Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Erklärung des ersten Briefes Pauli Cap. 6. v. 5. [Spaltenumbruch]
nicht bey den heilsamen Worten unsersHErrn JEsu Christi. (Welche Worte Chri- sti sind, da sie nicht allein von ihm handeln, son- dern auch von seinem Geiste durch die Prophe- ten, Evangelisten und Apostel schriftlich verzeich- net, zum Theil auch mündlich von ihm ausge- sprochen sind) und bey der Lehre von der Gottseligkeit (te kat eusebeian, die nach der Gottseligkeit eingerichtet, oder also beschaffen ist, daß die wahre Gottseligkeit dadurch gegrün- det und befordert wird, wie da vor andern ist die zuvor angepriesene Lehre von der Menschwer- dung Christi c. 3, 16.) v. 4. der ist verdüstert (tetuphotai, er ist aufgeblasen, eigentlich am Gemüthe, gleichwie ungesunde Cörper von un- reiner Feuchtigkeit zu schwellen pflegen,) und weiß nichts (da er Christum nicht recht kennet, ob er sich gleich selbst für erleuchtet hält, auch wol einen Leiter der Blinden abgiebt, Rom. 2, 19.) sondern ist seuchtig (siech und kranck) in (fürwitzigen, spitzigen und unnützen) Fragen- und Wort-Kriegen, (da man ausser der wirck- lichen Uberzeugung von der Wahrheit auch in denen Dingen, darinnen man noch an sich ei- nes bleibet, nicht um den Verstand, sondern um Worte, oder Redens-Arten zancket, solche auch wohl verkehret, und andern daraus Jrr- thümer beymisset:) aus welchen entspringet Neid, Hadder, Lästerung, (in welche der Neid und Haß des Hertzens ausbricht) böser Argwohn (wo man etwas arges von dem Nechsten zu dencken keinen Grund hat, und es aus einem abgeneigten Hertzen doch gedencket, und was man anfangs nur bloß gedacht, hernach als schon gewisse ausspricht und sich mit Beschul- digungen und widrigen Urtheilen übereilet) v. 15. Schul-Gezäncke, (unnütze Disputationes, darinnen man klügelt und seinen Witz sehen läs- set, in der That aber seine Thorheit offenbaret) solcher Menschen, die zerruttete Sinne ha- ben (dem Gemüthe nach in grosser Corru- ption liegen, und solche durch Worte und Wercke ausbrechen lassen) und der Wahr- heit (in der Lehre, auch des rechtschaffenen We- sens im Leben) beraubet sind) ob sie wol mey- nen, daß sie die Wahrheit besitzen und dafür streiten, als derselben beste Vorfechter) die da meinen, die Gottseligkeit sey ein Gewer- be (die zur Gottseligkeit gehende Christliche Reli- gion, oder das Christenthum diene nur, oder auch zugleich dazu, daß man dadurch seinen Nu- tzen und seine Ehre suchen und befordern könne, oder sie doch in der That zu nichts anders an- wendet.) Thue dich von solchen, (daß du keine Gemeinschaft mit ihnen habest, ja sie viel- mehr ihres verkehrten Wesens halber bestraf- fest.) Anmerckungen. 1. So vertreflich auch der Flor der apo- 2. Jrrige und verführische Leute und 3. Eine heilsame, oder gesunde Lehre 4. Wer nun so gar nicht bey der Lehre von 5. Es ist ein grosser Unterscheid, auf die rei- 6. Wer göttliche Dinge nicht im göttli- 7. Es ist leider noch heute zu tage nichts zänck
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 6. v. 5. [Spaltenumbruch]
nicht bey den heilſamen Worten unſersHErrn JEſu Chriſti. (Welche Worte Chri- ſti ſind, da ſie nicht allein von ihm handeln, ſon- dern auch von ſeinem Geiſte durch die Prophe- ten, Evangeliſten und Apoſtel ſchriftlich verzeich- net, zum Theil auch muͤndlich von ihm ausge- ſprochen ſind) und bey der Lehre von der Gottſeligkeit (τῆ κατ ἐυσέβειαν, die nach der Gottſeligkeit eingerichtet, oder alſo beſchaffen iſt, daß die wahre Gottſeligkeit dadurch gegruͤn- det und befordert wird, wie da vor andern iſt die zuvor angeprieſene Lehre von der Menſchwer- dung Chriſti c. 3, 16.) v. 4. der iſt verduͤſtert (τετύϕωται, er iſt aufgeblaſen, eigentlich am Gemuͤthe, gleichwie ungeſunde Coͤrper von un- reiner Feuchtigkeit zu ſchwellen pflegen,) und weiß nichts (da er Chriſtum nicht recht kennet, ob er ſich gleich ſelbſt fuͤr erleuchtet haͤlt, auch wol einen Leiter der Blinden abgiebt, Rom. 2, 19.) ſondern iſt ſeuchtig (ſiech und kranck) in (fuͤrwitzigen, ſpitzigen und unnuͤtzen) Fragen- und Wort-Kriegen, (da man auſſer der wirck- lichen Uberzeugung von der Wahrheit auch in denen Dingen, darinnen man noch an ſich ei- nes bleibet, nicht um den Verſtand, ſondern um Worte, oder Redens-Arten zancket, ſolche auch wohl verkehret, und andern daraus Jrr- thuͤmer beymiſſet:) aus welchen entſpringet Neid, Hadder, Laͤſterung, (in welche der Neid und Haß des Hertzens ausbricht) boͤſer Argwohn (wo man etwas arges von dem Nechſten zu dencken keinen Grund hat, und es aus einem abgeneigten Hertzen doch gedencket, und was man anfangs nur bloß gedacht, hernach als ſchon gewiſſe ausſpricht und ſich mit Beſchul- digungen und widrigen Urtheilen uͤbereilet) v. 15. Schul-Gezaͤncke, (unnuͤtze Diſputationes, darinnen man kluͤgelt und ſeinen Witz ſehen laͤſ- ſet, in der That aber ſeine Thorheit offenbaret) ſolcher Menſchen, die zerrůttete Sinne ha- ben (dem Gemuͤthe nach in groſſer Corru- ption liegen, und ſolche durch Worte und Wercke ausbrechen laſſen) und der Wahr- heit (in der Lehre, auch des rechtſchaffenen We- ſens im Leben) beraubet ſind) ob ſie wol mey- nen, daß ſie die Wahrheit beſitzen und dafuͤr ſtreiten, als derſelben beſte Vorfechter) die da meinen, die Gottſeligkeit ſey ein Gewer- be (die zur Gottſeligkeit gehende Chriſtliche Reli- gion, oder das Chriſtenthum diene nur, oder auch zugleich dazu, daß man dadurch ſeinen Nu- tzen und ſeine Ehre ſuchen und befordern koͤnne, oder ſie doch in der That zu nichts anders an- wendet.) Thue dich von ſolchen, (daß du keine Gemeinſchaft mit ihnen habeſt, ja ſie viel- mehr ihres verkehrten Weſens halber beſtraf- feſt.) Anmerckungen. 1. So vertreflich auch der Flor der apo- 2. Jrrige und verfuͤhriſche Leute und 3. Eine heilſame, oder geſunde Lehre 4. Wer nun ſo gar nicht bey der Lehre von 5. Es iſt ein groſſer Unterſcheid, auf die rei- 6. Wer goͤttliche Dinge nicht im goͤttli- 7. Es iſt leider noch heute zu tage nichts zaͤnck
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So vertreflich auch der Flor der apo-<lb/> ſtoliſchen Kirche geweſen, ſo viel Unkraut und<lb/> Aergerniße, nach Lehr und Leben, iſt doch auf<lb/> derſelben Acker hervor gewachſen; wie es unſer<lb/> Heyland Matth. 13. in den bekannten Gleichniſ-<lb/> ſen vorher geſaget. Dannenhero man ſich ſo<lb/><cb/> vielweniger daruͤber zu verwundern, ſich doch<lb/> aber ſorgfaͤltig davor zu huͤten hat, wenn man<lb/> dergleichen noch heute zu tage wahrnimmt.</p><lb/> <p>2. <hi rendition="#fr">Jrrige</hi> und <hi rendition="#fr">verfuͤhriſche Leute</hi> und<lb/> ein verderbtes <hi rendition="#fr">zerruͤttetes Gemuͤth</hi> ſind alle-<lb/> mal bey einander, ſonderlich bey verkehrten Leh-<lb/> rern. 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Siehe auch 2 Tim. 2, 25. 26. c. 4, 1. 2. 3.<lb/> und hingegen ein ungoͤttliches Religions-Ge-<lb/> zaͤnck treiben, ſelbſt in groſſen Jrrthuͤmern ſte-<lb/> cken, und doch andere Recht-lehrende vieler Jrr-<lb/> thuͤmer in der Lehre faͤlſchlich beſchuldigen: Wie<lb/> es ſchon die damaligen verkehrten Geiſter gema-<lb/> chet haben, alſo daß ſie ſich auch gar an die Apo-<lb/> ſtel des HErrn gewaget haben: wie man aus<lb/> dieſem und ſo vielen andern Orten ſiehet.</p><lb/> <p>6. Wer goͤttliche Dinge nicht im goͤttli-<lb/> chen Lichte und in ihrer rechten Lauterkeit erken-<lb/> net, der erkennet ſie gar nicht, alſo daß ſeine<lb/> Erkenntniß nicht des Namens werth iſt: wie<lb/> wir hier und an ſo vielen andern Orten mehr ſe-<lb/> hen, da ſolchen Leuten die wahre Erkenntniß<lb/> gaͤntzlich abgeſprochen wird. 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Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 6. v. 5.
nicht bey den heilſamen Worten unſers
HErrn JEſu Chriſti. (Welche Worte Chri-
ſti ſind, da ſie nicht allein von ihm handeln, ſon-
dern auch von ſeinem Geiſte durch die Prophe-
ten, Evangeliſten und Apoſtel ſchriftlich verzeich-
net, zum Theil auch muͤndlich von ihm ausge-
ſprochen ſind) und bey der Lehre von der
Gottſeligkeit (τῆ κατ ἐυσέβειαν, die nach der
Gottſeligkeit eingerichtet, oder alſo beſchaffen
iſt, daß die wahre Gottſeligkeit dadurch gegruͤn-
det und befordert wird, wie da vor andern iſt die
zuvor angeprieſene Lehre von der Menſchwer-
dung Chriſti c. 3, 16.) v. 4. der iſt verduͤſtert
(τετύϕωται, er iſt aufgeblaſen, eigentlich am
Gemuͤthe, gleichwie ungeſunde Coͤrper von un-
reiner Feuchtigkeit zu ſchwellen pflegen,) und
weiß nichts (da er Chriſtum nicht recht kennet,
ob er ſich gleich ſelbſt fuͤr erleuchtet haͤlt, auch
wol einen Leiter der Blinden abgiebt, Rom. 2,
19.) ſondern iſt ſeuchtig (ſiech und kranck) in
(fuͤrwitzigen, ſpitzigen und unnuͤtzen) Fragen-
und Wort-Kriegen, (da man auſſer der wirck-
lichen Uberzeugung von der Wahrheit auch in
denen Dingen, darinnen man noch an ſich ei-
nes bleibet, nicht um den Verſtand, ſondern
um Worte, oder Redens-Arten zancket, ſolche
auch wohl verkehret, und andern daraus Jrr-
thuͤmer beymiſſet:) aus welchen entſpringet
Neid, Hadder, Laͤſterung, (in welche der
Neid und Haß des Hertzens ausbricht) boͤſer
Argwohn (wo man etwas arges von dem
Nechſten zu dencken keinen Grund hat, und es
aus einem abgeneigten Hertzen doch gedencket,
und was man anfangs nur bloß gedacht, hernach
als ſchon gewiſſe ausſpricht und ſich mit Beſchul-
digungen und widrigen Urtheilen uͤbereilet) v. 15.
Schul-Gezaͤncke, (unnuͤtze Diſputationes,
darinnen man kluͤgelt und ſeinen Witz ſehen laͤſ-
ſet, in der That aber ſeine Thorheit offenbaret)
ſolcher Menſchen, die zerrůttete Sinne ha-
ben (dem Gemuͤthe nach in groſſer Corru-
ption liegen, und ſolche durch Worte und
Wercke ausbrechen laſſen) und der Wahr-
heit (in der Lehre, auch des rechtſchaffenen We-
ſens im Leben) beraubet ſind) ob ſie wol mey-
nen, daß ſie die Wahrheit beſitzen und dafuͤr
ſtreiten, als derſelben beſte Vorfechter) die da
meinen, die Gottſeligkeit ſey ein Gewer-
be (die zur Gottſeligkeit gehende Chriſtliche Reli-
gion, oder das Chriſtenthum diene nur, oder
auch zugleich dazu, daß man dadurch ſeinen Nu-
tzen und ſeine Ehre ſuchen und befordern koͤnne,
oder ſie doch in der That zu nichts anders an-
wendet.) Thue dich von ſolchen, (daß du
keine Gemeinſchaft mit ihnen habeſt, ja ſie viel-
mehr ihres verkehrten Weſens halber beſtraf-
feſt.)
Anmerckungen.
1. So vertreflich auch der Flor der apo-
ſtoliſchen Kirche geweſen, ſo viel Unkraut und
Aergerniße, nach Lehr und Leben, iſt doch auf
derſelben Acker hervor gewachſen; wie es unſer
Heyland Matth. 13. in den bekannten Gleichniſ-
ſen vorher geſaget. Dannenhero man ſich ſo
vielweniger daruͤber zu verwundern, ſich doch
aber ſorgfaͤltig davor zu huͤten hat, wenn man
dergleichen noch heute zu tage wahrnimmt.
2. Jrrige und verfuͤhriſche Leute und
ein verderbtes zerruͤttetes Gemuͤth ſind alle-
mal bey einander, ſonderlich bey verkehrten Leh-
rern. Denn da dieſe unbekehret und unerleuch-
tet ſind, ſo lieget Verſtand und Willen bey ih-
nen zugleich im Verderben: Wie denn eine ſo
genaue Gemeinſchaft zwiſchen den beyden See-
len-Kraͤften, Verſtand und Willen iſt, daß ei-
ne ohne die andere weder geſund, noch ungeſund,
ſeyn kan.
3. Eine heilſame, oder geſunde Lehre
erweiſet ſich darinnen am allermeiſten, daß ſie
einen kraͤftigen Einfluß zur Gottſeligkeit, oder
zum Glauben, zur Liebe und zur lebendigen
Hoffnung giebet: gleichwie hingegen es einer
irrigen Lehre Eigenſchaft iſt, daß ſie dazu ſo gar
nichts beytraͤget, daß ſie vielmehr die Erbauung
verhindert und viele Jrrthuͤmer machet.
4. Wer nun ſo gar nicht bey der Lehre von
der Gottſeligkeit bleibet, daß er dieſelbe viel-
mehr fuͤr verdaͤchtig haͤlt und ausſchreyet, auch
aus dem Namen der Pietaͤt, oder Gottſeligkeit
einen Spott-Namen machet, und damit auch
diejenigen, welche wie der reinen Lehre, alſo
auch der ungeheuchelten Froͤmmigkeit von Her-
tzen zugethan ſind, gehaͤßiger weiſe damit bele-
get, der iſt gewiß einer von ſolchen Lehrern, wie
ſie der Apoſtel alhie beſchreibet. Und o wie viele
hat nicht leider die Evangeliſche Kirche ſieder
40. Jahren her gehabt!
5. Es iſt ein groſſer Unterſcheid, auf die rei-
ne Lehre mit allem Fleiße halten, ſie auch wider
alle Verfaͤlſchungen und falſche Beſchuldigun-
gen retten und vertheidigen, als worauf Pau-
lus auch in dieſer Epiſtel an mehrern Orten ſelbſt
mit Nachdruck gehet, ſonderlich c. 1, 4. und c. 4,
12. 16. Siehe auch 2 Tim. 2, 25. 26. c. 4, 1. 2. 3.
und hingegen ein ungoͤttliches Religions-Ge-
zaͤnck treiben, ſelbſt in groſſen Jrrthuͤmern ſte-
cken, und doch andere Recht-lehrende vieler Jrr-
thuͤmer in der Lehre faͤlſchlich beſchuldigen: Wie
es ſchon die damaligen verkehrten Geiſter gema-
chet haben, alſo daß ſie ſich auch gar an die Apo-
ſtel des HErrn gewaget haben: wie man aus
dieſem und ſo vielen andern Orten ſiehet.
6. Wer goͤttliche Dinge nicht im goͤttli-
chen Lichte und in ihrer rechten Lauterkeit erken-
net, der erkennet ſie gar nicht, alſo daß ſeine
Erkenntniß nicht des Namens werth iſt: wie
wir hier und an ſo vielen andern Orten mehr ſe-
hen, da ſolchen Leuten die wahre Erkenntniß
gaͤntzlich abgeſprochen wird. Man ſehe inſon-
derheit 1 Cor. 8, 1. alwo, gleichwie hier, der auf-
blehende Eigenduͤnckel als ein Kennzeichen ein-
gebildeter falſcher Erkenntniß vorgeſtellet wird,
wenn es heißt: Das Wiſſen (ohne Liebe) blaͤ-
ſet auf; aber die Liebe beſſert. So aber
iemand ſich duͤncken laͤſſet, er wiſſe etwas,
der weiß noch nichts, wie er wiſſen ſoll.
7. Es iſt leider noch heute zu tage nichts
gemeiner, als der Wahrheit ſelbſt beraubet
ſeyn, und dennoch durch allerhand Schul-Ge-
zaͤnck
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