Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 3, 16. an die Colosser. [Spaltenumbruch]
Wort Christi, an welches sich der Glaubehält. Es gehet demnach der Nachdruck des Worts, wohnen, einwohnen, dahin, daß man das Wort GOttes nicht solle unter und bey sich haben, wie einen Gast, der bald wie- der weggehet, oder abziehet, sondern zum be- ständigen und recht völligen Gebrauch, daß man sich dasselbe in allen seinen Theilen gantz und gar zu nutze mache, und desselben sich zur täglichen Nahrung seiner Seelen recht frucht- barlich bediene, und es im Hertzen auch recht bewahre und wohl erwege, und solchen wür- digen Gebrauch in einem demselben gemässen heiligen Wandel erweise. Denn wo das Wort GOttes also in unser Hertz eingepflan- tzet ist, wie Jacobus redet c. 1, 21. so werden wir dadurch auch der Fülle der Gottheit, wel- che in Christo leibhaftig wohnet, aus der Sal- bung des Heiligen Geistes theilhaftig, und werden erfüllet mit allerley GOttes Fülle nach Col. 2, 10. Eph. 3, 19. Und da das Wort GOttes durch den Glauben aufgenom- men und in uns gleichsam digeriret und ver- dauet wird, so spricht Paulus daher auch 2 Tim. 1, 5. vom Glauben, daß er im Timotheo wohne, wie er in seiner Groß- mutter, Loide, und in seiner Mutter, Eu- nike, gewohnet habe. Hingegen heißt es Joh. 5, 38. von den Juden: Sein (GOttes) Wort habet ihr nicht in euch wohnend: denn ihr gläubet dem nicht, den er ge- sandt hat. b. Das Wort GOttes soll unter ihnen woh- nen, plousios, reichlich, das ist, also, daß man seinen Reichthum, den es an und in sich selbst hat, erkenne, und dessen auch theilhaf- tig werde, und dannenhero auch reichlich, oder zum öftern und fleißig damit umgehe, nicht allein öffentlich, sondern auch besonders, und auf mancherley Art, theils mit Lesen, theils mit Anhören, theils mit andächtiger Betrachtung, auch mit dem Gesange auf mancherley Art, wie es darauf von Paulo er- kläret wird; und dabey am allermeisten in der wircklichen Ubung. Der Grund von der reichlichen Handlung des göttlichen Worts lieget in desselben so gar herrlichem Reich- thum der darinnen geoffenbahreten Glau- bens-Geheimnisse, als darinnen sich bey der Betrachtung eine Tiefe nach der andern hervor thut. Nimmt man nun den, zu einem wohlgeordneten Christlichen Leben, wie es in- nerlich und äusserlich vor GOtt und Men- schen beschaffen seyn soll, darinnen liegenden so gar lehrreichen auch trostreichen Vor- trag auch dazu, und erweget noch über das die Geheimnisse von der so wunder-vollen Harmonie und endlichen Ausführung aller Werck GOttes, davon die Pro- pheten und die Offenbarung Johannis voll ist; so ist der Reichthum noch grösser. Es haben demnach die Worte Pauli c. 2, 2. 3. einen Nachdruck, wenn er saget, daß in dem Geheimniß des Vaters und des Sohnes alle Schätze der Weisheit und der Er- käntniß verborgen liegen. Da nun das [Spaltenumbruch] Wort GOttes von einem solchen Reichthum ist, so erfodert es denn auch billig eine reichli- chere und fleißigere Handlung: und zwar eine solche, die nicht allein sey unter den Chri- sten, sondern auch in ihnen, daß das Wort bey ihnen recht zur Kraft komme. Denn al- so haben wir alhier die Worte en umin sonder- lich zu nehmen, daß es heisse in euch. Wel- ches denn auch diese Ordnung mit sich brach- te, daß es, zu dem Zwecke der innerlichen Einwohnung und Einwurtzelung, auch äus- serlich also muste tractiret werden, daß auch die Sinnen des Gesichts zum Lesen, und des Gehöres dabey ihr Geschäfte hatten. c. Es soll das Wort auch unter und in den Gläu- bigen wohnen in aller Weisheit; da das Wörtlein in wie sonst öfter, also auch alhier wol so viel heissen kan, als zu, zu aller Weis- heit: daß Pauli Meinung sey, es solle die reichliche Handlung des Worts Christi, weil alle Schätze der Weisheit und der Erkäntniß darinnen verborgen liegen, zu aller Weisheit dienen, um darinnen immer mehr zuzunehmen, nemlich in einer solchen Weisheit, welche voller Furcht des HErrn ist: und daß man da- her nach c. 2, 8. so viel weniger nöthig habe, sich nach der magern und thörichten Philoso- phie umzusehen. Von der wahren Weis- heit, welche aus GOttes Wort kömmt, sehe man unter andern 5 B. Mos. 4, 6. 7. So be- haltet es nun, und thuts (was ich euch gebiete) denn das wird eure Weisheit und Verstand seyn bey allen Völckern, wenn sie hören werden alle diese Gebote, daß sie müssen sagen: Ey welche weise und verständige Leute sind das, und ein herrlich Volck- und wo ist ein so herr- lich Volck, das so gerechte Sitten und Gebote habe, als alles dieses Gesetze, das ich heutiges Tages vortrage. Galt nun dieses vom Moral-Gesetze, davon für- nehmlich die Rede in angeführten Worten ist; was solte denn nicht vom Evangelio können gesaget werden? denn dieses kan mit beson- derer Kraft die albernen weise machen Ps. 19, 8. Es dienet gewiß der gantzen heiligen Schrift zum grossen Lobe, daß Paulus von allen ihren Theilenbezeuget, daß sie sind duna- mena sophisai, die das Vermögen haben weise zu machen 2 Pet. 3, 15. Und dis ist wie von der heiligen Schrift, also auch von der darinnen geoffenbareten Religion wohl zu mercken, daß sie voller Weisheit sey. Denn ob gleich die Glaubens-Geheimniß von solcher Höhe und Tiefe sind, daß sie kein menschlicher Verstand hat ausdencken und erfinden kön- nen; so sind sie doch von der Beschaffenheit, daß auch die Vernunft die darinnen liegende so herrliche Harmonie und Weisheit, auch die Einrichtung, welche sie in Ansehung GOttes und der Menschen hat, da sie der Natur GOttes und des Menschen so gar gemäß ist, billig mit Ehrfurcht bewundern muß. Wel- ches denn ein recht göttlicher Character ist von der Wahrheit der geoffenbareten Religion. 5. Nach-
Cap. 3, 16. an die Coloſſer. [Spaltenumbruch]
Wort Chriſti, an welches ſich der Glaubehaͤlt. Es gehet demnach der Nachdruck des Worts, wohnen, einwohnen, dahin, daß man das Wort GOttes nicht ſolle unter und bey ſich haben, wie einen Gaſt, der bald wie- der weggehet, oder abziehet, ſondern zum be- ſtaͤndigen und recht voͤlligen Gebrauch, daß man ſich daſſelbe in allen ſeinen Theilen gantz und gar zu nutze mache, und deſſelben ſich zur taͤglichen Nahrung ſeiner Seelen recht frucht- barlich bediene, und es im Hertzen auch recht bewahre und wohl erwege, und ſolchen wuͤr- digen Gebrauch in einem demſelben gemaͤſſen heiligen Wandel erweiſe. Denn wo das Wort GOttes alſo in unſer Hertz eingepflan- tzet iſt, wie Jacobus redet c. 1, 21. ſo werden wir dadurch auch der Fuͤlle der Gottheit, wel- che in Chriſto leibhaftig wohnet, aus der Sal- bung des Heiligen Geiſtes theilhaftig, und werden erfuͤllet mit allerley GOttes Fuͤlle nach Col. 2, 10. Eph. 3, 19. Und da das Wort GOttes durch den Glauben aufgenom- men und in uns gleichſam digeriret und ver- dauet wird, ſo ſpricht Paulus daher auch 2 Tim. 1, 5. vom Glauben, daß er im Timotheo wohne, wie er in ſeiner Groß- mutter, Loide, und in ſeiner Mutter, Eu- nike, gewohnet habe. Hingegen heißt es Joh. 5, 38. von den Juden: Sein (GOttes) Wort habet ihr nicht in euch wohnend: denn ihr glaͤubet dem nicht, den er ge- ſandt hat. b. Das Wort GOttes ſoll unter ihnen woh- nen, πλουσίως, reichlich, das iſt, alſo, daß man ſeinen Reichthum, den es an und in ſich ſelbſt hat, erkenne, und deſſen auch theilhaf- tig werde, und dannenhero auch reichlich, oder zum oͤftern und fleißig damit umgehe, nicht allein oͤffentlich, ſondern auch beſonders, und auf mancherley Art, theils mit Leſen, theils mit Anhoͤren, theils mit andaͤchtiger Betrachtung, auch mit dem Geſange auf mancherley Art, wie es darauf von Paulo er- klaͤret wird; und dabey am allermeiſten in der wircklichen Ubung. Der Grund von der reichlichen Handlung des goͤttlichen Worts lieget in deſſelben ſo gar herrlichem Reich- thum der darinnen geoffenbahreten Glau- bens-Geheimniſſe, als darinnen ſich bey der Betrachtung eine Tiefe nach der andern hervor thut. Nimmt man nun den, zu einem wohlgeordneten Chriſtlichen Leben, wie es in- nerlich und aͤuſſerlich vor GOtt und Men- ſchen beſchaffen ſeyn ſoll, darinnen liegenden ſo gar lehrreichen auch troſtreichen Vor- trag auch dazu, und erweget noch uͤber das die Geheimniſſe von der ſo wunder-vollen Harmonie und endlichen Ausfuͤhrung aller Werck GOttes, davon die Pro- pheten und die Offenbarung Johannis voll iſt; ſo iſt der Reichthum noch groͤſſer. Es haben demnach die Worte Pauli c. 2, 2. 3. einen Nachdruck, wenn er ſaget, daß in dem Geheimniß des Vaters und des Sohnes alle Schaͤtze der Weisheit und der Er- kaͤntniß verborgen liegen. Da nun das [Spaltenumbruch] Wort GOttes von einem ſolchen Reichthum iſt, ſo erfodert es denn auch billig eine reichli- chere und fleißigere Handlung: und zwar eine ſolche, die nicht allein ſey unter den Chri- ſten, ſondern auch in ihnen, daß das Wort bey ihnen recht zur Kraft komme. Denn al- ſo haben wir alhier die Worte ἐν ὑμῖν ſonder- lich zu nehmen, daß es heiſſe in euch. Wel- ches denn auch dieſe Ordnung mit ſich brach- te, daß es, zu dem Zwecke der innerlichen Einwohnung und Einwurtzelung, auch aͤuſ- ſerlich alſo muſte tractiret werden, daß auch die Sinnen des Geſichts zum Leſen, und des Gehoͤres dabey ihr Geſchaͤfte hatten. c. Es ſoll das Wort auch unter und in den Glaͤu- bigen wohnen in aller Weisheit; da das Woͤrtlein in wie ſonſt oͤfter, alſo auch alhier wol ſo viel heiſſen kan, als zu, zu aller Weis- heit: daß Pauli Meinung ſey, es ſolle die reichliche Handlung des Worts Chriſti, weil alle Schaͤtze der Weisheit und der Erkaͤntniß darinnen verborgen liegen, zu aller Weisheit dienen, um darinnen immer mehr zuzunehmen, nemlich in einer ſolchen Weisheit, welche voller Furcht des HErrn iſt: und daß man da- her nach c. 2, 8. ſo viel weniger noͤthig habe, ſich nach der magern und thoͤrichten Philoſo- phie umzuſehen. Von der wahren Weis- heit, welche aus GOttes Wort koͤmmt, ſehe man unter andern 5 B. Moſ. 4, 6. 7. So be- haltet es nun, und thuts (was ich euch gebiete) denn das wird eure Weisheit und Verſtand ſeyn bey allen Voͤlckern, wenn ſie hoͤren werden alle dieſe Gebote, daß ſie muͤſſen ſagen: Ey welche weiſe und verſtaͤndige Leute ſind das, und ein herrlich Volck- und wo iſt ein ſo herr- lich Volck, das ſo gerechte Sitten und Gebote habe, als alles dieſes Geſetze, das ich heutiges Tages vortrage. Galt nun dieſes vom Moral-Geſetze, davon fuͤr- nehmlich die Rede in angefuͤhrten Worten iſt; was ſolte denn nicht vom Evangelio koͤnnen geſaget werden? denn dieſes kan mit beſon- derer Kraft die albernen weiſe machen Pſ. 19, 8. Es dienet gewiß der gantzen heiligen Schrift zum groſſen Lobe, daß Paulus von allen ihren Theilenbezeuget, daß ſie ſind δυνά- μενα σοφίσαι, die das Vermoͤgen haben weiſe zu machen 2 Pet. 3, 15. Und dis iſt wie von der heiligen Schrift, alſo auch von der darinnen geoffenbareten Religion wohl zu mercken, daß ſie voller Weisheit ſey. Denn ob gleich die Glaubens-Geheimniß von ſolcher Hoͤhe und Tiefe ſind, daß ſie kein menſchlicher Verſtand hat ausdencken und erfinden koͤn- nen; ſo ſind ſie doch von der Beſchaffenheit, daß auch die Vernunft die darinnen liegende ſo herrliche Harmonie und Weisheit, auch die Einrichtung, welche ſie in Anſehung GOttes und der Menſchen hat, da ſie der Natur GOttes und des Menſchen ſo gar gemaͤß iſt, billig mit Ehrfurcht bewundern muß. Wel- ches denn ein recht goͤttlicher Character iſt von der Wahrheit der geoffenbareten Religion. 5. Nach-
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Cap. 3, 16. an die Coloſſer.
Wort Chriſti, an welches ſich der Glaube
haͤlt. Es gehet demnach der Nachdruck des
Worts, wohnen, einwohnen, dahin, daß
man das Wort GOttes nicht ſolle unter und
bey ſich haben, wie einen Gaſt, der bald wie-
der weggehet, oder abziehet, ſondern zum be-
ſtaͤndigen und recht voͤlligen Gebrauch, daß
man ſich daſſelbe in allen ſeinen Theilen gantz
und gar zu nutze mache, und deſſelben ſich zur
taͤglichen Nahrung ſeiner Seelen recht frucht-
barlich bediene, und es im Hertzen auch recht
bewahre und wohl erwege, und ſolchen wuͤr-
digen Gebrauch in einem demſelben gemaͤſſen
heiligen Wandel erweiſe. Denn wo das
Wort GOttes alſo in unſer Hertz eingepflan-
tzet iſt, wie Jacobus redet c. 1, 21. ſo werden
wir dadurch auch der Fuͤlle der Gottheit, wel-
che in Chriſto leibhaftig wohnet, aus der Sal-
bung des Heiligen Geiſtes theilhaftig, und
werden erfuͤllet mit allerley GOttes Fuͤlle
nach Col. 2, 10. Eph. 3, 19. Und da das
Wort GOttes durch den Glauben aufgenom-
men und in uns gleichſam digeriret und ver-
dauet wird, ſo ſpricht Paulus daher auch
2 Tim. 1, 5. vom Glauben, daß er im
Timotheo wohne, wie er in ſeiner Groß-
mutter, Loide, und in ſeiner Mutter, Eu-
nike, gewohnet habe. Hingegen heißt es
Joh. 5, 38. von den Juden: Sein (GOttes)
Wort habet ihr nicht in euch wohnend:
denn ihr glaͤubet dem nicht, den er ge-
ſandt hat.
b. Das Wort GOttes ſoll unter ihnen woh-
nen, πλουσίως, reichlich, das iſt, alſo, daß
man ſeinen Reichthum, den es an und in ſich
ſelbſt hat, erkenne, und deſſen auch theilhaf-
tig werde, und dannenhero auch reichlich,
oder zum oͤftern und fleißig damit umgehe,
nicht allein oͤffentlich, ſondern auch beſonders,
und auf mancherley Art, theils mit Leſen,
theils mit Anhoͤren, theils mit andaͤchtiger
Betrachtung, auch mit dem Geſange auf
mancherley Art, wie es darauf von Paulo er-
klaͤret wird; und dabey am allermeiſten in der
wircklichen Ubung. Der Grund von der
reichlichen Handlung des goͤttlichen Worts
lieget in deſſelben ſo gar herrlichem Reich-
thum der darinnen geoffenbahreten Glau-
bens-Geheimniſſe, als darinnen ſich bey
der Betrachtung eine Tiefe nach der andern
hervor thut. Nimmt man nun den, zu einem
wohlgeordneten Chriſtlichen Leben, wie es in-
nerlich und aͤuſſerlich vor GOtt und Men-
ſchen beſchaffen ſeyn ſoll, darinnen liegenden
ſo gar lehrreichen auch troſtreichen Vor-
trag auch dazu, und erweget noch uͤber das
die Geheimniſſe von der ſo wunder-vollen
Harmonie und endlichen Ausfuͤhrung
aller Werck GOttes, davon die Pro-
pheten und die Offenbarung Johannis
voll iſt; ſo iſt der Reichthum noch groͤſſer.
Es haben demnach die Worte Pauli c. 2, 2. 3.
einen Nachdruck, wenn er ſaget, daß in dem
Geheimniß des Vaters und des Sohnes
alle Schaͤtze der Weisheit und der Er-
kaͤntniß verborgen liegen. Da nun das
Wort GOttes von einem ſolchen Reichthum
iſt, ſo erfodert es denn auch billig eine reichli-
chere und fleißigere Handlung: und zwar
eine ſolche, die nicht allein ſey unter den Chri-
ſten, ſondern auch in ihnen, daß das Wort
bey ihnen recht zur Kraft komme. Denn al-
ſo haben wir alhier die Worte ἐν ὑμῖν ſonder-
lich zu nehmen, daß es heiſſe in euch. Wel-
ches denn auch dieſe Ordnung mit ſich brach-
te, daß es, zu dem Zwecke der innerlichen
Einwohnung und Einwurtzelung, auch aͤuſ-
ſerlich alſo muſte tractiret werden, daß auch
die Sinnen des Geſichts zum Leſen, und des
Gehoͤres dabey ihr Geſchaͤfte hatten.
c. Es ſoll das Wort auch unter und in den Glaͤu-
bigen wohnen in aller Weisheit; da das
Woͤrtlein in wie ſonſt oͤfter, alſo auch alhier
wol ſo viel heiſſen kan, als zu, zu aller Weis-
heit: daß Pauli Meinung ſey, es ſolle die
reichliche Handlung des Worts Chriſti, weil
alle Schaͤtze der Weisheit und der Erkaͤntniß
darinnen verborgen liegen, zu aller Weisheit
dienen, um darinnen immer mehr zuzunehmen,
nemlich in einer ſolchen Weisheit, welche
voller Furcht des HErrn iſt: und daß man da-
her nach c. 2, 8. ſo viel weniger noͤthig habe,
ſich nach der magern und thoͤrichten Philoſo-
phie umzuſehen. Von der wahren Weis-
heit, welche aus GOttes Wort koͤmmt, ſehe
man unter andern 5 B. Moſ. 4, 6. 7. So be-
haltet es nun, und thuts (was ich euch
gebiete) denn das wird eure Weisheit
und Verſtand ſeyn bey allen Voͤlckern,
wenn ſie hoͤren werden alle dieſe Gebote,
daß ſie muͤſſen ſagen: Ey welche weiſe
und verſtaͤndige Leute ſind das, und ein
herrlich Volck- und wo iſt ein ſo herr-
lich Volck, das ſo gerechte Sitten und
Gebote habe, als alles dieſes Geſetze,
das ich heutiges Tages vortrage. Galt
nun dieſes vom Moral-Geſetze, davon fuͤr-
nehmlich die Rede in angefuͤhrten Worten iſt;
was ſolte denn nicht vom Evangelio koͤnnen
geſaget werden? denn dieſes kan mit beſon-
derer Kraft die albernen weiſe machen Pſ.
19, 8. Es dienet gewiß der gantzen heiligen
Schrift zum groſſen Lobe, daß Paulus von
allen ihren Theilenbezeuget, daß ſie ſind δυνά-
μενα σοφίσαι, die das Vermoͤgen haben
weiſe zu machen 2 Pet. 3, 15. Und dis iſt
wie von der heiligen Schrift, alſo auch von
der darinnen geoffenbareten Religion wohl zu
mercken, daß ſie voller Weisheit ſey. Denn
ob gleich die Glaubens-Geheimniß von ſolcher
Hoͤhe und Tiefe ſind, daß ſie kein menſchlicher
Verſtand hat ausdencken und erfinden koͤn-
nen; ſo ſind ſie doch von der Beſchaffenheit,
daß auch die Vernunft die darinnen liegende
ſo herrliche Harmonie und Weisheit, auch die
Einrichtung, welche ſie in Anſehung GOttes
und der Menſchen hat, da ſie der Natur
GOttes und des Menſchen ſo gar gemaͤß iſt,
billig mit Ehrfurcht bewundern muß. Wel-
ches denn ein recht goͤttlicher Character iſt von
der Wahrheit der geoffenbareten Religion.
5. Nach-
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