[Spaltenumbruch]
daß sie ein Deroselben gemässes heiliges Leben führen sollen.)
Anmerckungen.
1. Mit dem Namen GOtt wird alhier al- so auf die heilige Dreyeinigkeit gesehen, daß mit einer besondern Zueignung der Sohn GOttes darunter verstanden wird. Denn gleichwie sol- ches an sich eine kundbare Wahrheit ist, daß Chri- stus wahrer GOtt ist, und in ihm uns die göttli- che Gnade erschienen: so erweiset dieses auch der Context. Denn nach dem der Apostel vorher V. 10. seiner als GOttes unsers Heilandes ge- dacht: so wiederholet er das Wort GOtt, und schreibet ihm die Gnade zu, mit dem Beysatze des Worts soterios, damit er sich auf das vorher- gehende Wort soter Heyland gantz deutlich be- ziehet. So nennet er ihn auch V. 13. den gros- sen GOtt, und schreibet ihm zu die letzte epipha- neian, Erscheinung zum Gericht und zur Herrlich- keit, gleichwie er ihm vorher V. 11. die Erschei- nung zur Erlösung zugeschrieben hat.
2. Es sind sonst in diesem Verse noch drey Stücke besonders wohl zu mercken: die heylsa- me Gnade: ihre Erscheinung, und denn wie diese alle Menschen angehe. Mit dem Wor- te Gnade wird bezeichnet der gnädige Rath GOttes von der Wiederbringung des durch die Sünde verlohrnen menschlichen Geschlechts. Und heißt diese Gnade sonst auch die Barmher- tzigkeit und Liebe, imgleichen khresotes und phi- lanthropia, die Gütigkeit und Leutseligkeit, oder Menschen-Liebe. Tit. 3, 4. welche Gnade das Principium, oder die Quelle des Evangelii und unserer Seeligkeit ist. Sie heißt soterios, heylwärtig, heylsvoll, weil sie sich auf den Heyland und Erlöser gründet, und durch ihn das verlohrne Heyl in so vielen Heyls-Gütern reichlich wiederbringet: als von welchem es heißt Jes. 45, 23. Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig aller Welt Ende u. s. w. Und Ap. Ges. 4, 12. Es ist in keinem andern Heyl, auch kein ander Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden, nemlich, als in dem Namen Christi.
3. Von dieser Gnade heißt es epephane, sie ist erschienen, in Ansehung der Erlösung und Berufung. Und also gehören zu dieser Erschei- nung diese zwey Haupt-Stücke: erstlich die Menschwerdung Christi nebst dem darauf ausgeführten Wercke der Erlösung; sintemal die erschienene Gnade ist soterios, eine Heyls- Gnade, die uns das Heyl gebracht hat: und denn das prophetische Amt Christi. Denn nach der Menschwerdung ist die Gnade derge- stalt erschienen, daß sie in Christo gleichsam sichtbar worden ist: sintemal GOTT selbst ge- offenbahret ist im Fleisch 2 Tim. 3, 16. und es hat uns besucht der Aufgang aus der Höhe Luc. 1, 78. als die Sonne der Gerechtigkeit Mal. 3, 1. und das Licht der Welt Joh. 1, 4. u. f. also daß in Christo die Herrlichkeit des HErrn sich geoffenbaret hat und nach der Dunckelheit und dem Schatten-Werck des Judenthums, [Spaltenumbruch]
auch nach der Finsterniß des abgöttischen Hey- denthums, aufgegangen ist über das mensch- liche Geschlecht. Jes. 60, 1. daher Johannes c. 1, 14. spricht: Das Wort ward Fleisch und wohnete unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, als des ein- gebornen Sohnes GOttes, voller Gnade und Wahrheit. Da nun Christus nach über- nommener Taufe sein prophetisches Amt an- trat; so ging dadurch das Gnaden-Licht auf über die gantze Jüdische Nation, ja über al- le übrige Völcker; sintemal er solches Amt her- nach auch mittelbar durch die Apostel und an- dere getreue Lehrer fortgesetzet hat, und durch diese nebst seinem Wort noch heute zu tage also fortführet, daß die Verkündigung des Evangelii nichts anders ist, als ein erscheinendes Gnaden- Licht GOttes. Wie denn dieses, daß auch wir Teutschen schon vorlängst das Licht des Evangelii haben, eine Frucht von der erschienenen heylsa- men Gnade ist.
4. Und daraus ist denn nun leichtlich zu erkennen, wie die heylsvolle Gnade GOttes un- sers Heylandes ausser der Jüdischen Nation al- len Menschen erschienen sey, und noch erscheine. Denn nach so vielen prophetischen Verheissun- gen; daß alle Völcker auf Erden durch den Meßiam in himmlischen Gütern solten geseg- net und zu ihm bekehret werden 1 B. Mos. 12, 3. c. 18, 18. c. 22, 18. c. 26, 4. solte eben dieses eines mit von den Haupt-Kennzeichen des Mes- siä, und eine Haupt-Eigenschaft seines geistli- chen Reichs seyn. Darum er der Erfüllung nach seinen Aposteln diese Instruction gab: Gehet hin in alle Welt, und lehret alle Hey- den, u. s. w. Matth. 28, 19. Und Paulus schrieb schon zu seiner Zeit im Jahr Christi 62. in dem Briefe an die Colosser c. 1, 23. Jhr habt ge- höret das Evangelium, welches ist gepre- diget unter alle Creatur, die unter dem Himmel ist. Und v. 28. Denn wir verkün- digen und vermahnen alle Menschen und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf daß wir darstellen einen ieglichen Men- schen vollkommen in Christo.
5. Es wird aber ein ieglicher Leser von sich selbst leichtlich erachten, daß ein anders sey, die Er- scheinung und ein anders die Annehmung der Gnade. Denn gleichwie einer sich dem allen auf- gehenden Lichte der Sonnen entziehen kan, also, daß er entweder nicht an desselbe kömmt, oder dem- selben entweicht: also gehet es auch mit dem geistlichen Licht der Welt, Christo und seiner er- leuchtenden Gnade. Denn er kam, als ein Licht, zu dem Jüdischen Volcke, als in sein Eigen- thum; aber sie nahmen ihn, dem grössesten Hau- fen nach, nicht auf. Denn sie liebten die Finster- niß mehr, denn das Licht, darum kamen sie nicht an das Licht, daß ihre böse Wercke nicht of- fenbar und gestrafet würden. Joh. 1, 11. c. 3, 19. 20.
6. Es hat demnach ein ieglicher sich selbst zu prüfen, wie er die Gnade bey ihrer Erschei-
nung,
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 2. v. 11.
[Spaltenumbruch]
daß ſie ein Deroſelben gemaͤſſes heiliges Leben fuͤhren ſollen.)
Anmerckungen.
1. Mit dem Namen GOtt wird alhier al- ſo auf die heilige Dreyeinigkeit geſehen, daß mit einer beſondern Zueignung der Sohn GOttes darunter verſtanden wird. Denn gleichwie ſol- ches an ſich eine kundbare Wahrheit iſt, daß Chri- ſtus wahrer GOtt iſt, und in ihm uns die goͤttli- che Gnade erſchienen: ſo erweiſet dieſes auch der Context. Denn nach dem der Apoſtel vorher V. 10. ſeiner als GOttes unſers Heilandes ge- dacht: ſo wiederholet er das Wort GOtt, und ſchreibet ihm die Gnade zu, mit dem Beyſatze des Worts σωτήριος, damit er ſich auf das vorher- gehende Wort σωτὴρ Heyland gantz deutlich be- ziehet. So nennet er ihn auch V. 13. den groſ- ſen GOtt, und ſchreibet ihm zu die letzte ἐπιφά- νειαν, Erſcheinung zum Gericht und zur Herrlich- keit, gleichwie er ihm vorher V. 11. die Erſchei- nung zur Erloͤſung zugeſchrieben hat.
2. Es ſind ſonſt in dieſem Verſe noch drey Stuͤcke beſonders wohl zu mercken: die heylſa- me Gnade: ihre Erſcheinung, und denn wie dieſe alle Menſchen angehe. Mit dem Wor- te Gnade wird bezeichnet der gnaͤdige Rath GOttes von der Wiederbringung des durch die Suͤnde verlohrnen menſchlichen Geſchlechts. Und heißt dieſe Gnade ſonſt auch die Barmher- tzigkeit und Liebe, imgleichen χρηςότης und ϕι- λανθρωπία, die Guͤtigkeit und Leutſeligkeit, oder Menſchen-Liebe. Tit. 3, 4. welche Gnade das Principium, oder die Quelle des Evangelii und unſerer Seeligkeit iſt. Sie heißt σωτήριος, heylwaͤrtig, heylsvoll, weil ſie ſich auf den Heyland und Erloͤſer gruͤndet, und durch ihn das verlohrne Heyl in ſo vielen Heyls-Guͤtern reichlich wiederbringet: als von welchem es heißt Jeſ. 45, 23. Wendet euch zu mir, ſo werdet ihr ſelig aller Welt Ende u. ſ. w. Und Ap. Geſ. 4, 12. Es iſt in keinem andern Heyl, auch kein ander Name den Menſchen gegeben, darinnen wir ſollen ſelig werden, nemlich, als in dem Namen Chriſti.
3. Von dieſer Gnade heißt es ἐπεϕάνη, ſie iſt erſchienen, in Anſehung der Erloͤſung und Berufung. Und alſo gehoͤren zu dieſer Erſchei- nung dieſe zwey Haupt-Stuͤcke: erſtlich die Menſchwerdung Chriſti nebſt dem darauf ausgefuͤhrten Wercke der Erloͤſung; ſintemal die erſchienene Gnade iſt σωτήριος, eine Heyls- Gnade, die uns das Heyl gebracht hat: und denn das prophetiſche Amt Chriſti. Denn nach der Menſchwerdung iſt die Gnade derge- ſtalt erſchienen, daß ſie in Chriſto gleichſam ſichtbar worden iſt: ſintemal GOTT ſelbſt ge- offenbahret iſt im Fleiſch 2 Tim. 3, 16. und es hat uns beſucht der Aufgang aus der Hoͤhe Luc. 1, 78. als die Sonne der Gerechtigkeit Mal. 3, 1. und das Licht der Welt Joh. 1, 4. u. f. alſo daß in Chriſto die Herrlichkeit des HErrn ſich geoffenbaret hat und nach der Dunckelheit und dem Schatten-Werck des Judenthums, [Spaltenumbruch]
auch nach der Finſterniß des abgoͤttiſchen Hey- denthums, aufgegangen iſt uͤber das menſch- liche Geſchlecht. Jeſ. 60, 1. daher Johannes c. 1, 14. ſpricht: Das Wort ward Fleiſch und wohnete unter uns, und wir ſahen ſeine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, als des ein- gebornen Sohnes GOttes, voller Gnade und Wahrheit. Da nun Chriſtus nach uͤber- nommener Taufe ſein prophetiſches Amt an- trat; ſo ging dadurch das Gnaden-Licht auf uͤber die gantze Juͤdiſche Nation, ja uͤber al- le uͤbrige Voͤlcker; ſintemal er ſolches Amt her- nach auch mittelbar durch die Apoſtel und an- dere getreue Lehrer fortgeſetzet hat, und durch dieſe nebſt ſeinem Wort noch heute zu tage alſo fortfuͤhret, daß die Verkuͤndigung des Evangelii nichts anders iſt, als ein erſcheinendes Gnaden- Licht GOttes. Wie denn dieſes, daß auch wir Teutſchen ſchon vorlaͤngſt das Licht des Evangelii haben, eine Frucht von der erſchienenen heylſa- men Gnade iſt.
4. Und daraus iſt denn nun leichtlich zu erkennen, wie die heylsvolle Gnade GOttes un- ſers Heylandes auſſer der Juͤdiſchen Nation al- len Menſchen erſchienen ſey, und noch erſcheine. Denn nach ſo vielen prophetiſchen Verheiſſun- gen; daß alle Voͤlcker auf Erden durch den Meßiam in himmliſchen Guͤtern ſolten geſeg- net und zu ihm bekehret werden 1 B. Moſ. 12, 3. c. 18, 18. c. 22, 18. c. 26, 4. ſolte eben dieſes eines mit von den Haupt-Kennzeichen des Meſ- ſiaͤ, und eine Haupt-Eigenſchaft ſeines geiſtli- chen Reichs ſeyn. Darum er der Erfuͤllung nach ſeinen Apoſteln dieſe Inſtruction gab: Gehet hin in alle Welt, und lehret alle Hey- den, u. ſ. w. Matth. 28, 19. Und Paulus ſchrieb ſchon zu ſeiner Zeit im Jahr Chriſti 62. in dem Briefe an die Coloſſer c. 1, 23. Jhr habt ge- hoͤret das Evangelium, welches iſt gepre- diget unter alle Creatur, die unter dem Himmel iſt. Und v. 28. Denn wir verkuͤn- digen und vermahnen alle Menſchen und lehren alle Menſchen mit aller Weisheit, auf daß wir darſtellen einen ieglichen Men- ſchen vollkommen in Chriſto.
5. Es wird aber ein ieglicher Leſer von ſich ſelbſt leichtlich erachten, daß ein anders ſey, die Er- ſcheinung und ein anders die Annehmung der Gnade. Denn gleichwie einer ſich dem allen auf- gehenden Lichte der Sonnen entziehen kan, alſo, daß er entweder nicht an deſſelbe koͤm̃t, oder dem- ſelben entweicht: alſo gehet es auch mit dem geiſtlichen Licht der Welt, Chriſto und ſeiner er- leuchtenden Gnade. Denn er kam, als ein Licht, zu dem Juͤdiſchen Volcke, als in ſein Eigen- thum; aber ſie nahmen ihn, dem groͤſſeſten Hau- fen nach, nicht auf. Denn ſie liebten die Finſter- niß mehr, denn das Licht, darum kamen ſie nicht an das Licht, daß ihre boͤſe Wercke nicht of- fenbar und geſtrafet wuͤrden. Joh. 1, 11. c. 3, 19. 20.
6. Es hat demnach ein ieglicher ſich ſelbſt zu pruͤfen, wie er die Gnade bey ihrer Erſchei-
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[206/0208]
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 2. v. 11.
daß ſie ein Deroſelben gemaͤſſes heiliges Leben
fuͤhren ſollen.)
Anmerckungen.
1. Mit dem Namen GOtt wird alhier al-
ſo auf die heilige Dreyeinigkeit geſehen, daß mit
einer beſondern Zueignung der Sohn GOttes
darunter verſtanden wird. Denn gleichwie ſol-
ches an ſich eine kundbare Wahrheit iſt, daß Chri-
ſtus wahrer GOtt iſt, und in ihm uns die goͤttli-
che Gnade erſchienen: ſo erweiſet dieſes auch der
Context. Denn nach dem der Apoſtel vorher
V. 10. ſeiner als GOttes unſers Heilandes ge-
dacht: ſo wiederholet er das Wort GOtt, und
ſchreibet ihm die Gnade zu, mit dem Beyſatze des
Worts σωτήριος, damit er ſich auf das vorher-
gehende Wort σωτὴρ Heyland gantz deutlich be-
ziehet. So nennet er ihn auch V. 13. den groſ-
ſen GOtt, und ſchreibet ihm zu die letzte ἐπιφά-
νειαν, Erſcheinung zum Gericht und zur Herrlich-
keit, gleichwie er ihm vorher V. 11. die Erſchei-
nung zur Erloͤſung zugeſchrieben hat.
2. Es ſind ſonſt in dieſem Verſe noch drey
Stuͤcke beſonders wohl zu mercken: die heylſa-
me Gnade: ihre Erſcheinung, und denn wie
dieſe alle Menſchen angehe. Mit dem Wor-
te Gnade wird bezeichnet der gnaͤdige Rath
GOttes von der Wiederbringung des durch die
Suͤnde verlohrnen menſchlichen Geſchlechts.
Und heißt dieſe Gnade ſonſt auch die Barmher-
tzigkeit und Liebe, imgleichen χρηςότης und ϕι-
λανθρωπία, die Guͤtigkeit und Leutſeligkeit, oder
Menſchen-Liebe. Tit. 3, 4. welche Gnade das
Principium, oder die Quelle des Evangelii
und unſerer Seeligkeit iſt. Sie heißt σωτήριος,
heylwaͤrtig, heylsvoll, weil ſie ſich auf den
Heyland und Erloͤſer gruͤndet, und durch ihn
das verlohrne Heyl in ſo vielen Heyls-Guͤtern
reichlich wiederbringet: als von welchem es
heißt Jeſ. 45, 23. Wendet euch zu mir, ſo
werdet ihr ſelig aller Welt Ende u. ſ. w.
Und Ap. Geſ. 4, 12. Es iſt in keinem andern
Heyl, auch kein ander Name den Menſchen
gegeben, darinnen wir ſollen ſelig werden,
nemlich, als in dem Namen Chriſti.
3. Von dieſer Gnade heißt es ἐπεϕάνη,
ſie iſt erſchienen, in Anſehung der Erloͤſung und
Berufung. Und alſo gehoͤren zu dieſer Erſchei-
nung dieſe zwey Haupt-Stuͤcke: erſtlich die
Menſchwerdung Chriſti nebſt dem darauf
ausgefuͤhrten Wercke der Erloͤſung; ſintemal
die erſchienene Gnade iſt σωτήριος, eine Heyls-
Gnade, die uns das Heyl gebracht hat: und
denn das prophetiſche Amt Chriſti. Denn
nach der Menſchwerdung iſt die Gnade derge-
ſtalt erſchienen, daß ſie in Chriſto gleichſam
ſichtbar worden iſt: ſintemal GOTT ſelbſt ge-
offenbahret iſt im Fleiſch 2 Tim. 3, 16. und es
hat uns beſucht der Aufgang aus der Hoͤhe
Luc. 1, 78. als die Sonne der Gerechtigkeit
Mal. 3, 1. und das Licht der Welt Joh. 1, 4. u. f.
alſo daß in Chriſto die Herrlichkeit des HErrn
ſich geoffenbaret hat und nach der Dunckelheit
und dem Schatten-Werck des Judenthums,
auch nach der Finſterniß des abgoͤttiſchen Hey-
denthums, aufgegangen iſt uͤber das menſch-
liche Geſchlecht. Jeſ. 60, 1. daher Johannes c. 1,
14. ſpricht: Das Wort ward Fleiſch und
wohnete unter uns, und wir ſahen ſeine
Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, als des ein-
gebornen Sohnes GOttes, voller Gnade
und Wahrheit. Da nun Chriſtus nach uͤber-
nommener Taufe ſein prophetiſches Amt an-
trat; ſo ging dadurch das Gnaden-Licht auf
uͤber die gantze Juͤdiſche Nation, ja uͤber al-
le uͤbrige Voͤlcker; ſintemal er ſolches Amt her-
nach auch mittelbar durch die Apoſtel und an-
dere getreue Lehrer fortgeſetzet hat, und durch
dieſe nebſt ſeinem Wort noch heute zu tage alſo
fortfuͤhret, daß die Verkuͤndigung des Evangelii
nichts anders iſt, als ein erſcheinendes Gnaden-
Licht GOttes. Wie denn dieſes, daß auch wir
Teutſchen ſchon vorlaͤngſt das Licht des Evangelii
haben, eine Frucht von der erſchienenen heylſa-
men Gnade iſt.
4. Und daraus iſt denn nun leichtlich zu
erkennen, wie die heylsvolle Gnade GOttes un-
ſers Heylandes auſſer der Juͤdiſchen Nation al-
len Menſchen erſchienen ſey, und noch erſcheine.
Denn nach ſo vielen prophetiſchen Verheiſſun-
gen; daß alle Voͤlcker auf Erden durch den
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3. c. 18, 18. c. 22, 18. c. 26, 4. ſolte eben dieſes
eines mit von den Haupt-Kennzeichen des Meſ-
ſiaͤ, und eine Haupt-Eigenſchaft ſeines geiſtli-
chen Reichs ſeyn. Darum er der Erfuͤllung
nach ſeinen Apoſteln dieſe Inſtruction gab:
Gehet hin in alle Welt, und lehret alle Hey-
den, u. ſ. w. Matth. 28, 19. Und Paulus ſchrieb
ſchon zu ſeiner Zeit im Jahr Chriſti 62. in dem
Briefe an die Coloſſer c. 1, 23. Jhr habt ge-
hoͤret das Evangelium, welches iſt gepre-
diget unter alle Creatur, die unter dem
Himmel iſt. Und v. 28. Denn wir verkuͤn-
digen und vermahnen alle Menſchen und
lehren alle Menſchen mit aller Weisheit,
auf daß wir darſtellen einen ieglichen Men-
ſchen vollkommen in Chriſto.
5. Es wird aber ein ieglicher Leſer von ſich
ſelbſt leichtlich erachten, daß ein anders ſey, die Er-
ſcheinung und ein anders die Annehmung der
Gnade. Denn gleichwie einer ſich dem allen auf-
gehenden Lichte der Sonnen entziehen kan, alſo,
daß er entweder nicht an deſſelbe koͤm̃t, oder dem-
ſelben entweicht: alſo gehet es auch mit dem
geiſtlichen Licht der Welt, Chriſto und ſeiner er-
leuchtenden Gnade. Denn er kam, als ein Licht,
zu dem Juͤdiſchen Volcke, als in ſein Eigen-
thum; aber ſie nahmen ihn, dem groͤſſeſten Hau-
fen nach, nicht auf. Denn ſie liebten die Finſter-
niß mehr, denn das Licht, darum kamen ſie
nicht an das Licht, daß ihre boͤſe Wercke nicht of-
fenbar und geſtrafet wuͤrden. Joh. 1, 11. c. 3,
19. 20.
6. Es hat demnach ein ieglicher ſich ſelbſt
zu pruͤfen, wie er die Gnade bey ihrer Erſchei-
nung,
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/208>, abgerufen am 23.11.2024.
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