[Spaltenumbruch]
werfen und sagen können: Es sind doch gleich- wol die Opfer des alten Testaments im Vorbil- de so oft wiederholet worden, warum soll denn das eintzige Opfer des Meßiä ohne Wiederho- lung so gültig seyn? So kömmt der Apostel diesem Einwurf also zuvor, daß er den grossen Unter- scheid anzeiget, der sich im Gegenbilde vor dem Vorbilde befindet.
2. Daß das Wort Gesetz alhier vom Ce- remonial-Gesetze eigentlich zu verstehen sey, sie- het man aus dem dabey gesetzten Worte Schat- ten und aus dem folgenden Context, darinnen der Unvollkommenheit des Ceremonialischen Schattenwercks gedacht wird. Warum es aber ein Schattenwerck genennet werde, ist oben c. 8, 5. angezeiget: woselbst die zukünftige Gü- ter auch himmlische Güter genennet wer- den.
3. Von dem Schatten wird alhier unter- schieden das Wesen selbst. Da aber dieses im Griechischen mit dem Worte eikon, welches ein Ebenbild, oder Bildniß, bedeutet, ausgedru- cket wird, und hier diese Bedeutung nicht wohl statt haben kan, sintemal alhier diesem Worte, oder der damit bezeichneten Sache, das Bilder- werck des Levitischen Gottesdienstes entgegen gesetzet wird: so fräget sich, wie dieses Wort al- hier anzusehen sey? Nun kan man zwar sagen, der Schatte sey alhier nichts anders, als der erste Grundriß, oder Entwurf, und sey die Re- dens-Art genommen von den Mahlern, die von einem Bilde, welches sie mit rechten Farben aus- arbeiten, und ihm damit gleichsam einiges Le- ben geben wollen, zuvor nur einigen Entwurf mit etlichen Linien und Zügen machen und ab- schattiren: Und dieses habe man am Levitischen Gottesdienste gehabt; hingegen aber das recht vollkommne Bild gebe uns die neue Oecono- mie. Dieweil doch aber auch ein wohlgetrof- fenes Bild nur ein blosses Bild bleibet, und ge- gen den rechten Cörper nichts anders ist, als ein Schatte, und wir in der neuen Oeconomie al- les im rechten Wesen haben: so ist es füglicher, wenn man das Wort eikon, von Christo selbst verstehet. Denn es ist von ihm selbst im gantzen Context die Rede, und er wird auch Col. 1, 16. ausdrücklich genennet eikon, das Ebenbild des unsichtbaren GOttes: auch oben Hebr. 1, 3. der Abglantz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens. Und zu dieser Be- deutung des Worts Ebenbild schicket sich das dazu gesetzte Wort pragma ton, gar wohl. Denn es zeiget die Wircklichkeit, die Realität und das rechtschaffene Wesen an, welches die neue Oeconomie in ihrer gantzen Verfassung, und in ihren Gütern von Christo hat.
4. Daß to teleiosai, das Vollkom- menmachen ein in diesem Briefe wohl zu mer- ckendes rechtes Hauptwort sey, ist schon erinnert c. 7, 11. 19. c. 9, 9. und stehet es im Gegensatze auf die Unvollkommenheit und Schwach- heit des Levitischen Priesterthums, und der gantzen alten Oeconomie, und zeiget hingegen an die Realität, Kraft, Frucht und Fülle der neuen Oeconomie, welche diese von Christo [Spaltenumbruch]
hat. Von dem es daher v. 14. heißt: mit ei- nem, nemlich einem eintzigen, Opfer, teteleio- ken, hat er vollendet in Ewigkeit die ge- heiliget werden.
5. [fremdsprachliches Material]i proserkhomenoi, die Hinzunahende sind alhier alle Jsraeliten, welche sich mit ihren Opfern zum Heiligthum und darinnen durch die Priester zum Altar naheten, und vorher c. 9, 9. auch c. 10, 2. oi latreuontes genennet werden. Beyde Wörter sehe man von der geistlichen Ap- plication c. 4, 16. c. 9, 14. c. 10, 22. c. 12, 28.
6. Jm übrigen ist der gantze Vers füglich also zu übersetzen: Denn das Gesetz, weil es nur den Schatten hat der zukünftigen Güter, nicht das Wesen der Sachen selbst, kan mit den jährlichen einerley Opfern, die man immerfort darbringet, die Hin- zutretende nimmermehr vollkommen ma- chen. Nach Lutheri version ist das prae- dicatumkan nicht vollkommen machen, von seinem subjecto,dem Gesetze, abgeris- sen, und aus einer Proposition sind zwo ge- macht.
V. 2. 3. 4.
Sonst hätte das opfern aufgehöret' wo die, so am Gottesdienst sind, (welche ihre Opfer durch den Dienst der Priester zum Altar bringen, und dadurch die Versöhnung su- chen,) kein Gewissen mehr hätten von den Sünden, (sonderlich von der Erbsünde; son- dern sich von der Versöhnung auch ohne ein voll- kommners Opfer versichert gehalten hätten,) wenn sie einmal gereiniget wären. (Sie werden demnach dadurch des bösen Gewissens, und darinnen der Anklage des Gesetzes nicht recht los:) sondern es geschiehet nur durch die- selben (Opfer) ein Gedächtniß der Sünden alle Jahr, (in sofern man nemlich eigentlich auf das jährliche hohe Versöhnungs-Fest siehet.) Denn es ist unmöglich durch Ochsen- und Bocks-Blut (an sich selbst, ohne auf ein besser Opfer im Gegenbilde zu sehen,) Sünde weg- nehmen, (also daß man des bösen Gewissens und der Anklage vom Gesetz los sey.)
Anmerckungen.
1. Noch ein Gewissen der Sünde, oder der Sünden halber haben, ist a hier so viel, als ein der Sünde, oder ihrer Vergebung wegen noch nicht völlig beruhigtes Gewissen, mit einer rechten Glaubens-Freudigkeit, haben, sondern dagegen noch immer in einiger Aengstlichkeit und Furcht sich befinden: und daher die Opfer-Hand- lung so oft wiederholen, oder wiederholen las- sen, nicht allein um dieser und jener Schwach- heits-Sünde wegen, sondern auch um seines gantzen Zustandes und darinnen um der Erbsün- de willen.
2. Und dieses war der Zustand der Gläubi- gen unter der alten Oeconomie: als darinn sie darum, im Gegensatz gegen die erwachsenen und volljährigen Kinder und Verwalter ihrer Güter, mit den unmündigen Kindern, welche noch un- ter den Vormündern stehen, und mit den Knech-
ten
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Cap. 10. v. 1-4. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch]
werfen und ſagen koͤnnen: Es ſind doch gleich- wol die Opfer des alten Teſtaments im Vorbil- de ſo oft wiederholet worden, warum ſoll denn das eintzige Opfer des Meßiaͤ ohne Wiederho- lung ſo guͤltig ſeyn? So koͤmmt der Apoſtel dieſem Einwurf alſo zuvor, daß er den groſſen Unter- ſcheid anzeiget, der ſich im Gegenbilde vor dem Vorbilde befindet.
2. Daß das Wort Geſetz alhier vom Ce- remonial-Geſetze eigentlich zu verſtehen ſey, ſie- het man aus dem dabey geſetzten Worte Schat- ten und aus dem folgenden Context, darinnen der Unvollkommenheit des Ceremonialiſchen Schattenwercks gedacht wird. Warum es aber ein Schattenwerck genennet werde, iſt oben c. 8, 5. angezeiget: woſelbſt die zukuͤnftige Guͤ- ter auch himmliſche Guͤter genennet wer- den.
3. Von dem Schatten wird alhier unter- ſchieden das Weſen ſelbſt. Da aber dieſes im Griechiſchen mit dem Worte ἐικὼν, welches ein Ebenbild, oder Bildniß, bedeutet, ausgedru- cket wird, und hier dieſe Bedeutung nicht wohl ſtatt haben kan, ſintemal alhier dieſem Worte, oder der damit bezeichneten Sache, das Bilder- werck des Levitiſchen Gottesdienſtes entgegen geſetzet wird: ſo fraͤget ſich, wie dieſes Wort al- hier anzuſehen ſey? Nun kan man zwar ſagen, der Schatte ſey alhier nichts anders, als der erſte Grundriß, oder Entwurf, und ſey die Re- dens-Art genommen von den Mahlern, die von einem Bilde, welches ſie mit rechten Farben aus- arbeiten, und ihm damit gleichſam einiges Le- ben geben wollen, zuvor nur einigen Entwurf mit etlichen Linien und Zuͤgen machen und ab- ſchattiren: Und dieſes habe man am Levitiſchen Gottesdienſte gehabt; hingegen aber das recht vollkommne Bild gebe uns die neue Oecono- mie. Dieweil doch aber auch ein wohlgetrof- fenes Bild nur ein bloſſes Bild bleibet, und ge- gen den rechten Coͤrper nichts anders iſt, als ein Schatte, und wir in der neuen Oeconomie al- les im rechten Weſen haben: ſo iſt es fuͤglicher, wenn man das Wort ἐικὼν, von Chriſto ſelbſt verſtehet. Denn es iſt von ihm ſelbſt im gantzen Context die Rede, und er wird auch Col. 1, 16. ausdruͤcklich genennet ἐικὼν, das Ebenbild des unſichtbaren GOttes: auch oben Hebr. 1, 3. der Abglantz ſeiner Herrlichkeit und das Ebenbild ſeines Weſens. Und zu dieſer Be- deutung des Worts Ebenbild ſchicket ſich das dazu geſetzte Wort πραγμά των, gar wohl. Denn es zeiget die Wircklichkeit, die Realitaͤt und das rechtſchaffene Weſen an, welches die neue Oeconomie in ihrer gantzen Verfaſſung, und in ihren Guͤtern von Chriſto hat.
4. Daß τὸ τελειῶσαι, das Vollkom- menmachen ein in dieſem Briefe wohl zu mer- ckendes rechtes Hauptwort ſey, iſt ſchon erinnert c. 7, 11. 19. c. 9, 9. und ſtehet es im Gegenſatze auf die Unvollkommenheit und Schwach- heit des Levitiſchen Prieſterthums, und der gantzen alten Oeconomie, und zeiget hingegen an die Realitaͤt, Kraft, Frucht und Fuͤlle der neuen Oeconomie, welche dieſe von Chriſto [Spaltenumbruch]
hat. Von dem es daher v. 14. heißt: mit ei- nem, nemlich einem eintzigen, Opfer, τετελείω- κεν, hat er vollendet in Ewigkeit die ge- heiliget werden.
5. [fremdsprachliches Material]ι προσερχόμενοι, die Hinzunahende ſind alhier alle Jſraeliten, welche ſich mit ihren Opfern zum Heiligthum und darinnen durch die Prieſter zum Altar naheten, und vorher c. 9, 9. auch c. 10, 2. ὁι λατρέύοντες genennet werden. Beyde Woͤrter ſehe man von der geiſtlichen Ap- plication c. 4, 16. c. 9, 14. c. 10, 22. c. 12, 28.
6. Jm uͤbrigen iſt der gantze Vers fuͤglich alſo zu uͤberſetzen: Denn das Geſetz, weil es nur den Schatten hat der zukuͤnftigen Guͤter, nicht das Weſen der Sachen ſelbſt, kan mit den jaͤhrlichen einerley Opfern, die man immerfort darbringet, die Hin- zutretende nimmermehr vollkommen ma- chen. Nach Lutheri verſion iſt das præ- dicatumkan nicht vollkommen machen, von ſeinem ſubjecto,dem Geſetze, abgeriſ- ſen, und aus einer Propoſition ſind zwo ge- macht.
V. 2. 3. 4.
Sonſt haͤtte das opfern aufgehoͤret’ wo die, ſo am Gottesdienſt ſind, (welche ihre Opfer durch den Dienſt der Prieſter zum Altar bringen, und dadurch die Verſoͤhnung ſu- chen,) kein Gewiſſen mehr haͤtten von den Suͤnden, (ſonderlich von der Erbſuͤnde; ſon- dern ſich von der Verſoͤhnung auch ohne ein voll- kommners Opfer verſichert gehalten haͤtten,) wenn ſie einmal gereiniget waͤren. (Sie werden demnach dadurch des boͤſen Gewiſſens, und darinnen der Anklage des Geſetzes nicht recht los:) ſondern es geſchiehet nur durch die- ſelben (Opfer) ein Gedaͤchtniß der Suͤnden alle Jahr, (in ſofern man nemlich eigentlich auf das jaͤhrliche hohe Verſoͤhnungs-Feſt ſiehet.) Denn es iſt unmoͤglich durch Ochſen- und Bocks-Blut (an ſich ſelbſt, ohne auf ein beſſer Opfer im Gegenbilde zu ſehen,) Suͤnde weg- nehmen, (alſo daß man des boͤſen Gewiſſens und der Anklage vom Geſetz los ſey.)
Anmerckungen.
1. Noch ein Gewiſſen der Suͤnde, oder der Suͤnden halber haben, iſt a hier ſo viel, als ein der Suͤnde, oder ihrer Vergebung wegen noch nicht voͤllig beruhigtes Gewiſſen, mit einer rechten Glaubens-Freudigkeit, haben, ſondern dagegen noch immer in einiger Aengſtlichkeit und Furcht ſich befinden: und daher die Opfer-Hand- lung ſo oft wiederholen, oder wiederholen laſ- ſen, nicht allein um dieſer und jener Schwach- heits-Suͤnde wegen, ſondern auch um ſeines gantzen Zuſtandes und darinnen um der Erbſuͤn- de willen.
2. Und dieſes war der Zuſtand der Glaͤubi- gen unter der alten Oeconomie: als darinn ſie darum, im Gegenſatz gegen die erwachſenen und volljaͤhrigen Kinder und Verwalter ihrer Guͤter, mit den unmuͤndigen Kindern, welche noch un- ter den Vormuͤndern ſtehen, und mit den Knech-
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[361/0363]
Cap. 10. v. 1-4. an die Hebraͤer.
werfen und ſagen koͤnnen: Es ſind doch gleich-
wol die Opfer des alten Teſtaments im Vorbil-
de ſo oft wiederholet worden, warum ſoll denn
das eintzige Opfer des Meßiaͤ ohne Wiederho-
lung ſo guͤltig ſeyn? So koͤmmt der Apoſtel dieſem
Einwurf alſo zuvor, daß er den groſſen Unter-
ſcheid anzeiget, der ſich im Gegenbilde vor dem
Vorbilde befindet.
2. Daß das Wort Geſetz alhier vom Ce-
remonial-Geſetze eigentlich zu verſtehen ſey, ſie-
het man aus dem dabey geſetzten Worte Schat-
ten und aus dem folgenden Context, darinnen
der Unvollkommenheit des Ceremonialiſchen
Schattenwercks gedacht wird. Warum es aber
ein Schattenwerck genennet werde, iſt oben
c. 8, 5. angezeiget: woſelbſt die zukuͤnftige Guͤ-
ter auch himmliſche Guͤter genennet wer-
den.
3. Von dem Schatten wird alhier unter-
ſchieden das Weſen ſelbſt. Da aber dieſes im
Griechiſchen mit dem Worte ἐικὼν, welches ein
Ebenbild, oder Bildniß, bedeutet, ausgedru-
cket wird, und hier dieſe Bedeutung nicht wohl
ſtatt haben kan, ſintemal alhier dieſem Worte,
oder der damit bezeichneten Sache, das Bilder-
werck des Levitiſchen Gottesdienſtes entgegen
geſetzet wird: ſo fraͤget ſich, wie dieſes Wort al-
hier anzuſehen ſey? Nun kan man zwar ſagen,
der Schatte ſey alhier nichts anders, als der
erſte Grundriß, oder Entwurf, und ſey die Re-
dens-Art genommen von den Mahlern, die von
einem Bilde, welches ſie mit rechten Farben aus-
arbeiten, und ihm damit gleichſam einiges Le-
ben geben wollen, zuvor nur einigen Entwurf
mit etlichen Linien und Zuͤgen machen und ab-
ſchattiren: Und dieſes habe man am Levitiſchen
Gottesdienſte gehabt; hingegen aber das recht
vollkommne Bild gebe uns die neue Oecono-
mie. Dieweil doch aber auch ein wohlgetrof-
fenes Bild nur ein bloſſes Bild bleibet, und ge-
gen den rechten Coͤrper nichts anders iſt, als ein
Schatte, und wir in der neuen Oeconomie al-
les im rechten Weſen haben: ſo iſt es fuͤglicher,
wenn man das Wort ἐικὼν, von Chriſto ſelbſt
verſtehet. Denn es iſt von ihm ſelbſt im gantzen
Context die Rede, und er wird auch Col. 1, 16.
ausdruͤcklich genennet ἐικὼν, das Ebenbild des
unſichtbaren GOttes: auch oben Hebr. 1, 3.
der Abglantz ſeiner Herrlichkeit und das
Ebenbild ſeines Weſens. Und zu dieſer Be-
deutung des Worts Ebenbild ſchicket ſich das
dazu geſetzte Wort πραγμά των, gar wohl. Denn
es zeiget die Wircklichkeit, die Realitaͤt und
das rechtſchaffene Weſen an, welches die neue
Oeconomie in ihrer gantzen Verfaſſung, und in
ihren Guͤtern von Chriſto hat.
4. Daß τὸ τελειῶσαι, das Vollkom-
menmachen ein in dieſem Briefe wohl zu mer-
ckendes rechtes Hauptwort ſey, iſt ſchon erinnert
c. 7, 11. 19. c. 9, 9. und ſtehet es im Gegenſatze
auf die Unvollkommenheit und Schwach-
heit des Levitiſchen Prieſterthums, und der
gantzen alten Oeconomie, und zeiget hingegen
an die Realitaͤt, Kraft, Frucht und Fuͤlle der
neuen Oeconomie, welche dieſe von Chriſto
hat. Von dem es daher v. 14. heißt: mit ei-
nem, nemlich einem eintzigen, Opfer, τετελείω-
κεν, hat er vollendet in Ewigkeit die ge-
heiliget werden.
5. _ ι προσερχόμενοι, die Hinzunahende
ſind alhier alle Jſraeliten, welche ſich mit ihren
Opfern zum Heiligthum und darinnen durch die
Prieſter zum Altar naheten, und vorher c. 9, 9.
auch c. 10, 2. ὁι λατρέύοντες genennet werden.
Beyde Woͤrter ſehe man von der geiſtlichen Ap-
plication c. 4, 16. c. 9, 14. c. 10, 22. c. 12, 28.
6. Jm uͤbrigen iſt der gantze Vers fuͤglich
alſo zu uͤberſetzen: Denn das Geſetz, weil es
nur den Schatten hat der zukuͤnftigen
Guͤter, nicht das Weſen der Sachen ſelbſt,
kan mit den jaͤhrlichen einerley Opfern,
die man immerfort darbringet, die Hin-
zutretende nimmermehr vollkommen ma-
chen. Nach Lutheri verſion iſt das præ-
dicatum kan nicht vollkommen machen,
von ſeinem ſubjecto, dem Geſetze, abgeriſ-
ſen, und aus einer Propoſition ſind zwo ge-
macht.
V. 2. 3. 4.
Sonſt haͤtte das opfern aufgehoͤret’
wo die, ſo am Gottesdienſt ſind, (welche
ihre Opfer durch den Dienſt der Prieſter zum
Altar bringen, und dadurch die Verſoͤhnung ſu-
chen,) kein Gewiſſen mehr haͤtten von den
Suͤnden, (ſonderlich von der Erbſuͤnde; ſon-
dern ſich von der Verſoͤhnung auch ohne ein voll-
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wenn ſie einmal gereiniget waͤren. (Sie
werden demnach dadurch des boͤſen Gewiſſens,
und darinnen der Anklage des Geſetzes nicht recht
los:) ſondern es geſchiehet nur durch die-
ſelben (Opfer) ein Gedaͤchtniß der Suͤnden
alle Jahr, (in ſofern man nemlich eigentlich
auf das jaͤhrliche hohe Verſoͤhnungs-Feſt ſiehet.)
Denn es iſt unmoͤglich durch Ochſen- und
Bocks-Blut (an ſich ſelbſt, ohne auf ein beſſer
Opfer im Gegenbilde zu ſehen,) Suͤnde weg-
nehmen, (alſo daß man des boͤſen Gewiſſens und
der Anklage vom Geſetz los ſey.)
Anmerckungen.
1. Noch ein Gewiſſen der Suͤnde, oder
der Suͤnden halber haben, iſt a hier ſo viel, als
ein der Suͤnde, oder ihrer Vergebung wegen
noch nicht voͤllig beruhigtes Gewiſſen, mit einer
rechten Glaubens-Freudigkeit, haben, ſondern
dagegen noch immer in einiger Aengſtlichkeit und
Furcht ſich befinden: und daher die Opfer-Hand-
lung ſo oft wiederholen, oder wiederholen laſ-
ſen, nicht allein um dieſer und jener Schwach-
heits-Suͤnde wegen, ſondern auch um ſeines
gantzen Zuſtandes und darinnen um der Erbſuͤn-
de willen.
2. Und dieſes war der Zuſtand der Glaͤubi-
gen unter der alten Oeconomie: als darinn ſie
darum, im Gegenſatz gegen die erwachſenen und
volljaͤhrigen Kinder und Verwalter ihrer Guͤter,
mit den unmuͤndigen Kindern, welche noch un-
ter den Vormuͤndern ſtehen, und mit den Knech-
ten
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/363>, abgerufen am 16.02.2025.
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