[Spaltenumbruch]
neuen Oeconomie gemäßen) und lebendigen Wege (da der Glaube an sich ein geistliches Le- ben in der Seele ist und uns, in der Reinigung unsers Gewissens von den todten Wercken c. 9, 14. im neuen geistlichen Leben, zum ewigen Le- ben führet.) durch den Vorhang, das ist durch sein Fleisch (welches durch den vor dem Allerheiligsten hangenden Vorhange vorgebil- det worden) und haben einen Hohenprie- ster (ierea megan den rechten grossen Priester, der durch alle Levitische Priester, sonderlich durch den Hohen ist repraesentiret worden) über das Haus GOttes (über die Christliche Kirche, so wohl die streitende, als triumphiren- de, davon die Stifts-Hütte und der Tempel ein Schatte ist gewesen.)
Anmerckungen.
1. Hiermit hebet der Apostel die eigentli- che Application an von der bisher tractirten gantzen Materie: daß man also auch hievon den andern und practischen Theil des Briefes gar füglich anfangen kan.
2. Es halten aber die Worte dieser para- phrasirten drey Verse ein solches antecedens in sich, darinnen die Kraft der gantzen vorher- gehenden Abhandelung von dem grossen Vorzu- ge des Meßianischen Priesterthums vor dem Le- vitischen, und der neuen Oeconomie vor der alten kürtzlich zusammen concentriret, oder ge- fasset ist. Das Consequens, dadurch die Con- struction mit dem Verstande ergäntzet wird; folget v. 22. u. f. wir haben so wol das erste, als das letzte Membrum, als Sachen von grossem Gewichte, wohl zu erwegen.
3. Die Freudigkeit wird, wie sonst an- derwärtig, also auch alhier eigentlich vom Glauben gesaget, und ist ein solches Wort, wel- ches die Natur und eigentliche Beschaffenheit des Glaubens, wenn er sich in seiner rechten Kraft befindet, gar nachdrücklich bezeichnet. Nach dem grammatischen Laute heißt das durch Freudigkeit übersetzte Wort paRResia, eigentlich eine Freymündigkeit, das ist eine solche Freyheit zu reden, da man ohne knechti- sche Furcht vor dem ist, mit dem man redet, son- dern gegen ihn im guten Vernehmen und gu- tem Vertrauen stehet: und daher mit freyer Oefnung des Mundes alles vom Hertzen weg redet, und sein Hertz recht vertraulich gegen ihn ausschüttet. Weil nun aber dieses nicht ge- schehen kan, wo nicht das Hertz voller Zuver- sicht und von dem, davon es durch den Mund überfliesset, voll ist: so heißt die gläubige Par- rhesie zugleich so viel, als eine freudige Zu- versicht des Hertzens, oder mit einem Worte eine Freudigkeit: die also ihren Grund im Hertzen hat, und sonderlich durch eine solche Freyheit des Mundes ausbricht, nach welcher man getrost sagen kan: Abba! lieber Vater! ich weiß, an wen ich glaube? und bin ge- wiß, daß er mir meine Beylagen bewahren kan und wird. Mein HERR und mein GOTT! u. s. w. Und also sehen wir, daß die- se Glaubens-Freudigkeit eigentlich zum Stande [Spaltenumbruch]
der neuen Oeconomie gehöre und der knechti- schen Furcht und Blödigkeit, worunter sich die Gläubigen der alten Oeconomie befunden ha- ben (wenn man die besondern Glaubens-Hel- den ausnimmt,) entgegen stehe.
4. Diese Glaubens-Freudigkeit ist nun gerich- tet auf den Eingang ins Allerheiligste. Denn da man durch dieselbe schon in das das Reich der Gnaden repraesentirende Heilige gelanget; so dringet man durch sie ferner ein ins Allerhei- ligste, also daß man sich nach dem Reiche der Herrlichkeit sehnet Röm. 8, 23. und mit Paulo in voller Gemeinschaft verlanget bey Christo zu seyn Phil. 1, 23. als da man sein Bürger-Recht hat c. 3, 20. und daher billig suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zur rechten Hand GOTTes Col. 3, 1. 2. sintemal man die grosse Verheissung hat als ein Reichs-Genosse mit ihm auf seinem Thron zu sitzen, nachdem man durch sein Blut abgewaschen und zu der grossen Würde des Königlichen Priesterthüms ist erha- ben worden. Offenb. 1, 5. 6. c. 3, 21. Von eben dieser Glaubens-Freudigkeit spricht der Apostel oben c. 6, 18. 19. 20. (da er sie einen starcken Trost genennet hat,) daß man fie habe als einen starcken Ancker der Seele, der auch hinein gehe in das inwendige des Vorhan- ges, dahin der Vorläufer für uns einge- gangen, JEsus, ein Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedech.
5. Unter der alten Levitischen Oeconomie durfte niemand in das Allerheiligste eingehen, als nur allein der Hohepriester, und an dem ein- tzigen Tage des jährlichen hohen Versöhnungs- Festes. Unter der Evangelischen Oeconomie haben alle Christen diese Freyheit, als gesalbete geistliche Priester. O wie wenig sind aber der- jenigen, welche dazu gelangen, und wie unzeh- lig viele sind, welche aus ihrer eignen Schuld nicht ins Heilige kommen, und daher vom Ein- gange ins Allerheiligste zurück bleiben.
6. Geschahe unter der alten Oeconomie der Eingang durch das Opfer-Blut von den geschlachten Thieren, oder vermöge desselben: so geschiehet er unter der neuen durch das Blut Christi. Denn der Glaube und das Blut, oder der Vetsöhnungs Tod Christi gehören zusammen. Ohne Glauben hilft einem das Blut Christi nichts: und ohne das Blut Christi findet kein Glaube statt. Darum es so oft heißt, an Christum glauben. Und Paulus spricht Röm. 3, 25. GOtt hat Christum vorgestel- let zu einem Gnaden-Stuhl durch den Glau- ben in seinem Blute.
7. Das Wörtlein en welchen v. 20. gehet mit dem Wort odon, Weg, nicht auf das Wort eisooon, Eingang? sintemal Eingang und Weg einerley ist. So gehet es auch nicht auf das vorhergehende Wort Blut, Blut Christi; ob es wol des unterschiedenen generis wegen nach dem Atticismo also, daß es mit dem folgenden Worte übereinkomme, construiret werden kan. Denn weil darauf folget: durch sein Fleisch; dieses aber ohne das Blut nicht ver- standen wird; so wäre es so viel, als: Christus
hat
Cap. 10. v. 19-21. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch]
neuen Oeconomie gemaͤßen) und lebendigen Wege (da der Glaube an ſich ein geiſtliches Le- ben in der Seele iſt und uns, in der Reinigung unſers Gewiſſens von den todten Wercken c. 9, 14. im neuen geiſtlichen Leben, zum ewigen Le- ben fuͤhret.) durch den Vorhang, das iſt durch ſein Fleiſch (welches durch den vor dem Allerheiligſten hangenden Vorhange vorgebil- det worden) und haben einen Hohenprie- ſter (ἱερέα μέγαν den rechten groſſen Prieſter, der durch alle Levitiſche Prieſter, ſonderlich durch den Hohen iſt repræſentiret worden) uͤber das Haus GOttes (uͤber die Chriſtliche Kirche, ſo wohl die ſtreitende, als triumphiren- de, davon die Stifts-Huͤtte und der Tempel ein Schatte iſt geweſen.)
Anmerckungen.
1. Hiermit hebet der Apoſtel die eigentli- che Application an von der bisher tractirten gantzen Materie: daß man alſo auch hievon den andern und practiſchen Theil des Briefes gar fuͤglich anfangen kan.
2. Es halten aber die Worte dieſer para- phraſirten drey Verſe ein ſolches antecedens in ſich, darinnen die Kraft der gantzen vorher- gehenden Abhandelung von dem groſſen Vorzu- ge des Meßianiſchen Prieſterthums vor dem Le- vitiſchen, und der neuen Oeconomie vor der alten kuͤrtzlich zuſammen concentriret, oder ge- faſſet iſt. Das Conſequens, dadurch die Con- ſtruction mit dem Verſtande ergaͤntzet wird; folget v. 22. u. f. wir haben ſo wol das erſte, als das letzte Membrum, als Sachen von groſſem Gewichte, wohl zu erwegen.
3. Die Freudigkeit wird, wie ſonſt an- derwaͤrtig, alſo auch alhier eigentlich vom Glauben geſaget, und iſt ein ſolches Wort, wel- ches die Natur und eigentliche Beſchaffenheit des Glaubens, wenn er ſich in ſeiner rechten Kraft befindet, gar nachdruͤcklich bezeichnet. Nach dem grammatiſchen Laute heißt das durch Freudigkeit uͤberſetzte Wort ϖαῤῥησία, eigentlich eine Freymuͤndigkeit, das iſt eine ſolche Freyheit zu reden, da man ohne knechti- ſche Furcht vor dem iſt, mit dem man redet, ſon- dern gegen ihn im guten Vernehmen und gu- tem Vertrauen ſtehet: und daher mit freyer Oefnung des Mundes alles vom Hertzen weg redet, und ſein Hertz recht vertraulich gegen ihn ausſchuͤttet. Weil nun aber dieſes nicht ge- ſchehen kan, wo nicht das Hertz voller Zuver- ſicht und von dem, davon es durch den Mund uͤberflieſſet, voll iſt: ſo heißt die glaͤubige Par- rheſie zugleich ſo viel, als eine freudige Zu- verſicht des Hertzens, oder mit einem Worte eine Freudigkeit: die alſo ihren Grund im Hertzen hat, und ſonderlich durch eine ſolche Freyheit des Mundes ausbricht, nach welcher man getroſt ſagen kan: Abba! lieber Vater! ich weiß, an wen ich glaube? und bin ge- wiß, daß er mir meine Beylagen bewahren kan und wird. Mein HERR und mein GOTT! u. ſ. w. Und alſo ſehen wir, daß die- ſe Glaubens-Freudigkeit eigentlich zum Stande [Spaltenumbruch]
der neuen Oeconomie gehoͤre und der knechti- ſchen Furcht und Bloͤdigkeit, worunter ſich die Glaͤubigen der alten Oeconomie befunden ha- ben (wenn man die beſondern Glaubens-Hel- den ausnimmt,) entgegen ſtehe.
4. Dieſe Glaubens-Freudigkeit iſt nun gerich- tet auf den Eingang ins Allerheiligſte. Denn da man durch dieſelbe ſchon in das das Reich der Gnaden repræſentirende Heilige gelanget; ſo dringet man durch ſie ferner ein ins Allerhei- ligſte, alſo daß man ſich nach dem Reiche der Herrlichkeit ſehnet Roͤm. 8, 23. und mit Paulo in voller Gemeinſchaft verlanget bey Chriſto zu ſeyn Phil. 1, 23. als da man ſein Buͤrger-Recht hat c. 3, 20. und daher billig ſuchet, was droben iſt, da Chriſtus iſt, ſitzend zur rechten Hand GOTTes Col. 3, 1. 2. ſintemal man die groſſe Verheiſſung hat als ein Reichs-Genoſſe mit ihm auf ſeinem Thron zu ſitzen, nachdem man durch ſein Blut abgewaſchen und zu der groſſen Wuͤrde des Koͤniglichen Prieſterthuͤms iſt erha- ben worden. Offenb. 1, 5. 6. c. 3, 21. Von eben dieſer Glaubens-Freudigkeit ſpricht der Apoſtel oben c. 6, 18. 19. 20. (da er ſie einen ſtarcken Troſt genennet hat,) daß man fie habe als einen ſtarcken Ancker der Seele, der auch hinein gehe in das inwendige des Vorhan- ges, dahin der Vorlaͤufer fuͤr uns einge- gangen, JEſus, ein Hoherprieſter nach der Ordnung Melchiſedech.
5. Unter der alten Levitiſchen Oeconomie durfte niemand in das Allerheiligſte eingehen, als nur allein der Hoheprieſter, und an dem ein- tzigen Tage des jaͤhrlichen hohen Verſoͤhnungs- Feſtes. Unter der Evangeliſchen Oeconomie haben alle Chriſten dieſe Freyheit, als geſalbete geiſtliche Prieſter. O wie wenig ſind aber der- jenigen, welche dazu gelangen, und wie unzeh- lig viele ſind, welche aus ihrer eignen Schuld nicht ins Heilige kommen, und daher vom Ein- gange ins Allerheiligſte zuruͤck bleiben.
6. Geſchahe unter der alten Oeconomie der Eingang durch das Opfer-Blut von den geſchlachten Thieren, oder vermoͤge deſſelben: ſo geſchiehet er unter der neuen durch das Blut Chriſti. Denn der Glaube und das Blut, oder der Vetſoͤhnungs Tod Chriſti gehoͤren zuſammen. Ohne Glauben hilft einem das Blut Chriſti nichts: und ohne das Blut Chriſti findet kein Glaube ſtatt. Darum es ſo oft heißt, an Chriſtum glauben. Und Paulus ſpricht Roͤm. 3, 25. GOtt hat Chriſtum vorgeſtel- let zu einem Gnaden-Stuhl duꝛch den Glau- ben in ſeinem Blute.
7. Das Woͤrtlein ἥν welchen v. 20. gehet mit dem Wort ὁδὸν, Weg, nicht auf das Wort ἐίσοὸον, Eingang? ſintemal Eingang und Weg einerley iſt. So gehet es auch nicht auf das vorhergehende Wort Blut, Blut Chriſti; ob es wol des unterſchiedenen generis wegen nach dem Atticismo alſo, daß es mit dem folgenden Worte uͤbereinkomme, conſtruiret werden kan. Denn weil darauf folget: durch ſein Fleiſch; dieſes aber ohne das Blut nicht ver- ſtanden wird; ſo waͤre es ſo viel, als: Chriſtus
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Cap. 10. v. 19-21. an die Hebraͤer.
neuen Oeconomie gemaͤßen) und lebendigen
Wege (da der Glaube an ſich ein geiſtliches Le-
ben in der Seele iſt und uns, in der Reinigung
unſers Gewiſſens von den todten Wercken c. 9,
14. im neuen geiſtlichen Leben, zum ewigen Le-
ben fuͤhret.) durch den Vorhang, das iſt
durch ſein Fleiſch (welches durch den vor dem
Allerheiligſten hangenden Vorhange vorgebil-
det worden) und haben einen Hohenprie-
ſter (ἱερέα μέγαν den rechten groſſen Prieſter,
der durch alle Levitiſche Prieſter, ſonderlich
durch den Hohen iſt repræſentiret worden)
uͤber das Haus GOttes (uͤber die Chriſtliche
Kirche, ſo wohl die ſtreitende, als triumphiren-
de, davon die Stifts-Huͤtte und der Tempel ein
Schatte iſt geweſen.)
Anmerckungen.
1. Hiermit hebet der Apoſtel die eigentli-
che Application an von der bisher tractirten
gantzen Materie: daß man alſo auch hievon den
andern und practiſchen Theil des Briefes gar
fuͤglich anfangen kan.
2. Es halten aber die Worte dieſer para-
phraſirten drey Verſe ein ſolches antecedens
in ſich, darinnen die Kraft der gantzen vorher-
gehenden Abhandelung von dem groſſen Vorzu-
ge des Meßianiſchen Prieſterthums vor dem Le-
vitiſchen, und der neuen Oeconomie vor der
alten kuͤrtzlich zuſammen concentriret, oder ge-
faſſet iſt. Das Conſequens, dadurch die Con-
ſtruction mit dem Verſtande ergaͤntzet wird;
folget v. 22. u. f. wir haben ſo wol das erſte, als
das letzte Membrum, als Sachen von groſſem
Gewichte, wohl zu erwegen.
3. Die Freudigkeit wird, wie ſonſt an-
derwaͤrtig, alſo auch alhier eigentlich vom
Glauben geſaget, und iſt ein ſolches Wort, wel-
ches die Natur und eigentliche Beſchaffenheit
des Glaubens, wenn er ſich in ſeiner rechten
Kraft befindet, gar nachdruͤcklich bezeichnet.
Nach dem grammatiſchen Laute heißt das
durch Freudigkeit uͤberſetzte Wort ϖαῤῥησία,
eigentlich eine Freymuͤndigkeit, das iſt eine
ſolche Freyheit zu reden, da man ohne knechti-
ſche Furcht vor dem iſt, mit dem man redet, ſon-
dern gegen ihn im guten Vernehmen und gu-
tem Vertrauen ſtehet: und daher mit freyer
Oefnung des Mundes alles vom Hertzen weg
redet, und ſein Hertz recht vertraulich gegen ihn
ausſchuͤttet. Weil nun aber dieſes nicht ge-
ſchehen kan, wo nicht das Hertz voller Zuver-
ſicht und von dem, davon es durch den Mund
uͤberflieſſet, voll iſt: ſo heißt die glaͤubige Par-
rheſie zugleich ſo viel, als eine freudige Zu-
verſicht des Hertzens, oder mit einem Worte
eine Freudigkeit: die alſo ihren Grund im
Hertzen hat, und ſonderlich durch eine ſolche
Freyheit des Mundes ausbricht, nach welcher
man getroſt ſagen kan: Abba! lieber Vater!
ich weiß, an wen ich glaube? und bin ge-
wiß, daß er mir meine Beylagen bewahren
kan und wird. Mein HERR und mein
GOTT! u. ſ. w. Und alſo ſehen wir, daß die-
ſe Glaubens-Freudigkeit eigentlich zum Stande
der neuen Oeconomie gehoͤre und der knechti-
ſchen Furcht und Bloͤdigkeit, worunter ſich die
Glaͤubigen der alten Oeconomie befunden ha-
ben (wenn man die beſondern Glaubens-Hel-
den ausnimmt,) entgegen ſtehe.
4. Dieſe Glaubens-Freudigkeit iſt nun gerich-
tet auf den Eingang ins Allerheiligſte. Denn
da man durch dieſelbe ſchon in das das Reich
der Gnaden repræſentirende Heilige gelanget;
ſo dringet man durch ſie ferner ein ins Allerhei-
ligſte, alſo daß man ſich nach dem Reiche der
Herrlichkeit ſehnet Roͤm. 8, 23. und mit Paulo
in voller Gemeinſchaft verlanget bey Chriſto zu
ſeyn Phil. 1, 23. als da man ſein Buͤrger-Recht
hat c. 3, 20. und daher billig ſuchet, was droben
iſt, da Chriſtus iſt, ſitzend zur rechten Hand
GOTTes Col. 3, 1. 2. ſintemal man die groſſe
Verheiſſung hat als ein Reichs-Genoſſe mit
ihm auf ſeinem Thron zu ſitzen, nachdem man
durch ſein Blut abgewaſchen und zu der groſſen
Wuͤrde des Koͤniglichen Prieſterthuͤms iſt erha-
ben worden. Offenb. 1, 5. 6. c. 3, 21. Von eben
dieſer Glaubens-Freudigkeit ſpricht der Apoſtel
oben c. 6, 18. 19. 20. (da er ſie einen ſtarcken
Troſt genennet hat,) daß man fie habe als
einen ſtarcken Ancker der Seele, der auch
hinein gehe in das inwendige des Vorhan-
ges, dahin der Vorlaͤufer fuͤr uns einge-
gangen, JEſus, ein Hoherprieſter nach der
Ordnung Melchiſedech.
5. Unter der alten Levitiſchen Oeconomie
durfte niemand in das Allerheiligſte eingehen,
als nur allein der Hoheprieſter, und an dem ein-
tzigen Tage des jaͤhrlichen hohen Verſoͤhnungs-
Feſtes. Unter der Evangeliſchen Oeconomie
haben alle Chriſten dieſe Freyheit, als geſalbete
geiſtliche Prieſter. O wie wenig ſind aber der-
jenigen, welche dazu gelangen, und wie unzeh-
lig viele ſind, welche aus ihrer eignen Schuld
nicht ins Heilige kommen, und daher vom Ein-
gange ins Allerheiligſte zuruͤck bleiben.
6. Geſchahe unter der alten Oeconomie
der Eingang durch das Opfer-Blut von den
geſchlachten Thieren, oder vermoͤge deſſelben:
ſo geſchiehet er unter der neuen durch das Blut
Chriſti. Denn der Glaube und das Blut,
oder der Vetſoͤhnungs Tod Chriſti gehoͤren
zuſammen. Ohne Glauben hilft einem das
Blut Chriſti nichts: und ohne das Blut Chriſti
findet kein Glaube ſtatt. Darum es ſo oft heißt,
an Chriſtum glauben. Und Paulus ſpricht
Roͤm. 3, 25. GOtt hat Chriſtum vorgeſtel-
let zu einem Gnaden-Stuhl duꝛch den Glau-
ben in ſeinem Blute.
7. Das Woͤrtlein ἥν welchen v. 20. gehet
mit dem Wort ὁδὸν, Weg, nicht auf das Wort
ἐίσοὸον, Eingang? ſintemal Eingang und Weg
einerley iſt. So gehet es auch nicht auf das
vorhergehende Wort Blut, Blut Chriſti; ob
es wol des unterſchiedenen generis wegen nach
dem Atticismo alſo, daß es mit dem folgenden
Worte uͤbereinkomme, conſtruiret werden
kan. Denn weil darauf folget: durch ſein
Fleiſch; dieſes aber ohne das Blut nicht ver-
ſtanden wird; ſo waͤre es ſo viel, als: Chriſtus
hat
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/369>, abgerufen am 16.02.2025.
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