Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 6. [Spaltenumbruch]
5. Wider das siebende Gebot gehet der Geitz, davon alhier zweyerley insonderheit zu mercken ist: a. Worinnen er bestehe? Darinnen, daß der Mensch, wenn er die Begierden seiner un- sterblichen Seele in irdische Dinge eingefüh- ret hat, sie aber damit, als mit einer zu ihrer Natur sich gar nicht schickenden Sache, gar nicht sättigen und beruhigen kan, daher, um sie doch zu vergnügen, immer mehr haben will, aber eben mit der Vermehrung der irdischen Güter auch die Begierden selbst in sich ver- mehret, und also am Geitze eine beständige Unruhe und Plage seiner Seelen in sich hat. Denn so unmüglich es ist, daß sich ein Kaste mit Tugenden erfüllen läßt, da es heteroge- nea, Sachen von ungleicher Natur sind: so wenig lässet sich auch die unsterbliche Begier- de der Seele, als eines Geistes, mit bloß leib- lichen Dingen sättigen, da sie in nichts ihre Ruhe findet, als in einem unendlichen Gute, in GOTT und göttlichen Dingen, als da sind die Heils-Güter. b. Warum der Geitz eine Abgötterey ge- nennet werde? Darum, weil der Mensch dadurch mit seinen Begierden von GOtt ab- tritt, sich von dem Schöpfer zu dem Geschö- pfe wendet, daran hanget, und darinnen sein höchstes Gut suchet: welches zwar auch durch die viehische Wollust geschiehet, aber am al- lermeisten durch den Geitz. Siehe desglei- chen Eph. 5, 3. und sonderlich v. 5. da es heißt: Das sollt ihr aber wissen, daß kein Hu- rer, oder Unreiner, oder Geitziger, wel- cher ist ein Götzen-Diener, Erbe hat an dem Reiche CHristi und GOttes. Daß der Geitz eine Wurtzel alles Ubels sey, und wie er von Paulo noch sonst beschrieben wer- de, das sehe man 1 Tim. 6, 9. u. f. 6. Nun fraget sich, warum denn Paulus diese Laster Glieder nenne, und zwar die auf Erden sind? a. Glieder nennet er sie in Ansehung des Lei- bes. Das alhier bey dem Worte Glieder nicht ausgedruckte, aber doch relative verstan- dene Wort, Leib, oder Cörper, heißt nicht ein natürlicher, oder eigentlicher Leib, sondern es ist so viel, als etwas, das gantz ist, und aus vielen Theilen bestehet: in wel- chem Verstande man auch eine iede Societät einen Cörper, welcher seine Glieder hat, nen- net. Und ob gleich der Apostel alhier das Wort Cörper in diesem Texte nicht ausdrück- lich gesetzet hat; so hat er es doch anderwär- tig gebrauchet, und zwar auch in dieser Epi- stel; nemlich c. 2, 11. wie wir schon oben ge- sehen haben: als da er redet von der Ablegung des sündlichen Leibes im Fleische, oder nach dem Griechischen, von dem Leibe der Sünden, das ist, von der Erb-Sünde, so fern die noch immer mehr in den Gläubigen soll getödtet werden. Und eben also gebrau- chet er dieses Wort Rom. 6, 6. da er spricht: Wir wissen, daß unser alter Mensch samt ihm (CHristo) gecreutziget ist, auf daß der sündliche Leib aufhöre, daß wir [Spaltenumbruch] hinfort der Sünde nicht dienen. Und gleichwie der Apostel an diesem Orte des Briefes an die Römer sich beyder Redens- Arten, der alte Mensch und der Leib der Sünden, bedienet: also hat er auch in dem folgenden Contexte dieses Briefes an die Co- losser die Worte alter Mensch v. 9. in glei- chem Verstande gebrauchet, wenn er saget, man solle den alten Menschen mit seinen Wercken ausziehen. Da er denn Wercke nennet, was er vorher Glieder genennet hat. Er verstehet demnach durch die Worte alter Mensch und Leib die Erb-Sünde, bey wel- cher die würcklichen Sünden das sind, was die Glieder sind am natürlichen Leibe. b. Von diesen Gliedern saget er, daß sie auf Erden sind, im Absehen auf die vorherge- hende Worte: Trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem, das auf Er- den ist. Und also erkläret er v. 5. was er durch das, so auf Erden ist und man nicht suchen soll, verstehe; nemlich das sündliche Wesen, wie es in Augen-Lust, Fleisches-Lust und hoffärtigem Wesen lieget, und sich dadurch hervor thut. 7. Wie sich nun die gläubigen Colosser ge- gen solche Glieder verhalten sollen, zeiget der Apostel an mit dem Worte nekrosate, tödtet. Welches Tödten die geistliche Lebens-Kraft zum Grunde setzet, und drey Stücke in sich fas- set: a. Daß man solle die Sünde innerlich bey ih- rer Wurtzel und bey ihrem Grunde, darin- nen sie ihr rechtes Leben hat, angreifen, und daselbst dämpfen: und daß solches Tödten bestehen solle in einem innerlichen siegreichen Kampfe, darinnen man aus der Kraft des in- wohnenden neuen Lebens einen rechten Ernst beweise. b. Daß man, wenn die Tödtung ein und mehr- mal geschehen, und der Sieg dadurch ist er- halten worden, nicht sicher sey; sondern bey aller Wachsamkeit über sich selbst damit fort- fahre, so oft die noch übrige Sünde aufs neue aufsteiget und ansetzet: wie sie denn thut. c. Daß man von aussen sorgfältig alle Ge- legenheit meide, dadurch die böse Lust-Be- gierde pfleget gereitzet zu werden, damit man sich den Kampf nicht selbst schwerer mache. Dieses Tödten nennet der Apostel Gal. 5, 24. das Fleisch creutzigen samt den Lü- sten und Begierden. Siehe auch Rom. 8, 13. da es heißt des Fleisches Geschäfte tödten. 8. Was die Colosser zu solcher Mortifica- tion der Glieder auf Erden bewegen soll, das lieget theils im vorhergehenden, theils im nachfolgenden Contexte. a. Jm vorhergehenden, darauf er mit dem Wörtlein ou'~n, derohalben, oder so nun, so tödtet nun, weiset, ist theils das grosse evangelische Gut, die Seligkeit, die man nebst den zur Uberwindung nöthigen Gnaden-Kräf- ten von CHristo im Glauben schon dem gu- ten Anfange nach, habe, und dero Vollen- dung
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 6. [Spaltenumbruch]
5. Wider das ſiebende Gebot gehet der Geitz, davon alhier zweyerley inſonderheit zu mercken iſt: a. Worinnen er beſtehe? Darinnen, daß der Menſch, wenn er die Begierden ſeiner un- ſterblichen Seele in irdiſche Dinge eingefuͤh- ret hat, ſie aber damit, als mit einer zu ihrer Natur ſich gar nicht ſchickenden Sache, gar nicht ſaͤttigen und beruhigen kan, daher, um ſie doch zu vergnuͤgen, immer mehr haben will, aber eben mit der Vermehrung der irdiſchen Guͤter auch die Begierden ſelbſt in ſich ver- mehret, und alſo am Geitze eine beſtaͤndige Unruhe und Plage ſeiner Seelen in ſich hat. Denn ſo unmuͤglich es iſt, daß ſich ein Kaſte mit Tugenden erfuͤllen laͤßt, da es heteroge- nea, Sachen von ungleicher Natur ſind: ſo wenig laͤſſet ſich auch die unſterbliche Begier- de der Seele, als eines Geiſtes, mit bloß leib- lichen Dingen ſaͤttigen, da ſie in nichts ihre Ruhe findet, als in einem unendlichen Gute, in GOTT und goͤttlichen Dingen, als da ſind die Heils-Guͤter. b. Warum der Geitz eine Abgoͤtterey ge- nennet werde? Darum, weil der Menſch dadurch mit ſeinen Begierden von GOtt ab- tritt, ſich von dem Schoͤpfer zu dem Geſchoͤ- pfe wendet, daran hanget, und darinnen ſein hoͤchſtes Gut ſuchet: welches zwar auch durch die viehiſche Wolluſt geſchiehet, aber am al- lermeiſten durch den Geitz. Siehe desglei- chen Eph. 5, 3. und ſonderlich v. 5. da es heißt: Das ſollt ihr aber wiſſen, daß kein Hu- rer, oder Unreiner, oder Geitziger, wel- cher iſt ein Goͤtzen-Diener, Erbe hat an dem Reiche CHriſti und GOttes. Daß der Geitz eine Wurtzel alles Ubels ſey, und wie er von Paulo noch ſonſt beſchrieben wer- de, das ſehe man 1 Tim. 6, 9. u. f. 6. Nun fraget ſich, warum denn Paulus dieſe Laſter Glieder nenne, und zwar die auf Erden ſind? a. Glieder nennet er ſie in Anſehung des Lei- bes. Das alhier bey dem Worte Glieder nicht ausgedruckte, aber doch relative verſtan- dene Wort, Leib, oder Coͤrper, heißt nicht ein natuͤrlicher, oder eigentlicher Leib, ſondern es iſt ſo viel, als etwas, das gantz iſt, und aus vielen Theilen beſtehet: in wel- chem Verſtande man auch eine iede Societaͤt einen Coͤrper, welcher ſeine Glieder hat, nen- net. Und ob gleich der Apoſtel alhier das Wort Coͤrper in dieſem Texte nicht ausdruͤck- lich geſetzet hat; ſo hat er es doch anderwaͤr- tig gebrauchet, und zwar auch in dieſer Epi- ſtel; nemlich c. 2, 11. wie wir ſchon oben ge- ſehen haben: als da er redet von der Ablegung des ſuͤndlichen Leibes im Fleiſche, oder nach dem Griechiſchen, von dem Leibe der Suͤnden, das iſt, von der Erb-Suͤnde, ſo fern die noch immer mehr in den Glaͤubigen ſoll getoͤdtet werden. Und eben alſo gebrau- chet er dieſes Wort Rom. 6, 6. da er ſpricht: Wir wiſſen, daß unſer alter Menſch ſamt ihm (CHriſto) gecreutziget iſt, auf daß der ſuͤndliche Leib aufhoͤre, daß wir [Spaltenumbruch] hinfort der Suͤnde nicht dienen. Und gleichwie der Apoſtel an dieſem Orte des Briefes an die Roͤmer ſich beyder Redens- Arten, der alte Menſch und der Leib der Suͤnden, bedienet: alſo hat er auch in dem folgenden Contexte dieſes Briefes an die Co- loſſer die Worte alter Menſch v. 9. in glei- chem Verſtande gebrauchet, wenn er ſaget, man ſolle den alten Menſchen mit ſeinen Wercken ausziehen. Da er denn Wercke nennet, was er vorher Glieder genennet hat. Er verſtehet demnach durch die Worte alter Menſch und Leib die Erb-Suͤnde, bey wel- cher die wuͤrcklichen Suͤnden das ſind, was die Glieder ſind am natuͤrlichen Leibe. b. Von dieſen Gliedern ſaget er, daß ſie auf Erden ſind, im Abſehen auf die vorherge- hende Worte: Trachtet nach dem, das droben iſt, nicht nach dem, das auf Er- den iſt. Und alſo erklaͤret er v. 5. was er durch das, ſo auf Erden iſt und man nicht ſuchen ſoll, verſtehe; nemlich das ſuͤndliche Weſen, wie es in Augen-Luſt, Fleiſches-Luſt und hoffaͤrtigem Weſen lieget, und ſich dadurch hervor thut. 7. Wie ſich nun die glaͤubigen Coloſſer ge- gen ſolche Glieder verhalten ſollen, zeiget der Apoſtel an mit dem Worte νεκρώσατε, toͤdtet. Welches Toͤdten die geiſtliche Lebens-Kraft zum Grunde ſetzet, und drey Stuͤcke in ſich faſ- ſet: a. Daß man ſolle die Suͤnde innerlich bey ih- rer Wurtzel und bey ihrem Grunde, darin- nen ſie ihr rechtes Leben hat, angreifen, und daſelbſt daͤmpfen: und daß ſolches Toͤdten beſtehen ſolle in einem innerlichen ſiegreichen Kampfe, darinnen man aus der Kraft des in- wohnenden neuen Lebens einen rechten Ernſt beweiſe. b. Daß man, wenn die Toͤdtung ein und mehr- mal geſchehen, und der Sieg dadurch iſt er- halten worden, nicht ſicher ſey; ſondern bey aller Wachſamkeit uͤber ſich ſelbſt damit fort- fahre, ſo oft die noch uͤbrige Suͤnde aufs neue aufſteiget und anſetzet: wie ſie denn thut. c. Daß man von auſſen ſorgfaͤltig alle Ge- legenheit meide, dadurch die boͤſe Luſt-Be- gierde pfleget gereitzet zu werden, damit man ſich den Kampf nicht ſelbſt ſchwerer mache. Dieſes Toͤdten nennet der Apoſtel Gal. 5, 24. das Fleiſch creutzigen ſamt den Luͤ- ſten und Begierden. Siehe auch Rom. 8, 13. da es heißt des Fleiſches Geſchaͤfte toͤdten. 8. Was die Coloſſer zu ſolcher Mortifica- tion der Glieder auf Erden bewegen ſoll, das lieget theils im vorhergehenden, theils im nachfolgenden Contexte. a. Jm vorhergehenden, darauf er mit dem Woͤrtlein ου῏ν, derohalben, oder ſo nun, ſo toͤdtet nun, weiſet, iſt theils das groſſe evangeliſche Gut, die Seligkeit, die man nebſt den zur Uberwindung noͤthigen Gnaden-Kraͤf- ten von CHriſto im Glauben ſchon dem gu- ten Anfange nach, habe, und dero Vollen- dung
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 3, v. 6.
5. Wider das ſiebende Gebot gehet der
Geitz, davon alhier zweyerley inſonderheit zu
mercken iſt:
a. Worinnen er beſtehe? Darinnen, daß der
Menſch, wenn er die Begierden ſeiner un-
ſterblichen Seele in irdiſche Dinge eingefuͤh-
ret hat, ſie aber damit, als mit einer zu ihrer
Natur ſich gar nicht ſchickenden Sache, gar
nicht ſaͤttigen und beruhigen kan, daher, um
ſie doch zu vergnuͤgen, immer mehr haben will,
aber eben mit der Vermehrung der irdiſchen
Guͤter auch die Begierden ſelbſt in ſich ver-
mehret, und alſo am Geitze eine beſtaͤndige
Unruhe und Plage ſeiner Seelen in ſich hat.
Denn ſo unmuͤglich es iſt, daß ſich ein Kaſte
mit Tugenden erfuͤllen laͤßt, da es heteroge-
nea, Sachen von ungleicher Natur ſind: ſo
wenig laͤſſet ſich auch die unſterbliche Begier-
de der Seele, als eines Geiſtes, mit bloß leib-
lichen Dingen ſaͤttigen, da ſie in nichts ihre
Ruhe findet, als in einem unendlichen Gute,
in GOTT und goͤttlichen Dingen, als da ſind
die Heils-Guͤter.
b. Warum der Geitz eine Abgoͤtterey ge-
nennet werde? Darum, weil der Menſch
dadurch mit ſeinen Begierden von GOtt ab-
tritt, ſich von dem Schoͤpfer zu dem Geſchoͤ-
pfe wendet, daran hanget, und darinnen ſein
hoͤchſtes Gut ſuchet: welches zwar auch durch
die viehiſche Wolluſt geſchiehet, aber am al-
lermeiſten durch den Geitz. Siehe desglei-
chen Eph. 5, 3. und ſonderlich v. 5. da es heißt:
Das ſollt ihr aber wiſſen, daß kein Hu-
rer, oder Unreiner, oder Geitziger, wel-
cher iſt ein Goͤtzen-Diener, Erbe hat an
dem Reiche CHriſti und GOttes. Daß
der Geitz eine Wurtzel alles Ubels ſey, und
wie er von Paulo noch ſonſt beſchrieben wer-
de, das ſehe man 1 Tim. 6, 9. u. f.
6. Nun fraget ſich, warum denn Paulus
dieſe Laſter Glieder nenne, und zwar die auf
Erden ſind?
a. Glieder nennet er ſie in Anſehung des Lei-
bes. Das alhier bey dem Worte Glieder
nicht ausgedruckte, aber doch relative verſtan-
dene Wort, Leib, oder Coͤrper, heißt
nicht ein natuͤrlicher, oder eigentlicher Leib,
ſondern es iſt ſo viel, als etwas, das gantz iſt,
und aus vielen Theilen beſtehet: in wel-
chem Verſtande man auch eine iede Societaͤt
einen Coͤrper, welcher ſeine Glieder hat, nen-
net. Und ob gleich der Apoſtel alhier das
Wort Coͤrper in dieſem Texte nicht ausdruͤck-
lich geſetzet hat; ſo hat er es doch anderwaͤr-
tig gebrauchet, und zwar auch in dieſer Epi-
ſtel; nemlich c. 2, 11. wie wir ſchon oben ge-
ſehen haben: als da er redet von der Ablegung
des ſuͤndlichen Leibes im Fleiſche, oder
nach dem Griechiſchen, von dem Leibe der
Suͤnden, das iſt, von der Erb-Suͤnde, ſo
fern die noch immer mehr in den Glaͤubigen
ſoll getoͤdtet werden. Und eben alſo gebrau-
chet er dieſes Wort Rom. 6, 6. da er ſpricht:
Wir wiſſen, daß unſer alter Menſch
ſamt ihm (CHriſto) gecreutziget iſt, auf
daß der ſuͤndliche Leib aufhoͤre, daß wir
hinfort der Suͤnde nicht dienen. Und
gleichwie der Apoſtel an dieſem Orte des
Briefes an die Roͤmer ſich beyder Redens-
Arten, der alte Menſch und der Leib der
Suͤnden, bedienet: alſo hat er auch in dem
folgenden Contexte dieſes Briefes an die Co-
loſſer die Worte alter Menſch v. 9. in glei-
chem Verſtande gebrauchet, wenn er ſaget,
man ſolle den alten Menſchen mit ſeinen
Wercken ausziehen. Da er denn Wercke
nennet, was er vorher Glieder genennet hat.
Er verſtehet demnach durch die Worte alter
Menſch und Leib die Erb-Suͤnde, bey wel-
cher die wuͤrcklichen Suͤnden das ſind, was
die Glieder ſind am natuͤrlichen Leibe.
b. Von dieſen Gliedern ſaget er, daß ſie auf
Erden ſind, im Abſehen auf die vorherge-
hende Worte: Trachtet nach dem, das
droben iſt, nicht nach dem, das auf Er-
den iſt. Und alſo erklaͤret er v. 5. was er
durch das, ſo auf Erden iſt und man nicht
ſuchen ſoll, verſtehe; nemlich das ſuͤndliche
Weſen, wie es in Augen-Luſt, Fleiſches-Luſt
und hoffaͤrtigem Weſen lieget, und ſich dadurch
hervor thut.
7. Wie ſich nun die glaͤubigen Coloſſer ge-
gen ſolche Glieder verhalten ſollen, zeiget der
Apoſtel an mit dem Worte νεκρώσατε, toͤdtet.
Welches Toͤdten die geiſtliche Lebens-Kraft zum
Grunde ſetzet, und drey Stuͤcke in ſich faſ-
ſet:
a. Daß man ſolle die Suͤnde innerlich bey ih-
rer Wurtzel und bey ihrem Grunde, darin-
nen ſie ihr rechtes Leben hat, angreifen, und
daſelbſt daͤmpfen: und daß ſolches Toͤdten
beſtehen ſolle in einem innerlichen ſiegreichen
Kampfe, darinnen man aus der Kraft des in-
wohnenden neuen Lebens einen rechten Ernſt
beweiſe.
b. Daß man, wenn die Toͤdtung ein und mehr-
mal geſchehen, und der Sieg dadurch iſt er-
halten worden, nicht ſicher ſey; ſondern bey
aller Wachſamkeit uͤber ſich ſelbſt damit fort-
fahre, ſo oft die noch uͤbrige Suͤnde aufs
neue aufſteiget und anſetzet: wie ſie denn
thut.
c. Daß man von auſſen ſorgfaͤltig alle Ge-
legenheit meide, dadurch die boͤſe Luſt-Be-
gierde pfleget gereitzet zu werden, damit man
ſich den Kampf nicht ſelbſt ſchwerer mache.
Dieſes Toͤdten nennet der Apoſtel Gal. 5,
24. das Fleiſch creutzigen ſamt den Luͤ-
ſten und Begierden. Siehe auch Rom.
8, 13. da es heißt des Fleiſches Geſchaͤfte
toͤdten.
8. Was die Coloſſer zu ſolcher Mortifica-
tion der Glieder auf Erden bewegen ſoll, das
lieget theils im vorhergehenden, theils im
nachfolgenden Contexte.
a. Jm vorhergehenden, darauf er mit dem
Woͤrtlein ου῏ν, derohalben, oder ſo nun,
ſo toͤdtet nun, weiſet, iſt theils das groſſe
evangeliſche Gut, die Seligkeit, die man nebſt
den zur Uberwindung noͤthigen Gnaden-Kraͤf-
ten von CHriſto im Glauben ſchon dem gu-
ten Anfange nach, habe, und dero Vollen-
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