[Spaltenumbruch]
v. 22. Col. 3, 18. 1 Timoth. 2, 12. u. f. 1 Pet. 3, 1. 2.
V. 6.
Desselben gleichen die jungen Männer ermahne, daß sie züchtig seyn, (sophronei~n, eines nüchternen und verständigen Gemüths, auch eines bescheidenen Wesens zu seyn, und sich dabey auch der v. 2. benenneten Tugenden zu befleißigen, und sonderlich der Zucht, Keusch- heit und Mäßigkeit, als ohne welche Tugenden keine sophrosune, vernünftige, weise und wohl- geordnete Gemüths-Fassung statt findet.)
V. 7. 8.
Allenthalben aber (und in allen Stü- cken) stelle dich selbst zum Vorbilde guter Wercke, (daß du, was du mit Worten sagest, auch mit dem Leben selbst beweisest, und also nicht allein die Nothwendigkeit, sondern auch die Möglichkeit der Ausübung bezeugest,) mit unverfälschter Lehre, (en te didaskalia adiaphthorian, in der Lehre unverfälschte Lauter- keit, nemlich stelle dar) mit Ehrbarkeit, (semnoteta, die Ernsthaftigkeit und Christliche gravität,) V. 8. mit heilsamen und unta- delichen Wort (logon [u]gie, akatagnoson, ein gesundes und unverwerfliches Wort der Leh- re, nemlich stelle dar, trage vor,) auf daß der Widerwärtige (er sey ausser der Kirche ein unbekehrter Jude, oder Heyde; oder in der- selben ein Falschbekehrter C. 1, 9.) sich schäme, (wenn er durch die That selbst, oder durch un- sere Unschuld widerleget und als ein Verläum- der erfunden wird,) und nichts habe, daß er von uns (sowol Lehrern als Zuhörern,) böses sage, (mit einigem Grund, ja auch nur mit einigem Schein der Wahrheit; und also wider seinen Willen, wo nicht gutes von uns reden, doch stillschweigen müsse.)
Anmerckungen.
1. Es ist allerdinge sehr viel daran gelegen, daß ein Lehrer ein Vorbild guter Wercke sey; denn gleichwie dieses den Worten den meisten Nachdruck bey den Zuhörern giebt: also setzet es den Lehrer auch in eine solche Auctorität, die seinem Amte hochnöthig und zuträglich ist: da hin- gegen ein ärgerliches Leben den Vortrag des Worts und die gantze Person mit dem Amte verächtlich machet. Man sehe, wie ernstlich Paulus auch anderwärtig darauf dringet, 1 Cor. 11, 1. Phil. 3, 17. 1 Timoth. 4, 12. Siehe auch 1 Pet. 3, 3.
2. Der Lehrer soll sich der Gemeine zum Vorbilde darstellen peri panta, nach allen Stücken, allenthalben und allezeit: und also sonderlich in dem besondern Umgange mit den Zuhörern: und folglich wenn er bey einer ge- wissen Ausrichtung, als auf Hochzeiten, sich in ihrer Gesellschaft befindet, da soll er mit seiner Gegenwart ein rechtes Saltz unter ihnen seyn, und Gelegenheit geben zu allerhand erbaulichen Reden, sie auch selbst führen, und damit ein unnütz und ärgerliches Geschwätz, sonderlich das [Spaltenumbruch]
leichtsinnige Schertz-Reden und die Erzehlung lächerlicher Histörichen verhindern. Hat er dazu die gehörige Auctorität und Kraft nicht, so ist es um ihn schlecht bestellet. Siehet er aber vorher, daß er damit nicht auskommen kan, und es nicht angenommen wird, so bleibe er davon. Da er es sich denn wol darf mercken lassen, was die Ursache seiner Abwesenheit sey, damit eitele Zuhörer auch dadurch in ihrem Gewissen bestra- fet werden. Nichts unanständigers aber ist als wenn ein Lehrer, mitten unter den Spöttern Spielern und Säufern oder doch eitelen Schwä- tzern sitzet, und sich als ein recht tummes Saltz erweiset.
3. Gute Wercke aber, darinnen sich der Lehrer als ein Vorbild erweisen soll, sind solche Früchte des Geistes, welche sich bey keinem fin- den, als nur bey dem, der aus der Gnade GOt- tes wiedergeboren und mit Licht, Recht und Kraft im Glauben an seiner Seelen recht gesalbet ist, und also ist wie ein Baum an den Wasserbä- chen gepflantzet. Denn da bringet er seine be- ständige Früchte also, daß auch die Blätter der äusserlichen aus solchem guten Grunde hergeleite- ten Ehrbarkeit nicht verwelcken. Ps. 1, 3. Sol- che Wercke gehen denn aus dem Glauben und geschehen nach den Pflichten der Liebe im Namen JEsu Christi zur Ehre GOttes. Dadurch läßt man sein Licht leuchten vor den Leucen zu ihrer theils Beschämung, theils Erweckung und Nach- folge. Wo aber dieser Grund und diese Ord- nung nicht ist, da sind es blosse Natur-Wercke, die zum Vorbilde nicht dienen, sondern nur Heuchler machen.
4. 'Adiaphthoria, die Unverweslichkeit in der Lehre ist die rechte Lauterkeit und Reinig- keit; vermöge welcher sie eine solche Kraft in sich hat, welche nach und nach aller phtho[fremdsprachliches Material]a, aller Cor- ruption und Fäulung, die in der Erb-Sünde lieget, und daher durch wirckliche Sünden sich ausbreitet, gar nachdrücklich und wircklich wi- derstehet und abhilft. Solche Lehren sind alle diejenigen, welche zum Grunde und zur Ordnung des Heyls gehören; die daher auch gantz unver- fälschet in aller Lauterkeit müssen vorgetragen und appliciret werden. Da hingegen eine Leh- re, welche der Anzündung und Verinehrung des Glaubens, auch der wahren gründlichen Bekeh- rung und ernstlichen Erneuerung entgegen stehet, und entweder auf der einen Seite kleinmuthig, oder auf der andern frech und sicher machet, phtho- ran eine Fäulung, oder ein Principium und Ur- sache zur Corruption in sich hält und diese aus sich gebieret. Und also ist die adiaphthoria, die Unverweslichkeit der Lehre eben diejenige Art und Natur derselben, nach welcher sie von Paulo in diesen Pastoral-Briefen so oft ugiainousa, die gesunde, oder gesundmachende genennet wird. Siehe 1 Tim. 1, 10. c. 6, 3. 2 Tim. 1, 13. c. 4, 3. Tit. 1, 9. 13. c. 2, 1. 2. 8.
5. Es ist auch wohl zu mercken, daß der Apostel das Vorbild guter Wercke und die unverfälschte Lehre zusammen setzet: sinte- mal eines ohne das andere nicht ist, noch seyn kan.
Denn
Erklaͤrung des Briefes Pauli C. 2. v. 6-8.
[Spaltenumbruch]
v. 22. Col. 3, 18. 1 Timoth. 2, 12. u. f. 1 Pet. 3, 1. 2.
V. 6.
Deſſelben gleichen die jungen Maͤnner ermahne, daß ſie zuͤchtig ſeyn, (σωϕρονει῀ν, eines nuͤchternen und verſtaͤndigen Gemuͤths, auch eines beſcheidenen Weſens zu ſeyn, und ſich dabey auch der v. 2. benenneten Tugenden zu befleißigen, und ſonderlich der Zucht, Keuſch- heit und Maͤßigkeit, als ohne welche Tugenden keine σωϕροσύνη, vernuͤnftige, weiſe und wohl- geordnete Gemuͤths-Faſſung ſtatt findet.)
V. 7. 8.
Allenthalben aber (und in allen Stuͤ- cken) ſtelle dich ſelbſt zum Vorbilde guter Wercke, (daß du, was du mit Worten ſageſt, auch mit dem Leben ſelbſt beweiſeſt, und alſo nicht allein die Nothwendigkeit, ſondern auch die Moͤglichkeit der Ausuͤbung bezeugeſt,) mit unverfaͤlſchter Lehre, (ἐν τῇ διδασκαλίᾳ αδιαϕϑορίαν, in der Lehre unverfaͤlſchte Lauter- keit, nemlich ſtelle dar) mit Ehrbarkeit, (σεμνότητα, die Ernſthaftigkeit und Chriſtliche gravitaͤt,) V. 8. mit heilſamen und unta- delichen Wort (λόγον [ὑ]γιῆ, ἀκατάγνωςον, ein geſundes und unverwerfliches Wort der Leh- re, nemlich ſtelle dar, trage vor,) auf daß der Widerwaͤrtige (er ſey auſſer der Kirche ein unbekehrter Jude, oder Heyde; oder in der- ſelben ein Falſchbekehrter C. 1, 9.) ſich ſchaͤme, (wenn er durch die That ſelbſt, oder durch un- ſere Unſchuld widerleget und als ein Verlaͤum- der erfunden wird,) und nichts habe, daß er von uns (ſowol Lehrern als Zuhoͤrern,) boͤſes ſage, (mit einigem Grund, ja auch nur mit einigem Schein der Wahrheit; und alſo wider ſeinen Willen, wo nicht gutes von uns reden, doch ſtillſchweigen muͤſſe.)
Anmerckungen.
1. Es iſt allerdinge ſehr viel daran gelegen, daß ein Lehrer ein Vorbild guter Wercke ſey; denn gleichwie dieſes den Worten den meiſten Nachdruck bey den Zuhoͤrern giebt: alſo ſetzet es den Lehrer auch in eine ſolche Auctoritaͤt, die ſeinem Amte hochnoͤthig und zutraͤglich iſt: da hin- gegen ein aͤrgerliches Leben den Vortrag des Worts und die gantze Perſon mit dem Amte veraͤchtlich machet. Man ſehe, wie ernſtlich Paulus auch anderwaͤrtig darauf dringet, 1 Cor. 11, 1. Phil. 3, 17. 1 Timoth. 4, 12. Siehe auch 1 Pet. 3, 3.
2. Der Lehrer ſoll ſich der Gemeine zum Vorbilde darſtellen περὶ πάντα, nach allen Stuͤcken, allenthalben und allezeit: und alſo ſonderlich in dem beſondern Umgange mit den Zuhoͤrern: und folglich wenn er bey einer ge- wiſſen Ausrichtung, als auf Hochzeiten, ſich in ihrer Geſellſchaft befindet, da ſoll er mit ſeiner Gegenwart ein rechtes Saltz unter ihnen ſeyn, und Gelegenheit geben zu allerhand erbaulichen Reden, ſie auch ſelbſt fuͤhren, und damit ein unnuͤtz und aͤrgerliches Geſchwaͤtz, ſonderlich das [Spaltenumbruch]
leichtſinnige Schertz-Reden und die Erzehlung laͤcherlicher Hiſtoͤrichen verhindern. Hat er dazu die gehoͤrige Auctoritaͤt und Kraft nicht, ſo iſt es um ihn ſchlecht beſtellet. Siehet er aber vorher, daß er damit nicht auskommen kan, und es nicht angenommen wird, ſo bleibe er davon. Da er es ſich denn wol darf mercken laſſen, was die Urſache ſeiner Abweſenheit ſey, damit eitele Zuhoͤrer auch dadurch in ihrem Gewiſſen beſtra- fet werden. Nichts unanſtaͤndigers aber iſt als wenn ein Lehrer, mitten unter den Spoͤttern Spielern und Saͤufern oder doch eitelen Schwaͤ- tzern ſitzet, und ſich als ein recht tummes Saltz erweiſet.
3. Gute Wercke aber, darinnen ſich der Lehrer als ein Vorbild erweiſen ſoll, ſind ſolche Fruͤchte des Geiſtes, welche ſich bey keinem fin- den, als nur bey dem, der aus der Gnade GOt- tes wiedergeboren und mit Licht, Recht und Kraft im Glauben an ſeiner Seelen recht geſalbet iſt, und alſo iſt wie ein Baum an den Waſſerbaͤ- chen gepflantzet. Denn da bringet er ſeine be- ſtaͤndige Fruͤchte alſo, daß auch die Blaͤtter der aͤuſſerlichen aus ſolchem guten Grunde hergeleite- ten Ehrbarkeit nicht verwelcken. Pſ. 1, 3. Sol- che Wercke gehen denn aus dem Glauben und geſchehen nach den Pflichten der Liebe im Namen JEſu Chriſti zur Ehre GOttes. Dadurch laͤßt man ſein Licht leuchten vor den Leucen zu ihrer theils Beſchaͤmung, theils Erweckung und Nach- folge. Wo aber dieſer Grund und dieſe Ord- nung nicht iſt, da ſind es bloſſe Natur-Wercke, die zum Vorbilde nicht dienen, ſondern nur Heuchler machen.
4. ᾽Αδιαϕϑορία, die Unverweslichkeit in der Lehre iſt die rechte Lauterkeit und Reinig- keit; vermoͤge welcher ſie eine ſolche Kraft in ſich hat, welche nach und nach aller φθο[fremdsprachliches Material]ᾷ, aller Cor- ruption und Faͤulung, die in der Erb-Suͤnde lieget, und daher durch wirckliche Suͤnden ſich ausbreitet, gar nachdruͤcklich und wircklich wi- derſtehet und abhilft. Solche Lehren ſind alle diejenigen, welche zum Grunde und zur Ordnung des Heyls gehoͤren; die daher auch gantz unver- faͤlſchet in aller Lauterkeit muͤſſen vorgetragen und appliciret werden. Da hingegen eine Leh- re, welche der Anzuͤndung und Verinehrung des Glaubens, auch der wahren gruͤndlichen Bekeh- rung und ernſtlichen Erneuerung entgegen ſtehet, und entweder auf der einen Seite kleinmuthig, oder auf der andern frech und ſicher machet, φθο- ρὰν eine Faͤulung, oder ein Principium und Ur- ſache zur Corruption in ſich haͤlt und dieſe aus ſich gebieret. Und alſo iſt die ἀδιαφθορία, die Unverweslichkeit der Lehre eben diejenige Art und Natur derſelben, nach welcher ſie von Paulo in dieſen Paſtoral-Briefen ſo oft ὑγιαίνουσα, die geſunde, oder geſundmachende genennet wird. Siehe 1 Tim. 1, 10. c. 6, 3. 2 Tim. 1, 13. c. 4, 3. Tit. 1, 9. 13. c. 2, 1. 2. 8.
5. Es iſt auch wohl zu mercken, daß der Apoſtel das Vorbild guter Wercke und die unverfaͤlſchte Lehre zuſammen ſetzet: ſinte- mal eines ohne das andere nicht iſt, noch ſeyn kan.
Denn
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[204/0206]
Erklaͤrung des Briefes Pauli C. 2. v. 6-8.
v. 22. Col. 3, 18. 1 Timoth. 2, 12. u. f. 1 Pet.
3, 1. 2.
V. 6.
Deſſelben gleichen die jungen Maͤnner
ermahne, daß ſie zuͤchtig ſeyn, (σωϕρονει῀ν,
eines nuͤchternen und verſtaͤndigen Gemuͤths,
auch eines beſcheidenen Weſens zu ſeyn, und
ſich dabey auch der v. 2. benenneten Tugenden zu
befleißigen, und ſonderlich der Zucht, Keuſch-
heit und Maͤßigkeit, als ohne welche Tugenden
keine σωϕροσύνη, vernuͤnftige, weiſe und wohl-
geordnete Gemuͤths-Faſſung ſtatt findet.)
V. 7. 8.
Allenthalben aber (und in allen Stuͤ-
cken) ſtelle dich ſelbſt zum Vorbilde guter
Wercke, (daß du, was du mit Worten ſageſt,
auch mit dem Leben ſelbſt beweiſeſt, und alſo
nicht allein die Nothwendigkeit, ſondern auch
die Moͤglichkeit der Ausuͤbung bezeugeſt,) mit
unverfaͤlſchter Lehre, (ἐν τῇ διδασκαλίᾳ
αδιαϕϑορίαν, in der Lehre unverfaͤlſchte Lauter-
keit, nemlich ſtelle dar) mit Ehrbarkeit,
(σεμνότητα, die Ernſthaftigkeit und Chriſtliche
gravitaͤt,) V. 8. mit heilſamen und unta-
delichen Wort (λόγον ὑγιῆ, ἀκατάγνωςον,
ein geſundes und unverwerfliches Wort der Leh-
re, nemlich ſtelle dar, trage vor,) auf daß
der Widerwaͤrtige (er ſey auſſer der Kirche
ein unbekehrter Jude, oder Heyde; oder in der-
ſelben ein Falſchbekehrter C. 1, 9.) ſich ſchaͤme,
(wenn er durch die That ſelbſt, oder durch un-
ſere Unſchuld widerleget und als ein Verlaͤum-
der erfunden wird,) und nichts habe, daß er
von uns (ſowol Lehrern als Zuhoͤrern,) boͤſes
ſage, (mit einigem Grund, ja auch nur mit
einigem Schein der Wahrheit; und alſo wider
ſeinen Willen, wo nicht gutes von uns reden,
doch ſtillſchweigen muͤſſe.)
Anmerckungen.
1. Es iſt allerdinge ſehr viel daran gelegen,
daß ein Lehrer ein Vorbild guter Wercke ſey;
denn gleichwie dieſes den Worten den meiſten
Nachdruck bey den Zuhoͤrern giebt: alſo ſetzet es
den Lehrer auch in eine ſolche Auctoritaͤt, die
ſeinem Amte hochnoͤthig und zutraͤglich iſt: da hin-
gegen ein aͤrgerliches Leben den Vortrag des
Worts und die gantze Perſon mit dem Amte
veraͤchtlich machet. Man ſehe, wie ernſtlich
Paulus auch anderwaͤrtig darauf dringet, 1 Cor.
11, 1. Phil. 3, 17. 1 Timoth. 4, 12. Siehe auch
1 Pet. 3, 3.
2. Der Lehrer ſoll ſich der Gemeine zum
Vorbilde darſtellen περὶ πάντα, nach allen
Stuͤcken, allenthalben und allezeit: und alſo
ſonderlich in dem beſondern Umgange mit den
Zuhoͤrern: und folglich wenn er bey einer ge-
wiſſen Ausrichtung, als auf Hochzeiten, ſich in
ihrer Geſellſchaft befindet, da ſoll er mit ſeiner
Gegenwart ein rechtes Saltz unter ihnen ſeyn,
und Gelegenheit geben zu allerhand erbaulichen
Reden, ſie auch ſelbſt fuͤhren, und damit ein
unnuͤtz und aͤrgerliches Geſchwaͤtz, ſonderlich das
leichtſinnige Schertz-Reden und die Erzehlung
laͤcherlicher Hiſtoͤrichen verhindern. Hat er
dazu die gehoͤrige Auctoritaͤt und Kraft nicht,
ſo iſt es um ihn ſchlecht beſtellet. Siehet er aber
vorher, daß er damit nicht auskommen kan, und
es nicht angenommen wird, ſo bleibe er davon.
Da er es ſich denn wol darf mercken laſſen, was
die Urſache ſeiner Abweſenheit ſey, damit eitele
Zuhoͤrer auch dadurch in ihrem Gewiſſen beſtra-
fet werden. Nichts unanſtaͤndigers aber iſt
als wenn ein Lehrer, mitten unter den Spoͤttern
Spielern und Saͤufern oder doch eitelen Schwaͤ-
tzern ſitzet, und ſich als ein recht tummes Saltz
erweiſet.
3. Gute Wercke aber, darinnen ſich der
Lehrer als ein Vorbild erweiſen ſoll, ſind ſolche
Fruͤchte des Geiſtes, welche ſich bey keinem fin-
den, als nur bey dem, der aus der Gnade GOt-
tes wiedergeboren und mit Licht, Recht und
Kraft im Glauben an ſeiner Seelen recht geſalbet
iſt, und alſo iſt wie ein Baum an den Waſſerbaͤ-
chen gepflantzet. Denn da bringet er ſeine be-
ſtaͤndige Fruͤchte alſo, daß auch die Blaͤtter der
aͤuſſerlichen aus ſolchem guten Grunde hergeleite-
ten Ehrbarkeit nicht verwelcken. Pſ. 1, 3. Sol-
che Wercke gehen denn aus dem Glauben und
geſchehen nach den Pflichten der Liebe im Namen
JEſu Chriſti zur Ehre GOttes. Dadurch laͤßt
man ſein Licht leuchten vor den Leucen zu ihrer
theils Beſchaͤmung, theils Erweckung und Nach-
folge. Wo aber dieſer Grund und dieſe Ord-
nung nicht iſt, da ſind es bloſſe Natur-Wercke,
die zum Vorbilde nicht dienen, ſondern nur
Heuchler machen.
4. ᾽Αδιαϕϑορία, die Unverweslichkeit
in der Lehre iſt die rechte Lauterkeit und Reinig-
keit; vermoͤge welcher ſie eine ſolche Kraft in ſich
hat, welche nach und nach aller φθο_ ᾷ, aller Cor-
ruption und Faͤulung, die in der Erb-Suͤnde
lieget, und daher durch wirckliche Suͤnden ſich
ausbreitet, gar nachdruͤcklich und wircklich wi-
derſtehet und abhilft. Solche Lehren ſind alle
diejenigen, welche zum Grunde und zur Ordnung
des Heyls gehoͤren; die daher auch gantz unver-
faͤlſchet in aller Lauterkeit muͤſſen vorgetragen
und appliciret werden. Da hingegen eine Leh-
re, welche der Anzuͤndung und Verinehrung des
Glaubens, auch der wahren gruͤndlichen Bekeh-
rung und ernſtlichen Erneuerung entgegen ſtehet,
und entweder auf der einen Seite kleinmuthig,
oder auf der andern frech und ſicher machet, φθο-
ρὰν eine Faͤulung, oder ein Principium und Ur-
ſache zur Corruption in ſich haͤlt und dieſe aus
ſich gebieret. Und alſo iſt die ἀδιαφθορία, die
Unverweslichkeit der Lehre eben diejenige Art
und Natur derſelben, nach welcher ſie von Paulo
in dieſen Paſtoral-Briefen ſo oft ὑγιαίνουσα, die
geſunde, oder geſundmachende genennet
wird. Siehe 1 Tim. 1, 10. c. 6, 3. 2 Tim. 1, 13. c. 4, 3.
Tit. 1, 9. 13. c. 2, 1. 2. 8.
5. Es iſt auch wohl zu mercken, daß der
Apoſtel das Vorbild guter Wercke und die
unverfaͤlſchte Lehre zuſammen ſetzet: ſinte-
mal eines ohne das andere nicht iſt, noch ſeyn kan.
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/206>, abgerufen am 23.11.2024.
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