Erklärung des ersten Briefes Pauli Cap. 3. v. 15. 16.
[Spaltenumbruch]
Christi, und denn auch auf seinen geistlichen Leib in seinem geistlichen Reiche.
3. Darum, gleichwie der Tempel mit der Stifts-Hütte ein Haus des HErrn, worinnen GOTT auf eine besondere Art wohnete, war und genennet wurde, 1 Kön. 8, 29. Ps. 69, 10. Jes. 6, 4. c. 56, 7. u. s. w. also ist und wird die Christliche Kirche, als der Leib Christi, auch ein Haus GOttes genennet, 1 Cor. 3, 16. Eph. 2, 22. 2 Tim. 2, 20. Hebr. 3, 4. 5. 6. 1 Pet. 2, 5. und daher heissen auch die Lehrer Oeconomi, Haushalter, Luc. 12, 24. 1 Cor. 4, 1. 2. Tit. 1, 7. und das Lehr-Amt heisset Oeconomia, eine Haushaltung. 1 Cor. 9, 17. Eph. 3, 2. Col. 1, 25.
4. GOTT heißt der Lebendige, sowol an sich selbst, in Ansehung seiner wahrhaftigen Existentz, und der beständigen Wircksamkeit seines Wesens nach allen wesentlichen Eigen- schaften: als auch im Gegensatz auf die gebilde- ten und eingebildeten falschen und todten Götzen der Heyden. Und also ist dieses von GOTT in der heiligen Schrift sehr oft gebrauchte Wort (Siehe unter andern Ezech. 33, 11. Matth. 26, 63. Röm. 9, 26. 2 Cor. 6, 16. 1 Thess. 1, 9. 1 Tim. 4, 10. c. 6, 17.) ein Wort der Kraft zum Glauben und des Trostes.
5. Die Worte: ein Pfeiler und Grund- veste der Wahrheit, sind hergenommen vom Tempel zu Jerusalem, als der aufs allervesteste auf einem grossen, weiten und hohen Felsen ge- gründet war, und vortrefliche Pfeiler hatte, wie zur Vestigkeit, also auch sonderlich zur Zierde: und also können sie auch, nachdem be- reits angezeigten Verstande am füglichsten zu den vorhergehenden Worten vom Hause GOt- tes gezogen werden.
6. Es scheinet zwar, als schickten sie sich noch besser zu den folgenden Worten, also daß der Verstand dieser sey: Das Geheimniß der Gottseligkeit (von der Geburt Christi, da GOtt im Fleische offenbaret ist,) das ist ein Pfeiler und Grundveste der Wahrheit, und kündlich groß: oder daß GOtt im Fleische offenbaret worden, das ist ein Pfeiler und Grundveste der Wahrheit und ein kündlich grosses Geheimniß der Gottselig- keit; allein der griechische Text wil diesen Verstand nicht füglich leiden; denn darinnen können die Worte to tes eusebeias muserion, das Geheim- niß der Gottseligkeit, oder das gottselige Ge- heimniß, nicht wol anders, als das subjectum angesehen werden, welches in den folgenden Worten, daß GOTT im Fleische geoffenba- ret sey, declariret wird; von diesem subjecto, oder von der Sache, davon geredet wird, heis- set nun das Praedicatum, oder davon wird ge- saget, daß es kündlich groß sey. Stehet nun dieses veste, so schicken sich die vorhergehen- den Worte weder zum subjecto, wie gantz klar ist: noch auch zum praedicato: denn sonst mü- sten die Worte ein Pfeiler und Grundveste der Wahrheit nicht voran, sondern hinter den folgenden stehen, nemlich also: ist künd- lich groß, und ein Pfeiler und Grundveste der Wahrheit; wolte man aber die Worte: GOTT ist offenbaret im Fleische, zum [Spaltenumbruch]subjecto machen, daß es soviel sey, als die Menschwerdung Christi, und alles vorherge- hende mit den letztern Worten des 15ten Verses zum praedicato rechnen, nemlich daß die Menschwerdung Christi ein Pfeiler und Grund- veste der Wahrheit, und ein kündlich grosses Geheimniß der Gottseligkeit sey; so will sich we- der das Wort esi ist, noch der Articulus to dazu füglich schicken, und also ists am besten, man läßt die Worte bey den vorhergehenden; und damit gewinnen die Papisten nichts: denn heißt die Kirche gleich eine Grundveste und star- cker Pfeiler, so kan es doch nicht in sensu activo genommen worden, als wenn sie den Grund des Heyls gäbe und aus sich auch auf sich selbst ie- mand gründete; als in welchem Verstande al- lein Christus der Grund der Kirchen ist Matth. 16, 18. sondern passivo, daß sie auf Christum vest gegründet und erbauet ist, denn einen an- dern Grund kan niemand legen, ausser dem, der geleget ist, welcher ist JEsus Christus, 1 Cor. 3, 11. Jes. 8, 16. Eph. 2, 20.
7. Wie vest gegründet die Kirche auf Christum sey, siehet man auch daher, daß sie, nach der Verheissung Christi, bisher wider alle Pforten der Höllen bestanden, und gemei- niglich unter dem grössesten Sturm und Unge- witter am meisten ausgebreitet worden. Matth. 16, 18.
8. Daß Christus der Grund der Kirche sey, zeiget auch der folgende Context deutlich genug an, da von dem lebendigen GOTT, dem, als dem rechten Baumeister die Kirche als sein eignes Haus in diesem 15ten Verse zugeschrieben wird, stehet, daß er eben der GOTT sey, welcher im Fleische offenbaret, den Heiden geprediget, und von der Welt geglaubet worden; als welches alles auf die Gründung und Ausbreitung der Kirche gehet.
V. 16.
Und kündlich (omologoumenos, kundbar, also, daß es ein ieder Gläubiger ohne allen Zwei- fel mit heiliger Verwunderung frey bekennen muß,) groß (wichtig, hoch und vortreflich) ist das gottselige Geheimniß, (die Geheimniß- volle Lehre von der Menschwerdung Christi, und also von der Persönlichen Vereinigung und Ge- meinschaft, auch gemeinschaftlicher Wieckung der beyden Naturen in Christo zum Wercke der Er- lösung: welches Geheimniß, als das rechte Geheimniß des Glaubens v. 9. wie es zur Ver- sohnung mit GOtt gerichtet ist, also ist es auch die Qvelle, woraus alle wahre Gottseligkeit der mitgetheilten Kraft und dem rechten Antriebe nach fliesset,) GOTT (der Sohn GOttes, der mit dem Vater und Heiligem Geiste wahrer GOtt ist, und auch also heisset Joh. 1, 1. c. 20, 28. Ap. Gesch. 20, 28. Röm. 9, 5. Tit. 2, 13. 1 Joh. 5, 20.) ist offenbaret im Fleisch (in der an- genommenen menschlichen Natur, die von ihrem sichtbaren Theile auch sonst also genennet wird, Joh. 1, 14. Röm. 1, 3. c. 9, 5. Hebr. 2, 14. 1 Joh. 4, 2. 3. also daß er darmnen auf Erden gewan- delt, und das Werck der Erlösung ausgeführet hat,) gerechtfertiget im Geist, (im Geiste,
oder
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 3. v. 15. 16.
[Spaltenumbruch]
Chriſti, und denn auch auf ſeinen geiſtlichen Leib in ſeinem geiſtlichen Reiche.
3. Darum, gleichwie der Tempel mit der Stifts-Huͤtte ein Haus des HErrn, worinnen GOTT auf eine beſondere Art wohnete, war und genennet wurde, 1 Koͤn. 8, 29. Pſ. 69, 10. Jeſ. 6, 4. c. 56, 7. u. ſ. w. alſo iſt und wird die Chriſtliche Kirche, als der Leib Chriſti, auch ein Haus GOttes genennet, 1 Cor. 3, 16. Eph. 2, 22. 2 Tim. 2, 20. Hebr. 3, 4. 5. 6. 1 Pet. 2, 5. und daher heiſſen auch die Lehrer Oeconomi, Haushalter, Luc. 12, 24. 1 Cor. 4, 1. 2. Tit. 1, 7. und das Lehr-Amt heiſſet Oeconomia, eine Haushaltung. 1 Cor. 9, 17. Eph. 3, 2. Col. 1, 25.
4. GOTT heißt der Lebendige, ſowol an ſich ſelbſt, in Anſehung ſeiner wahrhaftigen Exiſtentz, und der beſtaͤndigen Wirckſamkeit ſeines Weſens nach allen weſentlichen Eigen- ſchaften: als auch im Gegenſatz auf die gebilde- ten und eingebildeten falſchen und todten Goͤtzen der Heyden. Und alſo iſt dieſes von GOTT in der heiligen Schrift ſehr oft gebrauchte Wort (Siehe unter andern Ezech. 33, 11. Matth. 26, 63. Roͤm. 9, 26. 2 Cor. 6, 16. 1 Theſſ. 1, 9. 1 Tim. 4, 10. c. 6, 17.) ein Wort der Kraft zum Glauben und des Troſtes.
5. Die Worte: ein Pfeiler und Grund- veſte der Wahrheit, ſind hergenommen vom Tempel zu Jeruſalem, als der aufs allerveſteſte auf einem groſſen, weiten und hohen Felſen ge- gruͤndet war, und vortrefliche Pfeiler hatte, wie zur Veſtigkeit, alſo auch ſonderlich zur Zierde: und alſo koͤnnen ſie auch, nachdem be- reits angezeigten Verſtande am fuͤglichſten zu den vorhergehenden Worten vom Hauſe GOt- tes gezogen werden.
6. Es ſcheinet zwar, als ſchickten ſie ſich noch beſſer zu den folgenden Worten, alſo daß der Verſtand dieſer ſey: Das Geheimniß der Gottſeligkeit (von der Geburt Chriſti, da GOtt im Fleiſche offenbaret iſt,) das iſt ein Pfeiler und Grundveſte der Wahrheit, und kuͤndlich groß: oder daß GOtt im Fleiſche offenbaret worden, das iſt ein Pfeiler und Grundveſte der Wahrheit und ein kuͤndlich groſſes Geheimniß der Gottſelig- keit; allein deꝛ griechiſche Text wil dieſen Verſtand nicht fuͤglich leiden; denn darinnen koͤnnen die Worte τὸ τῆς ἐυσεβέιας μυςήριον, das Geheim- niß der Gottſeligkeit, oder das gottſelige Ge- heimniß, nicht wol anders, als das ſubjectum angeſehen werden, welches in den folgenden Worten, daß GOTT im Fleiſche geoffenba- ret ſey, declariret wird; von dieſem ſubjecto, oder von der Sache, davon geredet wird, heiſ- ſet nun das Prædicatum, oder davon wird ge- ſaget, daß es kuͤndlich groß ſey. Stehet nun dieſes veſte, ſo ſchicken ſich die vorhergehen- den Worte weder zum ſubjecto, wie gantz klar iſt: noch auch zum prædicato: denn ſonſt muͤ- ſten die Worte ein Pfeiler und Grundveſte der Wahrheit nicht voran, ſondern hinter den folgenden ſtehen, nemlich alſo: iſt kuͤnd- lich groß, und ein Pfeiler und Grundveſte der Wahrheit; wolte man aber die Worte: GOTT iſt offenbaret im Fleiſche, zum [Spaltenumbruch]ſubjecto machen, daß es ſoviel ſey, als die Menſchwerdung Chriſti, und alles vorherge- hende mit den letztern Worten des 15ten Verſes zum prædicato rechnen, nemlich daß die Menſchwerdung Chriſti ein Pfeiler und Grund- veſte der Wahrheit, und ein kuͤndlich groſſes Geheimniß der Gottſeligkeit ſey; ſo will ſich we- der das Wort ἐςὶ iſt, noch der Articulus τὸ dazu fuͤglich ſchicken, und alſo iſts am beſten, man laͤßt die Worte bey den vorhergehenden; und damit gewinnen die Papiſten nichts: denn heißt die Kirche gleich eine Grundveſte und ſtar- cker Pfeiler, ſo kan es doch nicht in ſenſu activo genommen worden, als wenn ſie den Grund des Heyls gaͤbe und aus ſich auch auf ſich ſelbſt ie- mand gruͤndete; als in welchem Verſtande al- lein Chriſtus der Grund der Kirchen iſt Matth. 16, 18. ſondern paſſivo, daß ſie auf Chriſtum veſt gegruͤndet und erbauet iſt, denn einen an- dern Grund kan niemand legen, auſſer dem, der geleget iſt, welcher iſt JEſus Chriſtus, 1 Cor. 3, 11. Jeſ. 8, 16. Eph. 2, 20.
7. Wie veſt gegruͤndet die Kirche auf Chriſtum ſey, ſiehet man auch daher, daß ſie, nach der Verheiſſung Chriſti, bisher wider alle Pforten der Hoͤllen beſtanden, und gemei- niglich unter dem groͤſſeſten Sturm und Unge- witter am meiſten ausgebreitet worden. Matth. 16, 18.
8. Daß Chriſtus der Grund der Kirche ſey, zeiget auch der folgende Context deutlich genug an, da von dem lebendigen GOTT, dem, als dem rechten Baumeiſter die Kirche als ſein eignes Haus in dieſem 15ten Verſe zugeſchrieben wird, ſtehet, daß er eben der GOTT ſey, welcher im Fleiſche offenbaret, den Heiden geprediget, und von der Welt geglaubet worden; als welches alles auf die Gruͤndung und Ausbreitung der Kirche gehet.
V. 16.
Und kuͤndlich (ὁμολογουμένως, kundbar, alſo, daß es ein ieder Glaͤubiger ohne allen Zwei- fel mit heiliger Verwunderung frey bekennen muß,) groß (wichtig, hoch und vortreflich) iſt das gottſelige Geheimniß, (die Geheimniß- volle Lehre von der Menſchwerdung Chriſti, und alſo von der Perſoͤnlichen Vereinigung und Ge- meinſchaft, auch gemeinſchaftlicher Wieckung der beyden Naturen in Chriſto zum Wercke der Er- loͤſung: welches Geheimniß, als das rechte Geheimniß des Glaubens v. 9. wie es zur Ver- ſohnung mit GOtt gerichtet iſt, alſo iſt es auch die Qvelle, woraus alle wahre Gottſeligkeit der mitgetheilten Kraft und dem rechten Antriebe nach flieſſet,) GOTT (der Sohn GOttes, der mit dem Vater und Heiligem Geiſte wahrer GOtt iſt, und auch alſo heiſſet Joh. 1, 1. c. 20, 28. Ap. Geſch. 20, 28. Roͤm. 9, 5. Tit. 2, 13. 1 Joh. 5, 20.) iſt offenbaret im Fleiſch (in der an- genommenen menſchlichen Natur, die von ihrem ſichtbaren Theile auch ſonſt alſo genennet wird, Joh. 1, 14. Roͤm. 1, 3. c. 9, 5. Hebr. 2, 14. 1 Joh. 4, 2. 3. alſo daß er darmnen auf Erden gewan- delt, und das Werck der Erloͤſung ausgefuͤhret hat,) gerechtfertiget im Geiſt, (im Geiſte,
oder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0118"n="116"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 3. v. 15. 16.</hi></fw><lb/><cb/>
Chriſti, und denn auch auf ſeinen geiſtlichen<lb/>
Leib in ſeinem geiſtlichen Reiche.</p><lb/><p>3. Darum, gleichwie der Tempel mit der<lb/>
Stifts-Huͤtte ein Haus des HErrn, worinnen<lb/>
GOTT auf eine beſondere Art wohnete, war<lb/>
und genennet wurde, 1 Koͤn. 8, 29. Pſ. 69, 10.<lb/>
Jeſ. 6, 4. c. 56, 7. u. ſ. w. alſo iſt und wird die<lb/>
Chriſtliche Kirche, als der Leib Chriſti, auch<lb/>
ein Haus GOttes genennet, 1 Cor. 3, 16. Eph.<lb/>
2, 22. 2 Tim. 2, 20. Hebr. 3, 4. 5. 6. 1 Pet. 2, 5.<lb/>
und daher heiſſen auch die Lehrer <hirendition="#aq">Oeconomi,</hi><lb/><hirendition="#fr">Haushalter,</hi> Luc. 12, 24. 1 Cor. 4, 1. 2. Tit.<lb/>
1, 7. und das Lehr-Amt heiſſet <hirendition="#aq">Oeconomia,</hi><lb/>
eine <hirendition="#fr">Haushaltung.</hi> 1 Cor. 9, 17. Eph. 3, 2.<lb/>
Col. 1, 25.</p><lb/><p>4. GOTT heißt der <hirendition="#fr">Lebendige,</hi>ſowol<lb/>
an ſich ſelbſt, in Anſehung ſeiner wahrhaftigen<lb/><hirendition="#aq">Exiſten</hi>tz, und der beſtaͤndigen Wirckſamkeit<lb/>ſeines Weſens nach allen weſentlichen Eigen-<lb/>ſchaften: als auch im Gegenſatz auf die gebilde-<lb/>
ten und eingebildeten falſchen und todten Goͤtzen<lb/>
der Heyden. Und alſo iſt dieſes von GOTT in<lb/>
der heiligen Schrift ſehr oft gebrauchte Wort<lb/>
(Siehe unter andern Ezech. 33, 11. Matth. 26,<lb/>
63. Roͤm. 9, 26. 2 Cor. 6, 16. 1 Theſſ. 1, 9.<lb/>
1 Tim. 4, 10. c. 6, 17.) ein Wort der Kraft zum<lb/>
Glauben und des Troſtes.</p><lb/><p>5. Die Worte: <hirendition="#fr">ein Pfeiler und Grund-<lb/>
veſte der Wahrheit,</hi>ſind hergenommen vom<lb/>
Tempel zu Jeruſalem, als der aufs allerveſteſte<lb/>
auf einem groſſen, weiten und hohen Felſen ge-<lb/>
gruͤndet war, und vortrefliche <hirendition="#fr">Pfeiler</hi> hatte,<lb/>
wie zur <hirendition="#fr">Veſtigkeit,</hi> alſo auch ſonderlich zur<lb/><hirendition="#fr">Zierde:</hi> und alſo koͤnnen ſie auch, nachdem be-<lb/>
reits angezeigten Verſtande am fuͤglichſten zu<lb/>
den vorhergehenden Worten vom Hauſe GOt-<lb/>
tes gezogen werden.</p><lb/><p>6. Es ſcheinet zwar, als ſchickten ſie ſich<lb/>
noch beſſer zu den folgenden Worten, alſo daß<lb/>
der Verſtand dieſer ſey: Das Geheimniß der<lb/>
Gottſeligkeit (von der Geburt Chriſti, da GOtt<lb/>
im Fleiſche offenbaret iſt,) das iſt ein Pfeiler und<lb/>
Grundveſte der Wahrheit, und kuͤndlich groß:<lb/>
oder daß GOtt im Fleiſche offenbaret worden,<lb/>
das iſt ein Pfeiler und Grundveſte der Wahrheit<lb/>
und ein kuͤndlich groſſes Geheimniß der Gottſelig-<lb/>
keit; allein deꝛ griechiſche Text wil dieſen Verſtand<lb/>
nicht fuͤglich leiden; denn darinnen koͤnnen die<lb/>
Worte τὸτῆςἐυσεβέιαςμυςήριον, <hirendition="#fr">das Geheim-<lb/>
niß der Gottſeligkeit,</hi> oder das gottſelige Ge-<lb/>
heimniß, nicht wol anders, als das <hirendition="#aq">ſubjectum</hi><lb/>
angeſehen werden, welches in den folgenden<lb/>
Worten, daß GOTT im Fleiſche geoffenba-<lb/>
ret ſey, <hirendition="#aq">declarir</hi>et wird; von dieſem <hirendition="#aq">ſubjecto,</hi><lb/>
oder von der Sache, davon geredet wird, heiſ-<lb/>ſet nun das <hirendition="#aq">Prædicatum,</hi> oder davon wird ge-<lb/>ſaget, <hirendition="#fr">daß es kuͤndlich groß ſey.</hi> Stehet<lb/>
nun dieſes veſte, ſo ſchicken ſich die vorhergehen-<lb/>
den Worte weder zum <hirendition="#aq">ſubjecto,</hi> wie gantz klar<lb/>
iſt: noch auch zum <hirendition="#aq">prædicato:</hi> denn ſonſt muͤ-<lb/>ſten die Worte <hirendition="#fr">ein Pfeiler und Grundveſte<lb/>
der Wahrheit</hi> nicht voran, ſondern hinter<lb/>
den folgenden ſtehen, nemlich alſo: <hirendition="#fr">iſt kuͤnd-<lb/>
lich groß, und ein Pfeiler und Grundveſte<lb/>
der Wahrheit;</hi> wolte man aber die Worte:<lb/><hirendition="#fr"><hirendition="#g">GOTT</hi> iſt offenbaret im Fleiſche,</hi> zum<lb/><cb/><hirendition="#aq">ſubjecto</hi> machen, daß es ſoviel ſey, als die<lb/>
Menſchwerdung Chriſti, und alles vorherge-<lb/>
hende mit den letztern Worten des 15ten Verſes<lb/>
zum <hirendition="#aq">prædicato</hi> rechnen, nemlich daß die<lb/>
Menſchwerdung Chriſti ein Pfeiler und Grund-<lb/>
veſte der Wahrheit, und ein kuͤndlich groſſes<lb/>
Geheimniß der Gottſeligkeit ſey; ſo will ſich we-<lb/>
der das Wort ἐςὶ<hirendition="#fr">iſt,</hi> noch der <hirendition="#aq">Articulus</hi>τὸ<lb/>
dazu fuͤglich ſchicken, und alſo iſts am beſten,<lb/>
man laͤßt die Worte bey den vorhergehenden;<lb/>
und damit gewinnen die Papiſten nichts: denn<lb/>
heißt die Kirche gleich eine Grundveſte und ſtar-<lb/>
cker Pfeiler, ſo kan es doch nicht in <hirendition="#aq">ſenſu activo</hi><lb/>
genommen worden, als wenn ſie den Grund<lb/>
des Heyls gaͤbe und aus ſich auch auf ſich ſelbſt ie-<lb/>
mand gruͤndete; als in welchem Verſtande al-<lb/>
lein Chriſtus der Grund der Kirchen iſt Matth.<lb/>
16, 18. ſondern <hirendition="#aq">paſſivo,</hi> daß ſie auf Chriſtum<lb/>
veſt gegruͤndet und erbauet iſt, <hirendition="#fr">denn einen an-<lb/>
dern Grund kan niemand legen, auſſer<lb/>
dem, der geleget iſt, welcher iſt JEſus<lb/>
Chriſtus,</hi> 1 Cor. 3, 11. Jeſ. 8, 16. Eph. 2, 20.</p><lb/><p>7. Wie veſt gegruͤndet die Kirche auf<lb/>
Chriſtum ſey, ſiehet man auch daher, daß<lb/>ſie, nach der Verheiſſung Chriſti, bisher wider<lb/>
alle Pforten der Hoͤllen beſtanden, und gemei-<lb/>
niglich unter dem groͤſſeſten Sturm und Unge-<lb/>
witter am meiſten ausgebreitet worden. Matth.<lb/>
16, 18.</p><lb/><p>8. Daß Chriſtus der Grund der Kirche ſey,<lb/>
zeiget auch der folgende <hirendition="#aq">Context</hi> deutlich genug<lb/>
an, da von dem lebendigen GOTT, dem, als<lb/>
dem rechten Baumeiſter die Kirche als ſein eignes<lb/>
Haus in dieſem 15ten Verſe zugeſchrieben wird,<lb/>ſtehet, daß er eben der GOTT ſey, welcher<lb/>
im Fleiſche offenbaret, den Heiden geprediget,<lb/>
und von der Welt geglaubet worden; als welches<lb/>
alles auf die Gruͤndung und Ausbreitung der<lb/>
Kirche gehet.</p></div></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">V. 16.</hi></head><lb/><p><hirendition="#fr">Und kuͤndlich</hi> (ὁμολογουμένως, kundbar,<lb/>
alſo, daß es ein ieder Glaͤubiger ohne allen Zwei-<lb/>
fel mit heiliger Verwunderung frey bekennen<lb/>
muß,) <hirendition="#fr">groß</hi> (wichtig, hoch und vortreflich) <hirendition="#fr">iſt<lb/>
das gottſelige Geheimniß,</hi> (die Geheimniß-<lb/>
volle Lehre von der Menſchwerdung Chriſti, und<lb/>
alſo von der Perſoͤnlichen Vereinigung und Ge-<lb/>
meinſchaft, auch gemeinſchaftlicher Wieckung der<lb/>
beyden Naturen in Chriſto zum Wercke der Er-<lb/>
loͤſung: welches Geheimniß, als das rechte<lb/>
Geheimniß des Glaubens v. 9. wie es zur Ver-<lb/>ſohnung mit GOtt gerichtet iſt, alſo iſt es auch<lb/>
die Qvelle, woraus alle wahre Gottſeligkeit der<lb/>
mitgetheilten Kraft und dem rechten Antriebe<lb/>
nach flieſſet,) <hirendition="#fr">GOTT</hi> (der Sohn GOttes, der<lb/>
mit dem Vater und Heiligem Geiſte wahrer<lb/>
GOtt iſt, und auch alſo heiſſet Joh. 1, 1. c. 20, 28.<lb/>
Ap. Geſch. 20, 28. Roͤm. 9, 5. Tit. 2, 13. 1 Joh.<lb/>
5, 20.) <hirendition="#fr">iſt offenbaret im Fleiſch</hi> (in der an-<lb/>
genommenen menſchlichen Natur, die von ihrem<lb/>ſichtbaren Theile auch ſonſt alſo genennet wird,<lb/>
Joh. 1, 14. Roͤm. 1, 3. c. 9, 5. Hebr. 2, 14. 1 Joh.<lb/>
4, 2. 3. alſo daß er darmnen auf Erden gewan-<lb/>
delt, und das Werck der Erloͤſung ausgefuͤhret<lb/>
hat,) <hirendition="#fr">gerechtfertiget im Geiſt,</hi> (im Geiſte,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">oder</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[116/0118]
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 3. v. 15. 16.
Chriſti, und denn auch auf ſeinen geiſtlichen
Leib in ſeinem geiſtlichen Reiche.
3. Darum, gleichwie der Tempel mit der
Stifts-Huͤtte ein Haus des HErrn, worinnen
GOTT auf eine beſondere Art wohnete, war
und genennet wurde, 1 Koͤn. 8, 29. Pſ. 69, 10.
Jeſ. 6, 4. c. 56, 7. u. ſ. w. alſo iſt und wird die
Chriſtliche Kirche, als der Leib Chriſti, auch
ein Haus GOttes genennet, 1 Cor. 3, 16. Eph.
2, 22. 2 Tim. 2, 20. Hebr. 3, 4. 5. 6. 1 Pet. 2, 5.
und daher heiſſen auch die Lehrer Oeconomi,
Haushalter, Luc. 12, 24. 1 Cor. 4, 1. 2. Tit.
1, 7. und das Lehr-Amt heiſſet Oeconomia,
eine Haushaltung. 1 Cor. 9, 17. Eph. 3, 2.
Col. 1, 25.
4. GOTT heißt der Lebendige, ſowol
an ſich ſelbſt, in Anſehung ſeiner wahrhaftigen
Exiſtentz, und der beſtaͤndigen Wirckſamkeit
ſeines Weſens nach allen weſentlichen Eigen-
ſchaften: als auch im Gegenſatz auf die gebilde-
ten und eingebildeten falſchen und todten Goͤtzen
der Heyden. Und alſo iſt dieſes von GOTT in
der heiligen Schrift ſehr oft gebrauchte Wort
(Siehe unter andern Ezech. 33, 11. Matth. 26,
63. Roͤm. 9, 26. 2 Cor. 6, 16. 1 Theſſ. 1, 9.
1 Tim. 4, 10. c. 6, 17.) ein Wort der Kraft zum
Glauben und des Troſtes.
5. Die Worte: ein Pfeiler und Grund-
veſte der Wahrheit, ſind hergenommen vom
Tempel zu Jeruſalem, als der aufs allerveſteſte
auf einem groſſen, weiten und hohen Felſen ge-
gruͤndet war, und vortrefliche Pfeiler hatte,
wie zur Veſtigkeit, alſo auch ſonderlich zur
Zierde: und alſo koͤnnen ſie auch, nachdem be-
reits angezeigten Verſtande am fuͤglichſten zu
den vorhergehenden Worten vom Hauſe GOt-
tes gezogen werden.
6. Es ſcheinet zwar, als ſchickten ſie ſich
noch beſſer zu den folgenden Worten, alſo daß
der Verſtand dieſer ſey: Das Geheimniß der
Gottſeligkeit (von der Geburt Chriſti, da GOtt
im Fleiſche offenbaret iſt,) das iſt ein Pfeiler und
Grundveſte der Wahrheit, und kuͤndlich groß:
oder daß GOtt im Fleiſche offenbaret worden,
das iſt ein Pfeiler und Grundveſte der Wahrheit
und ein kuͤndlich groſſes Geheimniß der Gottſelig-
keit; allein deꝛ griechiſche Text wil dieſen Verſtand
nicht fuͤglich leiden; denn darinnen koͤnnen die
Worte τὸ τῆς ἐυσεβέιας μυςήριον, das Geheim-
niß der Gottſeligkeit, oder das gottſelige Ge-
heimniß, nicht wol anders, als das ſubjectum
angeſehen werden, welches in den folgenden
Worten, daß GOTT im Fleiſche geoffenba-
ret ſey, declariret wird; von dieſem ſubjecto,
oder von der Sache, davon geredet wird, heiſ-
ſet nun das Prædicatum, oder davon wird ge-
ſaget, daß es kuͤndlich groß ſey. Stehet
nun dieſes veſte, ſo ſchicken ſich die vorhergehen-
den Worte weder zum ſubjecto, wie gantz klar
iſt: noch auch zum prædicato: denn ſonſt muͤ-
ſten die Worte ein Pfeiler und Grundveſte
der Wahrheit nicht voran, ſondern hinter
den folgenden ſtehen, nemlich alſo: iſt kuͤnd-
lich groß, und ein Pfeiler und Grundveſte
der Wahrheit; wolte man aber die Worte:
GOTT iſt offenbaret im Fleiſche, zum
ſubjecto machen, daß es ſoviel ſey, als die
Menſchwerdung Chriſti, und alles vorherge-
hende mit den letztern Worten des 15ten Verſes
zum prædicato rechnen, nemlich daß die
Menſchwerdung Chriſti ein Pfeiler und Grund-
veſte der Wahrheit, und ein kuͤndlich groſſes
Geheimniß der Gottſeligkeit ſey; ſo will ſich we-
der das Wort ἐςὶ iſt, noch der Articulus τὸ
dazu fuͤglich ſchicken, und alſo iſts am beſten,
man laͤßt die Worte bey den vorhergehenden;
und damit gewinnen die Papiſten nichts: denn
heißt die Kirche gleich eine Grundveſte und ſtar-
cker Pfeiler, ſo kan es doch nicht in ſenſu activo
genommen worden, als wenn ſie den Grund
des Heyls gaͤbe und aus ſich auch auf ſich ſelbſt ie-
mand gruͤndete; als in welchem Verſtande al-
lein Chriſtus der Grund der Kirchen iſt Matth.
16, 18. ſondern paſſivo, daß ſie auf Chriſtum
veſt gegruͤndet und erbauet iſt, denn einen an-
dern Grund kan niemand legen, auſſer
dem, der geleget iſt, welcher iſt JEſus
Chriſtus, 1 Cor. 3, 11. Jeſ. 8, 16. Eph. 2, 20.
7. Wie veſt gegruͤndet die Kirche auf
Chriſtum ſey, ſiehet man auch daher, daß
ſie, nach der Verheiſſung Chriſti, bisher wider
alle Pforten der Hoͤllen beſtanden, und gemei-
niglich unter dem groͤſſeſten Sturm und Unge-
witter am meiſten ausgebreitet worden. Matth.
16, 18.
8. Daß Chriſtus der Grund der Kirche ſey,
zeiget auch der folgende Context deutlich genug
an, da von dem lebendigen GOTT, dem, als
dem rechten Baumeiſter die Kirche als ſein eignes
Haus in dieſem 15ten Verſe zugeſchrieben wird,
ſtehet, daß er eben der GOTT ſey, welcher
im Fleiſche offenbaret, den Heiden geprediget,
und von der Welt geglaubet worden; als welches
alles auf die Gruͤndung und Ausbreitung der
Kirche gehet.
V. 16.
Und kuͤndlich (ὁμολογουμένως, kundbar,
alſo, daß es ein ieder Glaͤubiger ohne allen Zwei-
fel mit heiliger Verwunderung frey bekennen
muß,) groß (wichtig, hoch und vortreflich) iſt
das gottſelige Geheimniß, (die Geheimniß-
volle Lehre von der Menſchwerdung Chriſti, und
alſo von der Perſoͤnlichen Vereinigung und Ge-
meinſchaft, auch gemeinſchaftlicher Wieckung der
beyden Naturen in Chriſto zum Wercke der Er-
loͤſung: welches Geheimniß, als das rechte
Geheimniß des Glaubens v. 9. wie es zur Ver-
ſohnung mit GOtt gerichtet iſt, alſo iſt es auch
die Qvelle, woraus alle wahre Gottſeligkeit der
mitgetheilten Kraft und dem rechten Antriebe
nach flieſſet,) GOTT (der Sohn GOttes, der
mit dem Vater und Heiligem Geiſte wahrer
GOtt iſt, und auch alſo heiſſet Joh. 1, 1. c. 20, 28.
Ap. Geſch. 20, 28. Roͤm. 9, 5. Tit. 2, 13. 1 Joh.
5, 20.) iſt offenbaret im Fleiſch (in der an-
genommenen menſchlichen Natur, die von ihrem
ſichtbaren Theile auch ſonſt alſo genennet wird,
Joh. 1, 14. Roͤm. 1, 3. c. 9, 5. Hebr. 2, 14. 1 Joh.
4, 2. 3. alſo daß er darmnen auf Erden gewan-
delt, und das Werck der Erloͤſung ausgefuͤhret
hat,) gerechtfertiget im Geiſt, (im Geiſte,
oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/118>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.