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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli. Cap. 5. v. 1. 2.
[Spaltenumbruch] genwärtigen, nicht so wol deswegen, weil es zu
der Zeit mit dem Tempel noch stunde; als für-
nemlich deswegen, weil er darauf siehet, wie es
nach der in der heiligen Schrift von GOTT ge-
machten Verordnung damit ist gehalten worden,
und wie die Schrift noch damals davon zeu-
gete.

5. Zwischen GOtt und den Menschen ist,
in Ansehung ihrer Natur und des Sünden-Falls,
auf Seiten der Menschen ein solcher grosser Un-
terscheid, und ein so grosser Gegen-Stand, daß
es zwischen ihnen unmöglich zur Vereinigung
und Gemeinschaft kommen konte, ohne einen
Mittler, der die Menschen mit GOtt, ihrer Sün-
de halber, dadurch sie von GOtt geschieden wa-
ren, versöhnete. Da nun der Sohn GOttes in
angenommener menschlichen Natur dieses allein
thun konte und wolte; so war es ihm nicht genug,
solches gewiß zu verheissen, sondern es wurde auch
noch dazu dem Jüdischen Volck durch das Levi-
tische Priesterthum täglich zum Vorbilde gleich-
sam vor Augen gemahlet: damit der durch die
Verheissungen angezündete Glaube so viel mehr
hätte, woran er sich halten könte.

6. Aus Menschen für Menschen gegen
GOtt,
heißt es von dem Levitischen Hohen-Prie-
ster. Welches wir mit dem höchsten Nachdruck
an Christo finden. Denn, damit er konte aus
Menschen
genommen werden so nahm er die
menschliche Natur selbst an sich c. 2, 14. und da-
mit er für Menschen oder an ihrer statt, möchte
angesehen werden, sa nahm er alle ihre Sünde
über sich: und, um solche abzutragen, wurde er
selbst die höchste Gabe und das höchste Opfer.

7. Da der Sünde wegen Opfer gefordert
und gebracht worden, sich auch der Sohn GOt-
tes selbst zum Opfer dahin gegeben hat; so ist
es leichtlich zu erachten, was die Sünde vor GOtt
für ein grosses Ubel seyn müsse, und daß man die-
selbe nicht gering zu achten, und hingegen die Gna-
de der Versöhnung und der daher entstehenden
Vergebung hoch zu halten habe. Denn es war
mit der blossen Abbitte nichts gut gemachet, son-
dern es wurde auch eine Genugthuung erfor-
dert.

V. 2

Der da könte mit leiden über die da
unwissend sind und irren, nachdem er auch
selbst umgeben ist mit Schwachheit.

Anmerckungen.

1. GOtt handelt mit Menschen nicht durch
Engel, fondern durch Menschen; als welches sich
für sie nach seiner Weisheit am besten schicket.
Und damit auch bey dem Sohne GOttes, als dem
rechten Mittler, diese Proportion, oder Gleich-
heit, mit dem menschlichen Geschlecht sich finden
möchte, so hat er eine wahre menschliche Natur
an sich genommen.

2. Die Sünder, welcher Sache der Ho-
he Priester zur Versöhnung bey GOtt auszu-
machen hatte, werden genannt Unwissende und
Jrrende; da denn mit jenem Worte gesehen
wird auf den Verstand des Menschen, mit die-
[Spaltenumbruch] sem auf den Willen. Denn es funde sich bey
beyden natürlicher weise eine grosse Schwachheit,
daß leichtlich etwas aus dem Mangel genugsamer
Einsicht und Erkenntniß, oder auch genugsamer
Kraft und Stärcke des Willens wieder die Levi-
tischen Satzungen konte begangen werden. Wel-
ches denn, wenn es dem Gewissen kund war oder
wurde, durch ein Opfer muste abgethan wer-
den.

3. Was die Unwissenheit betrift, so fin-
det sich diese zwar in so fern bey den Sünden, daß
der Mensch sie entweder bey der Blindheit seines
Verstandes begehet, oder daß er durch die wider
das bessere Wissen und Gewissen geschehene Be-
gehung seinen Verstand verblendet, und sich der
rechten Lichts-Kraft selbst beraubet: wie denn
dahero den Sündern eine Thorheit und Blind-
heit zugeschrieben wird, ja sie die Finsterniß selbst
genennet werden Eph. 5, 8. es kan doch aber eine
gewisse Art der Unwissenheit sich bey dem Men-
schen finden, welche bey ihm nicht mehr herrschet,
sondern bey dem Stande der Gnade und der Er-
leuchtung bestehen kan; und nichts desto weniger
keine Kleinigkeit, sondern eine solche Sünde ist,
zu deren Abthuung der Mensch des Versöhn-
Opfers Christi nöthig hat.

4. Es ist zwar im alten Testamente durch
die Opfer die Versöhnung aller, und also auch der
muthwilligen, Sünde vorgebildet worden; auch
sind gewisse Opfer auf den gantzen Stand der
Sünden gegangen, nemlich die täglichen, wel-
che für das gantze Volck des Morgens und des
Abends sind gebracht worden; als darauf ein ie-
der bußfertiger Sünder sich in gläubiger Zurech-
nung hat beziehen können: eigentlich aber waren
doch die Opfer nur auf solche Fälle gerichtet, da
einer entweder aus Unwissenheit, oder aus
Schwachheit, sich versündigte, oder auch auf eine
im Levitischen Gesetze angezeigte äusserliche Art
sich verunreinigte. Denn wären sie überhaupt
auf alle vorsetzliche Sünden und Verbrechen wi-
der das Moral-Gesetze und wider die Gebote der
ersten und andern Tafel gegangen, daß einer der-
selben Vergebung hätte haben können durch die
Opfer, so würde vieler Sünden, sonderlich der
Entheiligung des Sabbats, des Todschlages,
des Ehebruchs u. s. w. kein Ende gewesen seyn.
Von solchen Sünden, wie auch von muthwilli-
ger Entheiligung der Levitischen Satzungen, galt
vielmehr, was Paulus Hebr. 2, 2. spricht: Eine
iegliche Ubertretung und Ungehorsam hat
empfangen ihren gerechten Lohn.
und c.
10, 28. Wenn iemand das Gesetz Mosis
bricht, der muß sterben ohne Barmher-
tzigkeit durch zween, oder drey Zeugen.
Und
davon heißt es unter andern 4 B. Mos. 15, 30. 31.
Wenn eine Seele aus Frevel etwas thut,
es sey ein Einheimischer, oder Fremdlinger,
der hat den HErrn geschmähet. Solche
Seele soll ausgerottet werden aus ihrem
Volcke. Denn sie hat des HErrn Gebot
verachtet, und sein Wort lassen fahren.
Sie soll schlecht ausgerottet werden, die
Schuld sey ihre.
Siehe auch 5 B. Mos. 17, 6.

19.

Erklaͤrung des Briefes Pauli. Cap. 5. v. 1. 2.
[Spaltenumbruch] genwaͤrtigen, nicht ſo wol deswegen, weil es zu
der Zeit mit dem Tempel noch ſtunde; als fuͤr-
nemlich deswegen, weil er darauf ſiehet, wie es
nach der in der heiligen Schrift von GOTT ge-
machten Verordnung damit iſt gehalten worden,
und wie die Schrift noch damals davon zeu-
gete.

5. Zwiſchen GOtt und den Menſchen iſt,
in Anſehung ihrer Natur und des Suͤnden-Falls,
auf Seiten der Menſchen ein ſolcher groſſer Un-
terſcheid, und ein ſo groſſer Gegen-Stand, daß
es zwiſchen ihnen unmoͤglich zur Vereinigung
und Gemeinſchaft kommen konte, ohne einen
Mittler, der die Menſchen mit GOtt, ihrer Suͤn-
de halber, dadurch ſie von GOtt geſchieden wa-
ren, verſoͤhnete. Da nun der Sohn GOttes in
angenommener menſchlichen Natur dieſes allein
thun konte und wolte; ſo war es ihm nicht genug,
ſolches gewiß zu verheiſſen, ſondern es wurde auch
noch dazu dem Juͤdiſchen Volck durch das Levi-
tiſche Prieſterthum taͤglich zum Vorbilde gleich-
ſam vor Augen gemahlet: damit der durch die
Verheiſſungen angezuͤndete Glaube ſo viel mehr
haͤtte, woran er ſich halten koͤnte.

6. Aus Menſchen fuͤr Menſchen gegen
GOtt,
heißt es von dem Levitiſchen Hohen-Prie-
ſter. Welches wir mit dem hoͤchſten Nachdruck
an Chriſto finden. Denn, damit er konte aus
Menſchen
genommen werden ſo nahm er die
menſchliche Natur ſelbſt an ſich c. 2, 14. und da-
mit er fuͤr Menſchen oder an ihrer ſtatt, moͤchte
angeſehen werden, ſa nahm er alle ihre Suͤnde
uͤber ſich: und, um ſolche abzutragen, wurde er
ſelbſt die hoͤchſte Gabe und das hoͤchſte Opfer.

7. Da der Suͤnde wegen Opfer gefordert
und gebracht worden, ſich auch der Sohn GOt-
tes ſelbſt zum Opfer dahin gegeben hat; ſo iſt
es leichtlich zu erachten, was die Suͤnde vor GOtt
fuͤr ein groſſes Ubel ſeyn muͤſſe, und daß man die-
ſelbe nicht gering zu achten, und hingegen die Gna-
de der Verſoͤhnung und der daher entſtehenden
Vergebung hoch zu halten habe. Denn es war
mit der bloſſen Abbitte nichts gut gemachet, ſon-
dern es wurde auch eine Genugthuung erfor-
dert.

V. 2

Der da koͤnte mit leiden uͤber die da
unwiſſend ſind und irren, nachdem er auch
ſelbſt umgeben iſt mit Schwachheit.

Anmerckungen.

1. GOtt handelt mit Menſchen nicht durch
Engel, fondern durch Menſchen; als welches ſich
fuͤr ſie nach ſeiner Weisheit am beſten ſchicket.
Und damit auch bey dem Sohne GOttes, als dem
rechten Mittler, dieſe Proportion, oder Gleich-
heit, mit dem menſchlichen Geſchlecht ſich finden
moͤchte, ſo hat er eine wahre menſchliche Natur
an ſich genommen.

2. Die Suͤnder, welcher Sache der Ho-
he Prieſter zur Verſoͤhnung bey GOtt auszu-
machen hatte, werden genannt Unwiſſende und
Jrrende; da denn mit jenem Worte geſehen
wird auf den Verſtand des Menſchen, mit die-
[Spaltenumbruch] ſem auf den Willen. Denn es funde ſich bey
beyden natuͤrlicher weiſe eine groſſe Schwachheit,
daß leichtlich etwas aus dem Mangel genugſamer
Einſicht und Erkenntniß, oder auch genugſamer
Kraft und Staͤrcke des Willens wieder die Levi-
tiſchen Satzungen konte begangen werden. Wel-
ches denn, wenn es dem Gewiſſen kund war oder
wurde, durch ein Opfer muſte abgethan wer-
den.

3. Was die Unwiſſenheit betrift, ſo fin-
det ſich dieſe zwar in ſo fern bey den Suͤnden, daß
der Menſch ſie entweder bey der Blindheit ſeines
Verſtandes begehet, oder daß er durch die wider
das beſſere Wiſſen und Gewiſſen geſchehene Be-
gehung ſeinen Verſtand verblendet, und ſich der
rechten Lichts-Kraft ſelbſt beraubet: wie denn
dahero den Suͤndern eine Thorheit und Blind-
heit zugeſchrieben wird, ja ſie die Finſterniß ſelbſt
genennet werden Eph. 5, 8. es kan doch aber eine
gewiſſe Art der Unwiſſenheit ſich bey dem Men-
ſchen finden, welche bey ihm nicht mehr herrſchet,
ſondern bey dem Stande der Gnade und der Er-
leuchtung beſtehen kan; und nichts deſto weniger
keine Kleinigkeit, ſondern eine ſolche Suͤnde iſt,
zu deren Abthuung der Menſch des Verſoͤhn-
Opfers Chriſti noͤthig hat.

4. Es iſt zwar im alten Teſtamente durch
die Opfer die Verſoͤhnung aller, und alſo auch der
muthwilligen, Suͤnde vorgebildet worden; auch
ſind gewiſſe Opfer auf den gantzen Stand der
Suͤnden gegangen, nemlich die taͤglichen, wel-
che fuͤr das gantze Volck des Morgens und des
Abends ſind gebracht worden; als darauf ein ie-
der bußfertiger Suͤnder ſich in glaͤubiger Zurech-
nung hat beziehen koͤnnen: eigentlich aber waren
doch die Opfer nur auf ſolche Faͤlle gerichtet, da
einer entweder aus Unwiſſenheit, oder aus
Schwachheit, ſich verſuͤndigte, oder auch auf eine
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ſich verunreinigte. Denn waͤren ſie uͤberhaupt
auf alle vorſetzliche Suͤnden und Verbrechen wi-
der das Moral-Geſetze und wider die Gebote der
erſten und andern Tafel gegangen, daß einer der-
ſelben Vergebung haͤtte haben koͤnnen durch die
Opfer, ſo wuͤrde vieler Suͤnden, ſonderlich der
Entheiligung des Sabbats, des Todſchlages,
des Ehebruchs u. ſ. w. kein Ende geweſen ſeyn.
Von ſolchen Suͤnden, wie auch von muthwilli-
ger Entheiligung der Levitiſchen Satzungen, galt
vielmehr, was Paulus Hebr. 2, 2. ſpricht: Eine
iegliche Ubertretung und Ungehorſam hat
empfangen ihren gerechten Lohn.
und c.
10, 28. Wenn iemand das Geſetz Moſis
bricht, der muß ſterben ohne Barmher-
tzigkeit durch zween, oder drey Zeugen.
Und
davon heißt es unter andern 4 B. Moſ. 15, 30. 31.
Wenn eine Seele aus Frevel etwas thut,
es ſey ein Einheimiſcher, oder Fremdlinger,
der hat den HErrn geſchmaͤhet. Solche
Seele ſoll ausgerottet werden aus ihrem
Volcke. Denn ſie hat des HErrn Gebot
verachtet, und ſein Wort laſſen fahren.
Sie ſoll ſchlecht ausgerottet werden, die
Schuld ſey ihre.
Siehe auch 5 B. Moſ. 17, 6.

19.
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[296/0298] Erklaͤrung des Briefes Pauli. Cap. 5. v. 1. 2. genwaͤrtigen, nicht ſo wol deswegen, weil es zu der Zeit mit dem Tempel noch ſtunde; als fuͤr- nemlich deswegen, weil er darauf ſiehet, wie es nach der in der heiligen Schrift von GOTT ge- machten Verordnung damit iſt gehalten worden, und wie die Schrift noch damals davon zeu- gete. 5. Zwiſchen GOtt und den Menſchen iſt, in Anſehung ihrer Natur und des Suͤnden-Falls, auf Seiten der Menſchen ein ſolcher groſſer Un- terſcheid, und ein ſo groſſer Gegen-Stand, daß es zwiſchen ihnen unmoͤglich zur Vereinigung und Gemeinſchaft kommen konte, ohne einen Mittler, der die Menſchen mit GOtt, ihrer Suͤn- de halber, dadurch ſie von GOtt geſchieden wa- ren, verſoͤhnete. Da nun der Sohn GOttes in angenommener menſchlichen Natur dieſes allein thun konte und wolte; ſo war es ihm nicht genug, ſolches gewiß zu verheiſſen, ſondern es wurde auch noch dazu dem Juͤdiſchen Volck durch das Levi- tiſche Prieſterthum taͤglich zum Vorbilde gleich- ſam vor Augen gemahlet: damit der durch die Verheiſſungen angezuͤndete Glaube ſo viel mehr haͤtte, woran er ſich halten koͤnte. 6. Aus Menſchen fuͤr Menſchen gegen GOtt, heißt es von dem Levitiſchen Hohen-Prie- ſter. Welches wir mit dem hoͤchſten Nachdruck an Chriſto finden. Denn, damit er konte aus Menſchen genommen werden ſo nahm er die menſchliche Natur ſelbſt an ſich c. 2, 14. und da- mit er fuͤr Menſchen oder an ihrer ſtatt, moͤchte angeſehen werden, ſa nahm er alle ihre Suͤnde uͤber ſich: und, um ſolche abzutragen, wurde er ſelbſt die hoͤchſte Gabe und das hoͤchſte Opfer. 7. Da der Suͤnde wegen Opfer gefordert und gebracht worden, ſich auch der Sohn GOt- tes ſelbſt zum Opfer dahin gegeben hat; ſo iſt es leichtlich zu erachten, was die Suͤnde vor GOtt fuͤr ein groſſes Ubel ſeyn muͤſſe, und daß man die- ſelbe nicht gering zu achten, und hingegen die Gna- de der Verſoͤhnung und der daher entſtehenden Vergebung hoch zu halten habe. Denn es war mit der bloſſen Abbitte nichts gut gemachet, ſon- dern es wurde auch eine Genugthuung erfor- dert. V. 2 Der da koͤnte mit leiden uͤber die da unwiſſend ſind und irren, nachdem er auch ſelbſt umgeben iſt mit Schwachheit. Anmerckungen. 1. GOtt handelt mit Menſchen nicht durch Engel, fondern durch Menſchen; als welches ſich fuͤr ſie nach ſeiner Weisheit am beſten ſchicket. Und damit auch bey dem Sohne GOttes, als dem rechten Mittler, dieſe Proportion, oder Gleich- heit, mit dem menſchlichen Geſchlecht ſich finden moͤchte, ſo hat er eine wahre menſchliche Natur an ſich genommen. 2. Die Suͤnder, welcher Sache der Ho- he Prieſter zur Verſoͤhnung bey GOtt auszu- machen hatte, werden genannt Unwiſſende und Jrrende; da denn mit jenem Worte geſehen wird auf den Verſtand des Menſchen, mit die- ſem auf den Willen. Denn es funde ſich bey beyden natuͤrlicher weiſe eine groſſe Schwachheit, daß leichtlich etwas aus dem Mangel genugſamer Einſicht und Erkenntniß, oder auch genugſamer Kraft und Staͤrcke des Willens wieder die Levi- tiſchen Satzungen konte begangen werden. Wel- ches denn, wenn es dem Gewiſſen kund war oder wurde, durch ein Opfer muſte abgethan wer- den. 3. Was die Unwiſſenheit betrift, ſo fin- det ſich dieſe zwar in ſo fern bey den Suͤnden, daß der Menſch ſie entweder bey der Blindheit ſeines Verſtandes begehet, oder daß er durch die wider das beſſere Wiſſen und Gewiſſen geſchehene Be- gehung ſeinen Verſtand verblendet, und ſich der rechten Lichts-Kraft ſelbſt beraubet: wie denn dahero den Suͤndern eine Thorheit und Blind- heit zugeſchrieben wird, ja ſie die Finſterniß ſelbſt genennet werden Eph. 5, 8. es kan doch aber eine gewiſſe Art der Unwiſſenheit ſich bey dem Men- ſchen finden, welche bey ihm nicht mehr herrſchet, ſondern bey dem Stande der Gnade und der Er- leuchtung beſtehen kan; und nichts deſto weniger keine Kleinigkeit, ſondern eine ſolche Suͤnde iſt, zu deren Abthuung der Menſch des Verſoͤhn- Opfers Chriſti noͤthig hat. 4. Es iſt zwar im alten Teſtamente durch die Opfer die Verſoͤhnung aller, und alſo auch der muthwilligen, Suͤnde vorgebildet worden; auch ſind gewiſſe Opfer auf den gantzen Stand der Suͤnden gegangen, nemlich die taͤglichen, wel- che fuͤr das gantze Volck des Morgens und des Abends ſind gebracht worden; als darauf ein ie- der bußfertiger Suͤnder ſich in glaͤubiger Zurech- nung hat beziehen koͤnnen: eigentlich aber waren doch die Opfer nur auf ſolche Faͤlle gerichtet, da einer entweder aus Unwiſſenheit, oder aus Schwachheit, ſich verſuͤndigte, oder auch auf eine im Levitiſchen Geſetze angezeigte aͤuſſerliche Art ſich verunreinigte. Denn waͤren ſie uͤberhaupt auf alle vorſetzliche Suͤnden und Verbrechen wi- der das Moral-Geſetze und wider die Gebote der erſten und andern Tafel gegangen, daß einer der- ſelben Vergebung haͤtte haben koͤnnen durch die Opfer, ſo wuͤrde vieler Suͤnden, ſonderlich der Entheiligung des Sabbats, des Todſchlages, des Ehebruchs u. ſ. w. kein Ende geweſen ſeyn. Von ſolchen Suͤnden, wie auch von muthwilli- ger Entheiligung der Levitiſchen Satzungen, galt vielmehr, was Paulus Hebr. 2, 2. ſpricht: Eine iegliche Ubertretung und Ungehorſam hat empfangen ihren gerechten Lohn. und c. 10, 28. Wenn iemand das Geſetz Moſis bricht, der muß ſterben ohne Barmher- tzigkeit durch zween, oder drey Zeugen. Und davon heißt es unter andern 4 B. Moſ. 15, 30. 31. Wenn eine Seele aus Frevel etwas thut, es ſey ein Einheimiſcher, oder Fremdlinger, der hat den HErrn geſchmaͤhet. Solche Seele ſoll ausgerottet werden aus ihrem Volcke. Denn ſie hat des HErrn Gebot verachtet, und ſein Wort laſſen fahren. Sie ſoll ſchlecht ausgerottet werden, die Schuld ſey ihre. Siehe auch 5 B. Moſ. 17, 6. 19.

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/298>, abgerufen am 27.11.2024.