Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 1. v. 7. 8. an den Timotheum. [Spaltenumbruch]
Gleichstellung, allen allerley werden müsse, umviele zu gewinnen. 8. Nun ist auch zu erwegen, was denn so- 9. Wir können von der nöthigen Verbin- 10. Diese dreyfache Gabe nun, die Kraft, 11. Nun heißt es von GOtt: dedoke, er hat 12. Hat es aber GOtt gegeben, so ist es 13. Und da der Apostel in dem Wörtlein V. 8. Darum (weil du mit mir und so vielen an- Anmerckungen. 1. Hast du den Geist der Kraft empfangen, 2. Wo Furchtsamkeit ist, da ist auch 3. Unserer verderbten Natur gehet nichts Wenn T 3
Cap. 1. v. 7. 8. an den Timotheum. [Spaltenumbruch]
Gleichſtellung, allen allerley werden muͤſſe, umviele zu gewinnen. 8. Nun iſt auch zu erwegen, was denn σω- 9. Wir koͤnnen von der noͤthigen Verbin- 10. Dieſe dreyfache Gabe nun, die Kraft, 11. Nun heißt es von GOtt: δέδωκε, er hat 12. Hat es aber GOtt gegeben, ſo iſt es 13. Und da der Apoſtel in dem Woͤrtlein V. 8. Darum (weil du mit mir und ſo vielen an- Anmerckungen. 1. Haſt du den Geiſt der Kraft empfangen, 2. Wo Furchtſamkeit iſt, da iſt auch 3. Unſerer verderbten Natur gehet nichts Wenn T 3
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Cap. 1. v. 7. 8. an den Timotheum.
Gleichſtellung, allen allerley werden muͤſſe, um
viele zu gewinnen.
8. Nun iſt auch zu erwegen, was denn σω-
φρονισμὸς, welches Wort Lutherus durch
Zucht uͤberſetzet hat, ſey, und warum es zu den
Worten, Kraft und Liebe geſetzet worden.
Σώϕρων heißt eigentlich ſo viel als Geſund am
Gemuͤthe, und alſo klug, verſtaͤndig und weiſe,
das alle Dinge recht geiſtlich und richtig beurthei-
len und nach ihrer Beſchaffenheit richtig verfahren
und allewege die rechte Ordnung halten, und die
gehoͤrige Maſſe treffen kan. Σωϕρονίζω heißt ich
mache klug und weiſe oder fuͤhre zu einem ſolchen
Zuſtande des Gemuͤths. Und alſo iſt σωϕρονι-
σμὸς, eine ſolche Gemuͤths-Beſchaffenheit, wel-
che ſich in teutſcher Sprache mit einem Worte
nicht wohl ausdrucken laͤßt, am wenigſten mit
dem Worte, Zucht. Nemlich es iſt eine ſolche
geiſtliche Gemuͤths-Geſundheit und Klugheit,
vermoͤge welcher man alle Dinge inſonderheit in
moraliſchen Pflichten der Liebe nach ihrer Be-
ſchaffenheit bey allen ihren Umſtaͤnden recht ein-
ſiehet und alſo beurtheilet, daß man alle ſeine
Rathſchlaͤge und Handlungen darnach vorſich-
tig und recht fuͤglich, wie es der vorgeſetzte gute
Zweck mit ſich bringet, einrichtet. Und ſolcher
geſtalt ſuͤhret σωϕρονισμὸς, die Direction bey
dem Gebrauch der Kraft und der Liebe, und gehoͤ-
ret eigentlich zu dem erleuchteten Verſtande,
gleichwie die Kraft und die Liebe eigentlich zu dem
geheiligten Willen gehoͤren.
9. Wir koͤnnen von der noͤthigen Verbin-
dung dieſer drey Stuͤcke, der Kraft, der Liebe,
und der Maͤßigung ein feines Bild nehmen an
unſerm Leibe. Die Geſundheit deſſelben re-
præſentiret die Kraft: die geſchaͤftigen Haͤnde
und Fuͤſſe in der Wirckung und im Wandel die
Liebe: die Augen aber σωϕρονισμὸν, die
weiſe Direction und Maͤßigung. Da wir
denn ſehen wie keines von dieſen drey Stuͤcken
fehlen kan, und wie noͤthig eines dem andern ſey.
Denn was wuͤrde die Geſundheit nutzen ohne
Gebrauch der Haͤnde und Fuͤſſe? und wie wuͤr-
de dieſe ſtatt haben, ohne die Direction der
Augen, und wozu wuͤrde das Auge ſonderlich
dienen ohne die Geſundheit und derſelben geſchaͤf-
tige Anwendung, mit den Gliedern des Lei-
bes.
10. Dieſe dreyfache Gabe nun, die Kraft,
die Liebe, und die weiſe Moderation iſt eine
Frucht des Geiſtes, von dem es in Anſehung der
ordentlichen und auſſerordentlichen Gnaden-Ga-
ben 1 Cor. 12, 4. heißt: Es ſind mancherley
Gaben, aber es iſt ein Geiſt.
11. Nun heißt es von GOtt: δέδωκε, er hat
gegeben, nemlich den Geiſt ſelbſt, und durch ihn
die Gnaden-Gaben der Kraft, der Liebe, und der
weiſen Direction. Denn das bringet die Oeco-
nomie der heiligen Drey-Einigkeit im goͤttlichen
Weſen alſo mit ſich, daß, weil der Vater mit
dem Sohn und dem Heiligen Geiſte eines We-
ſens iſt, der Vater nicht beſonders handelt ohne
den Sohn und den Heiligen Geiſt, ſondern durch
den Heiligen Geiſt und in dem Sohne zur Ver-
klaͤrung des Sohnes in ſeinem Mittler-Amte:
Daher denn die Heilige Schrift von dem Ge-
ben und von dem Außgieſſen des heiligen Geiſtes
redet.
12. Hat es aber GOtt gegeben, ſo iſt es
ein Gnaden-Geſchenck, welches wir ohne alles
unſer Verdienſt haben. Und er hatte es damal
dergeſtalt gegeben, daß er nicht aufhoͤrte dieſe
theure Beylage, damit ſie nimmermehr von ihnen
wieder genommen werden moͤchte, gnaͤdiglich zu
bewahren.
13. Und da der Apoſtel in dem Woͤrtlein
uns, GOtt hat uns gegeben, nebſt ſich und Ti-
motheo zugleich auch auf alle glaͤubige Chriſten
damaliger Zeiten geſehen, als welche mit ihnen,
ob ſie gleich manches beſonders gehabt, dieſe bis-
her beſchriebene Gnaden-Gaben gemein gehabt
haben, ſo haben wir auch dergleichen von GOtt
zu erbitten, zu erlangen, zu erwarten und wohl
anzulegen
V. 8.
Darum (weil du mit mir und ſo vielen an-
dern Glaͤubigen eine ſo theure Beylage der Kraft,
der Liebe und der weiſen Direction empfangen
haſt, und dieſelbe zum getreuen Gebrauch zu er-
wecken iſt) ſo ſchaͤme dich nicht des Zeug-
niſſes unſers HErrn (des Evangelii) Chri-
ſti, (welches von Chriſti Perſon, Amt, Staͤn-
den und Reiche alſo kraͤftig durch die Zeugen der
Wahrheit zeuget, daß es eine Kraft GOttes zur
Seligkeit allen Glaͤubigen Roͤm. 1, 16. deſſelben
ſchaͤme dich ſo gar nicht, daß du es dir vielmehr
fuͤr eine Ehre ſchaͤtzeſt, ſeiner theilhaftig geworden
zu ſeyn, und um ſeines Namens Willen zu leiden;
wie von den Apoſteln ſtehet Apoſt. Geſch. 5, 41.)
noch meiner, der ich ſein (um ſeinet willen
und ein ihm angehoͤriger) gebundener bin (alhier
zu Rom nun zum andern mal, daß du nem-
lich Bedencken tragen wolteſt, deswegen zu mir
zu kommen; wie ich auch nicht vermuthe, es doch
aber zu deiner deſto mehrern Ermunterung erin-
nere;) ſondern leide dich (ferner, wie bisher)
mit dem Evangelio (welches die Gelegenheit
unſerer Leiden alſo iſt, daß es auch ſelbſt mitleidet,
und aufs aͤrgſte verlaͤſtert wird) nach der Kraft
GOttes (die dir von dem Geiſte der Kraft mit-
getheilet iſt v. 7.)
Anmerckungen.
1. Haſt du den Geiſt der Kraft empfangen,
lieber Timothee, v. 7. ſo leide auch nach ſolcher
Kraft, und ſchaͤme dich des Evangelii nicht. Al-
ſo verbindet Paulus dieſen Vers mit dem vorher-
gehenden und zeiget an, wie man die empfangene
Gnade ſonderlich zum leiden anwenden ſoll.
2. Wo Furchtſamkeit iſt, da iſt auch
Schamhaftigkeit: und alſo wer noch ſehr Furcht-
ſam iſt, oder in einer knechtiſchen Furcht vor GOtt
wandelt, der ſchaͤmet ſich des Evangelii gar leicht.
Da nun Timotheus nicht den Geiſt der geſetzli-
chen Furchtſamkeit, ſondern der Evangeliſchen
Freudigkeit und der Kraft empfangen hatte, ſo
konte er dieſe ſo herrliche Gnaden-Gabe der unge-
gruͤndeten Furchtſamkeit entgegen ſetzen.
3. Unſerer verderbten Natur gehet nichts
ſo ſchwer ein, als das Leiden um Chriſti willen.
Wenn
T 3
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