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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 8.
[Spaltenumbruch] wahren Weisheit in CHristo und in dem Ge-
heimniß des Evangelii, davon er v. 3 und 9
zeuget; wie auch gegen die Pralerey, da man
derselben ein grosses Gewichte der Wahrheit
zuschrieb: davon sie doch nichts hatte, son-
dern gantz leer war, und die, welche sich da-
durch einnehmen liessen, von aller Wahrheit
und von allem guten recht ausleerete.
b. Diesen Schaden anzuzeigen, gebrauchet er
das nachdrückliche Wort sulagogei~n berau-
ben.
Denn es waren solche Jrrgeister rech-
te Räuber und Diebe, durch welche man, ehe
man es sich versahe, konte um die vorhin v. 3.
angepriesene Schätze der Weisheit und Er-
käntniß gebracht und gleichsam geplündert
und nackt ausgezogen werden.
c. Mit den übrigen Worten zeiget Paulus an,
woher die falsche Weisheit komme, und wor-
auf sie zum Theil gehe. Jhr Ursprung war
von Menschen, und zwar solchen, welche der
Wahrheit selbst beraubet und von zerrütteten
Sinnen waren. Und da, was solche bereits
von vielen Zeiten her in göttlichen Dingen
für thörichte Einfälle gehabt hatten, von einer
Zeit auf die andere war fortgepflantzet worden,
und also an statt einer wahren Tradition eine
falsche aufgekommen, so nennet es der Apo-
stel paradosin, paradosin pnthropon, eine
überlieferte Menschen-Lehre. Womit er
sonderlich auf die falsche kabbalistische Theo-
logi
e der Juden siehet: dergleichen aber auch
die verkehrten Philosophi der heidnischen
Völcker, sonderlich der orientalischen, unter
sich hatten.
d. Und weil unter den Verführern sonderlich sol-
che jüdische Halbchristen waren, welche die
lautere Lehre des Evangelii mit der Beschnei-
dung und andern jüdischen Ceremonial-Sa-
tzungen vermengeten, so nennet der Apostel
diese Dinge soikhei~a tou~ kosmou, Elemente der
Welt, das ist solche Dinge, welche nur äus-
serlich und wie die ersten Buchstaben des Got-
tes-Dienstes waren, dadurch GOtt die Ju-
den auf den dadurch bezeichneten innerlichen
habe führen wollen. Von welcher Redens-
Art, welche nicht füglich durch Satzungen
der Welt
gegeben wird, man die Anmer-
ckungen sehe über die Oerter Gal. 4, 3. 9.
e. Da nun diese Dinge dem lautern Evangelio
von CHristo entgegen gesetzet wurden, so setzet
der Apostel dazu ou kata Khrison, daß sie nicht
nach CHristo, nach CHristi Sinn, Lehre und
Reich eingerichtet gewesen sind, sondern viel-
mehr davon abgeführet haben.
8. Nun haben wir zu mercken, wie diese
Apostolische Warnung noch heute zu Tage
sehr
nöthig sey, folgender Weise:
a. Es hat die falsche Philosophie der Christlichen
Religion von ihrem ersten Anfange bis hieher
vielen Schaden gethan; und hat man oft er-
fahren, daß es wahr sey, was Tertullianus im
Buche wider Hermogenem schreibet, Philoso-
phos esse haereticorum patriarchas,
daß die Ke-
tzereyen aus der falschen Philosophie gebohren
würden.
b. Das grosse Ubel bey der falschen Philosophie
[Spaltenumbruch] hat sich hervor gethan theils in irrigen und
schädlichen Principiis und deren Vermen-
gung mit den heilsamen Lehren der Christli-
chen Religion; theils auch in der stoltzen
Meisterschaft,
durch welche man sich über
dieselbe freventlich hinweg gesetzet, und sie nach
gedachter falschen, theils auch zwar an sich rich-
tigen, aber übel applicirten, oder gemißbrauch-
ten, Principiis, beurtheilet hat, und dabey
von der geoffenbarten auf die bloß natürliche
Religion, und von dieser, da man bey so zer-
rütteten Sinnen auch weder das Licht noch
das Recht der Natur behalten hat, auf Athei-
ste
rey verfallen ist. Und also hat sich ein ge-
doppeltes
extremum hervor gethan: das ei-
ne in der Vermengung der bloß natürlichen
und dazu guten Theils unrichtigen Principio-
rum
mit den Grund-Lehren der geoffenbareten
Religion: das andere in einer solchen Tren-
nung
des natürlichen Lichts und Rechts von
der darinnen geoffenbareten Theologie, da
man keine Subordination unter jener, und kei-
ne Direction von jener hat erkennen wollen,
sondern man die stoltze Hagar über die Sa-
ram gesetzet, wo nicht gar diese ausgejaget
hat.
c. Da im Papstthum insonderheit die Aristoteli-
sche Philosophie geherrschet hat, und größten
Theils noch herrschet, so ist dadurch die Theo-
logi
e, welche man scholasticam nennet, sehr
verderbet, und wie spitzig, also auch stachlicht
und zancksüchtig worden. Davon man leider
zur Zeit der Reformation manches behalten,
noch mehr aber wieder angenommen hat, bis
gegen das Ende des vorigen Seculi, da es mit
der Philosophie, und folglich auch mit der
Theologie, größten Theils eine gantz andere
Gestalt gewonnen hat.
d. Denn an statt der Philosophiae sectariae, son-
derlich Aristotelicae, ist man auf eclecticam ge-
fallen. Und weil dadurch die Theologie von
dem philosophischen, sonderlich metaphysi-
schen, Schul-Joche mehr und mehr befreyet
wurde, so ist sie wieder zu der rechten Gestalt
der biblischen Einfalt, und gründlichen, auch
erbaulichen, Lauterkeit an vielen Orten ge-
langet.
e. Gleichwie aber von der Philosophia sectaria,
insonderheit Aristotelica, und was darinn
die Morale, oder Sitten-Lehre, betrifft, unter
andern ein fast durchgehends noch unerkanter
Haupt-Jrrthum übrig ist: so hat sich auch von
dem Mißbrauche der eclectischen Philosophie
ein solcher Schade hervor gethan, welcher
das vorige Ubel der sectirischen fast über-
trifft.
f. Der von der Aristotelischen vor andern noch
ietzo übrige und herrschende Jrrthum, ist
die Lehre von den also genannten Mittel-
Dingen,
da man die nach dem Falle
in dem Menschen befindliche Lust-Be-
gierden
mit der Facultät des Willens, wel-
che der Seelen wesentlich und an sich gut ist,
confundiret, und, nach Aristotelischem Grun-
de auch jene für unsündlich hält, und die Tu-
gend nur in einer Mäßigung derselben, nem-
lich
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 8.
[Spaltenumbruch] wahren Weisheit in CHriſto und in dem Ge-
heimniß des Evangelii, davon er v. 3 und 9
zeuget; wie auch gegen die Pralerey, da man
derſelben ein groſſes Gewichte der Wahrheit
zuſchrieb: davon ſie doch nichts hatte, ſon-
dern gantz leer war, und die, welche ſich da-
durch einnehmen lieſſen, von aller Wahrheit
und von allem guten recht ausleerete.
b. Dieſen Schaden anzuzeigen, gebrauchet er
das nachdruͤckliche Wort συλαγωγει῀ν berau-
ben.
Denn es waren ſolche Jrrgeiſter rech-
te Raͤuber und Diebe, durch welche man, ehe
man es ſich verſahe, konte um die vorhin v. 3.
angeprieſene Schaͤtze der Weisheit und Er-
kaͤntniß gebracht und gleichſam gepluͤndert
und nackt ausgezogen werden.
c. Mit den uͤbrigen Worten zeiget Paulus an,
woher die falſche Weisheit komme, und wor-
auf ſie zum Theil gehe. Jhr Urſprung war
von Menſchen, und zwar ſolchen, welche der
Wahrheit ſelbſt beraubet und von zerruͤtteten
Sinnen waren. Und da, was ſolche bereits
von vielen Zeiten her in goͤttlichen Dingen
fuͤr thoͤrichte Einfaͤlle gehabt hatten, von einer
Zeit auf die andere war fortgepflantzet worden,
und alſo an ſtatt einer wahren Tradition eine
falſche aufgekommen, ſo nennet es der Apo-
ſtel παράδοσιν, πάράδοσιν πνϑρώπων, eine
uͤberlieferte Menſchen-Lehre. Womit er
ſonderlich auf die falſche kabbaliſtiſche Theo-
logi
e der Juden ſiehet: dergleichen aber auch
die verkehrten Philoſophi der heidniſchen
Voͤlcker, ſonderlich der orientaliſchen, unter
ſich hatten.
d. Und weil unter den Verfuͤhrern ſonderlich ſol-
che juͤdiſche Halbchriſten waren, welche die
lautere Lehre des Evangelii mit der Beſchnei-
dung und andern juͤdiſchen Ceremonial-Sa-
tzungen vermengeten, ſo nennet der Apoſtel
dieſe Dinge ςοιχει῀α του῀ κόσμου, Elemente der
Welt, das iſt ſolche Dinge, welche nur aͤuſ-
ſerlich und wie die erſten Buchſtaben des Got-
tes-Dienſtes waren, dadurch GOtt die Ju-
den auf den dadurch bezeichneten innerlichen
habe fuͤhren wollen. Von welcher Redens-
Art, welche nicht fuͤglich durch Satzungen
der Welt
gegeben wird, man die Anmer-
ckungen ſehe uͤber die Oerter Gal. 4, 3. 9.
e. Da nun dieſe Dinge dem lautern Evangelio
von CHriſto entgegen geſetzet wurden, ſo ſetzet
der Apoſtel dazu οὐ κατὰ Χριςὸν, daß ſie nicht
nach CHriſto, nach CHriſti Sinn, Lehre und
Reich eingerichtet geweſen ſind, ſondern viel-
mehr davon abgefuͤhret haben.
8. Nun haben wir zu mercken, wie dieſe
Apoſtoliſche Warnung noch heute zu Tage
ſehr
noͤthig ſey, folgender Weiſe:
a. Es hat die falſche Philoſophie der Chriſtlichen
Religion von ihrem erſten Anfange bis hieher
vielen Schaden gethan; und hat man oft er-
fahren, daß es wahr ſey, was Tertullianus im
Buche wider Hermogenem ſchreibet, Philoſo-
phos eſſe hæreticorum patriarchas,
daß die Ke-
tzereyen aus der falſchen Philoſophie gebohren
wuͤrden.
b. Das groſſe Ubel bey der falſchen Philoſophie
[Spaltenumbruch] hat ſich hervor gethan theils in irrigen und
ſchaͤdlichen Principiis und deren Vermen-
gung mit den heilſamen Lehren der Chriſtli-
chen Religion; theils auch in der ſtoltzen
Meiſterſchaft,
durch welche man ſich uͤber
dieſelbe freventlich hinweg geſetzet, und ſie nach
gedachter falſchen, theils auch zwar an ſich rich-
tigen, aber uͤbel applicirten, oder gemißbrauch-
ten, Principiis, beurtheilet hat, und dabey
von der geoffenbarten auf die bloß natuͤrliche
Religion, und von dieſer, da man bey ſo zer-
ruͤtteten Sinnen auch weder das Licht noch
das Recht der Natur behalten hat, auf Athei-
ſte
rey verfallen iſt. Und alſo hat ſich ein ge-
doppeltes
extremum hervor gethan: das ei-
ne in der Vermengung der bloß natuͤrlichen
und dazu guten Theils unrichtigen Principio-
rum
mit den Grund-Lehren der geoffenbareten
Religion: das andere in einer ſolchen Tren-
nung
des natuͤrlichen Lichts und Rechts von
der darinnen geoffenbareten Theologie, da
man keine Subordination unter jener, und kei-
ne Direction von jener hat erkennen wollen,
ſondern man die ſtoltze Hagar uͤber die Sa-
ram geſetzet, wo nicht gar dieſe ausgejaget
hat.
c. Da im Papſtthum inſonderheit die Ariſtoteli-
ſche Philoſophie geherrſchet hat, und groͤßten
Theils noch herrſchet, ſo iſt dadurch die Theo-
logi
e, welche man ſcholaſticam nennet, ſehr
verderbet, und wie ſpitzig, alſo auch ſtachlicht
und zanckſuͤchtig worden. Davon man leider
zur Zeit der Reformation manches behalten,
noch mehr aber wieder angenommen hat, bis
gegen das Ende des vorigen Seculi, da es mit
der Philoſophie, und folglich auch mit der
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derlich Ariſtotelicæ, iſt man auf eclecticam ge-
fallen. Und weil dadurch die Theologie von
dem philoſophiſchen, ſonderlich metaphyſi-
ſchen, Schul-Joche mehr und mehr befreyet
wurde, ſo iſt ſie wieder zu der rechten Geſtalt
der bibliſchen Einfalt, und gruͤndlichen, auch
erbaulichen, Lauterkeit an vielen Orten ge-
langet.
e. Gleichwie aber von der Philoſophia ſectaria,
inſonderheit Ariſtotelica, und was darinn
die Morale, oder Sitten-Lehre, betrifft, unter
andern ein faſt durchgehends noch unerkanter
Haupt-Jrrthum uͤbrig iſt: ſo hat ſich auch von
dem Mißbrauche der eclectiſchen Philoſophie
ein ſolcher Schade hervor gethan, welcher
das vorige Ubel der ſectiriſchen faſt uͤber-
trifft.
f. Der von der Ariſtoteliſchen vor andern noch
ietzo uͤbrige und herrſchende Jrrthum, iſt
die Lehre von den alſo genannten Mittel-
Dingen,
da man die nach dem Falle
in dem Menſchen befindliche Luſt-Be-
gierden
mit der Facultaͤt des Willens, wel-
che der Seelen weſentlich und an ſich gut iſt,
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[776/0804] Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 8. wahren Weisheit in CHriſto und in dem Ge- heimniß des Evangelii, davon er v. 3 und 9 zeuget; wie auch gegen die Pralerey, da man derſelben ein groſſes Gewichte der Wahrheit zuſchrieb: davon ſie doch nichts hatte, ſon- dern gantz leer war, und die, welche ſich da- durch einnehmen lieſſen, von aller Wahrheit und von allem guten recht ausleerete. b. Dieſen Schaden anzuzeigen, gebrauchet er das nachdruͤckliche Wort συλαγωγει῀ν berau- ben. Denn es waren ſolche Jrrgeiſter rech- te Raͤuber und Diebe, durch welche man, ehe man es ſich verſahe, konte um die vorhin v. 3. angeprieſene Schaͤtze der Weisheit und Er- kaͤntniß gebracht und gleichſam gepluͤndert und nackt ausgezogen werden. c. Mit den uͤbrigen Worten zeiget Paulus an, woher die falſche Weisheit komme, und wor- auf ſie zum Theil gehe. Jhr Urſprung war von Menſchen, und zwar ſolchen, welche der Wahrheit ſelbſt beraubet und von zerruͤtteten Sinnen waren. Und da, was ſolche bereits von vielen Zeiten her in goͤttlichen Dingen fuͤr thoͤrichte Einfaͤlle gehabt hatten, von einer Zeit auf die andere war fortgepflantzet worden, und alſo an ſtatt einer wahren Tradition eine falſche aufgekommen, ſo nennet es der Apo- ſtel παράδοσιν, πάράδοσιν πνϑρώπων, eine uͤberlieferte Menſchen-Lehre. Womit er ſonderlich auf die falſche kabbaliſtiſche Theo- logie der Juden ſiehet: dergleichen aber auch die verkehrten Philoſophi der heidniſchen Voͤlcker, ſonderlich der orientaliſchen, unter ſich hatten. d. Und weil unter den Verfuͤhrern ſonderlich ſol- che juͤdiſche Halbchriſten waren, welche die lautere Lehre des Evangelii mit der Beſchnei- dung und andern juͤdiſchen Ceremonial-Sa- tzungen vermengeten, ſo nennet der Apoſtel dieſe Dinge ςοιχει῀α του῀ κόσμου, Elemente der Welt, das iſt ſolche Dinge, welche nur aͤuſ- ſerlich und wie die erſten Buchſtaben des Got- tes-Dienſtes waren, dadurch GOtt die Ju- den auf den dadurch bezeichneten innerlichen habe fuͤhren wollen. Von welcher Redens- Art, welche nicht fuͤglich durch Satzungen der Welt gegeben wird, man die Anmer- ckungen ſehe uͤber die Oerter Gal. 4, 3. 9. e. Da nun dieſe Dinge dem lautern Evangelio von CHriſto entgegen geſetzet wurden, ſo ſetzet der Apoſtel dazu οὐ κατὰ Χριςὸν, daß ſie nicht nach CHriſto, nach CHriſti Sinn, Lehre und Reich eingerichtet geweſen ſind, ſondern viel- mehr davon abgefuͤhret haben. 8. Nun haben wir zu mercken, wie dieſe Apoſtoliſche Warnung noch heute zu Tage ſehr noͤthig ſey, folgender Weiſe: a. Es hat die falſche Philoſophie der Chriſtlichen Religion von ihrem erſten Anfange bis hieher vielen Schaden gethan; und hat man oft er- fahren, daß es wahr ſey, was Tertullianus im Buche wider Hermogenem ſchreibet, Philoſo- phos eſſe hæreticorum patriarchas, daß die Ke- tzereyen aus der falſchen Philoſophie gebohren wuͤrden. b. Das groſſe Ubel bey der falſchen Philoſophie hat ſich hervor gethan theils in irrigen und ſchaͤdlichen Principiis und deren Vermen- gung mit den heilſamen Lehren der Chriſtli- chen Religion; theils auch in der ſtoltzen Meiſterſchaft, durch welche man ſich uͤber dieſelbe freventlich hinweg geſetzet, und ſie nach gedachter falſchen, theils auch zwar an ſich rich- tigen, aber uͤbel applicirten, oder gemißbrauch- ten, Principiis, beurtheilet hat, und dabey von der geoffenbarten auf die bloß natuͤrliche Religion, und von dieſer, da man bey ſo zer- ruͤtteten Sinnen auch weder das Licht noch das Recht der Natur behalten hat, auf Athei- ſterey verfallen iſt. Und alſo hat ſich ein ge- doppeltes extremum hervor gethan: das ei- ne in der Vermengung der bloß natuͤrlichen und dazu guten Theils unrichtigen Principio- rum mit den Grund-Lehren der geoffenbareten Religion: das andere in einer ſolchen Tren- nung des natuͤrlichen Lichts und Rechts von der darinnen geoffenbareten Theologie, da man keine Subordination unter jener, und kei- ne Direction von jener hat erkennen wollen, ſondern man die ſtoltze Hagar uͤber die Sa- ram geſetzet, wo nicht gar dieſe ausgejaget hat. c. Da im Papſtthum inſonderheit die Ariſtoteli- ſche Philoſophie geherrſchet hat, und groͤßten Theils noch herrſchet, ſo iſt dadurch die Theo- logie, welche man ſcholaſticam nennet, ſehr verderbet, und wie ſpitzig, alſo auch ſtachlicht und zanckſuͤchtig worden. Davon man leider zur Zeit der Reformation manches behalten, noch mehr aber wieder angenommen hat, bis gegen das Ende des vorigen Seculi, da es mit der Philoſophie, und folglich auch mit der Theologie, groͤßten Theils eine gantz andere Geſtalt gewonnen hat. d. Denn an ſtatt der Philoſophiæ ſectariæ, ſon- derlich Ariſtotelicæ, iſt man auf eclecticam ge- fallen. Und weil dadurch die Theologie von dem philoſophiſchen, ſonderlich metaphyſi- ſchen, Schul-Joche mehr und mehr befreyet wurde, ſo iſt ſie wieder zu der rechten Geſtalt der bibliſchen Einfalt, und gruͤndlichen, auch erbaulichen, Lauterkeit an vielen Orten ge- langet. e. Gleichwie aber von der Philoſophia ſectaria, inſonderheit Ariſtotelica, und was darinn die Morale, oder Sitten-Lehre, betrifft, unter andern ein faſt durchgehends noch unerkanter Haupt-Jrrthum uͤbrig iſt: ſo hat ſich auch von dem Mißbrauche der eclectiſchen Philoſophie ein ſolcher Schade hervor gethan, welcher das vorige Ubel der ſectiriſchen faſt uͤber- trifft. f. Der von der Ariſtoteliſchen vor andern noch ietzo uͤbrige und herrſchende Jrrthum, iſt die Lehre von den alſo genannten Mittel- Dingen, da man die nach dem Falle in dem Menſchen befindliche Luſt-Be- gierden mit der Facultaͤt des Willens, wel- che der Seelen weſentlich und an ſich gut iſt, confundiret, und, nach Ariſtoteliſchem Grun- de auch jene fuͤr unſuͤndlich haͤlt, und die Tu- gend nur in einer Maͤßigung derſelben, nem- lich

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 776. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/804>, abgerufen am 24.11.2024.