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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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C. 1. v. 15. 16. an den Titum.
[Spaltenumbruch] than hat, so appliciret sich dieses der Glaube, oder
der Gläubige, in der Ordnung wahrer Bekehrung,
und also wird der Mensch gereiniget durch den
Glauben und durch das Blut Christi, daran sich
der Glaube hält Apost. Gesch. 15, 9. Hebr. 9, 14.
1 Joh. 1, 7. Und so haben denn die Gläubigen
ihre Kleider gewaschen und helle gemacht
im Blute des Lammes
Offenb. 7, 14.

3. Daß den Ungläubigen wegen der herr-
schenden Unreinigkeit ihres Hertzens alles unrein
und sündlich ist, das ist wohl zu mercken. Und
also ist ihnen auch unrein, oder sündlich, ihr Essen
und Trincken, und alle ihre bürgerliche, auch
kirchliche, Handlungen; auch so gar wenn sie be-
ten, in der Bibel lesen und zuweilen Almosen ge-
ben. Denn sie thun nichts in gehoriger Ord-
nung, oder in der Furcht GOttes und im Glau-
ben zum rechten Zweck. Daher denn, weil die
gantze Person mit ihrem gantzen Stande GOtt
mißfällig ist; so können ihm auch diese und jene
Wercke, wenn sie auch noch so scheinbar sind, nicht
gefallen. Hingegen wo die Person durch den
Glauben in Christo stehet, und also GOtt wohl-
gefället, auch das, was sie thut, in der Furcht
GOttes, und zur Ehre GOttes verrichtet, so sind
auch alle ihre Wercke, und wenn sie gleich äus-
serlich noch so gering sind, dadurch geheiliget und
GOtt gefällig. Was ihnen denn noch anklebet
von der Sünde, und bey ihnen aus der noch übri-
gen bösen Qvell der Erbsünde herrühret, wird von
ihnen hertzlich bereuet, und ihnen um Christi wil-
len nicht zugerechnet.

4. Jm übrigen siehet man aus dem Zusam-
menhange dieses und des folgenden 16 Verses
mit den vorhergehenden, daß die damaligen Jrr-
Lehrer, sonderlich die aus der Beschneidung, oder
von den Jüden, denen, welche die Galatischen
Gemeinen mit ihrer verkehrten Gesetzes-Lehre ver-
unruhigten, gar gleich, und wie am Glauben un-
gesund, ja GOtt abgestorben, also im Leben gott-
los gewesen sind. Sie wollen seyn nomodidaska-
loi, Gesetz-Lehrer, spricht Paulus 1 Tim. 1,
7. und verstehen nicht, was sie sagen, oder
was sie setzen.

V. 16.

Sie sagen (mit vielem Vorgeben und eite-
lem Ruhm) sie erkennen GOtt (sind ortho-
dox,
oder rechtgläubig, haben die reine Lehre und
sind erleuchtet, ja sie rühmen sich einer besondern
Einsicht in göttliche Dinge Röm. 2, 17. u. f.
1 Tim. 6, 20. daher sie in folgenden Zeiten Gno-
stici
genennet worden) aber mit den Wercken
(die an ihnen so böse sind) verleugnen sie es
(bezeugen das Gegentheil, also daß man den
Baum an den Früchten leichtlich erkennen kan)
sintemal sie sind, an welchen GOTT ein
Greuel hat
(boeluktoi, dem stinckenden Aase,
das in seiner äussersten Corruption lieget, gleich;
davor man im Vorübergehen einen solchen Ab-
scheu hat, daß man die Nase zuhält und das Ge-
sicht abkehret) und gehorchen nicht (apeithei~s,
die sich durch keine, auch noch so gründliche, Vor-
stellung überzeugen und zum Glauben bringen
[Spaltenumbruch] lassen) und sind daher zu allem guten Wer-
cke
(welche aus dem Glauben ihre rechte Kraft
haben müssen) untüchtig ([fremdsprachliches Material]dokimoi, also daß
sie keine eintzige Probe davon ablegen können:
hingegen aber sind sie in allen bösen Wercken
fruchtbar und damit ärgerlich.)

Anmerckungen.

1. Die wahre Erleuchtung und Heili-
gung
sind allemal dergestalt bey einander, daß ein
Mensch ohne Erleuchtung nicht geheiliget,
und ohne Heiligung nicht erleuchtet wird.
Darum gleichwie die wahre Erkenntniß GOttes
sich durch ein gottseliges Leben erweiset: also ists
offenbar, daß ein gottloser Wandel auch von ei-
nem noch unerleuchteten Sinne zeuget. Und
diß ists, was unter andern Johannes 1 Epist. C.
2, 4. bezeuget, wenn er spricht: Wer da saget,
ich kenne GOtt, und hält seine Gebote nicht,
der ist ein Lügner.

2. Die Bekenntniß GOttes ist zweyer-
ley Art, die eine mit dem Munde, die andere
mit dem Leben. Beyde müssen bey einander
stehen, und zwar also, daß, da die mit dem Mun-
de nicht allemal geschehen kan, die mit dem Leben
niemals muß unterlassen werden. Und also ste-
hets auch um die Verleugnung GOttes. Die
mit dem Munde ist schwer; die aber mit dem Le-
ben noch schwerer; und wo nicht bey allen schwe-
rer, (sintemal diejenige Verleugnung, die auf eine
Atheisterey gehet, auch viel greulicher ist) doch
viel gemeiner. Mancher wundert sich darüber,
daß Petrus Christum mit dem Munde bey der vor
Augen schwebenden Todes-Gefahr verleugnet
hat; und bedencket nicht, wie oft er GOtt mit
seinem Leben verleugnet habe. Und wie mancher
schämet sich in der Gesellschaft des lieben GOttes
nicht dergestalt, daß er sich nicht getrauet, nur
etwas weniges zur Erbauung von ihm zu spre-
chen.

3. Man erkennet auch aus diesem Orte den
Unterscheid der Atheisterey, wie sie sey entweder
eine theoretische, die mit dem Munde geschiehet,
oder eine practische, da man in den Tag hinein
lebet, als glaubte man keinen GOtt, als Ober-
HErrn, Gesetzgeber und künftigen Richter über
sich: wie es denn auch in der That also ist, daß
bey der mündlichen Bekenntniß und einigem na-
türlichen Beyfall der Unglaube im Hertzen steckt,
herrschet, und in ein gottloses Leben ausbricht.
Welche thätige Atheisterey leider sehr gemein
ist.

4. Der sehr grosse Unterscheid unter Gott-
seligen und Gottlosen bestehet unter andern auch
darinnen, daß da, die Gottseligen GOtte, als
seine Freunde und Kinder, ja als sein Eigenthum,
in Christo aufs höchste angenehm und eine Freude
der heiligen Engel sind; so sind ihm die Gottlo-
sen ein Greuel; gleichwie sie auch vor der Ge-
meinschaft der Gottseligen einen Abscheu haben,
oder dagegen in einer solchen knechtischen Furcht
stehen, daß sie sich von dem richterlichen Amte
GOttes nichts anders, als ihrer wohlverdienten
Strafe versehen können.

Das
C c

C. 1. v. 15. 16. an den Titum.
[Spaltenumbruch] than hat, ſo appliciret ſich dieſes der Glaube, oder
der Glaͤubige, in der Ordnung wahrer Bekehrung,
und alſo wird der Menſch gereiniget durch den
Glauben und durch das Blut Chriſti, daran ſich
der Glaube haͤlt Apoſt. Geſch. 15, 9. Hebr. 9, 14.
1 Joh. 1, 7. Und ſo haben denn die Glaͤubigen
ihre Kleider gewaſchen und helle gemacht
im Blute des Lammes
Offenb. 7, 14.

3. Daß den Unglaͤubigen wegen der herr-
ſchenden Unreinigkeit ihres Hertzens alles unrein
und ſuͤndlich iſt, das iſt wohl zu mercken. Und
alſo iſt ihnen auch unrein, oder ſuͤndlich, ihr Eſſen
und Trincken, und alle ihre buͤrgerliche, auch
kirchliche, Handlungen; auch ſo gar wenn ſie be-
ten, in der Bibel leſen und zuweilen Almoſen ge-
ben. Denn ſie thun nichts in gehoriger Ord-
nung, oder in der Furcht GOttes und im Glau-
ben zum rechten Zweck. Daher denn, weil die
gantze Perſon mit ihrem gantzen Stande GOtt
mißfaͤllig iſt; ſo koͤnnen ihm auch dieſe und jene
Wercke, wenn ſie auch noch ſo ſcheinbar ſind, nicht
gefallen. Hingegen wo die Perſon durch den
Glauben in Chriſto ſtehet, und alſo GOtt wohl-
gefaͤllet, auch das, was ſie thut, in der Furcht
GOttes, und zur Ehre GOttes verrichtet, ſo ſind
auch alle ihre Wercke, und wenn ſie gleich aͤuſ-
ſerlich noch ſo gering ſind, dadurch geheiliget und
GOtt gefaͤllig. Was ihnen denn noch anklebet
von der Suͤnde, und bey ihnen aus der noch uͤbri-
gen boͤſen Qvell der Erbſuͤnde herruͤhret, wird von
ihnen hertzlich bereuet, und ihnen um Chriſti wil-
len nicht zugerechnet.

4. Jm uͤbrigen ſiehet man aus dem Zuſam-
menhange dieſes und des folgenden 16 Verſes
mit den vorhergehenden, daß die damaligen Jrr-
Lehrer, ſonderlich die aus der Beſchneidung, oder
von den Juͤden, denen, welche die Galatiſchen
Gemeinen mit ihrer verkehrten Geſetzes-Lehre ver-
unruhigten, gar gleich, und wie am Glauben un-
geſund, ja GOtt abgeſtorben, alſo im Leben gott-
los geweſen ſind. Sie wollen ſeyn νομοδιδάσκα-
λοι, Geſetz-Lehrer, ſpricht Paulus 1 Tim. 1,
7. und verſtehen nicht, was ſie ſagen, oder
was ſie ſetzen.

V. 16.

Sie ſagen (mit vielem Vorgeben und eite-
lem Ruhm) ſie erkennen GOtt (ſind ortho-
dox,
oder rechtglaͤubig, haben die reine Lehre und
ſind erleuchtet, ja ſie ruͤhmen ſich einer beſondern
Einſicht in goͤttliche Dinge Roͤm. 2, 17. u. f.
1 Tim. 6, 20. daher ſie in folgenden Zeiten Gno-
ſtici
genennet worden) aber mit den Wercken
(die an ihnen ſo boͤſe ſind) verleugnen ſie es
(bezeugen das Gegentheil, alſo daß man den
Baum an den Fruͤchten leichtlich erkennen kan)
ſintemal ſie ſind, an welchen GOTT ein
Greuel hat
(βὸελυκτοὶ, dem ſtinckenden Aaſe,
das in ſeiner aͤuſſerſten Corruption lieget, gleich;
davor man im Voruͤbergehen einen ſolchen Ab-
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ſicht abkehret) und gehorchen nicht (ἀπειϑει῀ς,
die ſich durch keine, auch noch ſo gruͤndliche, Vor-
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[Spaltenumbruch] laſſen) und ſind daher zu allem guten Wer-
cke
(welche aus dem Glauben ihre rechte Kraft
haben muͤſſen) untuͤchtig ([fremdsprachliches Material]δοκιμοι, alſo daß
ſie keine eintzige Probe davon ablegen koͤnnen:
hingegen aber ſind ſie in allen boͤſen Wercken
fruchtbar und damit aͤrgerlich.)

Anmerckungen.

1. Die wahre Erleuchtung und Heili-
gung
ſind allemal dergeſtalt bey einander, daß ein
Menſch ohne Erleuchtung nicht geheiliget,
und ohne Heiligung nicht erleuchtet wird.
Darum gleichwie die wahre Erkenntniß GOttes
ſich durch ein gottſeliges Leben erweiſet: alſo iſts
offenbar, daß ein gottloſer Wandel auch von ei-
nem noch unerleuchteten Sinne zeuget. Und
diß iſts, was unter andern Johannes 1 Epiſt. C.
2, 4. bezeuget, wenn er ſpricht: Wer da ſaget,
ich kenne GOtt, und haͤlt ſeine Gebote nicht,
der iſt ein Luͤgner.

2. Die Bekenntniß GOttes iſt zweyer-
ley Art, die eine mit dem Munde, die andere
mit dem Leben. Beyde muͤſſen bey einander
ſtehen, und zwar alſo, daß, da die mit dem Mun-
de nicht allemal geſchehen kan, die mit dem Leben
niemals muß unterlaſſen werden. Und alſo ſte-
hets auch um die Verleugnung GOttes. Die
mit dem Munde iſt ſchwer; die aber mit dem Le-
ben noch ſchwerer; und wo nicht bey allen ſchwe-
rer, (ſintemal diejenige Verleugnung, die auf eine
Atheiſterey gehet, auch viel greulicher iſt) doch
viel gemeiner. Mancher wundert ſich daruͤber,
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Augen ſchwebenden Todes-Gefahr verleugnet
hat; und bedencket nicht, wie oft er GOtt mit
ſeinem Leben verleugnet habe. Und wie mancher
ſchaͤmet ſich in der Geſellſchaft des lieben GOttes
nicht dergeſtalt, daß er ſich nicht getrauet, nur
etwas weniges zur Erbauung von ihm zu ſpre-
chen.

3. Man erkennet auch aus dieſem Orte den
Unterſcheid der Atheiſterey, wie ſie ſey entweder
eine theoretiſche, die mit dem Munde geſchiehet,
oder eine practiſche, da man in den Tag hinein
lebet, als glaubte man keinen GOtt, als Ober-
HErrn, Geſetzgeber und kuͤnftigen Richter uͤber
ſich: wie es denn auch in der That alſo iſt, daß
bey der muͤndlichen Bekenntniß und einigem na-
tuͤrlichen Beyfall der Unglaube im Hertzen ſteckt,
herrſchet, und in ein gottloſes Leben ausbricht.
Welche thaͤtige Atheiſterey leider ſehr gemein
iſt.

4. Der ſehr groſſe Unterſcheid unter Gott-
ſeligen und Gottloſen beſtehet unter andern auch
darinnen, daß da, die Gottſeligen GOtte, als
ſeine Freunde und Kinder, ja als ſein Eigenthum,
in Chriſto aufs hoͤchſte angenehm und eine Freude
der heiligen Engel ſind; ſo ſind ihm die Gottlo-
ſen ein Greuel; gleichwie ſie auch vor der Ge-
meinſchaft der Gottſeligen einen Abſcheu haben,
oder dagegen in einer ſolchen knechtiſchen Furcht
ſtehen, daß ſie ſich von dem richterlichen Amte
GOttes nichts anders, als ihrer wohlverdienten
Strafe verſehen koͤnnen.

Das
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[201/0203] C. 1. v. 15. 16. an den Titum. than hat, ſo appliciret ſich dieſes der Glaube, oder der Glaͤubige, in der Ordnung wahrer Bekehrung, und alſo wird der Menſch gereiniget durch den Glauben und durch das Blut Chriſti, daran ſich der Glaube haͤlt Apoſt. Geſch. 15, 9. Hebr. 9, 14. 1 Joh. 1, 7. Und ſo haben denn die Glaͤubigen ihre Kleider gewaſchen und helle gemacht im Blute des Lammes Offenb. 7, 14. 3. Daß den Unglaͤubigen wegen der herr- ſchenden Unreinigkeit ihres Hertzens alles unrein und ſuͤndlich iſt, das iſt wohl zu mercken. Und alſo iſt ihnen auch unrein, oder ſuͤndlich, ihr Eſſen und Trincken, und alle ihre buͤrgerliche, auch kirchliche, Handlungen; auch ſo gar wenn ſie be- ten, in der Bibel leſen und zuweilen Almoſen ge- ben. Denn ſie thun nichts in gehoriger Ord- nung, oder in der Furcht GOttes und im Glau- ben zum rechten Zweck. Daher denn, weil die gantze Perſon mit ihrem gantzen Stande GOtt mißfaͤllig iſt; ſo koͤnnen ihm auch dieſe und jene Wercke, wenn ſie auch noch ſo ſcheinbar ſind, nicht gefallen. Hingegen wo die Perſon durch den Glauben in Chriſto ſtehet, und alſo GOtt wohl- gefaͤllet, auch das, was ſie thut, in der Furcht GOttes, und zur Ehre GOttes verrichtet, ſo ſind auch alle ihre Wercke, und wenn ſie gleich aͤuſ- ſerlich noch ſo gering ſind, dadurch geheiliget und GOtt gefaͤllig. Was ihnen denn noch anklebet von der Suͤnde, und bey ihnen aus der noch uͤbri- gen boͤſen Qvell der Erbſuͤnde herruͤhret, wird von ihnen hertzlich bereuet, und ihnen um Chriſti wil- len nicht zugerechnet. 4. Jm uͤbrigen ſiehet man aus dem Zuſam- menhange dieſes und des folgenden 16 Verſes mit den vorhergehenden, daß die damaligen Jrr- Lehrer, ſonderlich die aus der Beſchneidung, oder von den Juͤden, denen, welche die Galatiſchen Gemeinen mit ihrer verkehrten Geſetzes-Lehre ver- unruhigten, gar gleich, und wie am Glauben un- geſund, ja GOtt abgeſtorben, alſo im Leben gott- los geweſen ſind. Sie wollen ſeyn νομοδιδάσκα- λοι, Geſetz-Lehrer, ſpricht Paulus 1 Tim. 1, 7. und verſtehen nicht, was ſie ſagen, oder was ſie ſetzen. V. 16. Sie ſagen (mit vielem Vorgeben und eite- lem Ruhm) ſie erkennen GOtt (ſind ortho- dox, oder rechtglaͤubig, haben die reine Lehre und ſind erleuchtet, ja ſie ruͤhmen ſich einer beſondern Einſicht in goͤttliche Dinge Roͤm. 2, 17. u. f. 1 Tim. 6, 20. daher ſie in folgenden Zeiten Gno- ſtici genennet worden) aber mit den Wercken (die an ihnen ſo boͤſe ſind) verleugnen ſie es (bezeugen das Gegentheil, alſo daß man den Baum an den Fruͤchten leichtlich erkennen kan) ſintemal ſie ſind, an welchen GOTT ein Greuel hat (βὸελυκτοὶ, dem ſtinckenden Aaſe, das in ſeiner aͤuſſerſten Corruption lieget, gleich; davor man im Voruͤbergehen einen ſolchen Ab- ſcheu hat, daß man die Naſe zuhaͤlt und das Ge- ſicht abkehret) und gehorchen nicht (ἀπειϑει῀ς, die ſich durch keine, auch noch ſo gruͤndliche, Vor- ſtellung uͤberzeugen und zum Glauben bringen laſſen) und ſind daher zu allem guten Wer- cke (welche aus dem Glauben ihre rechte Kraft haben muͤſſen) untuͤchtig (_ δοκιμοι, alſo daß ſie keine eintzige Probe davon ablegen koͤnnen: hingegen aber ſind ſie in allen boͤſen Wercken fruchtbar und damit aͤrgerlich.) Anmerckungen. 1. Die wahre Erleuchtung und Heili- gung ſind allemal dergeſtalt bey einander, daß ein Menſch ohne Erleuchtung nicht geheiliget, und ohne Heiligung nicht erleuchtet wird. Darum gleichwie die wahre Erkenntniß GOttes ſich durch ein gottſeliges Leben erweiſet: alſo iſts offenbar, daß ein gottloſer Wandel auch von ei- nem noch unerleuchteten Sinne zeuget. Und diß iſts, was unter andern Johannes 1 Epiſt. C. 2, 4. bezeuget, wenn er ſpricht: Wer da ſaget, ich kenne GOtt, und haͤlt ſeine Gebote nicht, der iſt ein Luͤgner. 2. Die Bekenntniß GOttes iſt zweyer- ley Art, die eine mit dem Munde, die andere mit dem Leben. Beyde muͤſſen bey einander ſtehen, und zwar alſo, daß, da die mit dem Mun- de nicht allemal geſchehen kan, die mit dem Leben niemals muß unterlaſſen werden. Und alſo ſte- hets auch um die Verleugnung GOttes. Die mit dem Munde iſt ſchwer; die aber mit dem Le- ben noch ſchwerer; und wo nicht bey allen ſchwe- rer, (ſintemal diejenige Verleugnung, die auf eine Atheiſterey gehet, auch viel greulicher iſt) doch viel gemeiner. Mancher wundert ſich daruͤber, daß Petrus Chriſtum mit dem Munde bey der vor Augen ſchwebenden Todes-Gefahr verleugnet hat; und bedencket nicht, wie oft er GOtt mit ſeinem Leben verleugnet habe. Und wie mancher ſchaͤmet ſich in der Geſellſchaft des lieben GOttes nicht dergeſtalt, daß er ſich nicht getrauet, nur etwas weniges zur Erbauung von ihm zu ſpre- chen. 3. Man erkennet auch aus dieſem Orte den Unterſcheid der Atheiſterey, wie ſie ſey entweder eine theoretiſche, die mit dem Munde geſchiehet, oder eine practiſche, da man in den Tag hinein lebet, als glaubte man keinen GOtt, als Ober- HErrn, Geſetzgeber und kuͤnftigen Richter uͤber ſich: wie es denn auch in der That alſo iſt, daß bey der muͤndlichen Bekenntniß und einigem na- tuͤrlichen Beyfall der Unglaube im Hertzen ſteckt, herrſchet, und in ein gottloſes Leben ausbricht. Welche thaͤtige Atheiſterey leider ſehr gemein iſt. 4. Der ſehr groſſe Unterſcheid unter Gott- ſeligen und Gottloſen beſtehet unter andern auch darinnen, daß da, die Gottſeligen GOtte, als ſeine Freunde und Kinder, ja als ſein Eigenthum, in Chriſto aufs hoͤchſte angenehm und eine Freude der heiligen Engel ſind; ſo ſind ihm die Gottlo- ſen ein Greuel; gleichwie ſie auch vor der Ge- meinſchaft der Gottſeligen einen Abſcheu haben, oder dagegen in einer ſolchen knechtiſchen Furcht ſtehen, daß ſie ſich von dem richterlichen Amte GOttes nichts anders, als ihrer wohlverdienten Strafe verſehen koͤnnen. Das C c

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/203>, abgerufen am 22.11.2024.