrem Gna- den-Stande und an ihrer Kindschaft bey GOtt zweifeln: so haben sie sich ihr Creutz zur Versi- [Spaltenumbruch]
cherung davon dienen zu lassen. Denn wäret ihr von der Welt, spricht unser Heyland Joh. 15, 19. so hätte die Welt das ihre lieb. Die- weil ihr aber nicht von der Welt seyd, son- dern ich habe euch von der Welt erwehlet, darum hasset euch die Welt.
4. Bewähret seyn, ist die Probe in der Beharrung also an sich haben sehen lassen, daß man rechtschaffen sey; und einen solchen Glau- ben habe, der durch das Feuer der Trübsal immer mehr von seinen Schlacken ist gereiniget worden. Einem solchen wird der HErr selbst das Zeugniß geben, und zu ihm sagen: Ey du frommer und getreuer Knecht! du bist über wenigem getreu gewesen: ich will dich über viel setzen, gehe ein zu deines HErrn Freude! Matth. 25, 23.
5. Die gläubigen Christen sind nicht allein Unterthanen, sondern auch Reichsgenossen Christi; als die mit ihm herrschen und regieren, die Welt richten, ja mit ihm auf seinem Thron sitzen sollen 1 Cor. 6, 2. 3. Off. 1, 5. 6. c. 3, 21. c. 5, 10. daher sie auch ein Königliches Priester- thum heissen 1 Pet. 2, 9.
6. Diese Crone des Lebens heißt 1 Cor. 9, 25. eine unvergängliche, im Gegensatze auf die vergänglichen, oder irdischen: die Crone der Gerechtigkeit 2 Tim. 4, 8. weil die von Christo uns erworbene und geschenckte Gerech- tigkeit daran die rechte Haupt-Zierde ist, daher alle andere Seligkeit und Herrlichkeit entstehet. Die Crone der Ehren 1 Petr. 5, 4. weil die höchste Würde der Glieder Christi darinn sich wird hervorthun. Siehe auch Offenb. 2, 10. da unser Heyland spricht: Sey getreu bis in den Tod, so will ich dir die Crone des Le- bens geben!
7. Da wir in diesen Worten Christi se- hen, daß er die Crone des Lebens verheissen hat, und sie auch geben will, und es in unserm Texte heißt: GOtt habe sie verheissen; so erkennet man auch hieraus die wahre Gottheit Christi.
8. Wenn die heilige Schrift der Liebe gedencket, die da ächt und recht ist, so verstehet sie keine andere, als welche den Glauben zum Grunde hat: gleichwie, wenn sie vom Glauben allein redet, sie keinen andern Glauben verstehet, als welcher durch die Liebe thäthig ist Gal. 5, 6. Es sind demnach die Gottliebende keine andere, als welche im Glauben also verharren, daß sie ihn bis an ihr seliges Ende in der Liebe thätig er- weisen. Da sie denn also durch ihre Liebe nichts verdienen, sondern die Crone aus lauter Gna- den empfangen. Man hat demnach die Ord- nung des Heyls von der wirckenden und ver- dienstlichen Ursache wohl zu unterscheiden. 2 Tim. 4, 8. heißt es die Erscheinung Christi lieb haben.
V. 13.
Niemand sage, wenn er (zum bösen, wie folget) versuchet wird, daß er von GOtt versuchet werde: Denn GOtt ist nicht ein Versucher zum bösen, er versuchet niemand.
An-
Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 11-13.
[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. Haben die Reichen gleich einen Vor- zug vor den Armen in dieſer Welt, wie die Blumen vor dem gemeinen Graſe: ſo ſind ſie hingegen viel hinfaͤlliger, da ſie der Arbeit, wel- che das beſte Mittel fuͤr die zuerhaltende Ge- ſundheit iſt, weniger obliegen. Die Armen und Niedrigen ſind dem Graſe gleich, daruͤber man zwar hingehet, welches aber gemeiniglich laͤnger ſtehet und gruͤnet, als eine Blume bluͤhet.
2. Da aber beydes die Blume und das Graß vergaͤnglich iſt, ſo thut man wohl, wenn man ſich bey Zeiten nach dem unvergaͤngli- chen umſiehet: Welches Petrus Ep. 1. c. 1, 4. nennet das unvergaͤngliche, unbefleckte und unverwelckliche Erbe, das behalten wird im Himmel.
3. Da ſich die heilige Schrift dieſer Ver- gleichung oͤfter bedienet, ſo ſehe man davon ſon- derlich Job. 14, 1. 2. Der Menſch vom Weibe geboren lebt kurtze Zeit, und iſt voller Un- ruhe: er gehet auf, wie eine Blume, und faͤllet abe, fleucht wie ein Schatten, und bleibet nicht. Siehe auch Pſ. 103, 15. Jeſ. 40, 6. 1 Pet. 1, 24.
4. Es iſt demnach noͤthig, daß man die Hinfaͤlligkeit des Lebens und die Unbeſtaͤn- digkeit des aͤuſſerlichen Wohlſeyns wohl beden- cke: und ſich dergleichen Vorſtellungen ſonder- lich zur Fruͤhlings- und Sommers-Zeit ma- che, wenn man ſich in den Gaͤrten, oder auf den Feldern und Wieſen, befindet.
V. 12.
Selig iſt der Mann, der die Anfech- tung erduldet! denn nachdem er bewaͤh- ret iſt, wird er die Crone des Lebens em- pfahen, welche GOtt verheiſſen hat denen, die ihn lieb haben.
Anmerckungen.
1. Die Creutztraͤger ſollen nicht allein ſelig werden, ſondern ſie ſind ſchon unter ihrem Lei- den ſelig. Darum unſer Heyland ihnen die Seligkeit zweymal zuſpricht, wenn er ſaget: Selig ſind, die um Gerechtigkeit willen ver- folget werden: denn das Himmelreich iſt ihr. Selig ſeyd ihr, wenn euch die Men- ſchen um meinet willen ſchmaͤhen und ver- folgen u. f. Matth. 5, 10. 11. Alſo auch Petrus 1 Pet. 4, 14. Selig ſeyd ihr, wenn ihr ge- ſchmaͤhet werdet, uͤber dem Namen Chri- ſti. Denn der Geiſt, der ein Geiſt der Herr- lichkeit und GOttes iſt, ruhet auf euch!
2. Ob man nun gleich im Stande der An- fechtungen ſchon auf gewiſſe Art ſelig iſt; ſo iſt man doch nicht dadurch, ſondern nur darinn ſelig, alſo daß ſie dem Stande der Gnaden nicht entgegen ſtehen, ſondern vielmehr ein unfehlba- res Kennzeichen davon ſind.
3. Und da es nicht ſelten geſchiehet, daß auch wol die getreuſten Creutztraͤger, weil ſie ih- re Armuth am Geiſte fuͤhlen, an ihrem Gna- den-Stande und an ihrer Kindſchaft bey GOtt zweifeln: ſo haben ſie ſich ihr Creutz zur Verſi- [Spaltenumbruch]
cherung davon dienen zu laſſen. Denn waͤret ihr von der Welt, ſpricht unſer Heyland Joh. 15, 19. ſo haͤtte die Welt das ihre lieb. Die- weil ihr aber nicht von der Welt ſeyd, ſon- dern ich habe euch von der Welt erwehlet, darum haſſet euch die Welt.
4. Bewaͤhret ſeyn, iſt die Probe in der Beharrung alſo an ſich haben ſehen laſſen, daß man rechtſchaffen ſey; und einen ſolchen Glau- ben habe, der durch das Feuer der Truͤbſal immer mehr von ſeinen Schlacken iſt gereiniget worden. Einem ſolchen wird der HErr ſelbſt das Zeugniß geben, und zu ihm ſagen: Ey du frommer und getreuer Knecht! du biſt uͤber wenigem getreu geweſen: ich will dich uͤber viel ſetzen, gehe ein zu deines HErrn Freude! Matth. 25, 23.
5. Die glaͤubigen Chriſten ſind nicht allein Unterthanen, ſondern auch Reichsgenoſſen Chriſti; als die mit ihm herrſchen und regieren, die Welt richten, ja mit ihm auf ſeinem Thron ſitzen ſollen 1 Cor. 6, 2. 3. Off. 1, 5. 6. c. 3, 21. c. 5, 10. daher ſie auch ein Koͤnigliches Prieſter- thum heiſſen 1 Pet. 2, 9.
6. Dieſe Crone des Lebens heißt 1 Cor. 9, 25. eine unvergaͤngliche, im Gegenſatze auf die vergaͤnglichen, oder irdiſchen: die Crone der Gerechtigkeit 2 Tim. 4, 8. weil die von Chriſto uns erworbene und geſchenckte Gerech- tigkeit daran die rechte Haupt-Zierde iſt, daher alle andere Seligkeit und Herrlichkeit entſtehet. Die Crone der Ehren 1 Petr. 5, 4. weil die hoͤchſte Wuͤrde der Glieder Chriſti darinn ſich wird hervorthun. Siehe auch Offenb. 2, 10. da unſer Heyland ſpricht: Sey getreu bis in den Tod, ſo will ich dir die Crone des Le- bens geben!
7. Da wir in dieſen Worten Chriſti ſe- hen, daß er die Crone des Lebens verheiſſen hat, und ſie auch geben will, und es in unſerm Texte heißt: GOtt habe ſie verheiſſen; ſo erkennet man auch hieraus die wahre Gottheit Chriſti.
8. Wenn die heilige Schrift der Liebe gedencket, die da aͤcht und recht iſt, ſo verſtehet ſie keine andere, als welche den Glauben zum Grunde hat: gleichwie, wenn ſie vom Glauben allein redet, ſie keinen andern Glauben verſtehet, als welcher durch die Liebe thaͤthig iſt Gal. 5, 6. Es ſind demnach die Gottliebende keine andere, als welche im Glauben alſo verharren, daß ſie ihn bis an ihr ſeliges Ende in der Liebe thaͤtig er- weiſen. Da ſie denn alſo durch ihre Liebe nichts verdienen, ſondern die Crone aus lauter Gna- den empfangen. Man hat demnach die Ord- nung des Heyls von der wirckenden und ver- dienſtlichen Urſache wohl zu unterſcheiden. 2 Tim. 4, 8. heißt es die Erſcheinung Chriſti lieb haben.
V. 13.
Niemand ſage, wenn er (zum boͤſen, wie folget) verſuchet wird, daß er von GOtt verſuchet werde: Denn GOtt iſt nicht ein Verſucher zum boͤſen, er verſuchet niemand.
An-
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[432/0434]
Richtige und erbauliche Cap. 1. v. 11-13.
Anmerckungen.
1. Haben die Reichen gleich einen Vor-
zug vor den Armen in dieſer Welt, wie die
Blumen vor dem gemeinen Graſe: ſo ſind ſie
hingegen viel hinfaͤlliger, da ſie der Arbeit, wel-
che das beſte Mittel fuͤr die zuerhaltende Ge-
ſundheit iſt, weniger obliegen. Die Armen und
Niedrigen ſind dem Graſe gleich, daruͤber man
zwar hingehet, welches aber gemeiniglich laͤnger
ſtehet und gruͤnet, als eine Blume bluͤhet.
2. Da aber beydes die Blume und das
Graß vergaͤnglich iſt, ſo thut man wohl,
wenn man ſich bey Zeiten nach dem unvergaͤngli-
chen umſiehet: Welches Petrus Ep. 1. c. 1, 4.
nennet das unvergaͤngliche, unbefleckte und
unverwelckliche Erbe, das behalten wird
im Himmel.
3. Da ſich die heilige Schrift dieſer Ver-
gleichung oͤfter bedienet, ſo ſehe man davon ſon-
derlich Job. 14, 1. 2. Der Menſch vom Weibe
geboren lebt kurtze Zeit, und iſt voller Un-
ruhe: er gehet auf, wie eine Blume, und
faͤllet abe, fleucht wie ein Schatten, und
bleibet nicht. Siehe auch Pſ. 103, 15. Jeſ. 40,
6. 1 Pet. 1, 24.
4. Es iſt demnach noͤthig, daß man die
Hinfaͤlligkeit des Lebens und die Unbeſtaͤn-
digkeit des aͤuſſerlichen Wohlſeyns wohl beden-
cke: und ſich dergleichen Vorſtellungen ſonder-
lich zur Fruͤhlings- und Sommers-Zeit ma-
che, wenn man ſich in den Gaͤrten, oder auf den
Feldern und Wieſen, befindet.
V. 12.
Selig iſt der Mann, der die Anfech-
tung erduldet! denn nachdem er bewaͤh-
ret iſt, wird er die Crone des Lebens em-
pfahen, welche GOtt verheiſſen hat denen,
die ihn lieb haben.
Anmerckungen.
1. Die Creutztraͤger ſollen nicht allein ſelig
werden, ſondern ſie ſind ſchon unter ihrem Lei-
den ſelig. Darum unſer Heyland ihnen die
Seligkeit zweymal zuſpricht, wenn er ſaget:
Selig ſind, die um Gerechtigkeit willen ver-
folget werden: denn das Himmelreich iſt
ihr. Selig ſeyd ihr, wenn euch die Men-
ſchen um meinet willen ſchmaͤhen und ver-
folgen u. f. Matth. 5, 10. 11. Alſo auch Petrus
1 Pet. 4, 14. Selig ſeyd ihr, wenn ihr ge-
ſchmaͤhet werdet, uͤber dem Namen Chri-
ſti. Denn der Geiſt, der ein Geiſt der Herr-
lichkeit und GOttes iſt, ruhet auf euch!
2. Ob man nun gleich im Stande der An-
fechtungen ſchon auf gewiſſe Art ſelig iſt; ſo iſt
man doch nicht dadurch, ſondern nur darinn
ſelig, alſo daß ſie dem Stande der Gnaden nicht
entgegen ſtehen, ſondern vielmehr ein unfehlba-
res Kennzeichen davon ſind.
3. Und da es nicht ſelten geſchiehet, daß
auch wol die getreuſten Creutztraͤger, weil ſie ih-
re Armuth am Geiſte fuͤhlen, an ihrem Gna-
den-Stande und an ihrer Kindſchaft bey GOtt
zweifeln: ſo haben ſie ſich ihr Creutz zur Verſi-
cherung davon dienen zu laſſen. Denn waͤret
ihr von der Welt, ſpricht unſer Heyland Joh.
15, 19. ſo haͤtte die Welt das ihre lieb. Die-
weil ihr aber nicht von der Welt ſeyd, ſon-
dern ich habe euch von der Welt erwehlet,
darum haſſet euch die Welt.
4. Bewaͤhret ſeyn, iſt die Probe in der
Beharrung alſo an ſich haben ſehen laſſen, daß
man rechtſchaffen ſey; und einen ſolchen Glau-
ben habe, der durch das Feuer der Truͤbſal
immer mehr von ſeinen Schlacken iſt gereiniget
worden. Einem ſolchen wird der HErr ſelbſt
das Zeugniß geben, und zu ihm ſagen: Ey du
frommer und getreuer Knecht! du biſt
uͤber wenigem getreu geweſen: ich will
dich uͤber viel ſetzen, gehe ein zu deines
HErrn Freude! Matth. 25, 23.
5. Die glaͤubigen Chriſten ſind nicht allein
Unterthanen, ſondern auch Reichsgenoſſen
Chriſti; als die mit ihm herrſchen und regieren,
die Welt richten, ja mit ihm auf ſeinem Thron
ſitzen ſollen 1 Cor. 6, 2. 3. Off. 1, 5. 6. c. 3, 21. c. 5,
10. daher ſie auch ein Koͤnigliches Prieſter-
thum heiſſen 1 Pet. 2, 9.
6. Dieſe Crone des Lebens heißt 1 Cor.
9, 25. eine unvergaͤngliche, im Gegenſatze auf
die vergaͤnglichen, oder irdiſchen: die Crone
der Gerechtigkeit 2 Tim. 4, 8. weil die von
Chriſto uns erworbene und geſchenckte Gerech-
tigkeit daran die rechte Haupt-Zierde iſt, daher
alle andere Seligkeit und Herrlichkeit entſtehet.
Die Crone der Ehren 1 Petr. 5, 4. weil die
hoͤchſte Wuͤrde der Glieder Chriſti darinn ſich
wird hervorthun. Siehe auch Offenb. 2, 10.
da unſer Heyland ſpricht: Sey getreu bis in
den Tod, ſo will ich dir die Crone des Le-
bens geben!
7. Da wir in dieſen Worten Chriſti ſe-
hen, daß er die Crone des Lebens verheiſſen
hat, und ſie auch geben will, und es in unſerm
Texte heißt: GOtt habe ſie verheiſſen; ſo
erkennet man auch hieraus die wahre Gottheit
Chriſti.
8. Wenn die heilige Schrift der Liebe
gedencket, die da aͤcht und recht iſt, ſo verſtehet
ſie keine andere, als welche den Glauben zum
Grunde hat: gleichwie, wenn ſie vom Glauben
allein redet, ſie keinen andern Glauben verſtehet,
als welcher durch die Liebe thaͤthig iſt Gal. 5, 6.
Es ſind demnach die Gottliebende keine andere,
als welche im Glauben alſo verharren, daß ſie
ihn bis an ihr ſeliges Ende in der Liebe thaͤtig er-
weiſen. Da ſie denn alſo durch ihre Liebe nichts
verdienen, ſondern die Crone aus lauter Gna-
den empfangen. Man hat demnach die Ord-
nung des Heyls von der wirckenden und ver-
dienſtlichen Urſache wohl zu unterſcheiden.
2 Tim. 4, 8. heißt es die Erſcheinung Chriſti lieb
haben.
V. 13.
Niemand ſage, wenn er (zum boͤſen, wie
folget) verſuchet wird, daß er von GOtt
verſuchet werde: Denn GOtt iſt nicht ein
Verſucher zum boͤſen, er verſuchet niemand.
An-
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/434>, abgerufen am 27.07.2024.
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vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.