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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 10. v. 29. an die Hebräer.
[Spaltenumbruch] ander Opfer habe. Zugleich erläutert er auch
hiermit von was für Art der Sünder er rede,
Denn da er diese vorher genannt hat solche, wel-
che die Erkenntniß der Wahrheit empfan-
gen haben,
so saget er hier von ihnen, daß sie
durch das Blut Christi geheiliget, das ist,
nicht allein versöhnet, sondern auch vermöge der
Versöhnung bekehret und in dieser Ordnung auch
gerechtgemachet seyn und also die Vergebung der
Sünden empfangen haben. Daß aber das
Wort heiligen, dem Levitischen Verstande
nach, sonderlich auf die Versöhnung gehe, ist aus
dessen anderwärtigen Gebrauch auch in diesem
Briefe bekannt. Siehe Hebr. 2, 11. c. 9. 13. c. 10,
10. 14. 29. c. 13, 12. Daß aber die versohnende Hei-
ligung bey ihnen schon in der Bekehrung und
Rechtfertigung zur Application gekommen war,
siehet man aus dem, was sonst von ihrem vori-
gen Gnaden-Stande gesaget wird, wie hier, al-
so noch mit mehrern Worten oben c. 6.

2. Jhre Sünde aber wird alhier als drey-
fach
beschrieben: nemlich als solche, die da gehe
wider die Person des Meßiä; und dabey auch
wider sein Mittler-Amt und noch dazu auch
wider den Heiligen Geist.

3. Wider die Person des Meßiä haben eini-
ge dahin verfallen können, daß sie ihn, als den
Sohn GOttes, gleichsam mit Füssen getre-
ten,
das ist, seine wahre Gottheit dergestalt ver-
leugnet, daß sie ihn dabey aufs allerschmählichste
verlästert haben: und folglich haben sie ihn auch
nicht einmal nach der blossen menschlichen Natur
für den verheissenen Meßiam gehalten. Welches
doch einige andere Jrrgeister noch thaten.

4. Mit verleugneter Person des Meßiä
fiel auch desselben gantzes Mittler-Amt bey ih-
nen zugleich über einen Haufen, sonderlich das
auf die Versöhnung gehende Hohepriesterliche.
Denn an statt dessen, daß sie das Blut Christi für
das, durch das Blut des alten Testaments vor-
gebildete, Versöhnungs-Blut und seinen Tod
für einen Versöhnungs-Tod hätten halten sol-
len (wie sie auch vor dem dafür gehalten hatten) so
hielten sie solches für ein gemeines, ja für ein Blut
eines Ubelthäters, der um seiner eignen Sünde
willen hätte sterben müssen: und also für ein ver-
unreinigendes Blut, durch dessen Zueignung man
sich versündige. Dieses nennet der Apostel c. 6,
ihme selbst den Sohn GOttes Creutzigen
und für Spott halten.

5. Und bey dieser entsetzlichen Sünde bliebe
es noch nicht, sondern dazu kam auch noch dieses,
daß sie den Geist der Gnaden schmäheten:
womit sie denn eben die Sünde wider den Hei-
ligen Geist begingen.
Denn sie waren durch
den Christum verklärenden Heiligen Geist wahr-
haftig bekehret und erleuchtet worden, waren auch
schon zu einer mehrern Kraft im Stande der
Gnaden gelanget, also daß sie geschmecket hat-
ten die himmlischen Gaben, und theilhaf-
tig worden waren des Heiligen Geistes,
auch geschmecket hatten das gütige Wort
GOttes und die Kräfte der zukünftigen
Welt
c. 6, 4. 5. Und also sündigten sie ihrem
Verstande nach nicht aus Unwissenheit; noch
[Spaltenumbruch] ihrem Willen nach aus Schwachheit; sondern
aus Bosheit, nemlich ekousios, muthwillig
v. 26. Folglich begingen sie die Sünde wider den
Heiligen Geist; und zwar noch viel gröber, als
die feindseligen Pharisäer: als welche zwar zu ei-
ner Uberzeugung von der Unschuld Christi und der
Wahrheit seiner Lehre, aber doch noch nicht zu
dem würcklichen Gnaden-Stand, gelanget wa-
ren. Und da es der Sünder wider den Heiligen
Geist ihre Eigenschaft ist, daß sie sich sonderlich
dem Amte des Heiligen Geistes entgegen setzen,
und die dahin gehörige Heyls-Ordnung verkeh-
ren und verlästern, auch das Werck der Bekeh-
rung in andern zu verhindern suchen; so haben
ohne Zweifel auch diese solches gethan, oder doch
dahin verfallen können: als welches eben damit
angezeiget wird, wenn es von ihnen heißt, daß sie
den Geist der Gnaden schmähen.

6. Es ist aber recht entsetzlich und fast unbe-
greiflich, daß ein Mensch aus einem also beschrie-
benen Gnaden-Stande solle dahin verfallen kön-
nen. Doch was thut die List und Gewalt des
Satans nicht durch den Betrug der Sünde?
Jch sage, durch Betrug der Sünde; dagegen
der Apostel oben c. 3, 12. 13. so getreulich warnet.
Denn es gehet damit stuffenweise. Der Mensch
läßt sich nach und nach durch Betrug der reitzen-
den Sünde in mancherley Unlauterkeit einflech-
ten, also daß er dabey sein gutes Gewissen ver-
letzet, und es doch nicht achtet. Und durch diese
Untreue des Willens, wodurch das geistliche Le-
ben ersticket wird, geschiehet es, daß auch nach
und nach das vom geistlichen Leben dependiren-
de Licht im Verstande verlöschet, und für ein
wahres göttliches sich ein falsches und Jrrlicht
nebst herrschender Eigenliebe einfindet. Verfällt
nun der Mensch erst so weit, so ists nicht unmöglich;
sondern leicht zu erachten, daß er noch weiter ver-
fallen könne. Doch wird man nicht eben viele
Exempel von einem solchen Verfalle finden.

7. Es ist demnach, wie schon oben c. 6 erin-
nert ist, die Sünde wider den Heiligen Geist
von gedoppelter Art: nemlich eine gemeine-
re,
wie die der Pharisäer und Schriftgelehrten
war, die weder recht bekehret, noch erleuchtet, ie-
doch aber besser uberzeuget waren: und diese
seltenere der nach der Bekehrung und Erleuch-
tung aus dem Gnaden-Stande des Christen-
thums in das Judenthum also zurückfallenden,
daß sie sich also versündigen, wie hier und c. 6. an-
gezeiget wird.

8. Gleichwie nun dieser Text allen bekehr-
ten zur getreuen Warnung dienet: so haben
schwache Gemüther, die sich gar leicht aus dieser
und jener Schwachheits-Sünde den betrübten
Gedancken machen, als hätten sie die Sünde wi-
der den Heiligen Geist begangen; davon sie doch
sehr weit entfernet sind, dieses, daß sie solcher Sün-
de nicht schuldig sind, zum Trost zu mercken, und
demnach solchen ungegründeten Einfällen nicht
nächzuhangen.

9. Jm übrigen ist der Nachdruck der aus
Zach. 12, 10. genommenen Redens-Art noch wohl
zu mercken, da der Heilige Geist ein Geist der
Gnaden
genennet wird. Davon der Verstand,

die-
A a a 3

Cap. 10. v. 29. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch] ander Opfer habe. Zugleich erlaͤutert er auch
hiermit von was fuͤr Art der Suͤnder er rede,
Denn da er dieſe vorher genannt hat ſolche, wel-
che die Erkenntniß der Wahrheit empfan-
gen haben,
ſo ſaget er hier von ihnen, daß ſie
durch das Blut Chriſti geheiliget, das iſt,
nicht allein verſoͤhnet, ſondern auch vermoͤge der
Verſoͤhnung bekehret und in dieſer Ordnung auch
gerechtgemachet ſeyn und alſo die Vergebung der
Suͤnden empfangen haben. Daß aber das
Wort heiligen, dem Levitiſchen Verſtande
nach, ſonderlich auf die Verſoͤhnung gehe, iſt aus
deſſen anderwaͤrtigen Gebrauch auch in dieſem
Briefe bekannt. Siehe Hebr. 2, 11. c. 9. 13. c. 10,
10. 14. 29. c. 13, 12. Daß aber die verſohnende Hei-
ligung bey ihnen ſchon in der Bekehrung und
Rechtfertigung zur Application gekommen war,
ſiehet man aus dem, was ſonſt von ihrem vori-
gen Gnaden-Stande geſaget wird, wie hier, al-
ſo noch mit mehrern Worten oben c. 6.

2. Jhre Suͤnde aber wird alhier als drey-
fach
beſchrieben: nemlich als ſolche, die da gehe
wider die Perſon des Meßiaͤ; und dabey auch
wider ſein Mittler-Amt und noch dazu auch
wider den Heiligen Geiſt.

3. Wider die Perſon des Meßiaͤ haben eini-
ge dahin verfallen koͤnnen, daß ſie ihn, als den
Sohn GOttes, gleichſam mit Fuͤſſen getre-
ten,
das iſt, ſeine wahre Gottheit dergeſtalt ver-
leugnet, daß ſie ihn dabey aufs allerſchmaͤhlichſte
verlaͤſtert haben: und folglich haben ſie ihn auch
nicht einmal nach der bloſſen menſchlichen Natur
fuͤr den verheiſſenen Meßiam gehalten. Welches
doch einige andere Jrrgeiſter noch thaten.

4. Mit verleugneter Perſon des Meßiaͤ
fiel auch deſſelben gantzes Mittler-Amt bey ih-
nen zugleich uͤber einen Haufen, ſonderlich das
auf die Verſoͤhnung gehende Hoheprieſterliche.
Denn an ſtatt deſſen, daß ſie das Blut Chriſti fuͤr
das, durch das Blut des alten Teſtaments vor-
gebildete, Verſoͤhnungs-Blut und ſeinen Tod
fuͤr einen Verſoͤhnungs-Tod haͤtten halten ſol-
len (wie ſie auch vor dem dafuͤr gehalten hatten) ſo
hielten ſie ſolches fuͤr ein gemeines, ja fuͤr ein Blut
eines Ubelthaͤters, der um ſeiner eignen Suͤnde
willen haͤtte ſterben muͤſſen: und alſo fuͤr ein ver-
unreinigendes Blut, durch deſſen Zueignung man
ſich verſuͤndige. Dieſes nennet der Apoſtel c. 6,
ihme ſelbſt den Sohn GOttes Creutzigen
und fuͤr Spott halten.

5. Und bey dieſer entſetzlichen Suͤnde bliebe
es noch nicht, ſondern dazu kam auch noch dieſes,
daß ſie den Geiſt der Gnaden ſchmaͤheten:
womit ſie denn eben die Suͤnde wider den Hei-
ligen Geiſt begingen.
Denn ſie waren durch
den Chriſtum verklaͤrenden Heiligen Geiſt wahr-
haftig bekehret und erleuchtet worden, waren auch
ſchon zu einer mehrern Kraft im Stande der
Gnaden gelanget, alſo daß ſie geſchmecket hat-
ten die himmliſchen Gaben, und theilhaf-
tig worden waren des Heiligen Geiſtes,
auch geſchmecket hatten das guͤtige Wort
GOttes und die Kraͤfte der zukuͤnftigen
Welt
c. 6, 4. 5. Und alſo ſuͤndigten ſie ihrem
Verſtande nach nicht aus Unwiſſenheit; noch
[Spaltenumbruch] ihrem Willen nach aus Schwachheit; ſondern
aus Bosheit, nemlich ἑκουσίως, muthwillig
v. 26. Folglich begingen ſie die Suͤnde wider den
Heiligen Geiſt; und zwar noch viel groͤber, als
die feindſeligen Phariſaͤer: als welche zwar zu ei-
ner Uberzeugung von der Unſchuld Chriſti und der
Wahrheit ſeiner Lehre, aber doch noch nicht zu
dem wuͤrcklichen Gnaden-Stand, gelanget wa-
ren. Und da es der Suͤnder wider den Heiligen
Geiſt ihre Eigenſchaft iſt, daß ſie ſich ſonderlich
dem Amte des Heiligen Geiſtes entgegen ſetzen,
und die dahin gehoͤrige Heyls-Ordnung verkeh-
ren und verlaͤſtern, auch das Werck der Bekeh-
rung in andern zu verhindern ſuchen; ſo haben
ohne Zweifel auch dieſe ſolches gethan, oder doch
dahin verfallen koͤnnen: als welches eben damit
angezeiget wird, wenn es von ihnen heißt, daß ſie
den Geiſt der Gnaden ſchmaͤhen.

6. Es iſt aber recht entſetzlich und faſt unbe-
greiflich, daß ein Menſch aus einem alſo beſchrie-
benen Gnaden-Stande ſolle dahin verfallen koͤn-
nen. Doch was thut die Liſt und Gewalt des
Satans nicht durch den Betrug der Suͤnde?
Jch ſage, durch Betrug der Suͤnde; dagegen
der Apoſtel oben c. 3, 12. 13. ſo getreulich warnet.
Denn es gehet damit ſtuffenweiſe. Der Menſch
laͤßt ſich nach und nach durch Betrug der reitzen-
den Suͤnde in mancherley Unlauterkeit einflech-
ten, alſo daß er dabey ſein gutes Gewiſſen ver-
letzet, und es doch nicht achtet. Und durch dieſe
Untreue des Willens, wodurch das geiſtliche Le-
ben erſticket wird, geſchiehet es, daß auch nach
und nach das vom geiſtlichen Leben dependiren-
de Licht im Verſtande verloͤſchet, und fuͤr ein
wahres goͤttliches ſich ein falſches und Jrrlicht
nebſt herrſchender Eigenliebe einfindet. Verfaͤllt
nun der Menſch erſt ſo weit, ſo iſts nicht unmoͤglich;
ſondern leicht zu erachten, daß er noch weiter ver-
fallen koͤnne. Doch wird man nicht eben viele
Exempel von einem ſolchen Verfalle finden.

7. Es iſt demnach, wie ſchon oben c. 6 erin-
nert iſt, die Suͤnde wider den Heiligen Geiſt
von gedoppelter Art: nemlich eine gemeine-
re,
wie die der Phariſaͤer und Schriftgelehrten
war, die weder recht bekehret, noch erleuchtet, ie-
doch aber beſſer ůberzeuget waren: und dieſe
ſeltenere der nach der Bekehrung und Erleuch-
tung aus dem Gnaden-Stande des Chriſten-
thums in das Judenthum alſo zuruͤckfallenden,
daß ſie ſich alſo verſuͤndigen, wie hier und c. 6. an-
gezeiget wird.

8. Gleichwie nun dieſer Text allen bekehr-
ten zur getreuen Warnung dienet: ſo haben
ſchwache Gemuͤther, die ſich gar leicht aus dieſer
und jener Schwachheits-Suͤnde den betruͤbten
Gedancken machen, als haͤtten ſie die Suͤnde wi-
der den Heiligen Geiſt begangen; davon ſie doch
ſehr weit entfernet ſind, dieſes, daß ſie ſolcher Suͤn-
de nicht ſchuldig ſind, zum Troſt zu mercken, und
demnach ſolchen ungegruͤndeten Einfaͤllen nicht
naͤchzuhangen.

9. Jm uͤbrigen iſt der Nachdruck der aus
Zach. 12, 10. genommenen Redens-Art noch wohl
zu mercken, da der Heilige Geiſt ein Geiſt der
Gnaden
genennet wird. Davon der Verſtand,

die-
A a a 3
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[373/0375] Cap. 10. v. 29. an die Hebraͤer. ander Opfer habe. Zugleich erlaͤutert er auch hiermit von was fuͤr Art der Suͤnder er rede, Denn da er dieſe vorher genannt hat ſolche, wel- che die Erkenntniß der Wahrheit empfan- gen haben, ſo ſaget er hier von ihnen, daß ſie durch das Blut Chriſti geheiliget, das iſt, nicht allein verſoͤhnet, ſondern auch vermoͤge der Verſoͤhnung bekehret und in dieſer Ordnung auch gerechtgemachet ſeyn und alſo die Vergebung der Suͤnden empfangen haben. Daß aber das Wort heiligen, dem Levitiſchen Verſtande nach, ſonderlich auf die Verſoͤhnung gehe, iſt aus deſſen anderwaͤrtigen Gebrauch auch in dieſem Briefe bekannt. Siehe Hebr. 2, 11. c. 9. 13. c. 10, 10. 14. 29. c. 13, 12. Daß aber die verſohnende Hei- ligung bey ihnen ſchon in der Bekehrung und Rechtfertigung zur Application gekommen war, ſiehet man aus dem, was ſonſt von ihrem vori- gen Gnaden-Stande geſaget wird, wie hier, al- ſo noch mit mehrern Worten oben c. 6. 2. Jhre Suͤnde aber wird alhier als drey- fach beſchrieben: nemlich als ſolche, die da gehe wider die Perſon des Meßiaͤ; und dabey auch wider ſein Mittler-Amt und noch dazu auch wider den Heiligen Geiſt. 3. Wider die Perſon des Meßiaͤ haben eini- ge dahin verfallen koͤnnen, daß ſie ihn, als den Sohn GOttes, gleichſam mit Fuͤſſen getre- ten, das iſt, ſeine wahre Gottheit dergeſtalt ver- leugnet, daß ſie ihn dabey aufs allerſchmaͤhlichſte verlaͤſtert haben: und folglich haben ſie ihn auch nicht einmal nach der bloſſen menſchlichen Natur fuͤr den verheiſſenen Meßiam gehalten. Welches doch einige andere Jrrgeiſter noch thaten. 4. Mit verleugneter Perſon des Meßiaͤ fiel auch deſſelben gantzes Mittler-Amt bey ih- nen zugleich uͤber einen Haufen, ſonderlich das auf die Verſoͤhnung gehende Hoheprieſterliche. Denn an ſtatt deſſen, daß ſie das Blut Chriſti fuͤr das, durch das Blut des alten Teſtaments vor- gebildete, Verſoͤhnungs-Blut und ſeinen Tod fuͤr einen Verſoͤhnungs-Tod haͤtten halten ſol- len (wie ſie auch vor dem dafuͤr gehalten hatten) ſo hielten ſie ſolches fuͤr ein gemeines, ja fuͤr ein Blut eines Ubelthaͤters, der um ſeiner eignen Suͤnde willen haͤtte ſterben muͤſſen: und alſo fuͤr ein ver- unreinigendes Blut, durch deſſen Zueignung man ſich verſuͤndige. Dieſes nennet der Apoſtel c. 6, ihme ſelbſt den Sohn GOttes Creutzigen und fuͤr Spott halten. 5. Und bey dieſer entſetzlichen Suͤnde bliebe es noch nicht, ſondern dazu kam auch noch dieſes, daß ſie den Geiſt der Gnaden ſchmaͤheten: womit ſie denn eben die Suͤnde wider den Hei- ligen Geiſt begingen. Denn ſie waren durch den Chriſtum verklaͤrenden Heiligen Geiſt wahr- haftig bekehret und erleuchtet worden, waren auch ſchon zu einer mehrern Kraft im Stande der Gnaden gelanget, alſo daß ſie geſchmecket hat- ten die himmliſchen Gaben, und theilhaf- tig worden waren des Heiligen Geiſtes, auch geſchmecket hatten das guͤtige Wort GOttes und die Kraͤfte der zukuͤnftigen Welt c. 6, 4. 5. Und alſo ſuͤndigten ſie ihrem Verſtande nach nicht aus Unwiſſenheit; noch ihrem Willen nach aus Schwachheit; ſondern aus Bosheit, nemlich ἑκουσίως, muthwillig v. 26. Folglich begingen ſie die Suͤnde wider den Heiligen Geiſt; und zwar noch viel groͤber, als die feindſeligen Phariſaͤer: als welche zwar zu ei- ner Uberzeugung von der Unſchuld Chriſti und der Wahrheit ſeiner Lehre, aber doch noch nicht zu dem wuͤrcklichen Gnaden-Stand, gelanget wa- ren. Und da es der Suͤnder wider den Heiligen Geiſt ihre Eigenſchaft iſt, daß ſie ſich ſonderlich dem Amte des Heiligen Geiſtes entgegen ſetzen, und die dahin gehoͤrige Heyls-Ordnung verkeh- ren und verlaͤſtern, auch das Werck der Bekeh- rung in andern zu verhindern ſuchen; ſo haben ohne Zweifel auch dieſe ſolches gethan, oder doch dahin verfallen koͤnnen: als welches eben damit angezeiget wird, wenn es von ihnen heißt, daß ſie den Geiſt der Gnaden ſchmaͤhen. 6. Es iſt aber recht entſetzlich und faſt unbe- greiflich, daß ein Menſch aus einem alſo beſchrie- benen Gnaden-Stande ſolle dahin verfallen koͤn- nen. Doch was thut die Liſt und Gewalt des Satans nicht durch den Betrug der Suͤnde? Jch ſage, durch Betrug der Suͤnde; dagegen der Apoſtel oben c. 3, 12. 13. ſo getreulich warnet. Denn es gehet damit ſtuffenweiſe. Der Menſch laͤßt ſich nach und nach durch Betrug der reitzen- den Suͤnde in mancherley Unlauterkeit einflech- ten, alſo daß er dabey ſein gutes Gewiſſen ver- letzet, und es doch nicht achtet. Und durch dieſe Untreue des Willens, wodurch das geiſtliche Le- ben erſticket wird, geſchiehet es, daß auch nach und nach das vom geiſtlichen Leben dependiren- de Licht im Verſtande verloͤſchet, und fuͤr ein wahres goͤttliches ſich ein falſches und Jrrlicht nebſt herrſchender Eigenliebe einfindet. Verfaͤllt nun der Menſch erſt ſo weit, ſo iſts nicht unmoͤglich; ſondern leicht zu erachten, daß er noch weiter ver- fallen koͤnne. Doch wird man nicht eben viele Exempel von einem ſolchen Verfalle finden. 7. Es iſt demnach, wie ſchon oben c. 6 erin- nert iſt, die Suͤnde wider den Heiligen Geiſt von gedoppelter Art: nemlich eine gemeine- re, wie die der Phariſaͤer und Schriftgelehrten war, die weder recht bekehret, noch erleuchtet, ie- doch aber beſſer ůberzeuget waren: und dieſe ſeltenere der nach der Bekehrung und Erleuch- tung aus dem Gnaden-Stande des Chriſten- thums in das Judenthum alſo zuruͤckfallenden, daß ſie ſich alſo verſuͤndigen, wie hier und c. 6. an- gezeiget wird. 8. Gleichwie nun dieſer Text allen bekehr- ten zur getreuen Warnung dienet: ſo haben ſchwache Gemuͤther, die ſich gar leicht aus dieſer und jener Schwachheits-Suͤnde den betruͤbten Gedancken machen, als haͤtten ſie die Suͤnde wi- der den Heiligen Geiſt begangen; davon ſie doch ſehr weit entfernet ſind, dieſes, daß ſie ſolcher Suͤn- de nicht ſchuldig ſind, zum Troſt zu mercken, und demnach ſolchen ungegruͤndeten Einfaͤllen nicht naͤchzuhangen. 9. Jm uͤbrigen iſt der Nachdruck der aus Zach. 12, 10. genommenen Redens-Art noch wohl zu mercken, da der Heilige Geiſt ein Geiſt der Gnaden genennet wird. Davon der Verſtand, die- A a a 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/375>, abgerufen am 22.11.2024.