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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli Cap. 2. v. 1-3.
Das Andere Capitel,
Darinnen
Der Apostel Leuten von unterschiedlichem Alter und
Stande ihre Pflichten einschärfet/ und dazu die kräftigsten Bewegungs-
Gründe/ die von der Evangelischen Gnade GOttes und von der Erlösung/
auch von der Zukunft Christi zum Gericht hergenommen
sind/ anführet.
[Spaltenumbruch]
V. 1.

DU aber (der du durch GOTTES
Gnade gantz anders gesinnet und
zum Wächter über die sämtlichen
Gemeinen in Creta bestellet bist)
rede (predige öffentlich und beson-
ders bey aller theils mit Fleiß Amts
halber genommenen und gesuchten, theils auch
gegebnen Gelegenheit) wie sichs ziemet nach
der heylsamen Lehre
(ugiainou'se didaskalia,
nach der Lehre, die an sich rein und gesund ist und
im Glauben recht gesund und starck machet, da-
durch sich auch recht heylsam erweiset, und sich
wie zum Unterricht und Ermahnung, auch zum
Troste; also auch zur Bestrafung, zur Warnung
und zur Widerlegung aufs kräftigste appliciren
läßt von einem, der darinn recht mächtig ist,
nach Cap. 1, 9.)

Anmerckungen.

1. Sind wir des täglichen Brodts, als ei-
ner recht gesunden Speise, zu unsers Leibes
Nothdurft täglich benöthiget; warum wolten
wir uns nicht das göttliche Wort, sonderlich das
Wort des Evangelii, zur täglichen Nahrung un-
serer Seele dienen lassen, sintemal dieses das ge-
segneste Mittel ist, wodurch uns GOTT seine
Gnade einflösset.

2. Es geben diese Worte eine sehr nöthige
und heylsame homiletische Prediger-Regel,
daß man ja niemals anders reden solle, als wie
sichs ziemet nach der heylsamen und gesunden Leh-
re. O wie oft wird dagegen auf eine solche Art
gesündiget, daß im Vortrage weder Geist noch
Kraft ist. Will man aber darnach reden, so muß
man das Vorbild der heylsamen Lehre, als eine
theure Beylage haben und durch den Beystand
des Heiligen Geistes getreulich anlegen und durch
solch Anlegen wohl bewahren 2 Tim. 1, 13. 14.

V. 2.

Den Alten (Männern sage) daß sie nüch-
tern seyn
(und sich ihr Alter, da sie unvermögend
sind, mehr viel zu arbeiten, sich nicht zum Trunck
verleiten lassen; zumal wenn sie gedencken, daß
sie für ihr Alter etwas vor sich gebracht haben)
ehrbar (semnou's, gravitätisch, ernsthaftig
exemplarisch, damit sie bey jungen Leuten eine
Auctorität haben, und ihnen ein gut Exempel
geben) züchtig (sophronas, eines wie nüchternen
[Spaltenumbruch] Leibes, also auch nüchternen, oder verständigen
Gemüths, und eines daher entstehenden klüglichen
und vorsichtigen Wandels) gesund im Glauben
(also daß die Lehre, woran sie halten, rein und un-
verfälschet, und der Glaube, der sich darauf fusset,
im Hertzen recht lebendig und kräftig sey) in der
Liebe
(daß diese sey ohne alle Heucheley, und sich
der Glaube dadurch in allen Pflichten also hervor
thue, gleichwie sich die innere Gesundheit des Lei-
bes in allen Geschäften des Menschen nach dem
Leibe äussert) in der Geduld (darinnen die Liebe
die schwereste Pflichten findet, sonderlich gegen
die Feinde, in williger Ubernehmung alles ange-
thanen Unrechts, oder des einem auch sonst zustos-
senden Ungemachs: wie denn oft ein ieder Tag
seine eigene Plage hat. Matth. 6, 34.

Anmerckungen.

1. Es ist nicht genug, daß ein Lehrer die ge-
meinen Christen-Pflichten, die allen und ieden
ohne allen Unterscheid des Alters und des Stan-
des zukommen, wohl einschärfe; sondern es ist
auch nöthig, daß er auch öfters die besondere
Schuldigkeit, die diesem und jenem nach seinem
Alter und äusserlichen Stande oblieget, wohl vor-
halte, und wider die Versuchungen, welchen sie
dabey sonderlich unterworfen sind, sie warne und
verwahre.

2. So haben auch Zuhörer und Leser des
göttlichen Worts gleichfals dahin zu sehen, daß
sie sich nebst der gemeinen Christen-Pflicht son-
derlich dasjenige wohl mercken und zur Ubung
bringen, was ihnen ihres Alters und Standes,
auch Geschlechts halber, insonderheit oblieget.

V. 3.

Den alten Weibern desselben gleichen
(daß sie seyn sollen nüchtern, ernsthaftig, ver-
ständig u. s. w. nach v. 1. und über das) daß sie
sich stellen,
(en katasemati, in einer solchen
äusserlichen Gestalt der Kleidung, auch in Ge-
berden, Reden und übrigen Betragen) wie
den Heiligen
(solchen die der Heiligung nach-
jagen, und darinnen den jungen Weibern mit
gutem Exempel vorgehen,) geziemet, nicht
Lästerinnen seyn,
(dahin sie durch unnütz Ge-
schwätz, Fürwitz, Leichtgläubigkeit, und leicht-
sinnige Beurtheilung anderer leichtlich verfallen
können, aber dadurch mit dem Namen diabo-
los, welches von ihnen alhier gebrauchet wird,

wie
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 2. v. 1-3.
Das Andere Capitel,
Darinnen
Der Apoſtel Leuten von unterſchiedlichem Alter und
Stande ihre Pflichten einſchaͤrfet/ und dazu die kraͤftigſten Bewegungs-
Gruͤnde/ die von der Evangeliſchen Gnade GOttes und von der Erloͤſung/
auch von der Zukunft Chriſti zum Gericht hergenommen
ſind/ anfuͤhret.
[Spaltenumbruch]
V. 1.

DU aber (der du durch GOTTES
Gnade gantz anders geſinnet und
zum Waͤchter uͤber die ſaͤmtlichen
Gemeinen in Creta beſtellet biſt)
rede (predige oͤffentlich und beſon-
ders bey aller theils mit Fleiß Amts
halber genommenen und geſuchten, theils auch
gegebnen Gelegenheit) wie ſichs ziemet nach
der heylſamen Lehre
(ὑγιαινου᾽σῃ διδασκαλίᾳ,
nach der Lehre, die an ſich rein und geſund iſt und
im Glauben recht geſund und ſtarck machet, da-
durch ſich auch recht heylſam erweiſet, und ſich
wie zum Unterricht und Ermahnung, auch zum
Troſte; alſo auch zur Beſtrafung, zur Warnung
und zur Widerlegung aufs kraͤftigſte appliciren
laͤßt von einem, der darinn recht maͤchtig iſt,
nach Cap. 1, 9.)

Anmerckungen.

1. Sind wir des taͤglichen Brodts, als ei-
ner recht geſunden Speiſe, zu unſers Leibes
Nothdurft taͤglich benoͤthiget; warum wolten
wir uns nicht das goͤttliche Wort, ſonderlich das
Wort des Evangelii, zur taͤglichen Nahrung un-
ſerer Seele dienen laſſen, ſintemal dieſes das ge-
ſegneſte Mittel iſt, wodurch uns GOTT ſeine
Gnade einfloͤſſet.

2. Es geben dieſe Worte eine ſehr noͤthige
und heylſame homiletiſche Prediger-Regel,
daß man ja niemals anders reden ſolle, als wie
ſichs ziemet nach der heylſamen und geſunden Leh-
re. O wie oft wird dagegen auf eine ſolche Art
geſuͤndiget, daß im Vortrage weder Geiſt noch
Kraft iſt. Will man aber darnach reden, ſo muß
man das Vorbild der heylſamen Lehre, als eine
theure Beylage haben und durch den Beyſtand
des Heiligen Geiſtes getreulich anlegen und durch
ſolch Anlegen wohl bewahren 2 Tim. 1, 13. 14.

V. 2.

Den Alten (Maͤnnern ſage) daß ſie nuͤch-
tern ſeyn
(und ſich ihr Alter, da ſie unvermoͤgend
ſind, mehr viel zu arbeiten, ſich nicht zum Trunck
verleiten laſſen; zumal wenn ſie gedencken, daß
ſie fuͤr ihr Alter etwas vor ſich gebracht haben)
ehrbar (σεμνου´ς, gravitaͤtiſch, ernſthaftig
exemplariſch, damit ſie bey jungen Leuten eine
Auctoritaͤt haben, und ihnen ein gut Exempel
geben) zuͤchtig (σὼϕρονας, eines wie nuͤchternen
[Spaltenumbruch] Leibes, alſo auch nuͤchternen, oder verſtaͤndigen
Gemuͤths, und eines daher entſtehenden kluͤglichen
und vorſichtigen Wandels) geſund im Glauben
(alſo daß die Lehre, woran ſie halten, rein und un-
verfaͤlſchet, und der Glaube, der ſich darauf fuſſet,
im Hertzen recht lebendig und kraͤftig ſey) in der
Liebe
(daß dieſe ſey ohne alle Heucheley, und ſich
der Glaube dadurch in allen Pflichten alſo hervor
thue, gleichwie ſich die innere Geſundheit des Lei-
bes in allen Geſchaͤften des Menſchen nach dem
Leibe aͤuſſert) in der Geduld (darinnen die Liebe
die ſchwereſte Pflichten findet, ſonderlich gegen
die Feinde, in williger Ubernehmung alles ange-
thanen Unrechts, oder des einem auch ſonſt zuſtoſ-
ſenden Ungemachs: wie denn oft ein ieder Tag
ſeine eigene Plage hat. Matth. 6, 34.

Anmerckungen.

1. Es iſt nicht genug, daß ein Lehrer die ge-
meinen Chriſten-Pflichten, die allen und ieden
ohne allen Unterſcheid des Alters und des Stan-
des zukommen, wohl einſchaͤrfe; ſondern es iſt
auch noͤthig, daß er auch oͤfters die beſondere
Schuldigkeit, die dieſem und jenem nach ſeinem
Alter und aͤuſſerlichen Stande oblieget, wohl vor-
halte, und wider die Verſuchungen, welchen ſie
dabey ſonderlich unterworfen ſind, ſie warne und
verwahre.

2. So haben auch Zuhoͤrer und Leſer des
goͤttlichen Worts gleichfals dahin zu ſehen, daß
ſie ſich nebſt der gemeinen Chriſten-Pflicht ſon-
derlich dasjenige wohl mercken und zur Ubung
bringen, was ihnen ihres Alters und Standes,
auch Geſchlechts halber, inſonderheit oblieget.

V. 3.

Den alten Weibern deſſelben gleichen
(daß ſie ſeyn ſollen nuͤchtern, ernſthaftig, ver-
ſtaͤndig u. ſ. w. nach v. 1. und uͤber das) daß ſie
ſich ſtellen,
(ἐν καταςήματι, in einer ſolchen
aͤuſſerlichen Geſtalt der Kleidung, auch in Ge-
berden, Reden und uͤbrigen Betragen) wie
den Heiligen
(ſolchen die der Heiligung nach-
jagen, und darinnen den jungen Weibern mit
gutem Exempel vorgehen,) geziemet, nicht
Laͤſterinnen ſeyn,
(dahin ſie durch unnuͤtz Ge-
ſchwaͤtz, Fuͤrwitz, Leichtglaͤubigkeit, und leicht-
ſinnige Beurtheilung anderer leichtlich verfallen
koͤnnen, aber dadurch mit dem Namen διάβο-
λος, welches von ihnen alhier gebrauchet wird,

wie
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[202/0204] Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 2. v. 1-3. Das Andere Capitel, Darinnen Der Apoſtel Leuten von unterſchiedlichem Alter und Stande ihre Pflichten einſchaͤrfet/ und dazu die kraͤftigſten Bewegungs- Gruͤnde/ die von der Evangeliſchen Gnade GOttes und von der Erloͤſung/ auch von der Zukunft Chriſti zum Gericht hergenommen ſind/ anfuͤhret. V. 1. DU aber (der du durch GOTTES Gnade gantz anders geſinnet und zum Waͤchter uͤber die ſaͤmtlichen Gemeinen in Creta beſtellet biſt) rede (predige oͤffentlich und beſon- ders bey aller theils mit Fleiß Amts halber genommenen und geſuchten, theils auch gegebnen Gelegenheit) wie ſichs ziemet nach der heylſamen Lehre (ὑγιαινου᾽σῃ διδασκαλίᾳ, nach der Lehre, die an ſich rein und geſund iſt und im Glauben recht geſund und ſtarck machet, da- durch ſich auch recht heylſam erweiſet, und ſich wie zum Unterricht und Ermahnung, auch zum Troſte; alſo auch zur Beſtrafung, zur Warnung und zur Widerlegung aufs kraͤftigſte appliciren laͤßt von einem, der darinn recht maͤchtig iſt, nach Cap. 1, 9.) Anmerckungen. 1. Sind wir des taͤglichen Brodts, als ei- ner recht geſunden Speiſe, zu unſers Leibes Nothdurft taͤglich benoͤthiget; warum wolten wir uns nicht das goͤttliche Wort, ſonderlich das Wort des Evangelii, zur taͤglichen Nahrung un- ſerer Seele dienen laſſen, ſintemal dieſes das ge- ſegneſte Mittel iſt, wodurch uns GOTT ſeine Gnade einfloͤſſet. 2. Es geben dieſe Worte eine ſehr noͤthige und heylſame homiletiſche Prediger-Regel, daß man ja niemals anders reden ſolle, als wie ſichs ziemet nach der heylſamen und geſunden Leh- re. O wie oft wird dagegen auf eine ſolche Art geſuͤndiget, daß im Vortrage weder Geiſt noch Kraft iſt. Will man aber darnach reden, ſo muß man das Vorbild der heylſamen Lehre, als eine theure Beylage haben und durch den Beyſtand des Heiligen Geiſtes getreulich anlegen und durch ſolch Anlegen wohl bewahren 2 Tim. 1, 13. 14. V. 2. Den Alten (Maͤnnern ſage) daß ſie nuͤch- tern ſeyn (und ſich ihr Alter, da ſie unvermoͤgend ſind, mehr viel zu arbeiten, ſich nicht zum Trunck verleiten laſſen; zumal wenn ſie gedencken, daß ſie fuͤr ihr Alter etwas vor ſich gebracht haben) ehrbar (σεμνου´ς, gravitaͤtiſch, ernſthaftig exemplariſch, damit ſie bey jungen Leuten eine Auctoritaͤt haben, und ihnen ein gut Exempel geben) zuͤchtig (σὼϕρονας, eines wie nuͤchternen Leibes, alſo auch nuͤchternen, oder verſtaͤndigen Gemuͤths, und eines daher entſtehenden kluͤglichen und vorſichtigen Wandels) geſund im Glauben (alſo daß die Lehre, woran ſie halten, rein und un- verfaͤlſchet, und der Glaube, der ſich darauf fuſſet, im Hertzen recht lebendig und kraͤftig ſey) in der Liebe (daß dieſe ſey ohne alle Heucheley, und ſich der Glaube dadurch in allen Pflichten alſo hervor thue, gleichwie ſich die innere Geſundheit des Lei- bes in allen Geſchaͤften des Menſchen nach dem Leibe aͤuſſert) in der Geduld (darinnen die Liebe die ſchwereſte Pflichten findet, ſonderlich gegen die Feinde, in williger Ubernehmung alles ange- thanen Unrechts, oder des einem auch ſonſt zuſtoſ- ſenden Ungemachs: wie denn oft ein ieder Tag ſeine eigene Plage hat. Matth. 6, 34. Anmerckungen. 1. Es iſt nicht genug, daß ein Lehrer die ge- meinen Chriſten-Pflichten, die allen und ieden ohne allen Unterſcheid des Alters und des Stan- des zukommen, wohl einſchaͤrfe; ſondern es iſt auch noͤthig, daß er auch oͤfters die beſondere Schuldigkeit, die dieſem und jenem nach ſeinem Alter und aͤuſſerlichen Stande oblieget, wohl vor- halte, und wider die Verſuchungen, welchen ſie dabey ſonderlich unterworfen ſind, ſie warne und verwahre. 2. So haben auch Zuhoͤrer und Leſer des goͤttlichen Worts gleichfals dahin zu ſehen, daß ſie ſich nebſt der gemeinen Chriſten-Pflicht ſon- derlich dasjenige wohl mercken und zur Ubung bringen, was ihnen ihres Alters und Standes, auch Geſchlechts halber, inſonderheit oblieget. V. 3. Den alten Weibern deſſelben gleichen (daß ſie ſeyn ſollen nuͤchtern, ernſthaftig, ver- ſtaͤndig u. ſ. w. nach v. 1. und uͤber das) daß ſie ſich ſtellen, (ἐν καταςήματι, in einer ſolchen aͤuſſerlichen Geſtalt der Kleidung, auch in Ge- berden, Reden und uͤbrigen Betragen) wie den Heiligen (ſolchen die der Heiligung nach- jagen, und darinnen den jungen Weibern mit gutem Exempel vorgehen,) geziemet, nicht Laͤſterinnen ſeyn, (dahin ſie durch unnuͤtz Ge- ſchwaͤtz, Fuͤrwitz, Leichtglaͤubigkeit, und leicht- ſinnige Beurtheilung anderer leichtlich verfallen koͤnnen, aber dadurch mit dem Namen διάβο- λος, welches von ihnen alhier gebrauchet wird, wie

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/204>, abgerufen am 22.11.2024.