Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Erklärung des Briefes Pauli Cap. 6. v. 4-8. [Spaltenumbruch]
dieses nicht geschehen könte, warum solte dennPaulus davon also schreiben, und damit die Gläubigen vor der Gefahr des Rückfalls warnen? 3. Zur Ermahnung und Warnung. a. Daß man suchen solle im Christenthum zu ei- nem solchen Stande zu gelangen, daß man wahrhaftig erleuchtet sey, und schme- cken möge die himmlischen Gaben und die Kräfte der zukünftigen Welt, auch theil- haftig sey des Heiligen Geistes, als dessen Tempel und Wohnung. b. Daß man in solchem Gnaden-Stande suche zur rechten Bevestigung zu gelangen, und darinnen bis an sein Ende ohne allen Rückfall verharre, und sich daher vor aller offenbaren Macht und vor allem Betruge der Sünden hüte. c. Daß man ja die in unserm Texte also beschrie- bene Salbung des Heiligen Geistes, die nicht weniger auf den Willen, als auf den Verstand gehet, nicht also verstehe und er- kläre, als wenn sie ohne Heiligung des Wil- lens den Verstand zur Erleuchtung brin- gen könne. d. Daß man den alhier von Paulo beschriebe- nen Rückfall nicht mit einer sonst gemeinen Versündigung wider das Gewissen, da- durch man der Gnade GOttes verlustig wird, confundire; und also kein Gewissen, dem die Gnaden-Thüre zur Wiederkehr offen ste- het, mit Mißbrauche dieses Orts schrecke und ängstige; sich auch selbst nicht: und sich also zwar eines theils vor aller muthwilligen Sün- de sorgfältig hüte; aber wenn sie doch wirck- lich schon begangen ist, darum nicht verzwei- fele, sondern sich zu der wiederrufenden Gna- de wende. 4. Zum Trost. a. Daß GOtt getreu sey, einen durch seine Macht ohne allen Rückfall gnädiglich zu be- wahren, und man also in der Ordnung der Wachsamkeit über sich selbst und der Treue aus dem bereits geschenckten Vorschmacke der Seligkeit, der Vollendung gewiß seyn könne. b. Daß man die natürliche Bitterkeit des zeitli- chen Todes, ja alles das, was einem in der Welt zuwider ist, mit dem süssen Geschmack des Evangelischen Worts GOttes, und der Kräfte der zukünftigen Welt vertreiben, oder doch lindern, und sich alles erträglich machen könne. V. 7. 8. Denn die Erde, die den Regen trin- Anmerckungen. 1. Was Paulus von dem gefährlichen und un- 2. Da sowol das Reich der Natur, als der 3. Gedachte Gleichnisse werden aber in der 4. Daß das Erdreich nach dem Sünden- tur
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 6. v. 4-8. [Spaltenumbruch]
dieſes nicht geſchehen koͤnte, warum ſolte dennPaulus davon alſo ſchreiben, und damit die Glaͤubigen vor der Gefahr des Ruͤckfalls warnen? 3. Zur Ermahnung und Warnung. a. Daß man ſuchen ſolle im Chriſtenthum zu ei- nem ſolchen Stande zu gelangen, daß man wahrhaftig erleuchtet ſey, und ſchme- cken moͤge die himmliſchen Gaben und die Kraͤfte der zukuͤnftigen Welt, auch theil- haftig ſey des Heiligen Geiſtes, als deſſen Tempel und Wohnung. b. Daß man in ſolchem Gnaden-Stande ſuche zur rechten Beveſtigung zu gelangen, und darinnen bis an ſein Ende ohne allen Ruͤckfall verharre, und ſich daher vor aller offenbaren Macht und vor allem Betruge der Suͤnden huͤte. c. Daß man ja die in unſerm Texte alſo beſchrie- bene Salbung des Heiligen Geiſtes, die nicht weniger auf den Willen, als auf den Verſtand gehet, nicht alſo verſtehe und er- klaͤre, als wenn ſie ohne Heiligung des Wil- lens den Verſtand zur Erleuchtung brin- gen koͤnne. d. Daß man den alhier von Paulo beſchriebe- nen Ruͤckfall nicht mit einer ſonſt gemeinen Verſuͤndigung wider das Gewiſſen, da- durch man der Gnade GOttes verluſtig wird, confundire; und alſo kein Gewiſſen, dem die Gnaden-Thuͤre zur Wiederkehr offen ſte- het, mit Mißbrauche dieſes Orts ſchrecke und aͤngſtige; ſich auch ſelbſt nicht: und ſich alſo zwar eines theils vor aller muthwilligen Suͤn- de ſorgfaͤltig huͤte; aber wenn ſie doch wirck- lich ſchon begangen iſt, darum nicht verzwei- fele, ſondern ſich zu der wiederrufenden Gna- de wende. 4. Zum Troſt. a. Daß GOtt getreu ſey, einen durch ſeine Macht ohne allen Ruͤckfall gnaͤdiglich zu be- wahren, und man alſo in der Ordnung der Wachſamkeit uͤber ſich ſelbſt und der Treue aus dem bereits geſchenckten Vorſchmacke der Seligkeit, der Vollendung gewiß ſeyn koͤnne. b. Daß man die natuͤrliche Bitterkeit des zeitli- chen Todes, ja alles das, was einem in der Welt zuwider iſt, mit dem ſuͤſſen Geſchmack des Evangeliſchen Worts GOttes, und der Kraͤfte der zukuͤnftigen Welt vertreiben, oder doch lindern, und ſich alles ertraͤglich machen koͤnne. V. 7. 8. Denn die Erde, die den Regen trin- Anmerckungen. 1. Was Paulus von dem gefaͤhrlichen und un- 2. Da ſowol das Reich der Natur, als der 3. Gedachte Gleichniſſe werden aber in der 4. Daß das Erdreich nach dem Suͤnden- tur
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Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 6. v. 4-8.
dieſes nicht geſchehen koͤnte, warum ſolte denn
Paulus davon alſo ſchreiben, und damit die
Glaͤubigen vor der Gefahr des Ruͤckfalls
warnen?
3. Zur Ermahnung und Warnung.
a. Daß man ſuchen ſolle im Chriſtenthum zu ei-
nem ſolchen Stande zu gelangen, daß man
wahrhaftig erleuchtet ſey, und ſchme-
cken moͤge die himmliſchen Gaben und die
Kraͤfte der zukuͤnftigen Welt, auch theil-
haftig ſey des Heiligen Geiſtes, als deſſen
Tempel und Wohnung.
b. Daß man in ſolchem Gnaden-Stande ſuche
zur rechten Beveſtigung zu gelangen, und
darinnen bis an ſein Ende ohne allen Ruͤckfall
verharre, und ſich daher vor aller offenbaren
Macht und vor allem Betruge der Suͤnden
huͤte.
c. Daß man ja die in unſerm Texte alſo beſchrie-
bene Salbung des Heiligen Geiſtes, die
nicht weniger auf den Willen, als auf den
Verſtand gehet, nicht alſo verſtehe und er-
klaͤre, als wenn ſie ohne Heiligung des Wil-
lens den Verſtand zur Erleuchtung brin-
gen koͤnne.
d. Daß man den alhier von Paulo beſchriebe-
nen Ruͤckfall nicht mit einer ſonſt gemeinen
Verſuͤndigung wider das Gewiſſen, da-
durch man der Gnade GOttes verluſtig wird,
confundire; und alſo kein Gewiſſen, dem
die Gnaden-Thuͤre zur Wiederkehr offen ſte-
het, mit Mißbrauche dieſes Orts ſchrecke und
aͤngſtige; ſich auch ſelbſt nicht: und ſich alſo
zwar eines theils vor aller muthwilligen Suͤn-
de ſorgfaͤltig huͤte; aber wenn ſie doch wirck-
lich ſchon begangen iſt, darum nicht verzwei-
fele, ſondern ſich zu der wiederrufenden Gna-
de wende.
4. Zum Troſt.
a. Daß GOtt getreu ſey, einen durch ſeine
Macht ohne allen Ruͤckfall gnaͤdiglich zu be-
wahren, und man alſo in der Ordnung der
Wachſamkeit uͤber ſich ſelbſt und der Treue
aus dem bereits geſchenckten Vorſchmacke der
Seligkeit, der Vollendung gewiß ſeyn
koͤnne.
b. Daß man die natuͤrliche Bitterkeit des zeitli-
chen Todes, ja alles das, was einem in der
Welt zuwider iſt, mit dem ſuͤſſen Geſchmack
des Evangeliſchen Worts GOttes, und der
Kraͤfte der zukuͤnftigen Welt vertreiben, oder
doch lindern, und ſich alles ertraͤglich machen
koͤnne.
V. 7. 8.
Denn die Erde, die den Regen trin-
cket, der oft uͤber ſie koͤmmt, und beqve-
me (reiche und erwuͤnſchte) Frucht traͤget
denen, die ſie bauen, (Gr. um derer willen
ſie gebauet wird, das iſt, ihren Herren oder Be-
ſitzern,) empfaͤhet Segen von GOtt, (mit
dem Regen und durch denſelben, alſo daß ſie
den Segen hernach in reichen Fruͤchten zeiget.)
V. 8. welche aber Dornen und Diſtein traͤ-
get, die iſt untuͤchtig, (welche Untuͤchtigkeit
durch den Suͤnden-Fall zum Fluche uͤber ſie ge-
kommen iſt, nach 1 B. Moſ. 3, 17. 18.) und dem
Fluche (der Verwerfung, nach welcher man
ſie ungebauet liegen laͤſſet,) nahe, welche man
zuletzt verbrennet, (in Anſehung ihres Un-
krauts, oder ſoviel dieſes betrifft.)
Anmerckungen.
1. Was Paulus von dem gefaͤhrlichen und un-
ſeligen Zuſtande der Abfallenden geſaget hatte,
das erlaͤutert er mit dieſen aus dem Reiche der
Natur hergenommen Worten; und zwar alſo,
daß er das Gleichniß auch mit auf das Gegen-
theil, das iſt, auf die, welche im guten verharren,
und daher deſto mehr geſegnet werden, fuͤhret.
2. Da ſowol das Reich der Natur, als der
Gnade, GOttes iſt, und GOtt ein GOtt iſt der
Ordnung, in deſſen Regierung und Wercken
ſich eine groſſe Ubereinſtimmung befindet; ſo
koͤmmt es daher, daß geiſtliche Dinge in ſehr
vielen Stuͤcken mit den leiblichen, oder bloß na-
tuͤrlichen, gar fuͤglich koͤnnen verglichen werden.
Welche Vergleichung dem Gemuͤthe zum deut-
lichen Begriff einen groſſen Eindruck giebet.
Dannenhero ſolche Gleichniß-Reden in der hei-
ligen Schrift gar ofte vorkommen, und von un-
ſerm theureſten Heylande ſelbſt ſind gebrauchet
worden; und die vom Acker ſonderlich Matth. 13.
3. Gedachte Gleichniſſe werden aber in der
heiligen Schrift auf unterſchiedliche Art gebrau-
chet: theils alſo, daß die protaſis und apodoſis,
oder das Gleichniß und die application bey
einander ſtehet: theils alſo, daß das Gleichniß
nur allein geſetzet, und die gar leicht zu machen-
de application dem Leſer uͤberlaſſen wird: theils
alſo, daß die protaſis und apodoſis in einan-
der gezogen werden, und etliche Worte auf die
protaſin, etliche auf die apodoſin gehen:
theils auch alſo, daß zwar die protaſis, oder
die zum Gleichniß genommene Sache allein ſte-
het, aber wegen ausgelaſſener application ſol-
che Worte und Redens-Arten mit in ſich haͤlt,
welche eigentlich auf die application, oder auf
den geiſtlichen Verſtand gehen. Und ein ſolcher
Ort iſt der gegenwaͤrtige: als darinnen die Wor-
te: den Segen von GOtt empfangen, dem
Fluche nahe ſeyn, und zuletzt verbrannt,
oder ins Feuer geworfen werden, ſich mehr
auf die geiſtliche Sache ſchicken, als auf die Er-
de, darunter ſie vorgeſtellet werden.
4. Daß das Erdreich nach dem Suͤnden-
Falle unter den Fluch gerathen, und vermoͤge deſ-
ſelben Diſteln und Dornen traͤget, und eine ſehr
muͤhſame Bearbeitung erfordert, iſt eine gerechte
Strafe der Suͤnden, und auch eine Wohlthat.
Eine Strafe, daran wir ein beſtaͤndiges An-
dencken des Suͤnden-Falls nehmen, und erken-
nen ſollen, wie ſehr unſere Natur im geiſtlichen
verderbet ſey. Eine Wohlthat, und zwar
nicht allein darinn, daß ſie uns zur rechten cul-
tur
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