[Spaltenumbruch]
er den Tod schmecket, und der Gnade, daß er dazu gesandt, und daß uns solcher an unserer statt geschehene Abtrag solte zugerechnet werden.
11. Es lieget demnach in diesem Texte ein kräftiger Trost für Sterbende, wenn sie be- dencken, daß ihr leiblicher Tod nur ein Durch- gang und Eingang in das ewige Leben sey, und sie, ob sie gleich der Natur nach die Bitterkeit des leiblichen Todes bey diesen und jenen schweren Umständen der Kranckheit empfinden, dennoch den ewigen Tod nicht schmecken sollen. Dazu doch aber erfordert wird, daß sie sich durch den Glauben in Christo erfinden lassen.
12. Jm übrigen ist von dem Worte sehen, das in diesem Texte stehet, zu mercken, daß es so viel sey, als erkennen und glauben. Denn da der Glaube wie ein göttliches Leben also auch ein göttliches Licht in der Seele ist, so wird ihm gar oft das Sehen und Erfahren zugeeignet. Z. E. 1 Joh. 3, 1. Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vatet erzeiget, daß wir GOttes Kinder sollen heissen. Und v. 6. Wer da (muthwillig) sündiget, der hat ihn nicht ge- sehen, noch erkannt.
V. 10.
Denn es ziemete (war der Weisheit, Ge- rechtigkeit und Barmhertzigkeit GOttes gemäß) dem, um deßwillen (zu dessen Ehren) alle Dinge sind (nemlich erschaffen) und durch den alle Dinge sind (also daß er sie selbst erschaffen hat, und daher darunter auf der Menschen, als der vornehmsten Geschöpfe, ihr verlornes Heyl zu seinen Ehren bedacht war) der da viel Kinder (aus den Menschen alle diejenige, welche sich zur Ordnung der Kindschaft beingen lassen) zur Herr- lichkeit geführet (und zwar in Ansehung des versprochenen und anzunehmenden Löse-Gelds) daß er den Hertzog ihrer Seligkeit durch Leiden vollkommen machte (zuvorderst zur Herrlichkeit einführete, und also nach der Ernie- drigung mit Preiß und Ehren crönete.)
Anmerckungen.
1. Wir haben alhier drey Puncte zu mer- cken an sich selbst. a. Was GOtt der Vater an sich selbst gethan habe. b. Was er gethan an Christo, als dem Hertzoge der Seligkeit. c. Wie das, was er an ihm gethan, sich geziemet habe.
2. Von GOtt dem Vater wird dreyerley gesaget: erstlich daß um seinet willen alle Dinge sind; damit angezeiget wird, daß die Ehre GOttes in allen Dingen zum Zweck gesetzet sey, und GOtt alles, was er gethan, zur Kundma- chung und Verherrlichung seines Namens gethan habe: welches er denn mit Recht thun können, da er alle Herrlichkeit vollkommlich an sich hat, und wenn er es nicht thäte, gleichsam sich selbst verleugnete. Hingegen aber kan es von einem Menschen nicht geschehen, daß er alles zu seinen eignen Ehren richte, weil er solcher Ehre nicht werth ist, und unter GOtt stehet, zu dessen Ehren er alles zu richten hat.
3. Zum andern wird von dem Vater ge- saget, daß alles durch ihn, oder von ihm her- [Spaltenumbruch]
komme, und er also der Urheber aller Dinge sey [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] doch ohne Ausschliessung des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und da es hier vom Vater heißt, daß durch ihn alle Dinge sind, und das durch alhier soviel ist, als von, so haben wir diß Wörtlein in gleichem Verstande auch von GOtt dem Sohne anzunehmen, wenn von ihm Ps. 33, 6. Joh. 1, 3. Col. 1, 16. gesaget wird, daß alles durch ihn erschaffen sey.
4. Zum dritten stehet von dem Vater, daß er viele Kinder zur Herrlichkeit geführet habe. Welches wir billig von den uralten Zei- ten her, nemlich nach dem Sünden-Fall durch alle Periodos des alten Testaments bis auf die Zeiten Christi verstehen. Da denn die Kinder sind alle Gläubigen, welche, ob sie gleich im al- ten Testamente, in Vergleichung mit dem neuen, noch gleichsam als Unmündige, die unter den Vormündern und Pflegern stehen, angesehen wurden, Gal. 4, 1. u. f. dennoch auch wahr- haftige Kinder GOttes waren durch den Glau- ben an den Meßiam, den Sohn GOttes, ihren Erlöser. Und ob denn gleich, in Ansehung der Ungläubigen und Gottlosen, derselben wenig ge- wesen sind, so haben sie doch an sich selbst eine grosse Zahl ausgemachet, also daß es in der That viele gewesen sind. Diese hat GOtt der Vater, da sie sich durch die Wirckung des Heiligen Gei- stes zum Glauben an den Meßiam bringen lassen, zur Seligkeit eingeführet, und zwar als Kinder, und also als Erben, und folglich nicht aus ihrem eignen Verdienste, sondern aus lauterer Gnade GOttes.
5. Gleichwie nun dieses der Vater um Christi willen gethan: also setzet Paulus auch hinzu, was er an dem Sohne selbst erwiesen habe; da es denn heißt: er habe den Hertzog ihrer (der zur Herrlichkeit eingeführten Kinder) Seligkeit durch Leiden vollkommen ge- macht. Da wir denn zuvorderst den herrlichen Amts- und Ehren-Namen Christi, Hertzog der Seligkeit, zu betrachten haben. Arkhegos, ein Hertzog ist im eigentlichen Verstande ein Anfüh- rer, ein Vorgänger, ein Feld-HErr, welcher vor seinem gantzen Heere hergehet, oder herziehet, und es anführet. Wenn nun Christus ein sol- cher Hertzog und Heerführer genennet wird, so wird ihm damit zugeschrieben, was er nach seinem dreyfachen Mittler-Amte dem menschlichen Ge- schlechte, und, der besondern Application nach, darinn den gläubigen Kindern GOttes geleistet hat, nemlich, daß er sie als ein Hoher-Priester erlöset, und ihnen das geistliche und ewige Heyl erworben: daß er ihnen solches als der grosse Prophet durch sein Wort kund machet und an- preiset: daß er als ihr König in der gläubigen Annehmung sie damit wircklich beschencket, und aus dem Reiche der Gnaden in das Reich der Herrlichkeit einführet. Welches zusammen der Apostel c. 5, 9. gar nachdrücklich nennet eine Ur- sache geworden seyn zur ewigen Seligkeit, wenn er spricht: Nachdem er vollendet ist, ist er worden allen, die ihm gehorsam sind, eine Ursache zur ewigen Seligkeit. Und in
glei-
L l
C. 2. v. 9. 10. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch]
er den Tod ſchmecket, und der Gnade, daß er dazu geſandt, und daß uns ſolcher an unſerer ſtatt geſchehene Abtrag ſolte zugerechnet werden.
11. Es lieget demnach in dieſem Texte ein kraͤftiger Troſt fuͤr Sterbende, wenn ſie be- dencken, daß ihr leiblicher Tod nur ein Durch- gang und Eingang in das ewige Leben ſey, und ſie, ob ſie gleich der Natur nach die Bitterkeit des leiblichen Todes bey dieſen und jenen ſchweren Umſtaͤnden der Kranckheit empfinden, dennoch den ewigen Tod nicht ſchmecken ſollen. Dazu doch aber erfordert wird, daß ſie ſich durch den Glauben in Chriſto erfinden laſſen.
12. Jm uͤbrigen iſt von dem Worte ſehen, das in dieſem Texte ſtehet, zu mercken, daß es ſo viel ſey, als erkennen und glauben. Denn da der Glaube wie ein goͤttliches Leben alſo auch ein goͤttliches Licht in der Seele iſt, ſo wird ihm gar oft das Sehen und Erfahren zugeeignet. Z. E. 1 Joh. 3, 1. Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vatet erzeiget, daß wir GOttes Kinder ſollen heiſſen. Und v. 6. Wer da (muthwillig) ſuͤndiget, der hat ihn nicht ge- ſehen, noch erkannt.
V. 10.
Denn es ziemete (war der Weisheit, Ge- rechtigkeit und Barmhertzigkeit GOttes gemaͤß) dem, um deßwillen (zu deſſen Ehren) alle Dinge ſind (nemlich erſchaffen) und durch den alle Dinge ſind (alſo daß er ſie ſelbſt erſchaffen hat, und daher darunter auf der Menſchen, als der vornehmſten Geſchoͤpfe, ihr verlornes Heyl zu ſeinen Ehren bedacht war) der da viel Kinder (aus den Menſchen alle diejenige, welche ſich zur Ordnung der Kindſchaft beingen laſſen) zur Herr- lichkeit gefuͤhret (und zwar in Anſehung des verſprochenen und anzunehmenden Loͤſe-Gelds) daß er den Hertzog ihrer Seligkeit durch Leiden vollkommen machte (zuvorderſt zur Herrlichkeit einfuͤhrete, und alſo nach der Ernie- drigung mit Preiß und Ehren croͤnete.)
Anmerckungen.
1. Wir haben alhier drey Puncte zu mer- cken an ſich ſelbſt. a. Was GOtt der Vater an ſich ſelbſt gethan habe. b. Was er gethan an Chriſto, als dem Hertzoge der Seligkeit. c. Wie das, was er an ihm gethan, ſich geziemet habe.
2. Von GOtt dem Vater wird dreyerley geſaget: erſtlich daß um ſeinet willen alle Dinge ſind; damit angezeiget wird, daß die Ehre GOttes in allen Dingen zum Zweck geſetzet ſey, und GOtt alles, was er gethan, zur Kundma- chung und Verherrlichung ſeines Namens gethan habe: welches er denn mit Recht thun koͤnnen, da er alle Herrlichkeit vollkommlich an ſich hat, und wenn er es nicht thaͤte, gleichſam ſich ſelbſt verleugnete. Hingegen aber kan es von einem Menſchen nicht geſchehen, daß er alles zu ſeinen eignen Ehren richte, weil er ſolcher Ehre nicht werth iſt, und unter GOtt ſtehet, zu deſſen Ehren er alles zu richten hat.
3. Zum andern wird von dem Vater ge- ſaget, daß alles durch ihn, oder von ihm her- [Spaltenumbruch]
komme, und er alſo der Urheber aller Dinge ſey [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] doch ohne Ausſchlieſſung des Sohnes und des Heiligen Geiſtes. Und da es hier vom Vater heißt, daß durch ihn alle Dinge ſind, und das durch alhier ſoviel iſt, als von, ſo haben wir diß Woͤrtlein in gleichem Verſtande auch von GOtt dem Sohne anzunehmen, wenn von ihm Pſ. 33, 6. Joh. 1, 3. Col. 1, 16. geſaget wird, daß alles durch ihn erſchaffen ſey.
4. Zum dritten ſtehet von dem Vater, daß er viele Kinder zur Herrlichkeit gefuͤhret habe. Welches wir billig von den uralten Zei- ten her, nemlich nach dem Suͤnden-Fall durch alle Periodos des alten Teſtaments bis auf die Zeiten Chriſti verſtehen. Da denn die Kinder ſind alle Glaͤubigen, welche, ob ſie gleich im al- ten Teſtamente, in Vergleichung mit dem neuen, noch gleichſam als Unmuͤndige, die unter den Vormuͤndern und Pflegern ſtehen, angeſehen wurden, Gal. 4, 1. u. f. dennoch auch wahr- haftige Kinder GOttes waren durch den Glau- ben an den Meßiam, den Sohn GOttes, ihren Erloͤſer. Und ob denn gleich, in Anſehung der Unglaͤubigen und Gottloſen, derſelben wenig ge- weſen ſind, ſo haben ſie doch an ſich ſelbſt eine groſſe Zahl ausgemachet, alſo daß es in der That viele geweſen ſind. Dieſe hat GOtt der Vater, da ſie ſich durch die Wirckung des Heiligen Gei- ſtes zum Glauben an den Meßiam bringen laſſen, zur Seligkeit eingefuͤhret, und zwar als Kinder, und alſo als Erben, und folglich nicht aus ihrem eignen Verdienſte, ſondern aus lauterer Gnade GOttes.
5. Gleichwie nun dieſes der Vater um Chriſti willen gethan: alſo ſetzet Paulus auch hinzu, was er an dem Sohne ſelbſt erwieſen habe; da es denn heißt: er habe den Hertzog ihrer (der zur Herrlichkeit eingefuͤhrten Kinder) Seligkeit durch Leiden vollkommen ge- macht. Da wir denn zuvorderſt den herrlichen Amts- und Ehren-Namen Chriſti, Hertzog der Seligkeit, zu betrachten haben. Ἀρχηγὸς, ein Hertzog iſt im eigentlichen Verſtande ein Anfuͤh- rer, ein Vorgaͤnger, ein Feld-HErr, welcher vor ſeinem gantzen Heere hergehet, oder herziehet, und es anfuͤhret. Wenn nun Chriſtus ein ſol- cher Hertzog und Heerfuͤhrer genennet wird, ſo wird ihm damit zugeſchrieben, was er nach ſeinem dreyfachen Mittler-Amte dem menſchlichen Ge- ſchlechte, und, der beſondern Application nach, darinn den glaͤubigen Kindern GOttes geleiſtet hat, nemlich, daß er ſie als ein Hoher-Prieſter erloͤſet, und ihnen das geiſtliche und ewige Heyl erworben: daß er ihnen ſolches als der groſſe Prophet durch ſein Wort kund machet und an- preiſet: daß er als ihr Koͤnig in der glaͤubigen Annehmung ſie damit wircklich beſchencket, und aus dem Reiche der Gnaden in das Reich der Herrlichkeit einfuͤhret. Welches zuſammen der Apoſtel c. 5, 9. gar nachdruͤcklich nennet eine Ur- ſache geworden ſeyn zur ewigen Seligkeit, wenn er ſpricht: Nachdem er vollendet iſt, iſt er worden allen, die ihm gehorſam ſind, eine Urſache zur ewigen Seligkeit. Und in
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[265/0267]
C. 2. v. 9. 10. an die Hebraͤer.
er den Tod ſchmecket, und der Gnade, daß er
dazu geſandt, und daß uns ſolcher an unſerer ſtatt
geſchehene Abtrag ſolte zugerechnet werden.
11. Es lieget demnach in dieſem Texte ein
kraͤftiger Troſt fuͤr Sterbende, wenn ſie be-
dencken, daß ihr leiblicher Tod nur ein Durch-
gang und Eingang in das ewige Leben ſey, und
ſie, ob ſie gleich der Natur nach die Bitterkeit des
leiblichen Todes bey dieſen und jenen ſchweren
Umſtaͤnden der Kranckheit empfinden, dennoch
den ewigen Tod nicht ſchmecken ſollen. Dazu
doch aber erfordert wird, daß ſie ſich durch den
Glauben in Chriſto erfinden laſſen.
12. Jm uͤbrigen iſt von dem Worte ſehen,
das in dieſem Texte ſtehet, zu mercken, daß es ſo
viel ſey, als erkennen und glauben. Denn da
der Glaube wie ein goͤttliches Leben alſo auch ein
goͤttliches Licht in der Seele iſt, ſo wird ihm gar
oft das Sehen und Erfahren zugeeignet. Z. E.
1 Joh. 3, 1. Sehet, welch eine Liebe hat
uns der Vatet erzeiget, daß wir GOttes
Kinder ſollen heiſſen. Und v. 6. Wer da
(muthwillig) ſuͤndiget, der hat ihn nicht ge-
ſehen, noch erkannt.
V. 10.
Denn es ziemete (war der Weisheit, Ge-
rechtigkeit und Barmhertzigkeit GOttes gemaͤß)
dem, um deßwillen (zu deſſen Ehren) alle
Dinge ſind (nemlich erſchaffen) und durch den
alle Dinge ſind (alſo daß er ſie ſelbſt erſchaffen
hat, und daher darunter auf der Menſchen, als
der vornehmſten Geſchoͤpfe, ihr verlornes Heyl zu
ſeinen Ehren bedacht war) der da viel Kinder
(aus den Menſchen alle diejenige, welche ſich zur
Ordnung der Kindſchaft beingen laſſen) zur Herr-
lichkeit gefuͤhret (und zwar in Anſehung des
verſprochenen und anzunehmenden Loͤſe-Gelds)
daß er den Hertzog ihrer Seligkeit durch
Leiden vollkommen machte (zuvorderſt zur
Herrlichkeit einfuͤhrete, und alſo nach der Ernie-
drigung mit Preiß und Ehren croͤnete.)
Anmerckungen.
1. Wir haben alhier drey Puncte zu mer-
cken an ſich ſelbſt. a. Was GOtt der Vater an
ſich ſelbſt gethan habe. b. Was er gethan an
Chriſto, als dem Hertzoge der Seligkeit. c. Wie
das, was er an ihm gethan, ſich geziemet habe.
2. Von GOtt dem Vater wird dreyerley
geſaget: erſtlich daß um ſeinet willen alle
Dinge ſind; damit angezeiget wird, daß die
Ehre GOttes in allen Dingen zum Zweck geſetzet
ſey, und GOtt alles, was er gethan, zur Kundma-
chung und Verherrlichung ſeines Namens gethan
habe: welches er denn mit Recht thun koͤnnen,
da er alle Herrlichkeit vollkommlich an ſich hat,
und wenn er es nicht thaͤte, gleichſam ſich ſelbſt
verleugnete. Hingegen aber kan es von einem
Menſchen nicht geſchehen, daß er alles zu ſeinen
eignen Ehren richte, weil er ſolcher Ehre nicht
werth iſt, und unter GOtt ſtehet, zu deſſen Ehren
er alles zu richten hat.
3. Zum andern wird von dem Vater ge-
ſaget, daß alles durch ihn, oder von ihm her-
komme, und er alſo der Urheber aller Dinge ſey _
doch ohne Ausſchlieſſung des Sohnes und des
Heiligen Geiſtes. Und da es hier vom Vater
heißt, daß durch ihn alle Dinge ſind, und das
durch alhier ſoviel iſt, als von, ſo haben wir diß
Woͤrtlein in gleichem Verſtande auch von GOtt
dem Sohne anzunehmen, wenn von ihm Pſ. 33, 6.
Joh. 1, 3. Col. 1, 16. geſaget wird, daß alles
durch ihn erſchaffen ſey.
4. Zum dritten ſtehet von dem Vater, daß
er viele Kinder zur Herrlichkeit gefuͤhret
habe. Welches wir billig von den uralten Zei-
ten her, nemlich nach dem Suͤnden-Fall durch
alle Periodos des alten Teſtaments bis auf die
Zeiten Chriſti verſtehen. Da denn die Kinder
ſind alle Glaͤubigen, welche, ob ſie gleich im al-
ten Teſtamente, in Vergleichung mit dem neuen,
noch gleichſam als Unmuͤndige, die unter den
Vormuͤndern und Pflegern ſtehen, angeſehen
wurden, Gal. 4, 1. u. f. dennoch auch wahr-
haftige Kinder GOttes waren durch den Glau-
ben an den Meßiam, den Sohn GOttes, ihren
Erloͤſer. Und ob denn gleich, in Anſehung der
Unglaͤubigen und Gottloſen, derſelben wenig ge-
weſen ſind, ſo haben ſie doch an ſich ſelbſt eine
groſſe Zahl ausgemachet, alſo daß es in der That
viele geweſen ſind. Dieſe hat GOtt der Vater,
da ſie ſich durch die Wirckung des Heiligen Gei-
ſtes zum Glauben an den Meßiam bringen laſſen,
zur Seligkeit eingefuͤhret, und zwar als Kinder,
und alſo als Erben, und folglich nicht aus ihrem
eignen Verdienſte, ſondern aus lauterer Gnade
GOttes.
5. Gleichwie nun dieſes der Vater um
Chriſti willen gethan: alſo ſetzet Paulus auch
hinzu, was er an dem Sohne ſelbſt erwieſen
habe; da es denn heißt: er habe den Hertzog
ihrer (der zur Herrlichkeit eingefuͤhrten Kinder)
Seligkeit durch Leiden vollkommen ge-
macht. Da wir denn zuvorderſt den herrlichen
Amts- und Ehren-Namen Chriſti, Hertzog der
Seligkeit, zu betrachten haben. Ἀρχηγὸς, ein
Hertzog iſt im eigentlichen Verſtande ein Anfuͤh-
rer, ein Vorgaͤnger, ein Feld-HErr, welcher
vor ſeinem gantzen Heere hergehet, oder herziehet,
und es anfuͤhret. Wenn nun Chriſtus ein ſol-
cher Hertzog und Heerfuͤhrer genennet wird, ſo
wird ihm damit zugeſchrieben, was er nach ſeinem
dreyfachen Mittler-Amte dem menſchlichen Ge-
ſchlechte, und, der beſondern Application nach,
darinn den glaͤubigen Kindern GOttes geleiſtet
hat, nemlich, daß er ſie als ein Hoher-Prieſter
erloͤſet, und ihnen das geiſtliche und ewige Heyl
erworben: daß er ihnen ſolches als der groſſe
Prophet durch ſein Wort kund machet und an-
preiſet: daß er als ihr Koͤnig in der glaͤubigen
Annehmung ſie damit wircklich beſchencket, und
aus dem Reiche der Gnaden in das Reich der
Herrlichkeit einfuͤhret. Welches zuſammen der
Apoſtel c. 5, 9. gar nachdruͤcklich nennet eine Ur-
ſache geworden ſeyn zur ewigen Seligkeit,
wenn er ſpricht: Nachdem er vollendet iſt,
iſt er worden allen, die ihm gehorſam ſind,
eine Urſache zur ewigen Seligkeit. Und in
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/267>, abgerufen am 27.11.2024.
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der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.