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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 10. v. 25-27. an die Hebräer.
[Spaltenumbruch] Schärfung und Entzündung zu allen schuldigen
Pflichten der Liebe in guten Wercken. Man
sehe davon unter andern Hebr. 3, 13. 1 Thess. 5,
11. 14. Col. 3, 16.

10. Das vierte Stück der Ermahnung
gehet auf die fleißige Besuchung der öffentli-
chen Zusammenkünfte.
Dabey sich findet
einige Bestrafung derer, welche es bisher dar-
an hatten ermangeln lassen: wie auch ein dazu
angeführter Bewegungs-Grund, der von dem
Tage des HErrn hergenommen ist.

11. Die Juden hatten nicht allein im Judi-
schen Lande, ausser dem Tempel, sehr viele Syn-
agogen, das ist, Häuser öffentlicher Versamm-
lung, oder bey uns also genannter Kirchen, zu
Jerusalem und im gantzen gelobten Lande, son-
dern auch hin und wieder fast durch gantz Orient
und an sehr vielen Orten im gantzen weiten Rö-
mischen Reiche: wie sie denn von etlichen hun-
dert Jahren her in alle solche Länder zerstreuet
lebten, und an den meisten Orten sehr grosse
Freyheit genossen, und also nicht allein das
Stadt-Recht, sondern das Privilegium zum
öffentlichen Gottesdienst hatten. Da nun die
ersten Christen aus und unter den Juden entstun-
den, und daher für eine Judische Secte gehal-
ten wurden, Ap. Gesch. 24, 14. c. 28, 22. so hat-
ten sie unter den Heyden gleiche Religions-Frey-
heit, auch zu öffentlichen Zusammenkünften: ob
diese gleich zum öftern sehr beschnitten, und an
manchen Orten auf einige Zeit gar aufgehoben
wurde; sonderlich auf Veranlassung der ver-
stockten und ihnen sehr aufsätzigen Juden; als
von welchen sie bey den Heyden ofters sehr sind
verlästert und hart verklaget worden, und wi-
der sie oftmal kein Gchör gefunden haben.

12. So lange nun den Christen diese Frey-
heit der öffentlichen Zusammenkünfte und Er-
bauung unter einander verstattet wurde, solten
sie dieselbe nicht versäumen. Daß dieses von
einigen geschehen war, das hatte der Apostel
aus Orient zu Rom durch glaubwürdige Nach-
richt erfahren. Und dazu mochte eine vielfache
Veranlassung genommen worden seyn. Denn
einige scheinen es gethan zu haben aus Menschen-
Furcht, um nicht für Christen erkannt zu wer-
den: andere aus diesem und jenem Anstoß, wel-
chen sie in den öffentlichen Versammlungen hier
und daran genommen: noch andere aus dem
Grunde, es stehe in der Christlichen Freyheit,
solchen Zusammenkünften mit beyzuwohnen,
oder auch davon zu bleiben; und wären sie so
weit gekommen, daß sie solcher äusserlichen Er-
weckung nicht mehr gebrauchten; es lasse sich
auch GOtt besser daheim in der Stelle dienen:
noch andere mögen sich auch wol deßwegen entzo-
gen haben, daß sie auf besondere und solche Mey-
nungen in Glaubens-Sachen gefallen waren,
welche in der öffentlichen Gemeine nicht gebilli-
get wurden. So mögen auch wol einige durch
solche Entziehung den Anfang gemachet haben
von ihrem Zurückfall auf das Judenthum. Ob
es nun gleich überhaupt so viele eben nicht gewe-
sen seyn; wie denn der Apostel nur einiger ge-
[Spaltenumbruch] dencket; so haben sich doch wol unterschiedliche
Veranlassungen dazu gefunden.

13. O wenn sich doch diese Apostolische Er-
mahnung diejenigen mercken möchten, welche
sich auch noch heut zu tage ohne Noth und aus ei-
nem irrenden Gewissen von der äusserlichen Ge-
meinschaft des öffentlichen Gottesdienstes ent-
ziehen. Jch habe solcher es gemeiniglich gutmey-
nenden aber irrenden Seelen ihre Gründe und
Einwürfe ausführlich untersuchet und beant-
wortet im ersten Theile des Buches, richtige
Mittelstrasse zwischen den Abwegen.
Zu
wünschen aber wäre auch nicht weniger, daß
nicht manche öffentliche Lehrer theils mit ihrem
recht unlautern und sehr anstößigen Lehr-Vor-
trag, theils auch mit ihrem übrigen unevange-
lischen Verfahren gegen solche Jrrende ihre Ab-
sonderungen selbst verursacheten und übel nicht
noch viel ärger machten! Und o daß nicht der
äusserliche Gottesdienst bey den meisten Zuhö-
rern in sehr grossem Mißbrauch läge, noch die
Epicurische Versäumung bey so vielen andern
am Tage wäre.

14. Durch den Tag wird alhier wohl ohne
Zweifel der grosse Gerichts-Tag verstanden;
sintemal dieses Wort in vielen Orten des alten
und neuen Testaments dem Contexte nach also
genommen wird. Nun aber fraget sich, wie
denn von diesem Tage, da er zu Pauli Zeiten noch
so gar ferne war, Paulus selbst dieses auch wol
gewußt, und es selbst hat angezeiget 2 Thess. 2,
1. u. f. hat gesaget werden können, daß er sich her-
zunahe? und wenn dieses von einem sehr lang-
wierigen Ablauf der Zeiten verstanden worden
sey; wie denn solches habe einen Bewegungs-
Grund zur gegenwärtigen Sache geben können?
Es sahen die heiligen Scribenten, wenn sie von
dem herzunahenden Jüngsten Tage reden, bey
demselben zugleich auf den Jüngsten Tag, den
ein ieder in seinem Leben hat, und das aus die-
ser Ursache, weil der künftige Tag des HErrn
einen ieden also antreffen wird, wie ihn der
jüngste oder letzte Tag seines Lebens gelassen,
oder der Seele nach der Ewigkeit geliefert hat:
daß es daher in sofern gleichviel ist, ob man un-
bereitet stirbet, oder ob einen der Gerichts-Tag
im Leben noch unbereitet antrifft. So gar ge-
nau ist der letzte Tag des Lebens in der That selbst
mit dem Tage des Gerichts verbunden; und also
nahet sich mit jenem Tage in sofern auch dieser.
Weil man nun durch Verlassung der öffentli-
chen Erweckung und Erbauung in einen solchen
Stand gerathen konte, daß einen zuvorderst der
Tag des Todes, und denn folglich auch des Ge-
richts nicht wohl bereitet finden möchte, so thut
der Apostel diese Warnung.

V. 26. 27.

Denn so wir muthwillig sündigen,
(also daß wir nach v. 29. den Sohn GOttes mit
Füssen treten, u. f.) nachdem wir die Er-
kenntniß der Wahrheit
(von der Christlichen
Religion) empfangen haben, (erleuchtet wor-
den sind, und geschmecket haben die himmlischen
Gaben, u. f. c. 6, 4. 5.) haben wir förder

kein
A a a 2

Cap. 10. v. 25-27. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch] Schaͤrfung und Entzuͤndung zu allen ſchuldigen
Pflichten der Liebe in guten Wercken. Man
ſehe davon unter andern Hebr. 3, 13. 1 Theſſ. 5,
11. 14. Col. 3, 16.

10. Das vierte Stuͤck der Ermahnung
gehet auf die fleißige Beſuchung der oͤffentli-
chen Zuſammenkuͤnfte.
Dabey ſich findet
einige Beſtrafung derer, welche es bisher dar-
an hatten ermangeln laſſen: wie auch ein dazu
angefuͤhrter Bewegungs-Grund, der von dem
Tage des HErrn hergenommen iſt.

11. Die Juden hatten nicht allein im Judi-
ſchen Lande, auſſer dem Tempel, ſehr viele Syn-
agogen, das iſt, Haͤuſer oͤffentlicher Verſamm-
lung, oder bey uns alſo genannter Kirchen, zu
Jeruſalem und im gantzen gelobten Lande, ſon-
dern auch hin und wieder faſt durch gantz Orient
und an ſehr vielen Orten im gantzen weiten Roͤ-
miſchen Reiche: wie ſie denn von etlichen hun-
dert Jahren her in alle ſolche Laͤnder zerſtreuet
lebten, und an den meiſten Orten ſehr groſſe
Freyheit genoſſen, und alſo nicht allein das
Stadt-Recht, ſondern das Privilegium zum
oͤffentlichen Gottesdienſt hatten. Da nun die
erſten Chriſten aus und unter den Juden entſtun-
den, und daher fuͤr eine Judiſche Secte gehal-
ten wurden, Ap. Geſch. 24, 14. c. 28, 22. ſo hat-
ten ſie unter den Heyden gleiche Religions-Frey-
heit, auch zu oͤffentlichen Zuſammenkuͤnften: ob
dieſe gleich zum oͤftern ſehr beſchnitten, und an
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wurde; ſonderlich auf Veranlaſſung der ver-
ſtockten und ihnen ſehr aufſaͤtzigen Juden; als
von welchen ſie bey den Heyden ofters ſehr ſind
verlaͤſtert und hart verklaget worden, und wi-
der ſie oftmal kein Gchoͤr gefunden haben.

12. So lange nun den Chriſten dieſe Frey-
heit der oͤffentlichen Zuſammenkuͤnfte und Er-
bauung unter einander verſtattet wurde, ſolten
ſie dieſelbe nicht verſaͤumen. Daß dieſes von
einigen geſchehen war, das hatte der Apoſtel
aus Orient zu Rom durch glaubwuͤrdige Nach-
richt erfahren. Und dazu mochte eine vielfache
Veranlaſſung genommen worden ſeyn. Denn
einige ſcheinen es gethan zu haben aus Menſchen-
Furcht, um nicht fuͤr Chriſten erkannt zu wer-
den: andere aus dieſem und jenem Anſtoß, wel-
chen ſie in den oͤffentlichen Verſammlungen hier
und daran genommen: noch andere aus dem
Grunde, es ſtehe in der Chriſtlichen Freyheit,
ſolchen Zuſammenkuͤnften mit beyzuwohnen,
oder auch davon zu bleiben; und waͤren ſie ſo
weit gekommen, daß ſie ſolcher aͤuſſerlichen Er-
weckung nicht mehr gebrauchten; es laſſe ſich
auch GOtt beſſer daheim in der Stelle dienen:
noch andere moͤgen ſich auch wol deßwegen entzo-
gen haben, daß ſie auf beſondere und ſolche Mey-
nungen in Glaubens-Sachen gefallen waren,
welche in der oͤffentlichen Gemeine nicht gebilli-
get wurden. So moͤgen auch wol einige durch
ſolche Entziehung den Anfang gemachet haben
von ihrem Zuruͤckfall auf das Judenthum. Ob
es nun gleich uͤberhaupt ſo viele eben nicht gewe-
ſen ſeyn; wie denn der Apoſtel nur einiger ge-
[Spaltenumbruch] dencket; ſo haben ſich doch wol unterſchiedliche
Veranlaſſungen dazu gefunden.

13. O wenn ſich doch dieſe Apoſtoliſche Er-
mahnung diejenigen mercken moͤchten, welche
ſich auch noch heut zu tage ohne Noth und aus ei-
nem irrenden Gewiſſen von der aͤuſſerlichen Ge-
meinſchaft des oͤffentlichen Gottesdienſtes ent-
ziehen. Jch habe ſolcher es gemeiniglich gutmey-
nenden aber irrenden Seelen ihre Gruͤnde und
Einwuͤrfe ausfuͤhrlich unterſuchet und beant-
wortet im erſten Theile des Buches, richtige
Mittelſtraſſe zwiſchen den Abwegen.
Zu
wuͤnſchen aber waͤre auch nicht weniger, daß
nicht manche oͤffentliche Lehrer theils mit ihrem
recht unlautern und ſehr anſtoͤßigen Lehr-Vor-
trag, theils auch mit ihrem uͤbrigen unevange-
liſchen Verfahren gegen ſolche Jrrende ihre Ab-
ſonderungen ſelbſt verurſacheten und uͤbel nicht
noch viel aͤrger machten! Und o daß nicht der
aͤuſſerliche Gottesdienſt bey den meiſten Zuhoͤ-
rern in ſehr groſſem Mißbrauch laͤge, noch die
Epicuriſche Verſaͤumung bey ſo vielen andern
am Tage waͤre.

14. Durch den Tag wird alhier wohl ohne
Zweifel der groſſe Gerichts-Tag verſtanden;
ſintemal dieſes Wort in vielen Orten des alten
und neuen Teſtaments dem Contexte nach alſo
genommen wird. Nun aber fraget ſich, wie
denn von dieſem Tage, da er zu Pauli Zeiten noch
ſo gar ferne war, Paulus ſelbſt dieſes auch wol
gewußt, und es ſelbſt hat angezeiget 2 Theſſ. 2,
1. u. f. hat geſaget werden koͤnnen, daß er ſich her-
zunahe? und wenn dieſes von einem ſehr lang-
wierigen Ablauf der Zeiten verſtanden worden
ſey; wie denn ſolches habe einen Bewegungs-
Grund zur gegenwaͤrtigen Sache geben koͤnnen?
Es ſahen die heiligen Scribenten, wenn ſie von
dem herzunahenden Juͤngſten Tage reden, bey
demſelben zugleich auf den Juͤngſten Tag, den
ein ieder in ſeinem Leben hat, und das aus die-
ſer Urſache, weil der kuͤnftige Tag des HErrn
einen ieden alſo antreffen wird, wie ihn der
juͤngſte oder letzte Tag ſeines Lebens gelaſſen,
oder der Seele nach der Ewigkeit geliefert hat:
daß es daher in ſofern gleichviel iſt, ob man un-
bereitet ſtirbet, oder ob einen der Gerichts-Tag
im Leben noch unbereitet antrifft. So gar ge-
nau iſt der letzte Tag des Lebens in der That ſelbſt
mit dem Tage des Gerichts verbunden; und alſo
nahet ſich mit jenem Tage in ſofern auch dieſer.
Weil man nun durch Verlaſſung der oͤffentli-
chen Erweckung und Erbauung in einen ſolchen
Stand gerathen konte, daß einen zuvorderſt der
Tag des Todes, und denn folglich auch des Ge-
richts nicht wohl bereitet finden moͤchte, ſo thut
der Apoſtel dieſe Warnung.

V. 26. 27.

Denn ſo wir muthwillig ſuͤndigen,
(alſo daß wir nach v. 29. den Sohn GOttes mit
Fuͤſſen treten, u. f.) nachdem wir die Er-
kenntniß der Wahrheit
(von der Chriſtlichen
Religion) empfangen haben, (erleuchtet wor-
den ſind, und geſchmecket haben die himmliſchen
Gaben, u. f. c. 6, 4. 5.) haben wir foͤrder

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[371/0373] Cap. 10. v. 25-27. an die Hebraͤer. Schaͤrfung und Entzuͤndung zu allen ſchuldigen Pflichten der Liebe in guten Wercken. Man ſehe davon unter andern Hebr. 3, 13. 1 Theſſ. 5, 11. 14. Col. 3, 16. 10. Das vierte Stuͤck der Ermahnung gehet auf die fleißige Beſuchung der oͤffentli- chen Zuſammenkuͤnfte. Dabey ſich findet einige Beſtrafung derer, welche es bisher dar- an hatten ermangeln laſſen: wie auch ein dazu angefuͤhrter Bewegungs-Grund, der von dem Tage des HErrn hergenommen iſt. 11. Die Juden hatten nicht allein im Judi- ſchen Lande, auſſer dem Tempel, ſehr viele Syn- agogen, das iſt, Haͤuſer oͤffentlicher Verſamm- lung, oder bey uns alſo genannter Kirchen, zu Jeruſalem und im gantzen gelobten Lande, ſon- dern auch hin und wieder faſt durch gantz Orient und an ſehr vielen Orten im gantzen weiten Roͤ- miſchen Reiche: wie ſie denn von etlichen hun- dert Jahren her in alle ſolche Laͤnder zerſtreuet lebten, und an den meiſten Orten ſehr groſſe Freyheit genoſſen, und alſo nicht allein das Stadt-Recht, ſondern das Privilegium zum oͤffentlichen Gottesdienſt hatten. Da nun die erſten Chriſten aus und unter den Juden entſtun- den, und daher fuͤr eine Judiſche Secte gehal- ten wurden, Ap. Geſch. 24, 14. c. 28, 22. ſo hat- ten ſie unter den Heyden gleiche Religions-Frey- heit, auch zu oͤffentlichen Zuſammenkuͤnften: ob dieſe gleich zum oͤftern ſehr beſchnitten, und an manchen Orten auf einige Zeit gar aufgehoben wurde; ſonderlich auf Veranlaſſung der ver- ſtockten und ihnen ſehr aufſaͤtzigen Juden; als von welchen ſie bey den Heyden ofters ſehr ſind verlaͤſtert und hart verklaget worden, und wi- der ſie oftmal kein Gchoͤr gefunden haben. 12. So lange nun den Chriſten dieſe Frey- heit der oͤffentlichen Zuſammenkuͤnfte und Er- bauung unter einander verſtattet wurde, ſolten ſie dieſelbe nicht verſaͤumen. Daß dieſes von einigen geſchehen war, das hatte der Apoſtel aus Orient zu Rom durch glaubwuͤrdige Nach- richt erfahren. Und dazu mochte eine vielfache Veranlaſſung genommen worden ſeyn. Denn einige ſcheinen es gethan zu haben aus Menſchen- Furcht, um nicht fuͤr Chriſten erkannt zu wer- den: andere aus dieſem und jenem Anſtoß, wel- chen ſie in den oͤffentlichen Verſammlungen hier und daran genommen: noch andere aus dem Grunde, es ſtehe in der Chriſtlichen Freyheit, ſolchen Zuſammenkuͤnften mit beyzuwohnen, oder auch davon zu bleiben; und waͤren ſie ſo weit gekommen, daß ſie ſolcher aͤuſſerlichen Er- weckung nicht mehr gebrauchten; es laſſe ſich auch GOtt beſſer daheim in der Stelle dienen: noch andere moͤgen ſich auch wol deßwegen entzo- gen haben, daß ſie auf beſondere und ſolche Mey- nungen in Glaubens-Sachen gefallen waren, welche in der oͤffentlichen Gemeine nicht gebilli- get wurden. So moͤgen auch wol einige durch ſolche Entziehung den Anfang gemachet haben von ihrem Zuruͤckfall auf das Judenthum. Ob es nun gleich uͤberhaupt ſo viele eben nicht gewe- ſen ſeyn; wie denn der Apoſtel nur einiger ge- dencket; ſo haben ſich doch wol unterſchiedliche Veranlaſſungen dazu gefunden. 13. O wenn ſich doch dieſe Apoſtoliſche Er- mahnung diejenigen mercken moͤchten, welche ſich auch noch heut zu tage ohne Noth und aus ei- nem irrenden Gewiſſen von der aͤuſſerlichen Ge- meinſchaft des oͤffentlichen Gottesdienſtes ent- ziehen. Jch habe ſolcher es gemeiniglich gutmey- nenden aber irrenden Seelen ihre Gruͤnde und Einwuͤrfe ausfuͤhrlich unterſuchet und beant- wortet im erſten Theile des Buches, richtige Mittelſtraſſe zwiſchen den Abwegen. Zu wuͤnſchen aber waͤre auch nicht weniger, daß nicht manche oͤffentliche Lehrer theils mit ihrem recht unlautern und ſehr anſtoͤßigen Lehr-Vor- trag, theils auch mit ihrem uͤbrigen unevange- liſchen Verfahren gegen ſolche Jrrende ihre Ab- ſonderungen ſelbſt verurſacheten und uͤbel nicht noch viel aͤrger machten! Und o daß nicht der aͤuſſerliche Gottesdienſt bey den meiſten Zuhoͤ- rern in ſehr groſſem Mißbrauch laͤge, noch die Epicuriſche Verſaͤumung bey ſo vielen andern am Tage waͤre. 14. Durch den Tag wird alhier wohl ohne Zweifel der groſſe Gerichts-Tag verſtanden; ſintemal dieſes Wort in vielen Orten des alten und neuen Teſtaments dem Contexte nach alſo genommen wird. Nun aber fraget ſich, wie denn von dieſem Tage, da er zu Pauli Zeiten noch ſo gar ferne war, Paulus ſelbſt dieſes auch wol gewußt, und es ſelbſt hat angezeiget 2 Theſſ. 2, 1. u. f. hat geſaget werden koͤnnen, daß er ſich her- zunahe? und wenn dieſes von einem ſehr lang- wierigen Ablauf der Zeiten verſtanden worden ſey; wie denn ſolches habe einen Bewegungs- Grund zur gegenwaͤrtigen Sache geben koͤnnen? Es ſahen die heiligen Scribenten, wenn ſie von dem herzunahenden Juͤngſten Tage reden, bey demſelben zugleich auf den Juͤngſten Tag, den ein ieder in ſeinem Leben hat, und das aus die- ſer Urſache, weil der kuͤnftige Tag des HErrn einen ieden alſo antreffen wird, wie ihn der juͤngſte oder letzte Tag ſeines Lebens gelaſſen, oder der Seele nach der Ewigkeit geliefert hat: daß es daher in ſofern gleichviel iſt, ob man un- bereitet ſtirbet, oder ob einen der Gerichts-Tag im Leben noch unbereitet antrifft. So gar ge- nau iſt der letzte Tag des Lebens in der That ſelbſt mit dem Tage des Gerichts verbunden; und alſo nahet ſich mit jenem Tage in ſofern auch dieſer. Weil man nun durch Verlaſſung der oͤffentli- chen Erweckung und Erbauung in einen ſolchen Stand gerathen konte, daß einen zuvorderſt der Tag des Todes, und denn folglich auch des Ge- richts nicht wohl bereitet finden moͤchte, ſo thut der Apoſtel dieſe Warnung. V. 26. 27. Denn ſo wir muthwillig ſuͤndigen, (alſo daß wir nach v. 29. den Sohn GOttes mit Fuͤſſen treten, u. f.) nachdem wir die Er- kenntniß der Wahrheit (von der Chriſtlichen Religion) empfangen haben, (erleuchtet wor- den ſind, und geſchmecket haben die himmliſchen Gaben, u. f. c. 6, 4. 5.) haben wir foͤrder kein A a a 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/373>, abgerufen am 25.11.2024.