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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli Cap. 4. v. 15-16.
[Spaltenumbruch] sonst nicht würden verdienstlich für uns gewefen
seyn. Siehe auch Jes. 53, 9. 2 Cor. 5, 21. Phil.
2, 7. Hebr. 7, 26. 1 Pet. 1, 22. 1 Joh. 3, 5.)

Anmerckungen.

1. Die Verbindung dieses Verses mit
den vorhergehenden ist diese: Der Apostel hatte
die Hebräer zur Beständigkeit in der Bekenntniß
Christi und der Christlichen Religion ermahnet,
zu dieser Ermahnung führet er einen neuen bewe-
genden Grund an, welchen er hernimmt von
dem herrlichen Trost, welchen man in allerley
Schwachheit Leibes und der Seele von ihm und
bey ihm habe.

2. Zwar kan unser Heyland vermöge seiner
Allwissenheit wohl wissen, wie einem, der in man-
cherley Noth stecket, zu Muthe sey: nachdem er
aber noch dazu eine eigene Erfahrung hat an sich
selbst; so kan eine gläubige Seele in ihrer
Schwachheit ihre Zuflucht zur Hülfe, oder zum
Beystande, soviel getroster zu ihm nehmen. Jn
welcher Vorstellung der Apostel ein sonderliches
Gewicht zum Trost gesehen hat, daher er sie al-
hier wiederholet; nachdem er schon vorher c. 2,
17. 18. gesaget hat: Darinnen er selbst gelit-
ten hat, und versuchet ist, kan er helfen
denen, die versuchet werden.

3. Vermöge dieser Gemeinschaft des
Haupts mit seinen Gliedern heißt es Matth. 25,
35. 36. Jch bin (in meinen Gliedern) hungrig
gewesen, und ihr habet mich gespeiset:
ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich
geträncket: ich bin ein Gast gewesen, und
ihr habt mich beherberget: ich bin nackt
gewesen, und ihr habt mich bekleidet: ich
bin kranck gewesen, und ihr habt mich be-
suchet: ich bin gefangen gewesen, und ihr
seyd zu mir gekommen,
u. s. w.

V. 16.

Darum lasset uns hinzu treten mit
Freudigkeit zu dem Gnaden-Stuhl
(des
neuen Testaments, zu GOTT der in Christo
versöhnet ist, und zu Christo selbst, der uns
zum Gnaden-Thron in seinem Blute vorgestel-
let ist, Röm. 3, 24. 25.) auf daß wir Barm-
hertzigkeit empfahen und Gnade finden
auf die Zeit, da uns Hülfe noth seyn wird,

(eis eukairon boetheian, zur rechtzeitigen Hül-
fe, zur Hülfe in der rechten Zeit.)

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apostel gesaget, was wir
an Christo haben, so führet er nun darauf, wie
wir uns seiner recht zu Nutzen machen sollen.
Denn was hilfts, etwas haben, und es nicht recht
gebrauchen?

2. Die Redens-Art; Lasset uns hinzu
treten zu dem Gnaden-Stuhl,
ist herge-
nommen von dem Levitischen Priesterthum oder
Gottesdienste: da der Gnaden-Thron GOttes
war im innersten, oder allerheiligsten Theile der
Stifts-Hütte, und des Tempels, nemlich über
der Bundes-Lade zwischen den Cherubim, da
GOtt in der Wolcken-Säule seine Herrlichkeit
[Spaltenumbruch] gegenwärtig offenbarete zur Figur des Sitzes sei-
ner Herrlichkeit im Himmel. Zu diesem Gna-
den-Thron durfte sich bey Strafe des Todes nie-
mand nahen, als nur der Hohe-Priester; und
zwar des Jahres nur an einem eintzigen Tage,
nemlich am hohen Versöhnungs-Feste, welches
auf den 10 Tag des Monden Tisri fiel; auch nicht
mit vieler Freudigkeit, sondern mit vieler Furcht,
seiner menschlichen Schwachheit wegen, nemlich
in der Beysorge, daß er in seinen heiligen Hand-
lungen, da er nebst dem Rauchwerck auch das
Opfer-Blut für seine und des gantzen Volckes
Sünde vor GOtt bringen, und sprengen muste,
etwas versehen und darüber des Todes seyn
möchte. Siehe 3 B. Mos. 16.

3. Dieser Eingang war ein Vorbild von
Christo und seinem Opfer am Creutze und von
seinem Eingange in den Himmel der Herrlichkeit,
da er, nachdem er am Creutze verschieden, mit sei-
nem am Creutze gebrachten Opfer für der gantzen
Welt Sünde ist zu dem Thron der Herrlichkeit
eingegangen, und hat uns dadurch den Zugang zu
GOtt geöffnet. Wie denn zum Zeugniß dessen,
zu der Zeit, da er in das Paradies GOttes (wo-
hin er auch den gläubigen Schächer verwiese)
einging, der vor dem innersten Theil des Tempels
hangende starcke Vorhang von sich selbst zerrissen
und dadurch angezeiget worden, wie daß nunmehr
durch Christi Hingang zum Vater (welcher schon
sofort nach dem Tode geschehen und hernach
durch die Himmelfahrt nach Leib und Seele voll-
endet worden) uns allen der Zugang zu GOtt
offen und frey stehe.

4. Gleichwie nun Christus, das hochge-
lobte Haupt, alle seine gläubige Glieder zu geistli-
chen Priestern machet: so hat er ihnen allen auch
den Zugang zu GOtt erworben, daß, ob sie gleich
künftig erst nach Leib und Seel ihre rechte Him-
melfahrt halten, sie doch schon in der Zeit der
Gnaden himmlisch gesinnet werden, und sich im
Geiste zu GOtt nahen, um aus der Fülle Christi
Gnade um Gnade zu empfangen. Von wel-
chem Zugange es Röm. 5, 2. heißt: Durch Chri-
stum haben wir einen Zugang im Glauben
zu dieser Gnade, darinnen wir stehen.
Jm-
gleichen Eph. 2, 18. Durch Christum haben
wir den Zugang alle beyde
(Juden und Hey-
den) in einem Geiste zum Vater. Und Cap. 3,
12. Durch Christum haben wir Freudigkeit
und Zugang in aller Zuversicht durch den
Glauben an ihn.
Welchen Zugang den Gläu-
bigen anzupreisen mit zu dem Haupt-Zweck des
Briefes an die Hebräer gehöret. Daher es da-
von unten c. 10, 19-22. heißt: So wir denn
nun haben, lieben Brüder, die Freudigkeit
zum Eingange in das heilige - - - und ha-
ben einen Hohen-Priester über das Haus
GOttes, so lasset uns hinzugehen mit
wahrhaftigem Hertzen
u. s. w.

5. Zwey Stücke sind alhier sonderlich, durch
welche die Gläubige sich sollen erwecken lassen zum
gläubigen und fleißigen Zunahen zu GOtt.
Erstlich dieses, daß sie ohne knechtische Furcht

mit

Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 4. v. 15-16.
[Spaltenumbruch] ſonſt nicht wuͤrden verdienſtlich fuͤr uns gewefen
ſeyn. Siehe auch Jeſ. 53, 9. 2 Cor. 5, 21. Phil.
2, 7. Hebr. 7, 26. 1 Pet. 1, 22. 1 Joh. 3, 5.)

Anmerckungen.

1. Die Verbindung dieſes Verſes mit
den vorhergehenden iſt dieſe: Der Apoſtel hatte
die Hebraͤer zur Beſtaͤndigkeit in der Bekenntniß
Chriſti und der Chriſtlichen Religion ermahnet,
zu dieſer Ermahnung fuͤhret er einen neuen bewe-
genden Grund an, welchen er hernimmt von
dem herrlichen Troſt, welchen man in allerley
Schwachheit Leibes und der Seele von ihm und
bey ihm habe.

2. Zwar kan unſer Heyland vermoͤge ſeiner
Allwiſſenheit wohl wiſſen, wie einem, der in man-
cherley Noth ſtecket, zu Muthe ſey: nachdem er
aber noch dazu eine eigene Erfahrung hat an ſich
ſelbſt; ſo kan eine glaͤubige Seele in ihrer
Schwachheit ihre Zuflucht zur Huͤlfe, oder zum
Beyſtande, ſoviel getroſter zu ihm nehmen. Jn
welcher Vorſtellung der Apoſtel ein ſonderliches
Gewicht zum Troſt geſehen hat, daher er ſie al-
hier wiederholet; nachdem er ſchon vorher c. 2,
17. 18. geſaget hat: Darinnen er ſelbſt gelit-
ten hat, und verſuchet iſt, kan er helfen
denen, die verſuchet werden.

3. Vermoͤge dieſer Gemeinſchaft des
Haupts mit ſeinen Gliedern heißt es Matth. 25,
35. 36. Jch bin (in meinen Gliedern) hungrig
geweſen, und ihr habet mich geſpeiſet:
ich bin durſtig geweſen, und ihr habt mich
getraͤncket: ich bin ein Gaſt geweſen, und
ihr habt mich beherberget: ich bin nackt
geweſen, und ihr habt mich bekleidet: ich
bin kranck geweſen, und ihr habt mich be-
ſuchet: ich bin gefangen geweſen, und ihr
ſeyd zu mir gekommen,
u. ſ. w.

V. 16.

Darum laſſet uns hinzu treten mit
Freudigkeit zu dem Gnaden-Stuhl
(des
neuen Teſtaments, zu GOTT der in Chriſto
verſoͤhnet iſt, und zu Chriſto ſelbſt, der uns
zum Gnaden-Thron in ſeinem Blute vorgeſtel-
let iſt, Roͤm. 3, 24. 25.) auf daß wir Barm-
hertzigkeit empfahen und Gnade finden
auf die Zeit, da uns Huͤlfe noth ſeyn wird,

(εἰς ἔυκαιρον βοήϑειαν, zur rechtzeitigen Huͤl-
fe, zur Huͤlfe in der rechten Zeit.)

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apoſtel geſaget, was wir
an Chriſto haben, ſo fuͤhret er nun darauf, wie
wir uns ſeiner recht zu Nutzen machen ſollen.
Denn was hilfts, etwas haben, und es nicht recht
gebrauchen?

2. Die Redens-Art; Laſſet uns hinzu
treten zu dem Gnaden-Stuhl,
iſt herge-
nommen von dem Levitiſchen Prieſterthum oder
Gottesdienſte: da der Gnaden-Thron GOttes
war im innerſten, oder allerheiligſten Theile der
Stifts-Huͤtte, und des Tempels, nemlich uͤber
der Bundes-Lade zwiſchen den Cherubim, da
GOtt in der Wolcken-Saͤule ſeine Herrlichkeit
[Spaltenumbruch] gegenwaͤrtig offenbarete zur Figur des Sitzes ſei-
ner Herrlichkeit im Himmel. Zu dieſem Gna-
den-Thron durfte ſich bey Strafe des Todes nie-
mand nahen, als nur der Hohe-Prieſter; und
zwar des Jahres nur an einem eintzigen Tage,
nemlich am hohen Verſoͤhnungs-Feſte, welches
auf den 10 Tag des Monden Tisri fiel; auch nicht
mit vieler Freudigkeit, ſondern mit vieler Furcht,
ſeiner menſchlichen Schwachheit wegen, nemlich
in der Beyſorge, daß er in ſeinen heiligen Hand-
lungen, da er nebſt dem Rauchwerck auch das
Opfer-Blut fuͤr ſeine und des gantzen Volckes
Suͤnde vor GOtt bringen, und ſprengen muſte,
etwas verſehen und daruͤber des Todes ſeyn
moͤchte. Siehe 3 B. Moſ. 16.

3. Dieſer Eingang war ein Vorbild von
Chriſto und ſeinem Opfer am Creutze und von
ſeinem Eingange in den Himmel der Herrlichkeit,
da er, nachdem er am Creutze verſchieden, mit ſei-
nem am Creutze gebrachten Opfer fuͤr der gantzen
Welt Suͤnde iſt zu dem Thron der Herrlichkeit
eingegangen, und hat uns dadurch den Zugang zu
GOtt geoͤffnet. Wie denn zum Zeugniß deſſen,
zu der Zeit, da er in das Paradies GOttes (wo-
hin er auch den glaͤubigen Schaͤcher verwieſe)
einging, der vor dem innerſten Theil des Tempels
hangende ſtarcke Vorhang von ſich ſelbſt zerriſſen
und dadurch angezeiget worden, wie daß nunmehr
durch Chriſti Hingang zum Vater (welcher ſchon
ſofort nach dem Tode geſchehen und hernach
durch die Himmelfahrt nach Leib und Seele voll-
endet worden) uns allen der Zugang zu GOtt
offen und frey ſtehe.

4. Gleichwie nun Chriſtus, das hochge-
lobte Haupt, alle ſeine glaͤubige Glieder zu geiſtli-
chen Prieſtern machet: ſo hat er ihnen allen auch
den Zugang zu GOtt erworben, daß, ob ſie gleich
kuͤnftig erſt nach Leib und Seel ihre rechte Him-
melfahrt halten, ſie doch ſchon in der Zeit der
Gnaden himmliſch geſinnet werden, und ſich im
Geiſte zu GOtt nahen, um aus der Fuͤlle Chriſti
Gnade um Gnade zu empfangen. Von wel-
chem Zugange es Roͤm. 5, 2. heißt: Durch Chri-
ſtum haben wir einen Zugang im Glauben
zu dieſer Gnade, darinnen wir ſtehen.
Jm-
gleichen Eph. 2, 18. Durch Chriſtum haben
wir den Zugang alle beyde
(Juden und Hey-
den) in einem Geiſte zum Vater. Und Cap. 3,
12. Durch Chriſtum haben wir Freudigkeit
und Zugang in aller Zuverſicht durch den
Glauben an ihn.
Welchen Zugang den Glaͤu-
bigen anzupreiſen mit zu dem Haupt-Zweck des
Briefes an die Hebraͤer gehoͤret. Daher es da-
von unten c. 10, 19-22. heißt: So wir denn
nun haben, lieben Bruͤder, die Freudigkeit
zum Eingange in das heilige ‒ ‒ ‒ und ha-
ben einen Hohen-Prieſter uͤber das Haus
GOttes, ſo laſſet uns hinzugehen mit
wahrhaftigem Hertzen
u. ſ. w.

5. Zwey Stuͤcke ſind alhier ſonderlich, durch
welche die Glaͤubige ſich ſollen erwecken laſſen zum
glaͤubigen und fleißigen Zunahen zu GOtt.
Erſtlich dieſes, daß ſie ohne knechtiſche Furcht

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[294/0296] Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 4. v. 15-16. ſonſt nicht wuͤrden verdienſtlich fuͤr uns gewefen ſeyn. Siehe auch Jeſ. 53, 9. 2 Cor. 5, 21. Phil. 2, 7. Hebr. 7, 26. 1 Pet. 1, 22. 1 Joh. 3, 5.) Anmerckungen. 1. Die Verbindung dieſes Verſes mit den vorhergehenden iſt dieſe: Der Apoſtel hatte die Hebraͤer zur Beſtaͤndigkeit in der Bekenntniß Chriſti und der Chriſtlichen Religion ermahnet, zu dieſer Ermahnung fuͤhret er einen neuen bewe- genden Grund an, welchen er hernimmt von dem herrlichen Troſt, welchen man in allerley Schwachheit Leibes und der Seele von ihm und bey ihm habe. 2. Zwar kan unſer Heyland vermoͤge ſeiner Allwiſſenheit wohl wiſſen, wie einem, der in man- cherley Noth ſtecket, zu Muthe ſey: nachdem er aber noch dazu eine eigene Erfahrung hat an ſich ſelbſt; ſo kan eine glaͤubige Seele in ihrer Schwachheit ihre Zuflucht zur Huͤlfe, oder zum Beyſtande, ſoviel getroſter zu ihm nehmen. Jn welcher Vorſtellung der Apoſtel ein ſonderliches Gewicht zum Troſt geſehen hat, daher er ſie al- hier wiederholet; nachdem er ſchon vorher c. 2, 17. 18. geſaget hat: Darinnen er ſelbſt gelit- ten hat, und verſuchet iſt, kan er helfen denen, die verſuchet werden. 3. Vermoͤge dieſer Gemeinſchaft des Haupts mit ſeinen Gliedern heißt es Matth. 25, 35. 36. Jch bin (in meinen Gliedern) hungrig geweſen, und ihr habet mich geſpeiſet: ich bin durſtig geweſen, und ihr habt mich getraͤncket: ich bin ein Gaſt geweſen, und ihr habt mich beherberget: ich bin nackt geweſen, und ihr habt mich bekleidet: ich bin kranck geweſen, und ihr habt mich be- ſuchet: ich bin gefangen geweſen, und ihr ſeyd zu mir gekommen, u. ſ. w. V. 16. Darum laſſet uns hinzu treten mit Freudigkeit zu dem Gnaden-Stuhl (des neuen Teſtaments, zu GOTT der in Chriſto verſoͤhnet iſt, und zu Chriſto ſelbſt, der uns zum Gnaden-Thron in ſeinem Blute vorgeſtel- let iſt, Roͤm. 3, 24. 25.) auf daß wir Barm- hertzigkeit empfahen und Gnade finden auf die Zeit, da uns Huͤlfe noth ſeyn wird, (εἰς ἔυκαιρον βοήϑειαν, zur rechtzeitigen Huͤl- fe, zur Huͤlfe in der rechten Zeit.) Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel geſaget, was wir an Chriſto haben, ſo fuͤhret er nun darauf, wie wir uns ſeiner recht zu Nutzen machen ſollen. Denn was hilfts, etwas haben, und es nicht recht gebrauchen? 2. Die Redens-Art; Laſſet uns hinzu treten zu dem Gnaden-Stuhl, iſt herge- nommen von dem Levitiſchen Prieſterthum oder Gottesdienſte: da der Gnaden-Thron GOttes war im innerſten, oder allerheiligſten Theile der Stifts-Huͤtte, und des Tempels, nemlich uͤber der Bundes-Lade zwiſchen den Cherubim, da GOtt in der Wolcken-Saͤule ſeine Herrlichkeit gegenwaͤrtig offenbarete zur Figur des Sitzes ſei- ner Herrlichkeit im Himmel. Zu dieſem Gna- den-Thron durfte ſich bey Strafe des Todes nie- mand nahen, als nur der Hohe-Prieſter; und zwar des Jahres nur an einem eintzigen Tage, nemlich am hohen Verſoͤhnungs-Feſte, welches auf den 10 Tag des Monden Tisri fiel; auch nicht mit vieler Freudigkeit, ſondern mit vieler Furcht, ſeiner menſchlichen Schwachheit wegen, nemlich in der Beyſorge, daß er in ſeinen heiligen Hand- lungen, da er nebſt dem Rauchwerck auch das Opfer-Blut fuͤr ſeine und des gantzen Volckes Suͤnde vor GOtt bringen, und ſprengen muſte, etwas verſehen und daruͤber des Todes ſeyn moͤchte. Siehe 3 B. Moſ. 16. 3. Dieſer Eingang war ein Vorbild von Chriſto und ſeinem Opfer am Creutze und von ſeinem Eingange in den Himmel der Herrlichkeit, da er, nachdem er am Creutze verſchieden, mit ſei- nem am Creutze gebrachten Opfer fuͤr der gantzen Welt Suͤnde iſt zu dem Thron der Herrlichkeit eingegangen, und hat uns dadurch den Zugang zu GOtt geoͤffnet. Wie denn zum Zeugniß deſſen, zu der Zeit, da er in das Paradies GOttes (wo- hin er auch den glaͤubigen Schaͤcher verwieſe) einging, der vor dem innerſten Theil des Tempels hangende ſtarcke Vorhang von ſich ſelbſt zerriſſen und dadurch angezeiget worden, wie daß nunmehr durch Chriſti Hingang zum Vater (welcher ſchon ſofort nach dem Tode geſchehen und hernach durch die Himmelfahrt nach Leib und Seele voll- endet worden) uns allen der Zugang zu GOtt offen und frey ſtehe. 4. Gleichwie nun Chriſtus, das hochge- lobte Haupt, alle ſeine glaͤubige Glieder zu geiſtli- chen Prieſtern machet: ſo hat er ihnen allen auch den Zugang zu GOtt erworben, daß, ob ſie gleich kuͤnftig erſt nach Leib und Seel ihre rechte Him- melfahrt halten, ſie doch ſchon in der Zeit der Gnaden himmliſch geſinnet werden, und ſich im Geiſte zu GOtt nahen, um aus der Fuͤlle Chriſti Gnade um Gnade zu empfangen. Von wel- chem Zugange es Roͤm. 5, 2. heißt: Durch Chri- ſtum haben wir einen Zugang im Glauben zu dieſer Gnade, darinnen wir ſtehen. Jm- gleichen Eph. 2, 18. Durch Chriſtum haben wir den Zugang alle beyde (Juden und Hey- den) in einem Geiſte zum Vater. Und Cap. 3, 12. Durch Chriſtum haben wir Freudigkeit und Zugang in aller Zuverſicht durch den Glauben an ihn. Welchen Zugang den Glaͤu- bigen anzupreiſen mit zu dem Haupt-Zweck des Briefes an die Hebraͤer gehoͤret. Daher es da- von unten c. 10, 19-22. heißt: So wir denn nun haben, lieben Bruͤder, die Freudigkeit zum Eingange in das heilige ‒ ‒ ‒ und ha- ben einen Hohen-Prieſter uͤber das Haus GOttes, ſo laſſet uns hinzugehen mit wahrhaftigem Hertzen u. ſ. w. 5. Zwey Stuͤcke ſind alhier ſonderlich, durch welche die Glaͤubige ſich ſollen erwecken laſſen zum glaͤubigen und fleißigen Zunahen zu GOtt. Erſtlich dieſes, daß ſie ohne knechtiſche Furcht mit

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/296>, abgerufen am 23.11.2024.