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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli C. 3. v. 4-7.
[Spaltenumbruch] Und dieses Wort wird gar nachdrücklich erläu-
tert durch das dazu gesetzte Wort philanthropia,
Liebe gegen die Menschen: als welche un-
beschreiblich groß ist, so gar, daß er auch seinen
eingebornen Sohn zur Menschwerdung und Er-
lösung in die Welt gesandt: die uns daher in
der heiligen Schrift sehr angepriesen wird Luc. 1,
50. 78. Joh. 3, 16. Röm. 5, 8. Eph. 2, 4. 1 Joh. 4,
9. 10. 16. 1 Pet. 1, 3. davon Moses spricht: Wie
hat er die Leute so lieb!
5 B. Mos. 33, 3.

4. Es soll denn aber und kan diese philan-
thropia Menschen-Liebe in uns billig theophilian die
Liebe gegen GOTT entzünden, also daß wir
uns einander dazu ermuntern und sagen sollen:
Lasset uns ihn lieben: denn er hat uns
erst geliebet
1 Joh. 4, 19. Ja diß soll auch der
Grund seyn von der Liebe gegen andere Men-
schen, nach v. 11. Jhr lieben, hat uns GOtt
also geliebet, so sollen wir uns auch unter
einander lieben!

5. Da die Worte Freundlichkeit und
Leutseligkeit durch das Wort Barmhertzig-
keit
erläutert werden, so wird damit angezei-
get, daß wir der Gnade und Liebe GOttes von
Natur keines weges wehrt und gleich sind sol-
chen Bedienten eines grossen Herrn, welche durch
ihr Verhalten sich desselben Gnade zu wege brin-
gen: sondern daß wir durch die Sünde den Re-
bellen gleich geworden, welche wenn sie sich
selbst ins Elend gestürtzet sehen, sich nicht auf
ihre Verdienste beziehen können, sondern die
Erbarmung anflehen müssen.

6. Und daß dieses der Nachdruck dieses
Worts sey, wird damit deutlich genug angezei-
get, wenn dabey stehet: Nicht um der Wer-
cke willen der Gerechtigkeit, die wir ge-
than hatten.
Und daher heißt die Barm-
hertzigkeit Eph. 1, 7. Der Reichthum der ü-
berschwenglichen Gnade und Güte in Chri-
sto,
mit dem Zusatze: Aus Gnaden seyd ihr
selig worden durch den Glauben, und das-
selbe nicht aus euch; GOttes Gabe ist es:
nicht aus den Wercken, auf daß sich nicht
iemand rühme.

7. Die Christliche Religion führet uns
nicht allein auf eine künftige ewige Seligkeit,
sondern auch schon auf eine gegenwärtige, ob-
gleich noch unvollkommene, doch würckliche und
grosse Seligkeit. Denn es heißt ja ausdrück-
lich: esosen, er hat uns selig gemachet:
wie auch in dem zuvor aus Eph. 2. angezogenen
Orte bezeuget wird. Haben nun wahre Chri-
sten um Christi willen gleich etwas zu leiden,
so sind sie doch dabey schon selig Matth. 6, 10.
11. 12. und haben sich auch der ewigen Seligkeit
gewiß zu getrösten. Da hingegen die Gottlosen
bey ihrer unreinen und unruhigen Welt-Freu-
de unter der schrecklichen Erwartung der ewigen
Verdamniß schon in dieser Welt unselig und
voller Unruhe sind.

8. Es hält aber die den Gläubigen schon
würcklich mitgetheilte Seligkeit im Reiche der
Gnaden diese zwey Haupt-Stücke in sich: die
Vergebung der Sünden, welche mit vielen
[Spaltenumbruch] andern Heyls-Gütern, als Kindschaft, Friede
und Freude im heiligen Geist, Freyheit u. s. w.
unauflöslich verknüpfet ist; und denn die Be-
freyung von der Sünden-Herrschaft;
wel-
che geschiehet durch die Wiedergeburt, und
durch die Mittheilung solcher Gnaden-Kräfte,
wodurch der Mensch der in ihm noch übrigen
Sünde immer mehr abstirbet, und in der Heili-
gung also wächset, daß das Ebenbild GOttes
in ihm immer mehr angerichtet wird. Wel-
ches denn die Ordnung ist, in welcher er zur ewi-
gen Seligkeit gelanget.

9. Gleichwie nun dieser Text solcherge-
stalt auf den Grund und auf die Ordnung des
Heyls führet: so weiset er uns auch die Mittel
dazu an. Denn in den Worten die Freund-
lichkeit und Leutseligkeit GOttes ist erschie-
nen,
wird uns das Wort GOttes, und inson-
derheit das Wort des Evangelii mit dem pro-
phetischen Amte Christi angepriesen: und mit
den Worten von dem Bade der Wiederge-
burt
ist die Heil. Taufe bezeichnet.

10. Wie nun bey den Erwachsenen damal
die Seligkeit sich anhub in der gläubigen Anneh-
mung des Evangelii: also wurde sie bekräftiget
und versiegelt durch die heilige Taufe: wie
man unter andern siehet an den Exempeln der
erstlich zum Glauben an Christum gebrachten
und darauf sofort getauften, in der Ap. Gesch.
c. 2, 37. 41. c. 8, 12. 36. 37. c. 9, 18. c. 10, 44-48.
c. 16, 31. 32. 33. u. s. w.

11. Ob denn nun gleich die Wiedergeburt
bey den erwachsenen sich durch das Wort des
Evangelii anhube: so geschahe sie doch ihrem
ersten Anfange nach bey den Kindern durch die
heilige Taufe: darauf alhier die Worte Bad
der Widergeburt
allerdinge mit gehen. Sie-
he Joh. 3, 5. Da es heißt: von neuen gebo-
ren werden durch das Wasser und den
Geist.
Und da in der Wiedergeburt auch die
Rechtfertigung geschiehet, und die Heiligung sich
anhebet, beydes aber eine Reinigung ist; so
spricht Paulus Eph. 5, 26. Er hat sie (die Ge-
meine) gereiniget durch das Wasserbad im
Worte.
Daß aber in der ersten Kirche auch
die kleinen Kinder getaufet worden, ist eine
ausgemachte, auch anderwärtig, nemlich im er-
sten Theile der richtigen Mittel-Strasse von
mir ausführlich erwiesene und gegen alle Ein-
würfe gerettete Wahrheit.

12. Bey der heiligen Taufe, als dem
Bade der Wiedergeburt, wird deßwegen der
Erneurung des heiligen Geistes gedacht, weil
der heilige Geist in derselben und durch dieselbe
kräftig wircket und mit Anzündung und Stär-
ckung des Glaubens die wirckliche Wiederge-
burt und Erneurung anhebet, darauf immer
weiter fortsetzet, und das angefangene Gute
unterhält und vermehret. Daher es Joh. 3, 5.
heißt wiedergeboren werden aus dem Was-
ser und Geist.

13. Ob gleich mit den Worten: Welchen
(heiligen Geist) er ausgegossen hat über uns
reichlich,
mit auf die ausserordentlichen Wun-

der-

Erklaͤrung des Briefes Pauli C. 3. v. 4-7.
[Spaltenumbruch] Und dieſes Wort wird gar nachdruͤcklich erlaͤu-
tert durch das dazu geſetzte Wort ϕιλανϑρωπία,
Liebe gegen die Menſchen: als welche un-
beſchreiblich groß iſt, ſo gar, daß er auch ſeinen
eingebornen Sohn zur Menſchwerdung und Er-
loͤſung in die Welt geſandt: die uns daher in
der heiligen Schrift ſehr angeprieſen wird Luc. 1,
50. 78. Joh. 3, 16. Roͤm. 5, 8. Eph. 2, 4. 1 Joh. 4,
9. 10. 16. 1 Pet. 1, 3. davon Moſes ſpricht: Wie
hat er die Leute ſo lieb!
5 B. Moſ. 33, 3.

4. Es ſoll denn aber und kan dieſe ϕιλαν-
θρωπία Menſchen-Liebe in uns billig θεοφιλίαν die
Liebe gegen GOTT entzuͤnden, alſo daß wir
uns einander dazu ermuntern und ſagen ſollen:
Laſſet uns ihn lieben: denn er hat uns
erſt geliebet
1 Joh. 4, 19. Ja diß ſoll auch der
Grund ſeyn von der Liebe gegen andere Men-
ſchen, nach v. 11. Jhr lieben, hat uns GOtt
alſo geliebet, ſo ſollen wir uns auch unter
einander lieben!

5. Da die Worte Freundlichkeit und
Leutſeligkeit durch das Wort Barmhertzig-
keit
erlaͤutert werden, ſo wird damit angezei-
get, daß wir der Gnade und Liebe GOttes von
Natur keines weges wehrt und gleich ſind ſol-
chen Bedienten eines groſſen Herrn, welche durch
ihr Verhalten ſich deſſelben Gnade zu wege brin-
gen: ſondern daß wir durch die Suͤnde den Re-
bellen gleich geworden, welche wenn ſie ſich
ſelbſt ins Elend geſtuͤrtzet ſehen, ſich nicht auf
ihre Verdienſte beziehen koͤnnen, ſondern die
Erbarmung anflehen muͤſſen.

6. Und daß dieſes der Nachdruck dieſes
Worts ſey, wird damit deutlich genug angezei-
get, wenn dabey ſtehet: Nicht um der Wer-
cke willen der Gerechtigkeit, die wir ge-
than hatten.
Und daher heißt die Barm-
hertzigkeit Eph. 1, 7. Der Reichthum der uͤ-
berſchwenglichen Gnade und Guͤte in Chri-
ſto,
mit dem Zuſatze: Aus Gnaden ſeyd ihr
ſelig worden durch den Glauben, und daſ-
ſelbe nicht aus euch; GOttes Gabe iſt es:
nicht aus den Wercken, auf daß ſich nicht
iemand ruͤhme.

7. Die Chriſtliche Religion fuͤhret uns
nicht allein auf eine kuͤnftige ewige Seligkeit,
ſondern auch ſchon auf eine gegenwaͤrtige, ob-
gleich noch unvollkommene, doch wuͤrckliche und
groſſe Seligkeit. Denn es heißt ja ausdruͤck-
lich: ἔσωσεν, er hat uns ſelig gemachet:
wie auch in dem zuvor aus Eph. 2. angezogenen
Orte bezeuget wird. Haben nun wahre Chri-
ſten um Chriſti willen gleich etwas zu leiden,
ſo ſind ſie doch dabey ſchon ſelig Matth. 6, 10.
11. 12. und haben ſich auch der ewigen Seligkeit
gewiß zu getroͤſten. Da hingegen die Gottloſen
bey ihrer unreinen und unruhigen Welt-Freu-
de unter der ſchrecklichen Erwartung der ewigen
Verdamniß ſchon in dieſer Welt unſelig und
voller Unruhe ſind.

8. Es haͤlt aber die den Glaͤubigen ſchon
wuͤrcklich mitgetheilte Seligkeit im Reiche der
Gnaden dieſe zwey Haupt-Stuͤcke in ſich: die
Vergebung der Suͤnden, welche mit vielen
[Spaltenumbruch] andern Heyls-Guͤtern, als Kindſchaft, Friede
und Freude im heiligen Geiſt, Freyheit u. ſ. w.
unaufloͤslich verknuͤpfet iſt; und denn die Be-
freyung von der Suͤnden-Herrſchaft;
wel-
che geſchiehet durch die Wiedergeburt, und
durch die Mittheilung ſolcher Gnaden-Kraͤfte,
wodurch der Menſch der in ihm noch uͤbrigen
Suͤnde immer mehr abſtirbet, und in der Heili-
gung alſo waͤchſet, daß das Ebenbild GOttes
in ihm immer mehr angerichtet wird. Wel-
ches denn die Ordnung iſt, in welcher er zur ewi-
gen Seligkeit gelanget.

9. Gleichwie nun dieſer Text ſolcherge-
ſtalt auf den Grund und auf die Ordnung des
Heyls fuͤhret: ſo weiſet er uns auch die Mittel
dazu an. Denn in den Worten die Freund-
lichkeit und Leutſeligkeit GOttes iſt erſchie-
nen,
wird uns das Wort GOttes, und inſon-
derheit das Wort des Evangelii mit dem pro-
phetiſchen Amte Chriſti angeprieſen: und mit
den Worten von dem Bade der Wiederge-
burt
iſt die Heil. Taufe bezeichnet.

10. Wie nun bey den Erwachſenen damal
die Seligkeit ſich anhub in der glaͤubigen Anneh-
mung des Evangelii: alſo wurde ſie bekraͤftiget
und verſiegelt durch die heilige Taufe: wie
man unter andern ſiehet an den Exempeln der
erſtlich zum Glauben an Chriſtum gebrachten
und darauf ſofort getauften, in der Ap. Geſch.
c. 2, 37. 41. c. 8, 12. 36. 37. c. 9, 18. c. 10, 44-48.
c. 16, 31. 32. 33. u. ſ. w.

11. Ob denn nun gleich die Wiedergeburt
bey den erwachſenen ſich durch das Wort des
Evangelii anhube: ſo geſchahe ſie doch ihrem
erſten Anfange nach bey den Kindern durch die
heilige Taufe: darauf alhier die Worte Bad
der Widergeburt
allerdinge mit gehen. Sie-
he Joh. 3, 5. Da es heißt: von neuen gebo-
ren werden durch das Waſſer und den
Geiſt.
Und da in der Wiedergeburt auch die
Rechtfertigung geſchiehet, und die Heiligung ſich
anhebet, beydes aber eine Reinigung iſt; ſo
ſpricht Paulus Eph. 5, 26. Er hat ſie (die Ge-
meine) gereiniget durch das Waſſerbad im
Worte.
Daß aber in der erſten Kirche auch
die kleinen Kinder getaufet worden, iſt eine
ausgemachte, auch anderwaͤrtig, nemlich im er-
ſten Theile der richtigen Mittel-Straſſe von
mir ausfuͤhrlich erwieſene und gegen alle Ein-
wuͤrfe gerettete Wahrheit.

12. Bey der heiligen Taufe, als dem
Bade der Wiedergeburt, wird deßwegen der
Erneurung des heiligen Geiſtes gedacht, weil
der heilige Geiſt in derſelben und durch dieſelbe
kraͤftig wircket und mit Anzuͤndung und Staͤr-
ckung des Glaubens die wirckliche Wiederge-
burt und Erneurung anhebet, darauf immer
weiter fortſetzet, und das angefangene Gute
unterhaͤlt und vermehret. Daher es Joh. 3, 5.
heißt wiedergeboren werden aus dem Waſ-
ſer und Geiſt.

13. Ob gleich mit den Worten: Welchen
(heiligen Geiſt) er ausgegoſſen hat uͤber uns
reichlich,
mit auf die auſſerordentlichen Wun-

der-
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[216/0218] Erklaͤrung des Briefes Pauli C. 3. v. 4-7. Und dieſes Wort wird gar nachdruͤcklich erlaͤu- tert durch das dazu geſetzte Wort ϕιλανϑρωπία, Liebe gegen die Menſchen: als welche un- beſchreiblich groß iſt, ſo gar, daß er auch ſeinen eingebornen Sohn zur Menſchwerdung und Er- loͤſung in die Welt geſandt: die uns daher in der heiligen Schrift ſehr angeprieſen wird Luc. 1, 50. 78. Joh. 3, 16. Roͤm. 5, 8. Eph. 2, 4. 1 Joh. 4, 9. 10. 16. 1 Pet. 1, 3. davon Moſes ſpricht: Wie hat er die Leute ſo lieb! 5 B. Moſ. 33, 3. 4. Es ſoll denn aber und kan dieſe ϕιλαν- θρωπία Menſchen-Liebe in uns billig θεοφιλίαν die Liebe gegen GOTT entzuͤnden, alſo daß wir uns einander dazu ermuntern und ſagen ſollen: Laſſet uns ihn lieben: denn er hat uns erſt geliebet 1 Joh. 4, 19. Ja diß ſoll auch der Grund ſeyn von der Liebe gegen andere Men- ſchen, nach v. 11. Jhr lieben, hat uns GOtt alſo geliebet, ſo ſollen wir uns auch unter einander lieben! 5. Da die Worte Freundlichkeit und Leutſeligkeit durch das Wort Barmhertzig- keit erlaͤutert werden, ſo wird damit angezei- get, daß wir der Gnade und Liebe GOttes von Natur keines weges wehrt und gleich ſind ſol- chen Bedienten eines groſſen Herrn, welche durch ihr Verhalten ſich deſſelben Gnade zu wege brin- gen: ſondern daß wir durch die Suͤnde den Re- bellen gleich geworden, welche wenn ſie ſich ſelbſt ins Elend geſtuͤrtzet ſehen, ſich nicht auf ihre Verdienſte beziehen koͤnnen, ſondern die Erbarmung anflehen muͤſſen. 6. Und daß dieſes der Nachdruck dieſes Worts ſey, wird damit deutlich genug angezei- get, wenn dabey ſtehet: Nicht um der Wer- cke willen der Gerechtigkeit, die wir ge- than hatten. Und daher heißt die Barm- hertzigkeit Eph. 1, 7. Der Reichthum der uͤ- berſchwenglichen Gnade und Guͤte in Chri- ſto, mit dem Zuſatze: Aus Gnaden ſeyd ihr ſelig worden durch den Glauben, und daſ- ſelbe nicht aus euch; GOttes Gabe iſt es: nicht aus den Wercken, auf daß ſich nicht iemand ruͤhme. 7. Die Chriſtliche Religion fuͤhret uns nicht allein auf eine kuͤnftige ewige Seligkeit, ſondern auch ſchon auf eine gegenwaͤrtige, ob- gleich noch unvollkommene, doch wuͤrckliche und groſſe Seligkeit. Denn es heißt ja ausdruͤck- lich: ἔσωσεν, er hat uns ſelig gemachet: wie auch in dem zuvor aus Eph. 2. angezogenen Orte bezeuget wird. Haben nun wahre Chri- ſten um Chriſti willen gleich etwas zu leiden, ſo ſind ſie doch dabey ſchon ſelig Matth. 6, 10. 11. 12. und haben ſich auch der ewigen Seligkeit gewiß zu getroͤſten. Da hingegen die Gottloſen bey ihrer unreinen und unruhigen Welt-Freu- de unter der ſchrecklichen Erwartung der ewigen Verdamniß ſchon in dieſer Welt unſelig und voller Unruhe ſind. 8. Es haͤlt aber die den Glaͤubigen ſchon wuͤrcklich mitgetheilte Seligkeit im Reiche der Gnaden dieſe zwey Haupt-Stuͤcke in ſich: die Vergebung der Suͤnden, welche mit vielen andern Heyls-Guͤtern, als Kindſchaft, Friede und Freude im heiligen Geiſt, Freyheit u. ſ. w. unaufloͤslich verknuͤpfet iſt; und denn die Be- freyung von der Suͤnden-Herrſchaft; wel- che geſchiehet durch die Wiedergeburt, und durch die Mittheilung ſolcher Gnaden-Kraͤfte, wodurch der Menſch der in ihm noch uͤbrigen Suͤnde immer mehr abſtirbet, und in der Heili- gung alſo waͤchſet, daß das Ebenbild GOttes in ihm immer mehr angerichtet wird. Wel- ches denn die Ordnung iſt, in welcher er zur ewi- gen Seligkeit gelanget. 9. Gleichwie nun dieſer Text ſolcherge- ſtalt auf den Grund und auf die Ordnung des Heyls fuͤhret: ſo weiſet er uns auch die Mittel dazu an. Denn in den Worten die Freund- lichkeit und Leutſeligkeit GOttes iſt erſchie- nen, wird uns das Wort GOttes, und inſon- derheit das Wort des Evangelii mit dem pro- phetiſchen Amte Chriſti angeprieſen: und mit den Worten von dem Bade der Wiederge- burt iſt die Heil. Taufe bezeichnet. 10. Wie nun bey den Erwachſenen damal die Seligkeit ſich anhub in der glaͤubigen Anneh- mung des Evangelii: alſo wurde ſie bekraͤftiget und verſiegelt durch die heilige Taufe: wie man unter andern ſiehet an den Exempeln der erſtlich zum Glauben an Chriſtum gebrachten und darauf ſofort getauften, in der Ap. Geſch. c. 2, 37. 41. c. 8, 12. 36. 37. c. 9, 18. c. 10, 44-48. c. 16, 31. 32. 33. u. ſ. w. 11. Ob denn nun gleich die Wiedergeburt bey den erwachſenen ſich durch das Wort des Evangelii anhube: ſo geſchahe ſie doch ihrem erſten Anfange nach bey den Kindern durch die heilige Taufe: darauf alhier die Worte Bad der Widergeburt allerdinge mit gehen. Sie- he Joh. 3, 5. Da es heißt: von neuen gebo- ren werden durch das Waſſer und den Geiſt. Und da in der Wiedergeburt auch die Rechtfertigung geſchiehet, und die Heiligung ſich anhebet, beydes aber eine Reinigung iſt; ſo ſpricht Paulus Eph. 5, 26. Er hat ſie (die Ge- meine) gereiniget durch das Waſſerbad im Worte. Daß aber in der erſten Kirche auch die kleinen Kinder getaufet worden, iſt eine ausgemachte, auch anderwaͤrtig, nemlich im er- ſten Theile der richtigen Mittel-Straſſe von mir ausfuͤhrlich erwieſene und gegen alle Ein- wuͤrfe gerettete Wahrheit. 12. Bey der heiligen Taufe, als dem Bade der Wiedergeburt, wird deßwegen der Erneurung des heiligen Geiſtes gedacht, weil der heilige Geiſt in derſelben und durch dieſelbe kraͤftig wircket und mit Anzuͤndung und Staͤr- ckung des Glaubens die wirckliche Wiederge- burt und Erneurung anhebet, darauf immer weiter fortſetzet, und das angefangene Gute unterhaͤlt und vermehret. Daher es Joh. 3, 5. heißt wiedergeboren werden aus dem Waſ- ſer und Geiſt. 13. Ob gleich mit den Worten: Welchen (heiligen Geiſt) er ausgegoſſen hat uͤber uns reichlich, mit auf die auſſerordentlichen Wun- der-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/218>, abgerufen am 23.11.2024.