Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 12. v. 7-11. an die Hebräer. [Spaltenumbruch]
von dem, daß er um seines der Welt nicht gleich-förmigen Lebens willen ungütig sey beurtheilet worden. Darum man auch weder an solchen Leben selbst, noch an dem Haß der Welt einige Probe von seiner Kindschaft bey GOtt hat, weil man von beyden noch so weit entfernet ist. 3. Und da der Apostel diese Materie vom V. 8. Seyd ihr aber (ihr, die ihr unter den V. 9. Auch so wir (Gr. So wir aber) haben Anmerckung. GOTT heißt alhier im Griechischen der V. 10. Und jene zwar (die leiblichen Väter) Anmerckung. Leibliche Eltern haben zwar in der Kinder- V. 11. Alle (göttliche) Züchtigung aber, wenn An-
Cap. 12. v. 7-11. an die Hebraͤer. [Spaltenumbruch]
von dem, daß er um ſeines der Welt nicht gleich-foͤrmigen Lebens willen unguͤtig ſey beurtheilet worden. Darum man auch weder an ſolchen Leben ſelbſt, noch an dem Haß der Welt einige Probe von ſeiner Kindſchaft bey GOtt hat, weil man von beyden noch ſo weit entfernet iſt. 3. Und da der Apoſtel dieſe Materie vom V. 8. Seyd ihr aber (ihr, die ihr unter den V. 9. Auch ſo wir (Gr. So wir aber) haben Anmerckung. GOTT heißt alhier im Griechiſchen der V. 10. Und jene zwar (die leiblichen Vaͤter) Anmerckung. Leibliche Eltern haben zwar in der Kinder- V. 11. Alle (goͤttliche) Zuͤchtigung aber, wenn An-
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Cap. 12. v. 7-11. an die Hebraͤer.
von dem, daß er um ſeines der Welt nicht gleich-
foͤrmigen Lebens willen unguͤtig ſey beurtheilet
worden. Darum man auch weder an ſolchen
Leben ſelbſt, noch an dem Haß der Welt einige
Probe von ſeiner Kindſchaft bey GOtt hat, weil
man von beyden noch ſo weit entfernet iſt.
3. Und da der Apoſtel dieſe Materie vom
Leiden der Chriſten nach dem Evangelio als
recht troſtreich vorſtellet; ſo haben ſich dieſes
ſonderlich ſolche angefochtene, welche an der
Kindſchaft GOttes, am Glauben und an ihrem
Gnaden-Stande zweifeln, wohl zu mercken.
Denn wenn ſie finden, daß ſie um des guten wil-
len, das ſie lieben, und, ob wol in vieler Schwach-
heir, doch in aller Aufrichtigkeit, ausuͤben
und um deswegen, daß ſie ſich des ſuͤndlichen Um-
gangs mit den Welt-Kindern entſchlagen, al-
lerhand Haß und unverdiente uͤble Nachreden
ertragen, und ſolches um des Gewiſſens willen
auch nichts achten: ſo haben ſie daran einen ge-
wiſſen Character ihrer Kindſchaft bey GOTT,
und alſo auch Troſtes genug.
V. 8.
Seyd ihr aber (ihr, die ihr unter den
glaͤubigen Hebraͤern noch ſo ſehr Creutz-ſcheu
ſeyd) ohne Zuͤchtigung (wenn ihr es alſo ma-
chet, daß ihr mit dem Creutze verſchonet bleibet)
welcher ſie alle (die jemals rechtſchafne Kinder
GOttes geweſen und noch ſind, auch unter euch
ſelbſt) ſind theilhaftig worden, ſo ſeyd ihr
Baſtarte und nicht Kinder (nemlich rechte
und aͤchte, welche in der Ordnung der Wieder-
geburt zur Erbſchaft gelangen. Sie gehoͤren
GOtt an nur bloß nach dem Reiche der Natur,
nicht aber nach dem Reiche der Gnaden, darin-
nen geiſtliche Kinder erzeuget werden.
V. 9.
Auch ſo wir (Gr. So wir aber) haben
unſere leibliche Vaͤter zu Zuͤchtigern gehabt
und ſie geſcheuet (ihnen in unſerer Jugend die
gebuͤhrende Ehrerbietung erwieſen) ſolten wir
denn nicht vielmehr unterthan ſeyn dem
geiſtlichen Vater (ſo viel hoͤher er iſt, und ſo
vielmehr er ſich um uns verdienet gemachet hat)
daß wir leben? (hier zeitlich im Reiche der Gna-
den, und dort ewig im Reiche der Herrlich-
keit.)
Anmerckung.
GOTT heißt alhier im Griechiſchen der
Vater τῶν πνευμάτων, der Geiſter; welches
ſoviel iſt, als der geiſtliche, den leiblichen entge-
gen geſetzet. Und gleichwie mit dem Worte σαρ-
κὸς, des Fleiſches, welches Lutherus durch
leiblich, uͤberſetzet hat, zugleich geſehen wird auf
das ſuͤndliche Verderben, welches wir durch
die natuͤrliche Geburt empfangen haben, welches
auch ſonſt mit dem Worte Fleiſch benennet wird:
ſo wird hingegen mit dem Worte πνευμάτων,
der Geiſter dergeſtalt auf die unſterbliche See-
le geſehen, daß das Abſehen dabey ſonderlich ge-
richtet iſt auf die ſolchem Verderben abhelfende
Widergeburt, nach welcher wir alſo Geiſter,
oder ein Geiſt werden, daß wir auch geiſtlich ge-
ſinnet ſind Joh. 3, 6. Roͤm. 8, 7. 8. Siehe hier-
bey 4 B. Moſ. 16, 22. da GOtt heißt ein GOtt
der Geiſter alles Fleiſches.
V. 10.
Und jene zwar (die leiblichen Vaͤter)
haben uns gezuͤchtiget wenig Tage (πρὸς
ὀλίγας ἡμέρας, auf wenig Tage, nicht allein un-
ſerer Kindheit, ſondern auch unſers zeitlichen Le-
bens, welches nur wenige Tage oder Zeiten in
ſich haͤlt, und worauf ihre Zucht und Erziehung,
in ſofern ſie nur nach dem Fleiſche und nach der
Natur betrachtet wird, ſo gerichtet geweſen)
nach ihrem Duͤncken (wie ſie es gut gefunden
haben, es mag getroffen geweſen ſeyn, oder nicht)
dieſer aber (der geiſtliche und himmliſche Va-
ter) zu Nutz (als der es, ſo viel an ihm iſt,
allezeit wohl trift) daß wir ſeine Heiligung
(die Heiligung, die wir von ihm haben, und wel-
che ſonderlich unter dem Creutze befoͤrdert wird,
und der Weg iſt zu unſerm ewigen Nutzen, oder
Heyl) erlangen (ſintemal durch das Feuer der
Truͤbſal immer mehrere Schlacken von uns hin-
weg genommen werden.)
Anmerckung.
Leibliche Eltern haben zwar in der Kinder-
Zucht nach ihrem Gutduͤncken zu verfahren; ſin-
temal ihnen darinnen nach dem Lichte und Rech-
te der Natur alle Freyheit gelaſſen iſt: doch haben
ſie wohl zuzuſehen, daß ſie es ja recht treffen; und
ſonderlich, daß ſie es GOTT darinnen nachthun,
daß ſie auch zugleich geiſtliche Vaͤter ſeyn, und
die Kinder auferziehen in der Zucht und
Vermahnung zum HErrn, nach Eph. 6, 4.
O wie manche Eltern verſaͤumen darinn ihre
Pflicht, daß ſie nicht allein dieſes, weil ſie ſelbſt
den HErrn nicht recht kennen und fuͤrchten, gar
unterlaſſen, ſondern auch in jenem, da ſie nach ih-
rem Gutduͤncken handeln, oft mehr ihren irrigen
Vorurtheilen und ungezaͤhmten Affecten zur
Vorzaͤrtelung, oder zu unmaͤßiger Hitze folgen,
als der geſunden Vernunft und dem goͤttlichen
Worte.
V. 11.
Alle (goͤttliche) Zuͤchtigung aber, wenn
ſie da iſt (πρὸς τὸ παρὸν, ſofern man dabey nur
auf dieſes Leben ſiehet, und man ſie wircklich em-
pfindet, auch an ſich ſelbſt, wie ſie ein wirckliches
Ubel iſt, betrachtet) duͤncket ſie uns nicht Freu-
de, ſondern Traurigkeit ſeyn (eine Sache ſeyn,
die nicht Freude, ſondern Traurigkeit bringet)
aber darnach (wenn ſie uͤberſtanden iſt, theils
ſchon in dieſer Welt nach einigen Abwechſelun-
gen, da nach dem Ungewitter die Sonne der aͤuſ-
ſerlichen Ruhe wider ſcheinet; theils aber nach
vollendetem gaͤntzlichen Streite und dieſem ge-
genwaͤrtigen Leben) wird ſie geben eine (der
aͤuſſerlichen Unruhe unter dem Leiden entgegen
geſetzte) friedſame Frucht der Gerechtigkeit
(der Heiligung v. 10. 14.) denen, die dadurch
geuͤbet ſind (alſo daß ſie bey ſiegreichem Aus-
gange ſo manchen Kampfes mit Paulo ſagen
koͤnnen: in dem allen uͤberwinden wir weit!
Roͤm. 8, 37.
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