10. Diese Kraft des Worts GOttes thut sich nun hervor in einer solchen Unterwei- sung, dadurch man zur wahren Weisheit ge- langet, und in derselben wächset: das ist, der Mensch wird, wenn er an dieses Wort, als ans Licht, trit, dadurch in seiner natürlichen Finster- niß bestrafet und seines sündlichen Zustandes we- gen heylsamlich gezüchtiget, ja, wo er der innern Zucht des Heiligen Geistes, die an sein Gewissen kömmt, nicht widerstehet, sondern Platz läßt, bekehret, mit dem Glauben beseliget und in dieser Ordnung auch erleuchtet, und solcher ge- stalt zur wahren Weisheit und Klugheit der Ge- rechten gebracht.
11. Gleichwie nun eine solche Unterweisung, dadurch man zur wircklichen Weisheit gelanget, nicht allein ein Mittel, sondern zugleich auch ein Stück der Seligkeit ist: so zeiget sie auch ferner den Weg, der Seligkeit sowol im Reiche der Gnaden immer mehr, als auch im Reiche der Herrlichkeit mit völliger Vollendung theilhaftig zu werden.
12. Der dritte Satz ist: daß man diese Seligkeit durch den Glauben in Christo habe. Da der schon sonst angezeigte Nach- druck der Redens-Art von dem Glauben an Christo zu mercken ist: nemlich es bestehet der Glauben nicht allein in einer heiligen Bewegung nach und zu GOtt, also daß er sich in einem sehn- lichen Verlangen, oder Hunger und Durst nach GOTT äussert, da es denn ist pistis e eis Khriston der Glaube, der auf Christum gehet und gäntzlich gerichtet ist; sondern auch er bestehet in einer zuversichtlichen Ruhe oder in einer beru- higenden Zuversicht, da Christus ist der Grund, worauf der Glaube sich bauet; und das Element, worinnen er seine Ruhe und geistliche Nahrung hat. Und da ist es denn pistis e en Khristo, der Glaube, der auf Christum gegründet ist und in Christo seine rechte nährende und stär- ckende Ruhe hat.
13. Jm übrigen ist zu mercken, daß in die- sem Verse Christus, sein Wort, der Glaube und die Seligkeit gar schön bey einander stehen; als die da zum Grunde, zur Ordnung und zur Vollendung des Heyls gehören.
V. 16.
Denn alle (die gantze) heilige Schrift (wie sie die Christliche Kirche von der Jüdischen empfangen hat, und die Schriften der Evange- listen und Apostel nach und nach dazu bekommen) von GOtt (dem Heiligen Geiste) eingegeben (sowol den Worten, als auch den Sachen und derselben Ordnung nach) ist nütze (dergestalt, daß sie auch höchstnöthig ist) zur Lehre (um daraus den Grund und die Ordnung des Heyls, oder das Fürbild der heylsamen Lehre vom Glau- ben und von der Liebe C. 1, 13. recht zu fassen) zur Strafe (pros elegkhon, zur kräftigen Uber- zeugung von den Jrrthümern und Lastern) zur Besserung (p os epa[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]orthosin, zur Widerauf- richtung, Zurechtbringung) zur Züchtigung (pros paideian, zur Unterweisung, Anführung) [Spaltenumbruch]in der Gerechtigkeit (ten en dikaiosune, die da geschiehet in der Gerechtigkeit, die es mit der Gerechtigkeit des Glaubens und des Lebens zu thun hat: imgleichen ist die heilige Schrift nütz- lich zum Trost und zur Erqvickung Röm. 15, 4. Ps. 19, 8.)
Anmerckungen.
1. Die von Luthero gebrauchte particula denn befindet sich im griechischen Texte nicht. Sie ist aber dem Sinne Pauli gemäß, und die- net zur Verbindung mit dem vorhergehenden Verse: wiewol beyde Verse auch ohne solches Wörtlein in der Sache selbst genau zusammen hangen.
2. Das Wort graphe, Schrift, ist alhier soviel als iera` grammata, die heiligen Schrif- ten V. 15. Wie es denn auch daher ofte in Plurali gebrauchet wird, auch mit dem Beysatze des Worts agos, heilig, Röm. 1, 2. u. s. w. Das Wort pasa, alle, heißt soviel als gantz mit allen seinen Theilen. Da nun zu einer Schrift gehören erstlich Sachen, die geschrie- ben sind; und denn die Rede, worinnen sie ver- fasset worden, mit ihrem Verstande, den sie nach dem Zweck des Urhebers hat: so gehören denn zu der gantzen heiligen Schrift zuvorderst alle bibli- sche Bücher in ihrer Integrität mit allen darinnen nach ihrem darein gelegten Verstande enthaltenen Sachen.
3. Daß nun der Apostel so schlechthin setzet alle Schrift; daraus siehet man, es sey weder in der Jüdischen, noch in der Christlichen Kir- chen der geringste Zweifel gewesen von der An- zahl und von der Integrität der Bücher, welche zum Canone oder zur Richtschnur des Glau- bens und des Lebens angenommen worden: wie denn auch in der Jüdischen Kirche desfals nie- mals einiger Streit entstanden ist, und von Chri- sto und seinen Aposteln wohl der rechte Verstand vieler Oerter von ihrem Mißverstande gerettet ist, niemals aber einiges Buchs, so man nicht für Canonisch erkannt hätte, Canonische Au- ctorität erwiesen werden dürfen.
4. Es ist bey diesen Worten ferner wohl zu mercken, daß sie das Subjectum in diesem Vers ausmachen, das ist, also stehen, daß alle folgende Worte zum Praedicato gehören, oder von der Beschaffenheit sind, daß sie von der gantzen heili- gen Schrift, als dem Subjecto, gesaget werden. Und also sind die ersten Worte in Ansehung des Worts theopneustos, von GOtt eingegeben, also zu übersetzen: Alle Schrift ist von GOtt eingegeben und nütze zur Lehre u. s. w.
5. Daß die Worte also zu ordnen sind, das siehet man aus dem Griechischen, da die Worte theopneustos. von GOTT eingegeben, und ophelimos nütze, nützlich, mit dem Wörtlein kai, und, verknüpfet werden, also daß sie dem Verstande nach zusammen gehören. Da der selige Lutherus das Wort theopneustos zum Sub- jecto, oder zu den vorhergehenden Worten gezo- gen hat, so hat er diese Particul ausgelassen und dafür das Wort ist gebrauchet. Ob nun gleich der Verstand der Worte in solcher Ubersetzung an sich selbst richtig ist, nemlich daß ich sagen kan,
10. Dieſe Kraft des Worts GOttes thut ſich nun hervor in einer ſolchen Unterwei- ſung, dadurch man zur wahren Weisheit ge- langet, und in derſelben waͤchſet: das iſt, der Menſch wird, wenn er an dieſes Wort, als ans Licht, trit, dadurch in ſeiner natuͤrlichen Finſter- niß beſtrafet und ſeines ſuͤndlichen Zuſtandes we- gen heylſamlich gezuͤchtiget, ja, wo er der innern Zucht des Heiligen Geiſtes, die an ſein Gewiſſen koͤmmt, nicht widerſtehet, ſondern Platz laͤßt, bekehret, mit dem Glauben beſeliget und in dieſer Ordnung auch erleuchtet, und ſolcher ge- ſtalt zur wahren Weisheit und Klugheit der Ge- rechten gebracht.
11. Gleichwie nun eine ſolche Unterweiſung, dadurch man zur wircklichen Weisheit gelanget, nicht allein ein Mittel, ſondern zugleich auch ein Stuͤck der Seligkeit iſt: ſo zeiget ſie auch ferner den Weg, der Seligkeit ſowol im Reiche der Gnaden immer mehr, als auch im Reiche der Herrlichkeit mit voͤlliger Vollendung theilhaftig zu werden.
12. Der dritte Satz iſt: daß man dieſe Seligkeit durch den Glauben in Chriſto habe. Da der ſchon ſonſt angezeigte Nach- druck der Redens-Art von dem Glauben an Chriſto zu mercken iſt: nemlich es beſtehet der Glauben nicht allein in einer heiligen Bewegung nach und zu GOtt, alſo daß er ſich in einem ſehn- lichen Verlangen, oder Hunger und Durſt nach GOTT aͤuſſert, da es denn iſt πίστις ἡ ἐις Χριστὸν der Glaube, der auf Chriſtum gehet und gaͤntzlich gerichtet iſt; ſondern auch er beſtehet in einer zuverſichtlichen Ruhe oder in einer beru- higenden Zuverſicht, da Chriſtus iſt der Grund, worauf der Glaube ſich bauet; und das Element, worinnen er ſeine Ruhe und geiſtliche Nahrung hat. Und da iſt es denn πίστις ἡ ἐν Χριστῷ, der Glaube, der auf Chriſtum gegruͤndet iſt und in Chriſto ſeine rechte naͤhrende und ſtaͤr- ckende Ruhe hat.
13. Jm uͤbrigen iſt zu mercken, daß in die- ſem Verſe Chriſtus, ſein Wort, der Glaube und die Seligkeit gar ſchoͤn bey einander ſtehen; als die da zum Grunde, zur Ordnung und zur Vollendung des Heyls gehoͤren.
V. 16.
Denn alle (die gantze) heilige Schrift (wie ſie die Chriſtliche Kirche von der Juͤdiſchen empfangen hat, und die Schriften der Evange- liſten und Apoſtel nach und nach dazu bekommen) von GOtt (dem Heiligen Geiſte) eingegeben (ſowol den Worten, als auch den Sachen und derſelben Ordnung nach) iſt nuͤtze (dergeſtalt, daß ſie auch hoͤchſtnoͤthig iſt) zur Lehre (um daraus den Grund und die Ordnung des Heyls, oder das Fuͤrbild der heylſamen Lehre vom Glau- ben und von der Liebe C. 1, 13. recht zu faſſen) zur Strafe (πρὸς ἔλεγχον, zur kraͤftigen Uber- zeugung von den Jrrthuͤmern und Laſtern) zur Beſſerung (π ὸς ἐπα[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]όρθωσιν, zur Widerauf- richtung, Zurechtbringung) zur Zuͤchtigung (ϖρός παιδειαν, zur Unterweiſung, Anfuͤhrung) [Spaltenumbruch]in der Gerechtigkeit (τὴν ἐν δικαιοσύνῃ, die da geſchiehet in der Gerechtigkeit, die es mit der Gerechtigkeit des Glaubens und des Lebens zu thun hat: imgleichen iſt die heilige Schrift nuͤtz- lich zum Troſt und zur Erqvickung Roͤm. 15, 4. Pſ. 19, 8.)
Anmerckungen.
1. Die von Luthero gebrauchte particula denn befindet ſich im griechiſchen Texte nicht. Sie iſt aber dem Sinne Pauli gemaͤß, und die- net zur Verbindung mit dem vorhergehenden Verſe: wiewol beyde Verſe auch ohne ſolches Woͤrtlein in der Sache ſelbſt genau zuſammen hangen.
2. Das Wort γραφὴ, Schrift, iſt alhier ſoviel als ἱερα` γράμματα, die heiligen Schrif- ten V. 15. Wie es denn auch daher ofte in Plurali gebrauchet wird, auch mit dem Beyſatze des Worts ἅγος, heilig, Roͤm. 1, 2. u. ſ. w. Das Wort πᾶσα, alle, heißt ſoviel als gantz mit allen ſeinen Theilen. Da nun zu einer Schrift gehoͤren erſtlich Sachen, die geſchrie- ben ſind; und denn die Rede, worinnen ſie ver- faſſet worden, mit ihrem Verſtande, den ſie nach dem Zweck des Urhebers hat: ſo gehoͤren denn zu der gantzen heiligen Schrift zuvorderſt alle bibli- ſche Buͤcher in ihrer Integritaͤt mit allen darinnen nach ihrem darein gelegten Verſtande enthaltenen Sachen.
3. Daß nun der Apoſtel ſo ſchlechthin ſetzet alle Schrift; daraus ſiehet man, es ſey weder in der Juͤdiſchen, noch in der Chriſtlichen Kir- chen der geringſte Zweifel geweſen von der An- zahl und von der Integritaͤt der Buͤcher, welche zum Canone oder zur Richtſchnur des Glau- bens und des Lebens angenommen worden: wie denn auch in der Juͤdiſchen Kirche desfals nie- mals einiger Streit entſtanden iſt, und von Chri- ſto und ſeinen Apoſteln wohl der rechte Verſtand vieler Oerter von ihrem Mißverſtande gerettet iſt, niemals aber einiges Buchs, ſo man nicht fuͤr Canoniſch erkannt haͤtte, Canoniſche Au- ctoritaͤt erwieſen werden duͤrfen.
4. Es iſt bey dieſen Worten ferner wohl zu mercken, daß ſie das Subjectum in dieſem Vers ausmachen, das iſt, alſo ſtehen, daß alle folgende Worte zum Prædicato gehoͤren, oder von der Beſchaffenheit ſind, daß ſie von der gantzen heili- gen Schrift, als dem Subjecto, geſaget werden. Und alſo ſind die erſten Worte in Anſehung des Worts ϑεόπνευστος, von GOtt eingegeben, alſo zu uͤberſetzen: Alle Schrift iſt von GOtt eingegeben und nuͤtze zur Lehre u. ſ. w.
5. Daß die Worte alſo zu ordnen ſind, das ſiehet man aus dem Griechiſchen, da die Worte ϑεόπνευστος. von GOTT eingegeben, und ὠϕέλιμος nuͤtze, nuͤtzlich, mit dem Woͤrtlein καὶ, und, verknuͤpfet werden, alſo daß ſie dem Verſtande nach zuſammen gehoͤren. Da der ſelige Lutherus das Wort θεοπνευστος zum Sub- jecto, oder zu den vorhergehenden Worten gezo- gen hat, ſo hat er dieſe Particul ausgelaſſen und dafuͤr das Wort iſt gebrauchet. Ob nun gleich der Verſtand der Worte in ſolcher Uberſetzung an ſich ſelbſt richtig iſt, nemlich daß ich ſagen kan,
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Z
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[177/0179]
Cap. 3. v. 15. 16. an den Timotheum.
Joh. 17, 20. Apoſt. Geſch. 2, 37. Eph. 1, 13. 1 Theſſ.
2, 13. 1 Pet. 2, 23. Hebr. 4, 12.
10. Dieſe Kraft des Worts GOttes
thut ſich nun hervor in einer ſolchen Unterwei-
ſung, dadurch man zur wahren Weisheit ge-
langet, und in derſelben waͤchſet: das iſt, der
Menſch wird, wenn er an dieſes Wort, als ans
Licht, trit, dadurch in ſeiner natuͤrlichen Finſter-
niß beſtrafet und ſeines ſuͤndlichen Zuſtandes we-
gen heylſamlich gezuͤchtiget, ja, wo er der
innern Zucht des Heiligen Geiſtes, die an ſein
Gewiſſen koͤmmt, nicht widerſtehet, ſondern Platz
laͤßt, bekehret, mit dem Glauben beſeliget und in
dieſer Ordnung auch erleuchtet, und ſolcher ge-
ſtalt zur wahren Weisheit und Klugheit der Ge-
rechten gebracht.
11. Gleichwie nun eine ſolche Unterweiſung,
dadurch man zur wircklichen Weisheit gelanget,
nicht allein ein Mittel, ſondern zugleich auch ein
Stuͤck der Seligkeit iſt: ſo zeiget ſie auch ferner
den Weg, der Seligkeit ſowol im Reiche der
Gnaden immer mehr, als auch im Reiche der
Herrlichkeit mit voͤlliger Vollendung theilhaftig
zu werden.
12. Der dritte Satz iſt: daß man dieſe
Seligkeit durch den Glauben in Chriſto
habe. Da der ſchon ſonſt angezeigte Nach-
druck der Redens-Art von dem Glauben an
Chriſto zu mercken iſt: nemlich es beſtehet der
Glauben nicht allein in einer heiligen Bewegung
nach und zu GOtt, alſo daß er ſich in einem ſehn-
lichen Verlangen, oder Hunger und Durſt
nach GOTT aͤuſſert, da es denn iſt πίστις ἡ ἐις
Χριστὸν der Glaube, der auf Chriſtum gehet und
gaͤntzlich gerichtet iſt; ſondern auch er beſtehet in
einer zuverſichtlichen Ruhe oder in einer beru-
higenden Zuverſicht, da Chriſtus iſt der
Grund, worauf der Glaube ſich bauet; und das
Element, worinnen er ſeine Ruhe und geiſtliche
Nahrung hat. Und da iſt es denn πίστις ἡ ἐν
Χριστῷ, der Glaube, der auf Chriſtum gegruͤndet
iſt und in Chriſto ſeine rechte naͤhrende und ſtaͤr-
ckende Ruhe hat.
13. Jm uͤbrigen iſt zu mercken, daß in die-
ſem Verſe Chriſtus, ſein Wort, der Glaube
und die Seligkeit gar ſchoͤn bey einander ſtehen;
als die da zum Grunde, zur Ordnung und zur
Vollendung des Heyls gehoͤren.
V. 16.
Denn alle (die gantze) heilige Schrift
(wie ſie die Chriſtliche Kirche von der Juͤdiſchen
empfangen hat, und die Schriften der Evange-
liſten und Apoſtel nach und nach dazu bekommen)
von GOtt (dem Heiligen Geiſte) eingegeben
(ſowol den Worten, als auch den Sachen und
derſelben Ordnung nach) iſt nuͤtze (dergeſtalt,
daß ſie auch hoͤchſtnoͤthig iſt) zur Lehre (um
daraus den Grund und die Ordnung des Heyls,
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ben und von der Liebe C. 1, 13. recht zu faſſen)
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(ϖρός παιδειαν, zur Unterweiſung, Anfuͤhrung)
in der Gerechtigkeit (τὴν ἐν δικαιοσύνῃ, die
da geſchiehet in der Gerechtigkeit, die es mit der
Gerechtigkeit des Glaubens und des Lebens zu
thun hat: imgleichen iſt die heilige Schrift nuͤtz-
lich zum Troſt und zur Erqvickung Roͤm. 15, 4.
Pſ. 19, 8.)
Anmerckungen.
1. Die von Luthero gebrauchte particula
denn befindet ſich im griechiſchen Texte nicht.
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net zur Verbindung mit dem vorhergehenden
Verſe: wiewol beyde Verſe auch ohne ſolches
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hangen.
2. Das Wort γραφὴ, Schrift, iſt alhier
ſoviel als ἱερα` γράμματα, die heiligen Schrif-
ten V. 15. Wie es denn auch daher ofte in
Plurali gebrauchet wird, auch mit dem Beyſatze
des Worts ἅγος, heilig, Roͤm. 1, 2. u. ſ. w.
Das Wort πᾶσα, alle, heißt ſoviel als gantz
mit allen ſeinen Theilen. Da nun zu einer
Schrift gehoͤren erſtlich Sachen, die geſchrie-
ben ſind; und denn die Rede, worinnen ſie ver-
faſſet worden, mit ihrem Verſtande, den ſie nach
dem Zweck des Urhebers hat: ſo gehoͤren denn zu
der gantzen heiligen Schrift zuvorderſt alle bibli-
ſche Buͤcher in ihrer Integritaͤt mit allen darinnen
nach ihrem darein gelegten Verſtande enthaltenen
Sachen.
3. Daß nun der Apoſtel ſo ſchlechthin ſetzet
alle Schrift; daraus ſiehet man, es ſey weder
in der Juͤdiſchen, noch in der Chriſtlichen Kir-
chen der geringſte Zweifel geweſen von der An-
zahl und von der Integritaͤt der Buͤcher, welche
zum Canone oder zur Richtſchnur des Glau-
bens und des Lebens angenommen worden: wie
denn auch in der Juͤdiſchen Kirche desfals nie-
mals einiger Streit entſtanden iſt, und von Chri-
ſto und ſeinen Apoſteln wohl der rechte Verſtand
vieler Oerter von ihrem Mißverſtande gerettet
iſt, niemals aber einiges Buchs, ſo man nicht
fuͤr Canoniſch erkannt haͤtte, Canoniſche Au-
ctoritaͤt erwieſen werden duͤrfen.
4. Es iſt bey dieſen Worten ferner wohl zu
mercken, daß ſie das Subjectum in dieſem Vers
ausmachen, das iſt, alſo ſtehen, daß alle folgende
Worte zum Prædicato gehoͤren, oder von der
Beſchaffenheit ſind, daß ſie von der gantzen heili-
gen Schrift, als dem Subjecto, geſaget werden.
Und alſo ſind die erſten Worte in Anſehung des
Worts ϑεόπνευστος, von GOtt eingegeben,
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eingegeben und nuͤtze zur Lehre u. ſ. w.
5. Daß die Worte alſo zu ordnen ſind, das
ſiehet man aus dem Griechiſchen, da die Worte
ϑεόπνευστος. von GOTT eingegeben, und
ὠϕέλιμος nuͤtze, nuͤtzlich, mit dem Woͤrtlein
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Verſtande nach zuſammen gehoͤren. Da der
ſelige Lutherus das Wort θεοπνευστος zum Sub-
jecto, oder zu den vorhergehenden Worten gezo-
gen hat, ſo hat er dieſe Particul ausgelaſſen und
dafuͤr das Wort iſt gebrauchet. Ob nun gleich
der Verſtand der Worte in ſolcher Uberſetzung
an ſich ſelbſt richtig iſt, nemlich daß ich ſagen kan,
alle
Z
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/179>, abgerufen am 16.02.2025.
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