Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.C. 4. v. 6-8. an die Thessalonicher. [Spaltenumbruch]
sollen, das thut ihr ihnen; und also auch:alles, was ihr wollet, das euch die Leute nicht thun sollen, das thut ihr ihnen auch nicht; das ist das Gesetz und die Propheten, (so viel nemlich darinn die Vorschrift von der Liebe ge- gen den Nächsten betrift,) Matth. 7, 12. 4. Gleichwie es auf Seiten des Verkäu- 5. Der HERR ist Rächer über alle im 6. Man siehet, wie sorgfältig Paulus zu V. 6. 7. Denn GOtt hat uns nicht berufen zur Anmerckung. Der himmlische Gnaden-Beruf wird in V. 8. Wer nun (derohalben, da es mit unserer Anmerckungen. 1. Ob gleich der Apostel von der Thessalo- 2. Haben Christliche Lehrer gleich von Rechts sich D 2
C. 4. v. 6-8. an die Theſſalonicher. [Spaltenumbruch]
ſollen, das thut ihr ihnen; und alſo auch:alles, was ihr wollet, das euch die Leute nicht thun ſollen, das thut ihr ihnen auch nicht; das iſt das Geſetz und die Propheten, (ſo viel nemlich darinn die Vorſchrift von der Liebe ge- gen den Naͤchſten betrift,) Matth. 7, 12. 4. Gleichwie es auf Seiten des Verkaͤu- 5. Der HERR iſt Raͤcher uͤber alle im 6. Man ſiehet, wie ſorgfaͤltig Paulus zu V. 6. 7. Denn GOtt hat uns nicht berufen zur Anmerckung. Der himmliſche Gnaden-Beruf wird in V. 8. Wer nun (derohalben, da es mit unſerer Anmerckungen. 1. Ob gleich der Apoſtel von der Theſſalo- 2. Haben Chriſtliche Lehrer gleich von Rechts ſich D 2
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C. 4. v. 6-8. an die Theſſalonicher.
ſollen, das thut ihr ihnen; und alſo auch:
alles, was ihr wollet, das euch die Leute nicht
thun ſollen, das thut ihr ihnen auch nicht; das
iſt das Geſetz und die Propheten, (ſo viel
nemlich darinn die Vorſchrift von der Liebe ge-
gen den Naͤchſten betrift,) Matth. 7, 12.
4. Gleichwie es auf Seiten des Verkaͤu-
fers eine nicht geringe Suͤnde iſt, den Naͤchſten
worinnen uͤberſetzen, oder auch auf dieſe und
jene Art uͤbervortheilen, und ſich mit kahlen
Entſchuldigungen, wo nicht bey andern, doch
bey ſich ſelbſt behelfen, da man ſagt: giebt ers
doch: geben es doch andere: ich kan ſo viel be-
kommen; alſo iſt es auch gewiß eine nicht gerin-
gere Suͤnde, wenn mancher Kaͤufer dem Ver-
kaͤufer dis und das theils ohne allen ſeinen auch
rechtmaͤßigen, zur Fuͤhrung ſeines Handels und
ſeiner Haushaltung gehoͤrigen Vortheil, theils
auch wol gar mit ſeinem Schaden, mit dem ſo gar
genauen abdingen, faſt recht abdringet: zumal
da ein Verkaͤufer ſich in ſolchen Umſtaͤnden be-
ſindet, daß er des Geldes hoch benoͤthiget iſt,
und alſo das Seinige ſo hingeben muß mit Kum-
mer ſeines Hertzens, und hinter dem Kaͤufer her
ſeuſfzet. Und noch aͤrger iſts, wenn man her-
nach dieſes, daß man hie und da dis und das ſo
und ſo wohlfeil an ſich gebracht hat, zur Regul
machet, und es allezeit und bey iedermann dafuͤr
haben will; daher es denn kommt, daß man-
cher bey ſeiner Profeſſion mit aller ſeiner ſauren
Arbeit kaum das liebe Brodt erwirbet. Es wird
den Geitzhals gewiß nicht entſchuldigen, wenn er
ſaget: ich kan es dafuͤr haben. Es geſchiehet
auch nicht ſelten, daß ein Armer etwas, wel-
ches er ſelbſt ſehr noͤthig haͤtte, aus Noth ver-
ſtoſſen, und damit er nur bald zum Geld kom-
me, es weit unter ſeinem Werth ausbieten muß.
Was muß es nun nicht fuͤr eine ſchwere Suͤnde
ſeyn, dem Duͤrftigen noch dazu ein mehrers ab-
zudingen; da es des Wohlhabenden Pflicht iſt,
jenem lieber ein mehrers zu geben, als er fo-
dert; ja ihm lieber mit einiger Beyſteuer zu huͤlfe
zu kommen, und das Seinige zu ſeiner eigenen
Nothdurft wieder zuruͤck zu geben.
5. Der HERR iſt Raͤcher uͤber alle im
Handel begangene Ungerechtigkeit, und zwar
um ſoviel mehr, ſoviel weniger ſie vor menſchli-
chem Gerichte pfleget angebracht, unterſuchet
und beſtrafet zu werden. Es wird die gerechte
Rache ſich zwar mit beſonderm Nachdruck aller-
erſt am Juͤngſten Gericht aͤuſſern: allein es pfle-
gen doch auch wol allerhand Vorgerichte vorher
zu gehen; alſo daß ſich in manchen Stuͤcken der
Fluch GOttes im beſondern Unſegen, wo nicht
bey den erſten ungerechten Erwerbern, doch bey
den Nachkommen hervor thut.
6. Man ſiehet, wie ſorgfaͤltig Paulus zu
Theſſalonich nebſt den Evangeliſchen Glau-
bens-Geheimniſſen und Heyls-Schaͤtzen auch die
Lebens-Pflichten, wie uͤberhaupt, alſo auch
beſonderer Staͤnde eingeſchaͤrfet habe, zum
Exempel und Character eines rechtſchaffenen
Lehrers. Er hat demnach, wenn er des vor-
getragenen Evangelii gedencket, als c. 1, 5. c. 2,
4. 9. 13. das Geſetz gar nicht bey Seite geſetzet.
V. 6. 7.
Denn GOtt hat uns nicht berufen zur
Unreinigkeit (ἐν ἀκαϑαρσίᾳ pro ἐις ἀκαθαρ-
σίαν, die von GOtt geoffenbarete Religion fuͤh-
ret nicht auf die Freyheit, oder vielmehr, Frech-
heit zu ſuͤndigen; wie die Principia der Heydni-
ſchen Abgoͤtterey thun,) ſondern zur Heiligung
(wie uͤberhaupt, alſo inſonderheit zu derjenigen,
welche der Unreinigkeit der Suͤnden wider das
ſechſte und ſiebende Gebot entgegen ſtehet.)
Anmerckung.
Der himmliſche Gnaden-Beruf wird in
der heiligen Schrift nach dem termino ad
quem, nach der Sache, oder nach der Selig-
keit, wozu wir berufen werden, auf mancherley Art
benennt. Denn bald heißt es uͤberhaupt: wir
werden berufen zum Reiche GOttes, zum
Reiche der Gnade und der Herrlichkeit,
als zur geiſtlichen Vermaͤhlung und Hochzeit des
Lammes Matth. 22, 2. u. ſ. f. Offenb. 19, 7. bald
werden wir mit der Berufung auf die Ordnung
des Heyls gefuͤhret, z. E. Wenn es heißt zur
Buſſe, zur Heiligung berufen werden Matth.
9, 13. u. f. Ferner mit Benennung der Heyls-
Guͤter: berufen werden zur Gemeinſchaft
Chriſti 1 Cor. 1, 9. zur geiſtlichen Erqvi-
ckung. Matth. 11, 18. zum wunderbaren Lich-
te GOttes 1 Pet. 2, 9. zur Freyheit Gal. 5, 13.
Und da uns die Berufung auch zugleich auf unſere
Pflichten weiſet, ſo heißts berufen werden zur
Liebe und zum Frieden Eph. 4, 4. Col. 3, 15.
auch zur Nachfolge Chriſti, ſonderlich im
Leiden. 1 Pet. 2, 21. u. f.
V. 8.
Wer nun (derohalben, da es mit unſerer
Berufung und dem kuͤnftigen Gerichte GOttes
eine ſolche Beſchaffenheit hat, wer) verachtet
(ja verwirft, ἀϑετῶν, die bisher gegebnen Gebote
und Ermahnung) der verachtet (eigentlich
und fuͤrnemlich) nicht Menſchen (als von wel-
chen das Geſetz nicht herruͤhret) ſondern GOtt,
der ſeinen Heiligen Geiſt gegeben hat in uns
(und uns dadurch tuͤchtig gemachet, das Wort
der Verſoͤhnung und Ermahnung vorzutragen:
aus deſſen Eingebung und Regierung wir reden,
ſchreiben und handeln: daher es einer nicht ſo
wol mit uns, als mit GOTT ſelbſt zu thun
hat.
Anmerckungen.
1. Ob gleich der Apoſtel von der Theſſalo-
nicenſiſchen Gemeine uͤberhanpt das herrlichſte
Zeugniß in den erſten Capiteln abgeleget hat, ſo
war er doch nicht ohne alle Beyſorge, daß ſich ei-
nige entweder ſchon damals funden, oder noch
kuͤnftig von der Art finden wuͤrden, daß ſie dieſer
ernſtlichen Warnung noͤthig hatten. Und alſo
zeiget er disfals an ſich einen rechten Character
von der Oeconomiſchen Klugheit eines recht-
ſchaffenen Lehrers, der auf allen Seiten die gehoͤ-
rige Vorſorge fuͤr ſeine Gemeine traͤget.
2. Haben Chriſtliche Lehrer gleich von Rechts
wegen ein ſolches aͤuſſerliches Anſehen nicht, als
ſich
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