Paulus war zwar mehr, als ein blosser Glaubens-Genosse des Philemonis: allein das ist seine Demuth, daß er nichts mehr seyn will; daher er auch Onesimum v. 10. 16. einen Sohn und lieben Bruder nennet.
V. 18. 19.
So er aber dir etwas Schaden ge- than hat, oder schuldig ist, das rechne mir zu. Jch Paulus habe es geschrieben mit meiner Hand, ich wills bezahlen. Jch schweige, (Gr. daß ich nicht sage) daß du dich selbst mir schuldig bist (und also keine Be- zahlung verlangen wirst.)
Anmerckungen.
1. Das Onesimus dem Philemoni würck- lich Schaden gethan hatte; das siehet man aus al- len Umständen, sonderlich aus seiner Flucht. So wird es Onesimus Paulo auch selbst ohn Zweifel frey gestanden haben. Daß aber Paulus solcher Sache nur Bedingungs Weise gedencket, das that er nicht der Ungewißheit wegen, sondern deßhal- ben, weil er leichtlich vermuthen konte, daß es Philemon der geschehenen Bekehrung halber kaum mehr für einen Schaden rechnen würde, da er an dem Heyl Onesimi vielmehr wieder gefun- den, als er an zeitlichen Gütern verloren hatte.
2. Gleichwie nun Paulus auf seiner Seite be- reit war, des Onesimi Schuld zum Abtrage, (da- zu denn GOtt würde geholfen haben) über sich zu nehmen, wofern es von ihm hätte erfodert wer- den sollen: also hielte er sich doch auch nicht we- niger auf seiten Philemonis von ihm versichert, daß er es nicht verlangen, sondern ihn gerne noch ein mehrers zu gefallen thun würde, als dieses. Man siehet daraus, wie man die Liebe eines an- dern, wenn man sich davon auch schon versichert hält, nicht als eine Schuldigkeit fordern solle. Denn ein anders ist, daß einer es für seine Schul- digkeit hält, dieses und jenes zu thun, ein anders, daß man es als eine Schuldigkeit von ihm fordert. Das fordern kan allein der Gesetz-Geber, und der, welcher in seinem Namen redet. Und ob Paulus gleich im Namen Christi handelte, so wolte er doch in diesem Stücke nicht so wol gebieten, wie ein Apostel, V. 8. als nur bitten, wie koinonos, V. 17. als ein gemeiner Mitbruder.
3. Jm übrigen siehet ein jeglicher Leser, wie daß Paulus uns mit dieser seiner Recommen- dation, des Onesimi auf das Exempel Christi weiset, und mit dem, was er im leiblichen, als im Schatten, über sich nimmet, uns die Versöh- nung Christi im geistlichen gar schön erläutert. Denn wie Paulus die Schuld Onesimi über sich nahm und dafür zum Abtrag mit eigenhändiger Verschreibung Bürge wurde: also hat Chri- stus alle unsere geistliche Sünden-Schuld über sich genommen, und sie sich, als dem Bürgen, zurechnen lassen, sie auch würcklich bezahlet, da er ein Versöhn-Opfer und Löse-Geld für uns ge- worden ist. Daher denn die Frucht entstehet, daß uns im Glauben seine Bezahlung zur Gerech- [Spaltenumbruch]
tigkeit zugerechnet wird. Davon in den übrigen Paulinischen Briefen mit mehrern gehandelt worden.
V. 20.
Ja, lieber Bruder, gönne mir, daß ich mich an dir ergetze in dem HErrn! er- qvicke mein Hertz in dem HErrn!
Anmerckungen.
1. Man siehet hieraus den liebreichen Affect, in welchem der Apostel den gantzen Brief geschrieben hat. Und mit gleichem Affect wird ihn ohn Zweifel Philemon gelesen haben; und zwar gewiß mehr, als einmal; wie man es mit Briefen eines gar angenehmen Jnhalts zu machen pfleget.
2. Es bedienet sich der Apostel mit Fleiß des Worts onaimen; als damit er auf Onesimi Na- men siehet, und anzeiget, daß ihm dieser solche geistliche Ergetzung zu wege gebracht habe.
3. Und dabey gebrauchet er wieder die Re- dens-Art im HErrn zwey mal gleich hinter ein- ander, nachdem er sich derselben schon vorher zwey mal bedienet hatte, nemlich V. 8. und 16. Und im 23 Vers kommet sie noch einmal, und also zum fünften mal in diesem kleinen Briefe war. Da- raus man von der innigsten und genauesten Ge- meinschaft, darinnen Paulus mit Christo stunde, urtheilen kan.
V. 21.
Jch habe aus Zuversicht deines Ge- horsams dir geschrieben, denn ich weiß, du wirst mehr thun, denn ich sage (Onesi- mum nicht allein aufnehmen, und ihm alle Schuld gern erlassen, sondern ihn auch künftig nicht mehr wie einen Knecht, sondern wie einen lieben Bru- der halten.)
Anmerckung.
Es ist wol vermuthlich, daß Philemon die- sen Onesimum gar in die völlige Freyheit gestellet habe. Wie man denn eine alte Tradition von Onesimo hat, daß er zu Ephesus, oder, wie andere wollen, zu Berrhoen in Macedonien, sey zum Bi- schofs-Amt erwehlet worden. Welches aber gantz gewiß ist.
V. 23.
Darneben bereite mir die Herberge: denn ich hoffe, daß ich durch euer Gebet euch geschencket werde.
Anmerckungen.
1. Diese erbetene Zubereitung ist wohl mehr in einer Freude und einem fleißigen Gebet um die baldige und gesegnete Ankunft Pauli, als sonsten worinnen, bestanden. Denn Philemon wuste wohl, daß Paulus keinen Staat machete, son- dern gern mit einem geringen Räumlein für sich selbst zufrieden war, und keinen solchen Aufzug machete, wie hernach die Bischöfe gethan haben und noch thun. O wie sehr war der Sinn Pauli von dem Sinne derer, die sich für seine ächte Nach folger halten, unterschieden!
2. Hat
Erklaͤrung des Briefes Pauli v. 17-23.
[Spaltenumbruch]
Anmerckung.
Paulus war zwar mehr, als ein bloſſer Glaubens-Genoſſe des Philemonis: allein das iſt ſeine Demuth, daß er nichts mehr ſeyn will; daher er auch Oneſimum v. 10. 16. einen Sohn und lieben Bruder nennet.
V. 18. 19.
So er aber dir etwas Schaden ge- than hat, oder ſchuldig iſt, das rechne mir zu. Jch Paulus habe es geſchrieben mit meiner Hand, ich wills bezahlen. Jch ſchweige, (Gr. daß ich nicht ſage) daß du dich ſelbſt mir ſchuldig biſt (und alſo keine Be- zahlung verlangen wirſt.)
Anmerckungen.
1. Das Oneſimus dem Philemoni wuͤrck- lich Schaden gethan hatte; das ſiehet man aus al- len Umſtaͤnden, ſonderlich aus ſeiner Flucht. So wird es Oneſimus Paulo auch ſelbſt ohn Zweifel frey geſtanden haben. Daß aber Paulus ſolcher Sache nur Bedingungs Weiſe gedencket, das that er nicht der Ungewißheit wegen, ſondern deßhal- ben, weil er leichtlich vermuthen konte, daß es Philemon der geſchehenen Bekehrung halber kaum mehr fuͤr einen Schaden rechnen wuͤrde, da er an dem Heyl Oneſimi vielmehr wieder gefun- den, als er an zeitlichen Guͤtern verloren hatte.
2. Gleichwie nun Paulus auf ſeiner Seite be- reit war, des Oneſimi Schuld zum Abtrage, (da- zu denn GOtt wuͤrde geholfen haben) uͤber ſich zu nehmen, wofern es von ihm haͤtte erfodert wer- den ſollen: alſo hielte er ſich doch auch nicht we- niger auf ſeiten Philemonis von ihm verſichert, daß er es nicht verlangen, ſondern ihn gerne noch ein mehrers zu gefallen thun wuͤrde, als dieſes. Man ſiehet daraus, wie man die Liebe eines an- dern, wenn man ſich davon auch ſchon verſichert haͤlt, nicht als eine Schuldigkeit fordern ſolle. Denn ein anders iſt, daß einer es fuͤr ſeine Schul- digkeit haͤlt, dieſes und jenes zu thun, ein anders, daß man es als eine Schuldigkeit von ihm fordert. Das fordern kan allein der Geſetz-Geber, und der, welcher in ſeinem Namen redet. Und ob Paulus gleich im Namen Chriſti handelte, ſo wolte er doch in dieſem Stuͤcke nicht ſo wol gebieten, wie ein Apoſtel, V. 8. als nur bitten, wie κοινωνὸς, V. 17. als ein gemeiner Mitbruder.
3. Jm uͤbrigen ſiehet ein jeglicher Leſer, wie daß Paulus uns mit dieſer ſeiner Recommen- dation, des Oneſimi auf das Exempel Chriſti weiſet, und mit dem, was er im leiblichen, als im Schatten, uͤber ſich nimmet, uns die Verſoͤh- nung Chriſti im geiſtlichen gar ſchoͤn erlaͤutert. Denn wie Paulus die Schuld Oneſimi uͤber ſich nahm und dafuͤr zum Abtrag mit eigenhaͤndiger Verſchreibung Buͤrge wurde: alſo hat Chri- ſtus alle unſere geiſtliche Suͤnden-Schuld uͤber ſich genommen, und ſie ſich, als dem Buͤrgen, zurechnen laſſen, ſie auch wuͤrcklich bezahlet, da er ein Verſoͤhn-Opfer und Loͤſe-Geld fuͤr uns ge- worden iſt. Daher denn die Frucht entſtehet, daß uns im Glauben ſeine Bezahlung zur Gerech- [Spaltenumbruch]
tigkeit zugerechnet wird. Davon in den uͤbrigen Pauliniſchen Briefen mit mehrern gehandelt worden.
V. 20.
Ja, lieber Bruder, goͤnne mir, daß ich mich an dir ergetze in dem HErrn! er- qvicke mein Hertz in dem HErrn!
Anmerckungen.
1. Man ſiehet hieraus den liebreichen Affect, in welchem der Apoſtel den gantzen Brief geſchrieben hat. Und mit gleichem Affect wird ihn ohn Zweifel Philemon geleſen haben; und zwar gewiß mehr, als einmal; wie man es mit Briefen eines gar angenehmen Jnhalts zu machen pfleget.
2. Es bedienet ſich der Apoſtel mit Fleiß des Worts ὀνάιμην; als damit er auf Oneſimi Na- men ſiehet, und anzeiget, daß ihm dieſer ſolche geiſtliche Ergetzung zu wege gebracht habe.
3. Und dabey gebrauchet er wieder die Re- dens-Art im HErrn zwey mal gleich hinter ein- ander, nachdem er ſich derſelben ſchon vorher zwey mal bedienet hatte, nemlich V. 8. und 16. Und im 23 Vers kommet ſie noch einmal, und alſo zum fuͤnften mal in dieſem kleinen Briefe war. Da- raus man von der innigſten und genaueſten Ge- meinſchaft, darinnen Paulus mit Chriſto ſtunde, urtheilen kan.
V. 21.
Jch habe aus Zuverſicht deines Ge- horſams dir geſchrieben, denn ich weiß, du wirſt mehr thun, denn ich ſage (Oneſi- mum nicht allein aufnehmen, und ihm alle Schuld gern erlaſſen, ſondern ihn auch kuͤnftig nicht mehr wie einen Knecht, ſondern wie einen lieben Bru- der halten.)
Anmerckung.
Es iſt wol vermuthlich, daß Philemon die- ſen Oneſimum gar in die voͤllige Freyheit geſtellet habe. Wie man denn eine alte Tradition von Oneſimo hat, daß er zu Epheſus, oder, wie andere wollen, zu Berrhoen in Macedonien, ſey zum Bi- ſchofs-Amt erwehlet worden. Welches aber gantz gewiß iſt.
V. 23.
Darneben bereite mir die Herberge: denn ich hoffe, daß ich durch euer Gebet euch geſchencket werde.
Anmerckungen.
1. Dieſe erbetene Zubereitung iſt wohl mehr in einer Freude und einem fleißigen Gebet um die baldige und geſegnete Ankunft Pauli, als ſonſten worinnen, beſtanden. Denn Philemon wuſte wohl, daß Paulus keinen Staat machete, ſon- dern gern mit einem geringen Raͤumlein fuͤr ſich ſelbſt zufrieden war, und keinen ſolchen Aufzug machete, wie hernach die Biſchoͤfe gethan haben und noch thun. O wie ſehr war der Sinn Pauli von dem Sinne derer, die ſich fuͤr ſeine aͤchte Nach folger halten, unterſchieden!
2. Hat
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[230/0232]
Erklaͤrung des Briefes Pauli v. 17-23.
Anmerckung.
Paulus war zwar mehr, als ein bloſſer
Glaubens-Genoſſe des Philemonis: allein das
iſt ſeine Demuth, daß er nichts mehr ſeyn will;
daher er auch Oneſimum v. 10. 16. einen Sohn
und lieben Bruder nennet.
V. 18. 19.
So er aber dir etwas Schaden ge-
than hat, oder ſchuldig iſt, das rechne
mir zu. Jch Paulus habe es geſchrieben
mit meiner Hand, ich wills bezahlen. Jch
ſchweige, (Gr. daß ich nicht ſage) daß du dich
ſelbſt mir ſchuldig biſt (und alſo keine Be-
zahlung verlangen wirſt.)
Anmerckungen.
1. Das Oneſimus dem Philemoni wuͤrck-
lich Schaden gethan hatte; das ſiehet man aus al-
len Umſtaͤnden, ſonderlich aus ſeiner Flucht. So
wird es Oneſimus Paulo auch ſelbſt ohn Zweifel
frey geſtanden haben. Daß aber Paulus ſolcher
Sache nur Bedingungs Weiſe gedencket, das that
er nicht der Ungewißheit wegen, ſondern deßhal-
ben, weil er leichtlich vermuthen konte, daß es
Philemon der geſchehenen Bekehrung halber
kaum mehr fuͤr einen Schaden rechnen wuͤrde, da
er an dem Heyl Oneſimi vielmehr wieder gefun-
den, als er an zeitlichen Guͤtern verloren hatte.
2. Gleichwie nun Paulus auf ſeiner Seite be-
reit war, des Oneſimi Schuld zum Abtrage, (da-
zu denn GOtt wuͤrde geholfen haben) uͤber ſich
zu nehmen, wofern es von ihm haͤtte erfodert wer-
den ſollen: alſo hielte er ſich doch auch nicht we-
niger auf ſeiten Philemonis von ihm verſichert,
daß er es nicht verlangen, ſondern ihn gerne noch
ein mehrers zu gefallen thun wuͤrde, als dieſes.
Man ſiehet daraus, wie man die Liebe eines an-
dern, wenn man ſich davon auch ſchon verſichert
haͤlt, nicht als eine Schuldigkeit fordern ſolle.
Denn ein anders iſt, daß einer es fuͤr ſeine Schul-
digkeit haͤlt, dieſes und jenes zu thun, ein anders,
daß man es als eine Schuldigkeit von ihm fordert.
Das fordern kan allein der Geſetz-Geber, und der,
welcher in ſeinem Namen redet. Und ob Paulus
gleich im Namen Chriſti handelte, ſo wolte er
doch in dieſem Stuͤcke nicht ſo wol gebieten, wie
ein Apoſtel, V. 8. als nur bitten, wie κοινωνὸς,
V. 17. als ein gemeiner Mitbruder.
3. Jm uͤbrigen ſiehet ein jeglicher Leſer, wie
daß Paulus uns mit dieſer ſeiner Recommen-
dation, des Oneſimi auf das Exempel Chriſti
weiſet, und mit dem, was er im leiblichen, als im
Schatten, uͤber ſich nimmet, uns die Verſoͤh-
nung Chriſti im geiſtlichen gar ſchoͤn erlaͤutert.
Denn wie Paulus die Schuld Oneſimi uͤber ſich
nahm und dafuͤr zum Abtrag mit eigenhaͤndiger
Verſchreibung Buͤrge wurde: alſo hat Chri-
ſtus alle unſere geiſtliche Suͤnden-Schuld uͤber
ſich genommen, und ſie ſich, als dem Buͤrgen,
zurechnen laſſen, ſie auch wuͤrcklich bezahlet, da er
ein Verſoͤhn-Opfer und Loͤſe-Geld fuͤr uns ge-
worden iſt. Daher denn die Frucht entſtehet,
daß uns im Glauben ſeine Bezahlung zur Gerech-
tigkeit zugerechnet wird. Davon in den uͤbrigen
Pauliniſchen Briefen mit mehrern gehandelt
worden.
V. 20.
Ja, lieber Bruder, goͤnne mir, daß
ich mich an dir ergetze in dem HErrn! er-
qvicke mein Hertz in dem HErrn!
Anmerckungen.
1. Man ſiehet hieraus den liebreichen
Affect, in welchem der Apoſtel den gantzen Brief
geſchrieben hat. Und mit gleichem Affect wird
ihn ohn Zweifel Philemon geleſen haben; und
zwar gewiß mehr, als einmal; wie man es mit
Briefen eines gar angenehmen Jnhalts zu machen
pfleget.
2. Es bedienet ſich der Apoſtel mit Fleiß des
Worts ὀνάιμην; als damit er auf Oneſimi Na-
men ſiehet, und anzeiget, daß ihm dieſer ſolche
geiſtliche Ergetzung zu wege gebracht habe.
3. Und dabey gebrauchet er wieder die Re-
dens-Art im HErrn zwey mal gleich hinter ein-
ander, nachdem er ſich derſelben ſchon vorher zwey
mal bedienet hatte, nemlich V. 8. und 16. Und
im 23 Vers kommet ſie noch einmal, und alſo zum
fuͤnften mal in dieſem kleinen Briefe war. Da-
raus man von der innigſten und genaueſten Ge-
meinſchaft, darinnen Paulus mit Chriſto ſtunde,
urtheilen kan.
V. 21.
Jch habe aus Zuverſicht deines Ge-
horſams dir geſchrieben, denn ich weiß,
du wirſt mehr thun, denn ich ſage (Oneſi-
mum nicht allein aufnehmen, und ihm alle Schuld
gern erlaſſen, ſondern ihn auch kuͤnftig nicht mehr
wie einen Knecht, ſondern wie einen lieben Bru-
der halten.)
Anmerckung.
Es iſt wol vermuthlich, daß Philemon die-
ſen Oneſimum gar in die voͤllige Freyheit geſtellet
habe. Wie man denn eine alte Tradition von
Oneſimo hat, daß er zu Epheſus, oder, wie andere
wollen, zu Berrhoen in Macedonien, ſey zum Bi-
ſchofs-Amt erwehlet worden. Welches aber gantz
gewiß iſt.
V. 23.
Darneben bereite mir die Herberge:
denn ich hoffe, daß ich durch euer Gebet
euch geſchencket werde.
Anmerckungen.
1. Dieſe erbetene Zubereitung iſt wohl mehr
in einer Freude und einem fleißigen Gebet um die
baldige und geſegnete Ankunft Pauli, als ſonſten
worinnen, beſtanden. Denn Philemon wuſte
wohl, daß Paulus keinen Staat machete, ſon-
dern gern mit einem geringen Raͤumlein fuͤr ſich
ſelbſt zufrieden war, und keinen ſolchen Aufzug
machete, wie hernach die Biſchoͤfe gethan haben
und noch thun. O wie ſehr war der Sinn Pauli
von dem Sinne derer, die ſich fuͤr ſeine aͤchte
Nach folger halten, unterſchieden!
2. Hat
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/232>, abgerufen am 23.11.2024.
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