[Spaltenumbruch]
nauen Wahrnehmung seiner selbst, da man al- lezeit auf seiner Hut ist, und Achtung giebet so wol auf den Zustand und auf die Bewegung sei- nes Hertzens, als auch auf alles, was einem äusser- lich zur Versuchung begegnet; und zwar also, daß man suche in allen sich treu zu erweisen, und die begangenen und angemerckten Fehler auszubes- sern, und sie sich aufs künftige zu so viel mehrer Behutsamkeit dienen zu lassen. Da denn zu solcher Wachsamkeit die aufrichtige Prüfung unserer selbst das meiste mit beyträget.
4. Gleichwie aber die leibliche Völlerey, wenn einer sich mit Essen und Trincken überla- det, mit der leiblichen Wachsamkeit nicht beste- hen kan, sondern einen zum unordentlichen Schlaf bringet; hingegen aber die leibliche Nüchternheit auch die leibliche Wachsamkeit befordert und erleichtert: also ist auch die geist- liche Nüchternheit zur geistlichen Wachsam- keit sehr dienlich und höchst nöthig. Es beste- het aber dieselbe in einer Ausleerung und Be- freyung des Gemüths von aller unordentlichen und herrschenden Liebe gegen uns selbst, gegen unsern Nechsten und gegen andere Dinge dieser Welt: als in welcher ein Mensch von Na- tur gleichsam recht truncken ist, daß er tau- melt, und in seinem gantzen Wandel recht un- weislich handelt. Unser Heyland nennet solche Völlerey eine Beschwerung des Hertzens mit Fressen nnd Saufen, und mit Sorgen der Nahrung, Luc. 21 34. Und da solche verkehr- te Eigen- und Welt-Liebe ein vielfacher Strick ist, so instruiret Paulus 2 Tim. 2, 25. 26. einen Lehrer, wie er sich verhalten soll gegen die Wi- derspenstigen, daß ihnen GOtt Busse gebe die Wahrheit zu erkennen, und wieder nüchtern zu werden aus den Stricken des Teufels, von welchem sie gefangen sind nach seinem Willen.
5. Da es nun eine solche Beschaffenheit hat mit der geistlichen Wachsamkeit und Nüch- ternheit, so kömmt daher dieses, daß nephein nüchtern seyn oft so viel heißt als wachsam seyn, und nephalios, ein Nüchterner auch heißt ein Wachsamer; oder auch daß wach- sam und nüchtern seyn, bey einander gesetzet wird, wie hier und auch 1 Pet. 4, 7. c. 5, 8. von der geistlichen Wachsamkeit hat man im übrigen zu conferiren. Matth. 25, 13. Luc. 21, 36. c. 12, 37. Ap. Ges. 20, 31. 1 Cor. 16, 13. Col. 4, 2. Offenb. 3, 2. 3. c. 16, 15.
V. 7.
Denn die da schlafen, die schlafen, (or- dentlicher weise) des Nachts (wie denn die Nacht die Zeit zu schlafen, und der Tag die Zeit zu wachen eigentlich ist:) und die da trun- cken sind, die sind (gemeiniglich) des Nachts truncken, indem sie gegen den Abend erst pfle- gen zusammen zu kommen, und bis auf den spä- ten Abend, der schon mit zur Nacht gehöret, ja bis in die finstre Nacht selbst, in der Völlerey an- zuhalten und bey einander zu bleiben: wiewol es auch solche Helden im saufen giebt, die auch wol schon des Morgens frühe auf sind, sich des [Spaltenumbruch]
Saufens zu befleißigen, und sitzen doch noch wol bis in die Nacht, daß sie der Wein erhitze. Jes. 5, 11.)
Anmerckung.
Diese Worte halten eigentlich die Prota- sin in sich; davon die Thessalonicher die apo- dosin, oder die Application au[f] den geistlichen Verstand leichtlich machen konnten; nemlich daß diejenigen, welche im Schlafe der Sün- den liegen und von der Eigen- und Welt-Liebe erfüllet sind, noch Kinder des Nachts und der Finsterniß sind, und man wieder ein solcher Mensch werden würde, woferne man sich wolte wieder einschläfern und von der Welt-Liebe truncken machen lassen. Und auf diese apodo- sin, oder application, führet der Apostel die Thessalonicher selbst ausdrück[l]ich, wenn er a thesi ad hypothesin schreitet, und die Zuei- gnung im Gegensatz auf sie machet, sich aber und seine Gehülfen auch selbst mit einschliesset; wenn er also fort fähret:
V. 8.
Wir aber, die wir des Tages (und des Lichts) Kinder sind, sollen nüchtern seyn (nephomen, last uns nüchtern und wachsam seyn, und zwar dergestalt, daß wir uns halten, wie die Krieges-Leute, welche bey ihrer nüchternen Wachsamkeit auch mit gehörigen Waffen ge- gen ihre Feinde genugsam versehen sind, um ge- gen einen Anfall bestehen zu können) angethan mit dem Krebs (thoraka Brust-Wehre, oder Pantzer, womit die Brust, oder der obere Theil des Leibes, darinnen das Hertz und die Lunge lieget, wohl verwahret wird) des Glaubens (womit wir die Gerechtigkeit Christi ergreifen) und der Liebe (in deren Ausübung wir das gute Gewissen bewahren, daß es nicht am Glau- ben Schiffbruch leide 1 Tim. 1, 19.) und mit dem Helm (der Haupt-Wehre, womit das Haupt im Sturm und allen übrigen Anläufen wohl verwahret gehalten wird) der Hoffnung zur Seligkeit (elpida soterias, welcher Helm ist die Hoffnung des Heyls, in welcher wir gleichsam mit ausgerecktem und aufgehobenen Haupt unser Heyl erwarten Luc. 21, 28. Röm. 8, 19--23. Tit. 2, 13. 1 Pet. 1, 13. Siehe auch Jes. 59, 17.
Anmerckungen.
1. Das Christenthum ist nichts anders, als ein beständiger Streit, da man den geistlichen Feind in sich und außer sich hat. Jst er denn gleich nach erhaltenem Siege still und ruhet von neuen Angriffen eine zeitlang; so ist man doch niemals recht sicher, sondern man hat allezeit auf seiner Hut zu stehen, und sich mit geistlichen Waffen wohl zu versehen, daß man weder schla- fend, noch unbewafnet und ungerüstet erfunden werde.
2. Das in der Brust liegende Hertz ist das aller edelste und zarteste innere Theil des mensch- lichen Leibes, zum natürlichen Leben vor allen andern innerlichen und äußerlichen Gliedern des Leibes höchst-nöthig, und daher auch wohl zu be-
wahren;
E 3
C. 5 v. 6. 7. 8. an die Theſſalonicher.
[Spaltenumbruch]
nauen Wahrnehmung ſeiner ſelbſt, da man al- lezeit auf ſeiner Hut iſt, und Achtung giebet ſo wol auf den Zuſtand und auf die Bewegung ſei- nes Hertzens, als auch auf alles, was einem aͤuſſer- lich zur Verſuchung begegnet; und zwar alſo, daß man ſuche in allen ſich treu zu erweiſen, und die begangenen und angemerckten Fehler auszubeſ- ſern, und ſie ſich aufs kuͤnftige zu ſo viel mehrer Behutſamkeit dienen zu laſſen. Da denn zu ſolcher Wachſamkeit die aufrichtige Pruͤfung unſerer ſelbſt das meiſte mit beytraͤget.
4. Gleichwie aber die leibliche Voͤllerey, wenn einer ſich mit Eſſen und Trincken uͤberla- det, mit der leiblichen Wachſamkeit nicht beſte- hen kan, ſondern einen zum unordentlichen Schlaf bringet; hingegen aber die leibliche Nuͤchternheit auch die leibliche Wachſamkeit befordert und erleichtert: alſo iſt auch die geiſt- liche Nuͤchternheit zur geiſtlichen Wachſam- keit ſehr dienlich und hoͤchſt noͤthig. Es beſte- het aber dieſelbe in einer Ausleerung und Be- freyung des Gemuͤths von aller unordentlichen und herrſchenden Liebe gegen uns ſelbſt, gegen unſern Nechſten und gegen andere Dinge dieſer Welt: als in welcher ein Menſch von Na- tur gleichſam recht truncken iſt, daß er tau- melt, und in ſeinem gantzen Wandel recht un- weislich handelt. Unſer Heyland nennet ſolche Voͤllerey eine Beſchwerung des Hertzens mit Freſſen nnd Saufen, und mit Sorgen der Nahrung, Luc. 21 34. Und da ſolche verkehr- te Eigen- und Welt-Liebe ein vielfacher Strick iſt, ſo inſtruiret Paulus 2 Tim. 2, 25. 26. einen Lehrer, wie er ſich verhalten ſoll gegen die Wi- derſpenſtigen, daß ihnen GOtt Buſſe gebe die Wahrheit zu erkennen, und wieder nuͤchtern zu werden aus den Stricken des Teufels, von welchem ſie gefangen ſind nach ſeinem Willen.
5. Da es nun eine ſolche Beſchaffenheit hat mit der geiſtlichen Wachſamkeit und Nuͤch- ternheit, ſo koͤmmt daher dieſes, daß νήϕειν nuͤchtern ſeyn oft ſo viel heißt als wachſam ſeyn, und νηϕάλιος, ein Nuͤchterner auch heißt ein Wachſamer; oder auch daß wach- ſam und nuͤchtern ſeyn, bey einander geſetzet wird, wie hier und auch 1 Pet. 4, 7. c. 5, 8. von der geiſtlichen Wachſamkeit hat man im uͤbrigen zu conferiren. Matth. 25, 13. Luc. 21, 36. c. 12, 37. Ap. Geſ. 20, 31. 1 Cor. 16, 13. Col. 4, 2. Offenb. 3, 2. 3. c. 16, 15.
V. 7.
Denn die da ſchlafen, die ſchlafen, (or- dentlicher weiſe) des Nachts (wie denn die Nacht die Zeit zu ſchlafen, und der Tag die Zeit zu wachen eigentlich iſt:) und die da trun- cken ſind, die ſind (gemeiniglich) des Nachts truncken, indem ſie gegen den Abend erſt pfle- gen zuſammen zu kommen, und bis auf den ſpaͤ- ten Abend, der ſchon mit zur Nacht gehoͤret, ja bis in die finſtre Nacht ſelbſt, in der Voͤllerey an- zuhalten und bey einander zu bleiben: wiewol es auch ſolche Helden im ſaufen giebt, die auch wol ſchon des Morgens fruͤhe auf ſind, ſich des [Spaltenumbruch]
Saufens zu befleißigen, und ſitzen doch noch wol bis in die Nacht, daß ſie der Wein erhitze. Jeſ. 5, 11.)
Anmerckung.
Dieſe Worte halten eigentlich die Prota- ſin in ſich; davon die Theſſalonicher die apo- doſin, oder die Application au[f] den geiſtlichen Verſtand leichtlich machen konnten; nemlich daß diejenigen, welche im Schlafe der Suͤn- den liegen und von der Eigen- und Welt-Liebe erfuͤllet ſind, noch Kinder des Nachts und der Finſterniß ſind, und man wieder ein ſolcher Menſch werden wuͤrde, woferne man ſich wolte wieder einſchlaͤfern und von der Welt-Liebe truncken machen laſſen. Und auf dieſe apodo- ſin, oder application, fuͤhret der Apoſtel die Theſſalonicher ſelbſt ausdruͤck[l]ich, wenn er a theſi ad hypotheſin ſchreitet, und die Zuei- gnung im Gegenſatz auf ſie machet, ſich aber und ſeine Gehuͤlfen auch ſelbſt mit einſchlieſſet; wenn er alſo fort faͤhret:
V. 8.
Wir aber, die wir des Tages (und des Lichts) Kinder ſind, ſollen nuͤchtern ſeyn (νήϕωμεν, last uns nuͤchtern und wachſam ſeyn, und zwar dergeſtalt, daß wir uns halten, wie die Krieges-Leute, welche bey ihrer nuͤchternen Wachſamkeit auch mit gehoͤrigen Waffen ge- gen ihre Feinde genugſam verſehen ſind, um ge- gen einen Anfall beſtehen zu koͤnnen) angethan mit dem Krebs (ϑώρακα Bruſt-Wehre, oder Pantzer, womit die Bruſt, oder der obere Theil des Leibes, darinnen das Hertz und die Lunge lieget, wohl verwahret wird) des Glaubens (womit wir die Gerechtigkeit Chriſti ergreifen) und der Liebe (in deren Ausuͤbung wir das gute Gewiſſen bewahren, daß es nicht am Glau- ben Schiffbruch leide 1 Tim. 1, 19.) und mit dem Helm (der Haupt-Wehre, womit das Haupt im Sturm und allen uͤbrigen Anlaͤufen wohl verwahret gehalten wird) der Hoffnung zur Seligkeit (ἐλϖίδα σωτηρίας, welcher Helm iſt die Hoffnung des Heyls, in welcher wir gleichſam mit ausgerecktem und aufgehobenen Haupt unſer Heyl erwarten Luc. 21, 28. Roͤm. 8, 19--23. Tit. 2, 13. 1 Pet. 1, 13. Siehe auch Jeſ. 59, 17.
Anmerckungen.
1. Das Chriſtenthum iſt nichts anders, als ein beſtaͤndiger Streit, da man den geiſtlichen Feind in ſich und außer ſich hat. Jſt er denn gleich nach erhaltenem Siege ſtill und ruhet von neuen Angriffen eine zeitlang; ſo iſt man doch niemals recht ſicher, ſondern man hat allezeit auf ſeiner Hut zu ſtehen, und ſich mit geiſtlichen Waffen wohl zu verſehen, daß man weder ſchla- fend, noch unbewafnet und ungeruͤſtet erfunden werde.
2. Das in der Bruſt liegende Hertz iſt das aller edelſte und zarteſte innere Theil des menſch- lichen Leibes, zum natuͤrlichen Leben vor allen andern innerlichen und aͤußerlichen Gliedern des Leibes hoͤchſt-noͤthig, und daher auch wohl zu be-
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E 3
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[37/0039]
C. 5 v. 6. 7. 8. an die Theſſalonicher.
nauen Wahrnehmung ſeiner ſelbſt, da man al-
lezeit auf ſeiner Hut iſt, und Achtung giebet ſo
wol auf den Zuſtand und auf die Bewegung ſei-
nes Hertzens, als auch auf alles, was einem aͤuſſer-
lich zur Verſuchung begegnet; und zwar alſo, daß
man ſuche in allen ſich treu zu erweiſen, und die
begangenen und angemerckten Fehler auszubeſ-
ſern, und ſie ſich aufs kuͤnftige zu ſo viel mehrer
Behutſamkeit dienen zu laſſen. Da denn zu
ſolcher Wachſamkeit die aufrichtige Pruͤfung
unſerer ſelbſt das meiſte mit beytraͤget.
4. Gleichwie aber die leibliche Voͤllerey,
wenn einer ſich mit Eſſen und Trincken uͤberla-
det, mit der leiblichen Wachſamkeit nicht beſte-
hen kan, ſondern einen zum unordentlichen
Schlaf bringet; hingegen aber die leibliche
Nuͤchternheit auch die leibliche Wachſamkeit
befordert und erleichtert: alſo iſt auch die geiſt-
liche Nuͤchternheit zur geiſtlichen Wachſam-
keit ſehr dienlich und hoͤchſt noͤthig. Es beſte-
het aber dieſelbe in einer Ausleerung und Be-
freyung des Gemuͤths von aller unordentlichen
und herrſchenden Liebe gegen uns ſelbſt, gegen
unſern Nechſten und gegen andere Dinge dieſer
Welt: als in welcher ein Menſch von Na-
tur gleichſam recht truncken iſt, daß er tau-
melt, und in ſeinem gantzen Wandel recht un-
weislich handelt. Unſer Heyland nennet ſolche
Voͤllerey eine Beſchwerung des Hertzens
mit Freſſen nnd Saufen, und mit Sorgen
der Nahrung, Luc. 21 34. Und da ſolche verkehr-
te Eigen- und Welt-Liebe ein vielfacher Strick
iſt, ſo inſtruiret Paulus 2 Tim. 2, 25. 26. einen
Lehrer, wie er ſich verhalten ſoll gegen die Wi-
derſpenſtigen, daß ihnen GOtt Buſſe gebe
die Wahrheit zu erkennen, und wieder
nuͤchtern zu werden aus den Stricken des
Teufels, von welchem ſie gefangen ſind
nach ſeinem Willen.
5. Da es nun eine ſolche Beſchaffenheit
hat mit der geiſtlichen Wachſamkeit und Nuͤch-
ternheit, ſo koͤmmt daher dieſes, daß νήϕειν
nuͤchtern ſeyn oft ſo viel heißt als wachſam
ſeyn, und νηϕάλιος, ein Nuͤchterner auch
heißt ein Wachſamer; oder auch daß wach-
ſam und nuͤchtern ſeyn, bey einander geſetzet
wird, wie hier und auch 1 Pet. 4, 7. c. 5, 8.
von der geiſtlichen Wachſamkeit hat man im
uͤbrigen zu conferiren. Matth. 25, 13. Luc. 21,
36. c. 12, 37. Ap. Geſ. 20, 31. 1 Cor. 16, 13. Col.
4, 2. Offenb. 3, 2. 3. c. 16, 15.
V. 7.
Denn die da ſchlafen, die ſchlafen, (or-
dentlicher weiſe) des Nachts (wie denn die
Nacht die Zeit zu ſchlafen, und der Tag die Zeit
zu wachen eigentlich iſt:) und die da trun-
cken ſind, die ſind (gemeiniglich) des Nachts
truncken, indem ſie gegen den Abend erſt pfle-
gen zuſammen zu kommen, und bis auf den ſpaͤ-
ten Abend, der ſchon mit zur Nacht gehoͤret, ja
bis in die finſtre Nacht ſelbſt, in der Voͤllerey an-
zuhalten und bey einander zu bleiben: wiewol
es auch ſolche Helden im ſaufen giebt, die auch
wol ſchon des Morgens fruͤhe auf ſind, ſich des
Saufens zu befleißigen, und ſitzen doch noch
wol bis in die Nacht, daß ſie der Wein erhitze.
Jeſ. 5, 11.)
Anmerckung.
Dieſe Worte halten eigentlich die Prota-
ſin in ſich; davon die Theſſalonicher die apo-
doſin, oder die Application auf den geiſtlichen
Verſtand leichtlich machen konnten; nemlich
daß diejenigen, welche im Schlafe der Suͤn-
den liegen und von der Eigen- und Welt-Liebe
erfuͤllet ſind, noch Kinder des Nachts und der
Finſterniß ſind, und man wieder ein ſolcher
Menſch werden wuͤrde, woferne man ſich wolte
wieder einſchlaͤfern und von der Welt-Liebe
truncken machen laſſen. Und auf dieſe apodo-
ſin, oder application, fuͤhret der Apoſtel die
Theſſalonicher ſelbſt ausdruͤcklich, wenn er a
theſi ad hypotheſin ſchreitet, und die Zuei-
gnung im Gegenſatz auf ſie machet, ſich aber und
ſeine Gehuͤlfen auch ſelbſt mit einſchlieſſet; wenn
er alſo fort faͤhret:
V. 8.
Wir aber, die wir des Tages (und des
Lichts) Kinder ſind, ſollen nuͤchtern ſeyn
(νήϕωμεν, last uns nuͤchtern und wachſam ſeyn,
und zwar dergeſtalt, daß wir uns halten, wie
die Krieges-Leute, welche bey ihrer nuͤchternen
Wachſamkeit auch mit gehoͤrigen Waffen ge-
gen ihre Feinde genugſam verſehen ſind, um ge-
gen einen Anfall beſtehen zu koͤnnen) angethan
mit dem Krebs (ϑώρακα Bruſt-Wehre, oder
Pantzer, womit die Bruſt, oder der obere Theil
des Leibes, darinnen das Hertz und die Lunge
lieget, wohl verwahret wird) des Glaubens
(womit wir die Gerechtigkeit Chriſti ergreifen)
und der Liebe (in deren Ausuͤbung wir das
gute Gewiſſen bewahren, daß es nicht am Glau-
ben Schiffbruch leide 1 Tim. 1, 19.) und mit
dem Helm (der Haupt-Wehre, womit das
Haupt im Sturm und allen uͤbrigen Anlaͤufen
wohl verwahret gehalten wird) der Hoffnung
zur Seligkeit (ἐλϖίδα σωτηρίας, welcher
Helm iſt die Hoffnung des Heyls, in welcher wir
gleichſam mit ausgerecktem und aufgehobenen
Haupt unſer Heyl erwarten Luc. 21, 28. Roͤm.
8, 19--23. Tit. 2, 13. 1 Pet. 1, 13. Siehe auch
Jeſ. 59, 17.
Anmerckungen.
1. Das Chriſtenthum iſt nichts anders, als
ein beſtaͤndiger Streit, da man den geiſtlichen
Feind in ſich und außer ſich hat. Jſt er denn
gleich nach erhaltenem Siege ſtill und ruhet von
neuen Angriffen eine zeitlang; ſo iſt man doch
niemals recht ſicher, ſondern man hat allezeit
auf ſeiner Hut zu ſtehen, und ſich mit geiſtlichen
Waffen wohl zu verſehen, daß man weder ſchla-
fend, noch unbewafnet und ungeruͤſtet erfunden
werde.
2. Das in der Bruſt liegende Hertz iſt das
aller edelſte und zarteſte innere Theil des menſch-
lichen Leibes, zum natuͤrlichen Leben vor allen
andern innerlichen und aͤußerlichen Gliedern des
Leibes hoͤchſt-noͤthig, und daher auch wohl zu be-
wahren;
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/39>, abgerufen am 16.02.2025.
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