2. Daß sich diese schon in der ersten Kirche hervorthaten, das war eben nicht zu verwun- dern. Denn das Evangelium von Christo wur- de Juden und Heyden verkündiget; und funde vielen Eingang: aber nicht bey allen zur völli- gen Bekehrung, sondern bey vielen nur zu einer solchen Uberzeugung, daß sie wohl sahen, sie könten mit ihrem Juden- und Heydenthum, aus- ser Christo, nicht bestehen. Weil sie aber Chri- stum nach dem Evangelio nicht recht erkanten, noch sich recht zu ihm bekehrten, sondern theils am Judenthum, theils auch an den philosophi- schen Sätzen des Heydenthums hangen blieben; so entstunde daher ein solcher Mischmasch der Lehre, der recht arg und verführisch war. Die meiste Verfälschung aber und Verführung kam von den kaum halbbekehrten Juden. Darum Paulus Tit. 1, 10. 11. schreibet: Es sind viel freche und unnütze Schwätzer und Verfüh- rer, sonderlich die aus der Beschneidung: welchen man muß das Maul stopfen, die da gantze Häuser verkehren, und lehren das nicht nicht taugt, um schändliches Ge- winnes willen.
3. Es ist an der Reinigkeit der Lehre, sonderlich der Haupt-Lehre von Christo, sehr viel, ja alles gelegen, nemlich daß sie theils recht erkannt und im Glauben angenommen, theils zum gottseligen Wandel vor GOtt und Men- schen recht appliciret werde. Dannenhero man sie billig hoch zu achten, und wohl zu bewah- ren hat: und zwar wie allezeit, also auch sonder- lich heute zu tage, da es nicht an solchen irrigen Lehrern fehlet, welche theils unter der Meynung des zu befördernden thätigen Christenthums, theils unter dem Vorwand der zu bewahrenden Orthodoxie, oder reinen Lehre, auf allerhand falsche und schädliche Lehren fallen, und dieselbe also zu schmücken wissen, daß unbevestigte und unerfahrne sich dadurch leichtlich können um- treiben und berücken lassen. Davor Paulus auch sonst warnet. Siehe Röm. 16, 17. 18. Gal. 1, 7. Eph. 4, 14. c. 5, 6. Phil. 3, 2. 17. 18. 19. Col. 2, 8. u. f. 1 Tim. 6, 3. 4. 5. u. s. w.
4. Es kömmt im Christenthum auf eine rechte Uberzeugung und Bevestigung an. Es ist nicht genug, daß man rechtschafne Lehrer ha- be, und das Wort von ihnen also annehme, wie sie es vortragen; sondern es ist auch nöthig, daß, damit man es nicht um ihrentwillen glaube, noch bey ihrer Auctorität stehen bleibe, man alles in sich selbst zur eignen Erfahrung kommen lasse; zumal was die practischen Wahrheiten betrift: in welcher Ordnung man denn auch zur eignen Uberzeugung kömmt, und recht veste wird; und zwar dergestalt, daß, wenn man hernach das Gegentheil höret, man dagegen bestehen kan.
5. Lehre und Gnade gehöret zusammen zur Bevestigung des Hertzens: reine Lehre, und die dadurch kräftig wirckende Gnade. Mancher bleibet nur allein bey der reinen Lehre, oder derselben bloß buchstäblichen Erkenntniß bestehen; nimmt aber die dabey dargebotene Gnade zur wahren Bekehrung und Erleuchtung nicht an: und daher wird er nimmermehr recht [Spaltenumbruch]
bevestiget, ja nicht einmal recht gepflantzet. Ein anderer will zwar Gnade haben und an- nehmen; aber ohne den Grund der reinen Leh- re von Christo und seinem Evangelio: Daher denn ein solcher auch nie recht bevestiget wird, ja nicht einmal dem rechten Anfange nach recht gegründet werden kan. Es muß demnach Leh- re und Gnade immer bey einander stehen.
6. Es ist aber wohl zu mercken, daß die Gnade nicht allein ist forensis, durch welche uns die Gerechtigkeit Christi zugerechnet und unsere Sünde vergeben wird; sondern auch medicinalis, durch welche wir aus dem geistli- chen Tode erwecket, und mit dem geistlichen Le- ben auch zur geistlichen Gesundheit der Seele immer mehr wieder gelangen. Welche zwey Haupt-Wohlthaten der Gnade unzertrennlich sind, also daß man eine ohne die andere nicht haben, vielweniger behalten kan.
V. 10.
Wir haben einen Altar (Christum) von dem nicht Macht haben zu essen (seiner zur Seligkeit zu geniessen, als geistliche Priester) die der Hütten pflegen (welche noch am Mo- saischen Gottesdienste hangen.)
Anmerckungen.
1. Da der Apostel v. 9. den Gegensatz zwi- schen Christo und dem Levitischen Satzungs- Wesen gemachet hatte, so fähret er damit in die- sem und einigen folgenden Versen fort, und kömmt damit wieder auf die in dem gantzen Briefe vorgetragene Haupt-Lehre: wodurch er denn suchet den gläubigen Hebräern davon so viel mehrern Eindruck zu geben, daß sie erkennen sollen, wie so sehr viel, ja alles, daran gelegen sey.
2. Weil Christus bey den Vorbildern des alten Testaments ist alles in allen gewe- sen: so nennet ihn der Apostel alhier den Al- tar, da er ihn sonst den Hohenpriester und das Opfer nennet.
3. Vom Altar essen, das ist gewisser Opf- fer-Stücke, welche zum Altar gebracht, aber darauf nicht verbrannt, sondern nur gewebet und hernach wieder zurück genommen wurden, essen, war ein Vorrecht der Levitischen Priester 4 B. Mos. 18, 8. u. f. 5 B. Mos. 18, 1. u. f. 1 Cor. 10, 13. Da nun diese ausser dem, daß sie zuvor- derst Christum repraesentiret haben, Vorbil- der waren von allen gläubigen Gliedern Chri- sti, als geistlichen Priestern 1 Pet. 2, 5. 9. so heißt alhier vom Altar essen soviel, als Christi theilhaftig werden, und seines Versöhn- opfers zur Seligkeit geniessen. Von welchem Geniessen unser Heyland selbst mit mehrern han- delt. Joh. 6.
4. Gleichwie nun die geistlichen Glieder Christi durch den Glauben die Macht, das ist das Recht, die Freyheit und die hohe Würde empfangen, GOttes Kinder zu werden Joh. 1, 12. also haben sie auch Macht, Christi in allen recht zu geniessen, und des durch ihn gemachten freyen Zugangs zum Gnaden-Thron sich zu be-
dienen.
Cap. 13. v. 9. 10. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch]
2. Daß ſich dieſe ſchon in der erſten Kirche hervorthaten, das war eben nicht zu verwun- dern. Denn das Evangelium von Chriſto wur- de Juden und Heyden verkuͤndiget; und funde vielen Eingang: aber nicht bey allen zur voͤlli- gen Bekehrung, ſondern bey vielen nur zu einer ſolchen Uberzeugung, daß ſie wohl ſahen, ſie koͤnten mit ihrem Juden- und Heydenthum, auſ- ſer Chriſto, nicht beſtehen. Weil ſie aber Chri- ſtum nach dem Evangelio nicht recht erkanten, noch ſich recht zu ihm bekehrten, ſondern theils am Judenthum, theils auch an den philoſophi- ſchen Saͤtzen des Heydenthums hangen blieben; ſo entſtunde daher ein ſolcher Miſchmaſch der Lehre, der recht arg und verfuͤhriſch war. Die meiſte Verfaͤlſchung aber und Verfuͤhrung kam von den kaum halbbekehrten Juden. Darum Paulus Tit. 1, 10. 11. ſchreibet: Es ſind viel freche und unnuͤtze Schwaͤtzer und Verfuͤh- rer, ſonderlich die aus der Beſchneidung: welchen man muß das Maul ſtopfen, die da gantze Haͤuſer verkehren, und lehren das nicht nicht taugt, um ſchaͤndliches Ge- winnes willen.
3. Es iſt an der Reinigkeit der Lehre, ſonderlich der Haupt-Lehre von Chriſto, ſehr viel, ja alles gelegen, nemlich daß ſie theils recht erkannt und im Glauben angenommen, theils zum gottſeligen Wandel vor GOtt und Men- ſchen recht appliciret werde. Dannenhero man ſie billig hoch zu achten, und wohl zu bewah- ren hat: und zwar wie allezeit, alſo auch ſonder- lich heute zu tage, da es nicht an ſolchen irrigen Lehrern fehlet, welche theils unter der Meynung des zu befoͤrdernden thaͤtigen Chriſtenthums, theils unter dem Vorwand der zu bewahrenden Orthodoxie, oder reinen Lehre, auf allerhand falſche und ſchaͤdliche Lehren fallen, und dieſelbe alſo zu ſchmuͤcken wiſſen, daß unbeveſtigte und unerfahrne ſich dadurch leichtlich koͤnnen um- treiben und beruͤcken laſſen. Davor Paulus auch ſonſt warnet. Siehe Roͤm. 16, 17. 18. Gal. 1, 7. Eph. 4, 14. c. 5, 6. Phil. 3, 2. 17. 18. 19. Col. 2, 8. u. f. 1 Tim. 6, 3. 4. 5. u. ſ. w.
4. Es koͤmmt im Chriſtenthum auf eine rechte Uberzeugung und Beveſtigung an. Es iſt nicht genug, daß man rechtſchafne Lehrer ha- be, und das Wort von ihnen alſo annehme, wie ſie es vortragen; ſondern es iſt auch noͤthig, daß, damit man es nicht um ihrentwillen glaube, noch bey ihrer Auctoritaͤt ſtehen bleibe, man alles in ſich ſelbſt zur eignen Erfahrung kommen laſſe; zumal was die practiſchen Wahrheiten betrift: in welcher Ordnung man denn auch zur eignen Uberzeugung koͤmmt, und recht veſte wird; und zwar dergeſtalt, daß, wenn man hernach das Gegentheil hoͤret, man dagegen beſtehen kan.
5. Lehre und Gnade gehoͤret zuſammen zur Beveſtigung des Hertzens: reine Lehre, und die dadurch kraͤftig wirckende Gnade. Mancher bleibet nur allein bey der reinen Lehre, oder derſelben bloß buchſtaͤblichen Erkenntniß beſtehen; nimmt aber die dabey dargebotene Gnade zur wahren Bekehrung und Erleuchtung nicht an: und daher wird er nimmermehr recht [Spaltenumbruch]
beveſtiget, ja nicht einmal recht gepflantzet. Ein anderer will zwar Gnade haben und an- nehmen; aber ohne den Grund der reinen Leh- re von Chriſto und ſeinem Evangelio: Daher denn ein ſolcher auch nie recht beveſtiget wird, ja nicht einmal dem rechten Anfange nach recht gegruͤndet werden kan. Es muß demnach Leh- re und Gnade immer bey einander ſtehen.
6. Es iſt aber wohl zu mercken, daß die Gnade nicht allein iſt forenſis, durch welche uns die Gerechtigkeit Chriſti zugerechnet und unſere Suͤnde vergeben wird; ſondern auch medicinalis, durch welche wir aus dem geiſtli- chen Tode erwecket, und mit dem geiſtlichen Le- ben auch zur geiſtlichen Geſundheit der Seele immer mehr wieder gelangen. Welche zwey Haupt-Wohlthaten der Gnade unzertrennlich ſind, alſo daß man eine ohne die andere nicht haben, vielweniger behalten kan.
V. 10.
Wir haben einen Altar (Chriſtum) von dem nicht Macht haben zu eſſen (ſeiner zur Seligkeit zu genieſſen, als geiſtliche Prieſter) die der Huͤtten pflegen (welche noch am Mo- ſaiſchen Gottesdienſte hangen.)
Anmerckungen.
1. Da der Apoſtel v. 9. den Gegenſatz zwi- ſchen Chriſto und dem Levitiſchen Satzungs- Weſen gemachet hatte, ſo faͤhret er damit in die- ſem und einigen folgenden Verſen fort, und koͤmmt damit wieder auf die in dem gantzen Briefe vorgetragene Haupt-Lehre: wodurch er denn ſuchet den glaͤubigen Hebraͤern davon ſo viel mehrern Eindruck zu geben, daß ſie erkennen ſollen, wie ſo ſehr viel, ja alles, daran gelegen ſey.
2. Weil Chriſtus bey den Vorbildern des alten Teſtaments iſt alles in allen gewe- ſen: ſo nennet ihn der Apoſtel alhier den Al- tar, da er ihn ſonſt den Hohenprieſter und das Opfer nennet.
3. Vom Altar eſſen, das iſt gewiſſer Opf- fer-Stuͤcke, welche zum Altar gebracht, aber darauf nicht verbrannt, ſondern nur gewebet und hernach wieder zuruͤck genommen wurden, eſſen, war ein Vorrecht der Levitiſchen Prieſter 4 B. Moſ. 18, 8. u. f. 5 B. Moſ. 18, 1. u. f. 1 Cor. 10, 13. Da nun dieſe auſſer dem, daß ſie zuvor- derſt Chriſtum repræſentiret haben, Vorbil- der waren von allen glaͤubigen Gliedern Chri- ſti, als geiſtlichen Prieſtern 1 Pet. 2, 5. 9. ſo heißt alhier vom Altar eſſen ſoviel, als Chriſti theilhaftig werden, und ſeines Verſoͤhn- opfers zur Seligkeit genieſſen. Von welchem Genieſſen unſer Heyland ſelbſt mit mehrern han- delt. Joh. 6.
4. Gleichwie nun die geiſtlichen Glieder Chriſti durch den Glauben die Macht, das iſt das Recht, die Freyheit und die hohe Wuͤrde empfangen, GOttes Kinder zu werden Joh. 1, 12. alſo haben ſie auch Macht, Chriſti in allen recht zu genieſſen, und des durch ihn gemachten freyen Zugangs zum Gnaden-Thron ſich zu be-
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[415/0417]
Cap. 13. v. 9. 10. an die Hebraͤer.
2. Daß ſich dieſe ſchon in der erſten Kirche
hervorthaten, das war eben nicht zu verwun-
dern. Denn das Evangelium von Chriſto wur-
de Juden und Heyden verkuͤndiget; und funde
vielen Eingang: aber nicht bey allen zur voͤlli-
gen Bekehrung, ſondern bey vielen nur zu einer
ſolchen Uberzeugung, daß ſie wohl ſahen, ſie
koͤnten mit ihrem Juden- und Heydenthum, auſ-
ſer Chriſto, nicht beſtehen. Weil ſie aber Chri-
ſtum nach dem Evangelio nicht recht erkanten,
noch ſich recht zu ihm bekehrten, ſondern theils
am Judenthum, theils auch an den philoſophi-
ſchen Saͤtzen des Heydenthums hangen blieben;
ſo entſtunde daher ein ſolcher Miſchmaſch der
Lehre, der recht arg und verfuͤhriſch war. Die
meiſte Verfaͤlſchung aber und Verfuͤhrung kam
von den kaum halbbekehrten Juden. Darum
Paulus Tit. 1, 10. 11. ſchreibet: Es ſind viel
freche und unnuͤtze Schwaͤtzer und Verfuͤh-
rer, ſonderlich die aus der Beſchneidung:
welchen man muß das Maul ſtopfen, die
da gantze Haͤuſer verkehren, und lehren
das nicht nicht taugt, um ſchaͤndliches Ge-
winnes willen.
3. Es iſt an der Reinigkeit der Lehre,
ſonderlich der Haupt-Lehre von Chriſto, ſehr
viel, ja alles gelegen, nemlich daß ſie theils recht
erkannt und im Glauben angenommen, theils
zum gottſeligen Wandel vor GOtt und Men-
ſchen recht appliciret werde. Dannenhero
man ſie billig hoch zu achten, und wohl zu bewah-
ren hat: und zwar wie allezeit, alſo auch ſonder-
lich heute zu tage, da es nicht an ſolchen irrigen
Lehrern fehlet, welche theils unter der Meynung
des zu befoͤrdernden thaͤtigen Chriſtenthums,
theils unter dem Vorwand der zu bewahrenden
Orthodoxie, oder reinen Lehre, auf allerhand
falſche und ſchaͤdliche Lehren fallen, und dieſelbe
alſo zu ſchmuͤcken wiſſen, daß unbeveſtigte und
unerfahrne ſich dadurch leichtlich koͤnnen um-
treiben und beruͤcken laſſen. Davor Paulus
auch ſonſt warnet. Siehe Roͤm. 16, 17. 18.
Gal. 1, 7. Eph. 4, 14. c. 5, 6. Phil. 3, 2. 17. 18.
19. Col. 2, 8. u. f. 1 Tim. 6, 3. 4. 5. u. ſ. w.
4. Es koͤmmt im Chriſtenthum auf eine
rechte Uberzeugung und Beveſtigung an. Es
iſt nicht genug, daß man rechtſchafne Lehrer ha-
be, und das Wort von ihnen alſo annehme, wie
ſie es vortragen; ſondern es iſt auch noͤthig, daß,
damit man es nicht um ihrentwillen glaube, noch
bey ihrer Auctoritaͤt ſtehen bleibe, man alles
in ſich ſelbſt zur eignen Erfahrung kommen laſſe;
zumal was die practiſchen Wahrheiten betrift:
in welcher Ordnung man denn auch zur eignen
Uberzeugung koͤmmt, und recht veſte wird; und
zwar dergeſtalt, daß, wenn man hernach das
Gegentheil hoͤret, man dagegen beſtehen kan.
5. Lehre und Gnade gehoͤret zuſammen
zur Beveſtigung des Hertzens: reine Lehre,
und die dadurch kraͤftig wirckende Gnade.
Mancher bleibet nur allein bey der reinen Lehre,
oder derſelben bloß buchſtaͤblichen Erkenntniß
beſtehen; nimmt aber die dabey dargebotene
Gnade zur wahren Bekehrung und Erleuchtung
nicht an: und daher wird er nimmermehr recht
beveſtiget, ja nicht einmal recht gepflantzet.
Ein anderer will zwar Gnade haben und an-
nehmen; aber ohne den Grund der reinen Leh-
re von Chriſto und ſeinem Evangelio: Daher
denn ein ſolcher auch nie recht beveſtiget wird,
ja nicht einmal dem rechten Anfange nach recht
gegruͤndet werden kan. Es muß demnach Leh-
re und Gnade immer bey einander ſtehen.
6. Es iſt aber wohl zu mercken, daß die
Gnade nicht allein iſt forenſis, durch welche
uns die Gerechtigkeit Chriſti zugerechnet und
unſere Suͤnde vergeben wird; ſondern auch
medicinalis, durch welche wir aus dem geiſtli-
chen Tode erwecket, und mit dem geiſtlichen Le-
ben auch zur geiſtlichen Geſundheit der Seele
immer mehr wieder gelangen. Welche zwey
Haupt-Wohlthaten der Gnade unzertrennlich
ſind, alſo daß man eine ohne die andere nicht
haben, vielweniger behalten kan.
V. 10.
Wir haben einen Altar (Chriſtum) von
dem nicht Macht haben zu eſſen (ſeiner zur
Seligkeit zu genieſſen, als geiſtliche Prieſter)
die der Huͤtten pflegen (welche noch am Mo-
ſaiſchen Gottesdienſte hangen.)
Anmerckungen.
1. Da der Apoſtel v. 9. den Gegenſatz zwi-
ſchen Chriſto und dem Levitiſchen Satzungs-
Weſen gemachet hatte, ſo faͤhret er damit in die-
ſem und einigen folgenden Verſen fort, und
koͤmmt damit wieder auf die in dem gantzen
Briefe vorgetragene Haupt-Lehre: wodurch
er denn ſuchet den glaͤubigen Hebraͤern davon ſo
viel mehrern Eindruck zu geben, daß ſie erkennen
ſollen, wie ſo ſehr viel, ja alles, daran gelegen
ſey.
2. Weil Chriſtus bey den Vorbildern
des alten Teſtaments iſt alles in allen gewe-
ſen: ſo nennet ihn der Apoſtel alhier den Al-
tar, da er ihn ſonſt den Hohenprieſter und das
Opfer nennet.
3. Vom Altar eſſen, das iſt gewiſſer Opf-
fer-Stuͤcke, welche zum Altar gebracht, aber
darauf nicht verbrannt, ſondern nur gewebet
und hernach wieder zuruͤck genommen wurden,
eſſen, war ein Vorrecht der Levitiſchen Prieſter
4 B. Moſ. 18, 8. u. f. 5 B. Moſ. 18, 1. u. f. 1 Cor.
10, 13. Da nun dieſe auſſer dem, daß ſie zuvor-
derſt Chriſtum repræſentiret haben, Vorbil-
der waren von allen glaͤubigen Gliedern Chri-
ſti, als geiſtlichen Prieſtern 1 Pet. 2, 5. 9. ſo
heißt alhier vom Altar eſſen ſoviel, als
Chriſti theilhaftig werden, und ſeines Verſoͤhn-
opfers zur Seligkeit genieſſen. Von welchem
Genieſſen unſer Heyland ſelbſt mit mehrern han-
delt. Joh. 6.
4. Gleichwie nun die geiſtlichen Glieder
Chriſti durch den Glauben die Macht, das iſt
das Recht, die Freyheit und die hohe Wuͤrde
empfangen, GOttes Kinder zu werden Joh.
1, 12. alſo haben ſie auch Macht, Chriſti in allen
recht zu genieſſen, und des durch ihn gemachten
freyen Zugangs zum Gnaden-Thron ſich zu be-
dienen.
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/417>, abgerufen am 25.11.2024.
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